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Escape oder schreib um dein Leben
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eBook175 Seiten2 Stunden

Escape oder schreib um dein Leben

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Über dieses E-Book

Nicht nur um ihr eigenes, sondern auch um das Leben ihrer Freunde muss die 17-jährige Sophia schreiben, als sie in die Fänge einer mysteriösen Website gerät. Sophia erzählt dem Onlinetagebuch 'biografuturo' ihr Leben.

Freundschaft, Liebe und Eifersucht in der Abgeschiedenheit eines kleinen Eifeldorfes. Einmal raus, einfach weg von der ewigen Langeweile, das ist Sophias Wunsch. Würde das Leben doch bloß nach ihren eigenen Vorstellungen laufen!

Als Sophia diese Wünsche im Internet preisgibt, ist es schon längst zu spät für Vorsicht. Denn alles, was sie online schreibt, wird Wirklichkeit.

Sie erlebt ein mitreißendes neues Machtgefühl, das verheerende Folgen hat. Ein falsches Wort - einmal geschrieben - kann nicht mehr zurückgenommen werden.

Als schließlich Sophias beste Freundin durch einen Blogeintrag verschwindet, wird sich Sophia der lauernden Gefahr im Netz bewusst. Doch Aufhören ist unmöglich, und wer würde ihr jetzt noch helfen? Erst als das Mädchen die wahre Macht hinter dem Code der Website erkennt, stellt sich heraus, auf wen sie immer vertrauen kann.

Ein Buch geschrieben von zwei Autorinnen aus verschiedenen Generationen. Beide leben im Zeitalter von facebook, tumblr und Second Life. Die Macht des Internets birgt Gefahren, denen weder Erwachsene noch Jugendliche gewachsen sind. Wie viel gerade deshalb wahre Freundschaft und Gemeinschaft zählen, zeigt sich in 'Escape oder schreib um dein Leben'.
SpracheDeutsch
HerausgeberRhein-Mosel-Vlg
Erscheinungsdatum17. Feb. 2014
ISBN9783898018272
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    Buchvorschau

    Escape oder schreib um dein Leben - Maria Hademer

    Cover-Escape.jpg

    © 2014

    1. Auflage

    RHEIN-MOSEL-VERLAG

    Brandenburg 17, D-56856 Zell/Mosel

    Tel. 06542/5151 Fax 06542/61158

    www.rhein-mosel-verlag.de

    Alle Rechte vorbehalten

    ISBN 978-3-89801-827-1

    Ausstattung: Cornelia Czerny

    Umschlag: Marina Follmann

    Korrektur: Gabriele Korn-Steinmetz

    Maria Hademer/Alice Lenz-Hademer

    Escape oder schreib um dein Leben

    Rhein-Mosel-Verlag

    ***

    Für Papa

    ***

    Mittwoch, 19. April

    »Hallo, junge Dame, aufwachen! Ich glaube, du musst hier raus!«

    Die Stimme des Busfahrers hatte sie geweckt. Sophia reckte sich und suchte ihre Siebensachen zusammen. Sie kannte die Strecke auswendig und war nachmittags in den letzten zehn Minuten meistens der einzige Fahrgast. Rucksack, Lunchbag, Turnschuhe, Jacke, Handy. Alles da.

    »Ziemlich viel Zeug«, meinte der Busfahrer gutmütig.

    »Bald wird’s besser. Ich mach’ gerade Führerschein.«

    »Na dann!« Der Busfahrer nickte ihr zu.

    »Bis morgen!«

    Sophia stieg aus dem Bus und lief die Kirchgasse hinunter nach Hause. Dabei ließ sie sich die erträglichste Reihenfolge für die Hausaufgaben durch den Kopf gehen.

    Wieder so ein angebrochener Nachmittag, den der abenteuerliche Stundenplan der Schule ihr aufzwang.

    Lernen – morgens, mittags, abends. Auf dem Weg durch den Vorgarten zur Haustür legte sie ihren zügigen Schulschritt ab, wurde immer langsamer und schlurfte die letzten Meter zur Haustür. Dort wuchtete sie die schwere Schultasche von der Schulter und ließ sie im Flur vor dem Garderobenschrank zu Boden rutschen.

    Mama? – war draußen im Garten zu sehen und arbeitete in ihren Beeten.

    Paps? – würde erst in ein bis zwei Stunden von der Arbeit am Landgericht zurückkommen.

