Wortklauberei: Das Beste aus der erfolgreichen KURIER-Kolumne
Von Wolfram Kautzky und Martin Neubauer
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Buchvorschau
Wortklauberei - Wolfram Kautzky
KAPITEL 1
WILLKOMMENSKULTUR
Dr. Martin S., im Bekanntenkreis für allerlei Schrullen gefürchtet und gerne als Sprachpolizist unterwegs, hat ein neues Betätigungsfeld für sich entdeckt: das des Wirtshauskritikers. Nicht, dass er ein ausgewiesener Gourmet wäre – zur Not tut’s statt getrüffelter Gänseleber oder Branzino durchaus auch Blunze, Beuschel oder Knacker an Essig und Öl. Sein Ansatzpunkt ist vielmehr ein grammatikalischer: Erblickt er vor einem Restaurant die Begrüßungsfloskel „Herzlich Willkommen!, sucht er rasch das Weite. Der Stein des Anstoßes: Das großgeschriebene W in „Willkommen
.
Denn wie, fragt sich Sprachpurist Dr. S. empört, kann ein Wirt auf die Idee kommen, diesem Wort ein großes W zu verpassen? Wo doch die Sache angeblich so einfach sei: Großgeschrieben wird „willkommen nur dann, wenn es ein Substantiv ist (wenn man also einen Artikel davorstellen könnte), wie z. B. in Sätzen wie „Sie hatten ihm ein herzliches Willkommen bereitet
oder „Ein solches Willkommen hatte er nicht erwartet. In der Begrüßung „Herzlich willkommen!
(die eigentlich für „Seien Sie herzlich willkommen! steht) ist das aber definitiv nicht möglich. Schließlich schreibe man ja auch nicht „herzlich Gelacht
oder „herzlich Begrüßt".
Also, liebe Wirte, seid auf der Hut: Dr. S. geht um – bereitet ihm ein freundliches Willkommen und schreibt auf euren Willkommenstafeln „Herzlich willkommen" klein. Kochen könnt ihr dann ruhig, was ihr wollt.
* * *
Kürzlich im Wirtshaus, einem Paar wird ein Wiener Schnitzel in Maximalgröße serviert. Die Kellnerin fragt: „Essen Sie das zusammen? Er: „Das kann ich wirklich noch nicht abschätzen!
Sie: „Bringen Sie uns bitte ein zweites Besteck!" – Fazit: Beschließt man, ein Schnitzel zusammen zu essen, steigt die Chance, dass man es auch wirklich zusammenessen kann.
FUNDSTÜCK DER WOCHE
„Die Lochmühle Eigeltingen ist seit 50 Jahren ein privat geführter Familienbetrieb. Finanziert durch den Verzehr der Gäste." (Plakat des Freizeitparks Lochmühle in Hessen) – Offenbar wird in diesem Etablissement der selten gewordene Brauch des Kannibalismus wiederbelebt.
KAPITEL 2
WIE WIRD MAN BEZIRKSVORSTEHER?
„Wie gendert man das Wort Architekten richtig?, will Wolfgang N., selten um einen billigen Kalauer verlegen, wissen, um nach einer Pause triumphierend hinzuzufügen: „Innen-Architekten!
* * *
So schlecht die Pointe auch sein mag, gibt sie Ihrem Wortklauber immerhin den Anlass, sich dem wichtigen Thema des Genderns zu widmen. Noch dazu, wo er kürzlich in einem Flyer einer bekannten Lebensmittelkette auf das rätselhafte Angebot „Hühnerinnenfilet" (350 g um günstige 3,99 €) gestoßen ist. Was ihn gleich zur Frage geführt hat, warum hier nicht Hühner*innenfilet, Hühner_innenfilet oder wenigstens HühnerInnenfilet feilgeboten wird. Eine andere Möglichkeit wäre freilich auch, dass es sich bei dem angepriesenen Produkt um Hühner-Innenfilets handelt, wie Ihr Wortklauber nach angestrengtem Nachdenken vermutet.