    In der Mikrowelle fand sie einen leckeren Nudelauflauf und sie genoss ihr verspätetes Mittagessen. Oder war es heute eher ein verfrühtes Abendessen?

    Sie schaute vom Teller auf, weil sie ein Geräusch an der Hintertür hörte. Ihre Mutter kam aus dem Garten. Vor der Tür zur Küche zog sie die Gummistiefel aus, an denen dunkle Erdbrocken klebten. Sophia wusste, dass ihre Mutter sich danach sehnte, nach dem langen Winter endlich die Gartenarbeit wieder aufnehmen zu können, auch wenn der Boden noch feucht und kalt war. Karen Rosenhaags Gesicht, das von zerzausten Haaren eingerahmt wurde, hatte durch die Frühlingsluft eine frische Farbe angenommen.

    »Für Kopfsalat aus dem Hochbeet ist es leider noch zu früh«, empfing sie fröhlich ihre Tochter, während sie die Gartenhandschuhe von den Händen streifte.

    »Ich habe genug Salat im Kopf!«, antwortete Sophia mit vollem Mund. Wie ein Dirigent schwang sie die Gabel durch die Luft und deklamierte: »Zerteilen Sie die Nullstellenberechnung und das Shakespeare-Sonett Nummer 62 in kleine Stücke und mischen Sie einige Scheiben Weimarer Republik vorsichtig unter. Schmecken Sie alles mit ein paar Basen- und Säureverbindungen ab und garnieren Sie das Ganze mit gebrochenen verminderten Akkorden. Nun können Sie das gesamte Schulmief-Aroma genießen!«

    Ihre Mutter lachte und setzte sich zu Sophia an den Tisch.

    »So schlimm?«

    »Schlimmer! Einfach ätzend, diese Endlos-Tage!«

    Karen Rosenhaag nickte verständnisvoll. »Übrigens, Oma hat angerufen. Du sollst dich mal bei ihr melden.«

    »Okay«, murmelte Sophia, dachte allerdings: Jetzt nicht. Später.

    Sie verzog sich mit einem Cappuccino ins Wohnzimmer.

    Der helle Raum war von der Frühlingssonne angenehm erwärmt. Sophia ließ sich vorsichtig aufs Sofa plumpsen.

    Hey! Hier kommt die Queen der Fernbedienung! Sie schaltete den Fernseher ein.

    Jetzt erst mal: Chillen! Zerstreuung! Pause!

    Seit sie die Oberstufe besuchte, beherrschte die Schule ihre Zeit. Es gab nur rare Busverbindungen in dem kleinen Eifelort, in dem sie wohnte. Das zerstörte alle Vorstellungen von einem aufregenden Teenager-Leben. Stadtbummel? Kinobesuch? Einfach mal ein Kaffee mit Freundinnen? Alles musste sie planen und organisieren. Und dazu fehlte zunehmend die Kraft, je näher die Ferien rückten.

    »I got a text!«, meldete sich ihr Handy.

    SMS von Julie, ihrer besten Freundin.

    »Salut! Lust und Zeit mir beim Packen zu helfen?«

    Julie war ein Jahr älter als Sophia. Sie hatte bereits ihr Abitur in der Tasche und konnte nun die Vorsaison für einen Kurztrip nach Paris nutzen. Worum Sophia sie glühend beneidete.

    So schön es auch wäre … »Lust, jaaa. Zeit, nein. Viel Spaß in der Stadt der Liebe! Vermisse dich jetzt schon.« Senden.

    Heute also auch kein Abhängen am Telefon mit Julie.

    Die wöchentliche Probe im Musikverein des Orts versprach wenigstens ein bisschen Abwechslung. Besonders deshalb, weil man sich hinterher im Rush-Hour traf und Neuigkeiten bei Johnny an der Theke austauschte.

    Johnny. Eigentlich Johannes Eiler. Er hatte die alte Dorfkneipe übernommen, sie nach seinem Namen umbenannt und die Einrichtung aufgepeppt. Seitdem erinnerte sie eher an einen englischen Pub. Die schweren Vereinspokale und ausgefransten Baumwolldeckchen auf den Tischen – passé. Vor allem die unsäglichen Eichenkronleuchter waren von der Decke verschwunden und durch eine indirekte Beleuchtung ersetzt worden. Dazu modernes Mobiliar aus trendigem Teakholz. Johnny hatte Geschmack.

    Und, das gestand sich Sophia ein, er war ein Grund für ihre Mitgliedschaft im Musikverein. Seine immer etwas spöttischen Kommentare zu den dörflichen Ereignissen verwandelten das normale Geschehen in eine Art amüsantes Kabarett.

    Lustlos zappte Sophia sich durch das Fernsehprogramm, sie hatte die Wahl zwischen zwei Kochsendungen, Nachrichten und einer Liebes-Soap. Trostlos.

    Schließlich raffte sie sich auf und entschloss sich, noch das Material für das anstehende Kunst-Referat im Internet zu recherchieren: Die Gegenüberstellung von Impressionismus und Expressionismus.

    Sie hatte eine gute Stunde, bevor die Auffrischungsmaßnahmen für den Abend sie voll in Anspruch nehmen würden.

    Mittwoch, 19. April, abends

    Das Internet. Welch eine grandiose Erfindung! Sophia liebte das Hin-und-Her-Geworfenwerden auf unerwartete Seiten. Wie von selbst boten sich überraschende Zusammenhänge an und weckten die Neugier, auch noch die nächste angezeigte Website aufzusuchen … wie Rotkäppchen, das immer dachte, weiter hinten im Wald blühe eine noch schönere Blume.

    Mist! – das Referatthema hatte sie nach ein paar Klicks aus den Augen verloren … der Wolf würde also die Großmutter fressen. Herrje, Oma! Total vergessen. Sorry, Oma, see you tomorrow.

    Die nächste halbe Stunde sollte ihr selbst gehören, schließlich musste sie sich auf den Abend vorbereiten.

    Im Bad schaute Sophia ihr Spiegelbild kritisch an.

    Hi, Sophia Rosenhaag. Sie mochte ihren Namen. Und gemessen an den Topmodels aus den TV-Serien war sie eigentlich doch recht zufrieden mit sich. Bis auf die Pickel, die Haarfarbe, die Hüfte, die Fingernägel, die Länge der Haare, die Haltung, das Zahnweiß, die Lippen, die Größe, den Po, die Bräune … Es war nicht einfach, 17 Jahre alt und in Johnny verknallt zu sein. Also los!

    Sophia packte ihre geliebte Sammlung an Kosmetik und Haarspangen aus und stöpselte ihr Handy an die Boxen, die auf dem Regal neben dem Spiegel standen. Was sollte es heute werden? Smokey eyes? Nein, dadurch sah man bloß deutlicher, wie extrem blass sie war. Lippenstift? Würde nur Instrument und Gläser verschmieren. Also griff sie nach dem Concealer. Doch sogar mit einer doppelten Schicht würde sie diese verdammten Augenringe nicht überdecken können. Das Make-up verdunkelte Sophias Haut längst nicht so stark wie sich ihre Laune verdüsterte, als sie feststellte, dass ihr Lieblingskajal mal wieder fehlte. Dann also Eyeliner. Normalerweise funktionierte sie den Kajal für einen schmalen Lidstrich um, denn die schwarze Paste des Eyeliners, die an dem kleinen Pinsel klebte, war ihr öfter als einmal schmerzhaft ins Auge geraten. Sophia lehnte sich zum Spiegel hin und beobachtete interessiert, wie sich ihre Pupillen den neuen Lichtverhältnissen anpassten. Dann setzte sie den Eyeliner vorsichtig an der inneren Ecke des Augenlids an. Sie schaffte es bis zur Mitte, bevor sie von dem Puderstaub in der Luft niesen musste und mit dem Pinsel eine Art indianische Kriegsbemalung auf ihrer Wange hinterließ.

    »For God‘s Sake!«, schimpfte sie und war kurzfristig gewillt dem erbärmlichen Leben des Eyeliners ein Ende zu setzen. Doch, nein, nein, heute sollte ein guter Abend werden. Sie entfernte die schwarzen Streifen und zwang sich zu einem Lächeln. Wenigstens sind meine Zähne schön gerade, stellte sie fest, während sie ein stilles Dankgebet an ihren Kieferorthopäden sandte.

    »What doesn‘t kill you makes you stronger«, tönte es aus den Lautsprechern.

    »Recht hast du«, nickte Sophia mit neuem Mut und schlich sich in geheimer Rettungsmission zum Zimmer ihrer Eltern, um den Kajal ihrer Mutter zu stibitzen.