* * *
Angesichts der großen Vielfalt kreativer Neuschöpfungen auf dem Gebiet der gendergerechten Sprache kann man ja leicht den Überblick verlieren. Umso mehr Freude bereiten Gesetzestexte wie die „Geschäftsordnung der Bezirksvertretungen" in Wien, die ganz ohne Gendersternchen, Binnen-I und Gendergaps auskommt:
§ 1. (1) Die Bezirksvertretung wählt aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden oder eine Vorsitzende und zwei Stellvertreter oder Stellvertreterinnen des oder der Vorsitzenden. Auch der Bezirksvorsteher oder die Bezirksvorsteherin – wenn er oder sie der Bezirksvertretung angehört – und die Bezirksvorsteher-Stellvertreter oder Bezirksvorsteher-Stellvertreterinnen oder Bezirksvorsteherin-Stellvertreter oder Bezirksvorsteherin-Stellvertreterinnen können zum oder zur Vorsitzenden bzw. zu Stellvertretern oder Stellvertreterinnen des oder der Vorsitzenden gewählt werden. […] (Quelle: wien.gv.at)
Hat man den Text schließlich verstanden, ist die Wahl nur mehr eine Formsache.
FUNDSTÜCK DER WOCHE
„10.30–18 Uhr: Gottesdienst mit der evangelischen Gemeinde und frisch geräucherten Forellen" (Aus dem Reutlinger Pfarrblatt) – Vielleicht sprechen die Forellen ja ein paar Fürbitten oder schwingen das Weihrauchfass.
KAPITEL 3
ENTE GUT, ALLES GUT
„Was haben Elon Musk, Red Bull Salzburg und Donald Duck gemeinsam?", fragte Ihr Wortklauber kürzlich an dieser Stelle. Gewissenhaften Lesern fiel sofort auf, dass sich hier ein Fehler eingeschlichen haben musste: Nicht Donald heißt der Krösus aus der Familie Duck, sondern natürlich Dagobert! Für diesen Fehler hat Ihr Wortklauber drei mögliche Erklärungen auf Lager: 1) die peinliche: Dem Autor mangelt es an Fachwissen über Entenhausen und seine Bewohner (was er heftig bestreitet); 2) die psychologische: Dem Autor geisterte im Hinterkopf Donalds Namensvetter Trump herum (der tatsächlich Millionärsstatus, vermutlich aber keinen Geldspeicher hat); 3) die offizielle: Der Autor wollte die Leserbrief-Anzahl nach oben treiben (was bestens funktioniert hat). Egal, welche der drei Varianten für Sie die plausibelste ist, fest steht: Um einen Druckfehler hat es sich nicht gehandelt – lediglich um einen Duck-Fehler.
* * *
Immerhin gibt der Donald-Lapsus Anlass, sich dem „Erikativ zu widmen. Seinen Namen verdankt dieser grammatikalische Sonderfall Erika Fuchs (1906–2005), die durch ihre Übersetzungen der Donald Duck-Geschichten berühmt wurde. Fuchs begnügte sich nicht damit, die englische Vorlage eins zu eins zu übersetzen, sondern baute versteckte Zitate und literarische Anspielungen ein – wodurch sie eine eigene (deutsche) Disney-Welt erschuf. Legendär wurden vor allem die von ihr kreierten Lautmalereien wie „Peng!
oder „Krawumm! und Ausdrücke wie „Seufz
oder „Grins. Da solche Wörter sogar in die Alltagssprache Einzug gehalten haben, werden Verbformen ohne Personalendung ihrer Schöpferin zu Ehren heute „Erikativ
genannt.
* * *
Apropos Ente: Wussten Sie, woher der Begriff „Zeitungsente" stammt? Eine der häufigsten Erklärungen ist, dass es sich um die phonetische Wiedergabe der Abkürzung N. T. (sprich: EN-TE) handelt. Dieses Kürzel steht für lateinisch non testatum („nicht bezeugt") – womit Artikel gekennzeichnet wurden, deren Wahrheitsgehalt fragwürdig ist. Was hoffentlich nicht für