    Nachdem sie das Schönheitsprogramm durchlaufen hatte, wirkte sie gute zwei Jahre älter, war konform gestylt und fühlte sich der Begegnung der Woche gewachsen.

    Zunächst stand ihr allerdings die Probe des Musikvereins bevor.

    Sie spielte erstes Alt-Saxofon, worauf sie, nach einem Jahr Unterricht, ziemlich stolz war.

    Wenn sie ehrlich war – und sie war meistens ehrlich zu sich – kam ihr die Unterstützung ihres Pult-Kollegen nicht ungelegen. Timo war zwar schüchtern und absolut nicht ihr Typ, aber enorm nützlich. Immer hatte er den Notenständer bereits aufgebaut, der Bleistift lag vorschriftsmäßig gespitzt in greifbarer Nähe und ein Magnet hielt den erforderlichen Radiergummi vom Verschwinden ab.

    Timo saß längst spielbereit hinter seinem Pult, als Sophia gut gelaunt den großen Saal in der Bürgerhalle betrat und einige der Musiker begrüßte. Der erste Posaunist drückte ihr gleich einen Zettel in die Hand: »Die kommenden Auftrittstermine!« Die Blechbläser waren einen Schritt weiter und organisierten schon ihre Fahrgemeinschaften zu den einzelnen Events. Ein Durcheinander aus lebhaften Gesprächsfetzen und einigen Tonleiterpassagen erfüllte den Probensaal. Bald erklangen die unvermeidlich quäkenden Anblasversuche noch trockener Klarinettenmundstücke. Zeit für den Dirigenten, in die Hände zu klatschen – das Startsignal für alle.

    »Hi, Timo«, grüßte Sophia lässig und nestelte betont konzentriert ihr Mundstück zurecht. So musste sie auf Timos Lächeln nicht reagieren. »Schon wieder Stevie-Wonder-Medley?«

    Timo räusperte sich verlegen. »Ja, ich habe den letzten Teil schon vier Stunden geübt und die Stelle immer noch nicht in den Fingern!«

    Gott sei Dank! Gut so! Dann würde es also nicht auffallen, dass sie die Noten seit dem letzten Mal nicht angeguckt hatte.

    Während der Probe wuchs Sophias Anspannung.

    Vor ihrem inneren Auge tauchte Johnnys schlaksige Gestalt auf, seine schnellen Bewegungen hinter der Theke, wenn er die Gläser füllte, der wachsame Blick der grau-blauen Augen, der grau-blauen Augen, der grau… – »Gis«, flüsterte Timo.

    »Was?« Sophia kehrte für einen Moment in die Gegenwart zurück, doch der Achtellauf in ihren Noten verlangte volle Aufmerksamkeit und verhinderte eine Antwort. Heute Abend würde sie sich keine Apfelsaftschorle best- »Gis!«, wiederholte Timo eindringlich.

    Nervensäge! Wen interessierte denn schon, ob – »Gi-his! Wir sind in A-Dur!«

    Dieser Nerd nahm tatsächlich den Bleistift und kritzelte das übersehene Vorzeichen in die Noten. Sophia steigerte sich in einen Hustenanfall und verließ eilig den Probenraum, um Timos scharfem Gehör zu entkommen.

    Heute Abend sollte sich entscheiden, ob Johnny sie überhaupt wahrnahm, ob sie eine Chance bei ihm hatte – ja, ob das Leben in diesem verlorenen Nest einen Sinn hatte.

    Sie lehnte sich an die Wand im Flur und versank aufs Neue in ihrem Tagtraum.

    »Geht es wieder besser?«, hörte sie plötzlich Timos besorgte Stimme hinter sich. Dass er ihr gefolgt war, hatte sie nicht bemerkt. Sie stöhnte heimlich, nickte und schickte ihn mit einem genuschelten »Komme gleich« in den Probenraum zurück. Nur nicht gemeinsam mit Timo wieder dort aufkreuzen.

    Dann riss sie sich zusammen und folgte Timo nach ein, zwei Minuten, einem angemessenen Sicherheitsabstand.

    Endlich war die Probe zu Ende und damit ihre Qual. Beim Einpacken zog Sophia den Wischer nur flüchtig durch das Instrument. Sie wollte unbedingt

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