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Galater - Kommentar
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eBook236 Seiten3 Stunden

Galater - Kommentar

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Über dieses E-Book

Das Evangelium verändert unser ganzes Leben, zeigt Timothy Keller in dieser Auslegung des Galaterbriefes.Der Kommentar ist als Teil der Auslegungsreihe Die Bibel erklärt nicht akademisch ausgerichtet. Er macht den Galaterbrief zugänglich und bietet relevante Anwendungen für unser Leben. Er kann wie jedes andere Buch von vorne bis hinten gelesen werden, für die Stille Zeit verwendet werden, zur Predigtvorbereitung genutzt werden oder um Hauskreise anzuleiten.Neben dem Kommentar liegt ein Arbeitsheft für Gruppen und Leiter vor, um das Buch in einer Kleingruppe zu studieren.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum29. Nov. 2022
ISBN9783986650193
Autor

Timothy Keller

Timothy Keller, Jahrgang 1950, gründete zusammen mit seiner Frau Kathy die Redeemer Presbyterian Church in New York City. Heute ist er als Buchautor und Gemeindeberater tätig. Timothy Keller hat u. a. auch "Warum Gott?", "Jesus-seine Gesichte, unsere Geschichte", "Gott im Leid begegnen" und "Hoffnung in Zeiten der Angst“ geschrieben.

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    Buchvorschau

    Galater - Kommentar - Timothy Keller

    GALATER 1, 1–9

    1.

    DIE EINZIGARTIGKEIT DES EVANGELIUMS

    Was an der Einleitung das Galaterbriefes vielleicht am meisten auffällt, ist Paulus’ Ton sowie die innere Verfassung, die dahintersteht. Er klingt überrascht, ja wütend. Seine Worte sind bemerkenswert deutlich. Während er in anderen Briefen auf den Eingangsgruß erst einmal einen Dank an die Adressaten folgen lässt (vgl. z. B. Phil 1, 3–8; Kol 1, 3–8; 1 Kor 1, 4–9), schreibt er hier einfach (V. 6a): »Mich wundert …« (EU: »Ich bin erstaunt«; NLB: »Ich kann es nicht fassen«). Was hat Paulus nur?

    DIE GROSSE VERFÜHRUNG

    Erstens wundert sich Paulus, weil diese jungen Christen sich ein Evangelium aufschwatzen lassen, das gar keines ist (V. 7) und sie in große Gefahr bringt. Sie lassen sich »verwirren« (V. 7b).

    Und zweitens ist er wütend auf die Leute, die diese Frischbekehrten in die Irre führen und »das Evangelium Christi verkehren« wollen. Er verflucht sie regelrecht (V. 9). Doch indirekt richtet sich sein Zorn auch gegen die galatischen Christen selbst. Sie lassen sich »abwenden« von dem, der sie berufen hat (V. 6b) – ein ernster Vorwurf!

    Wenn wir uns den Brief genauer anschauen, werden wir sehen, dass der Anlass für Paulus’ Schock eine Gruppe von Leuten war, die den heidenchristlichen Konvertiten einredeten, dass sie, um Gott wohlgefällige Christen zu sein, das ganze jüdische Gesetz des Mose halten müssten – die Speisegebote, die Beschneidung und den ganzen Rest des Zeremonialgesetzes. Den Galatern scheint dies nicht viel anders vorgekommen zu sein als das, was sie bereits gehört hatten. Bei dem ganzen Christsein ging es doch darum, Gott wohlgefällig zu sein, oder? Aber Paulus sagt ihnen sinngemäß: »Das ist das absolute Gegenteil von dem, was ich euch beigebracht habe!«

    Er ist nicht gerade zimperlich. Aber wenn wir das Evangelium so betrachten, wie Paulus das tat, werden wir seine Einstellung verstehen. Wenn die Christen in Galatien wirklich drauf und dran sind, Gott den Rücken zu kehren und sich einem Evangelium zuzuwenden, das gar keines ist, dann steht es nicht gut um sie. Die zornige Besorgnis, die Paulus zum Ausdruck bringt, entspricht ganz der Reaktion von Eltern oder guten Freunden, die miterleben, wie ihr Kind oder bester Freund auf Abwege gerät.

    MIT WELCHEM RECHT SPRICHT PAULUS?

    Aber wer ist denn Paulus, dass er diesen Christen so die Leviten lesen kann?

    Zunächst einmal ist er ein »Apostel« (V. 1), also jemand, der mit unmittelbarer göttlicher Autorität zu etwas ausgesandt worden ist. Das griechische Wort apostolos bedeutet »Gesandter«. Die Klarstellung »nicht von Menschen, auch nicht durch einen Menschen« betont die Einzigartigkeit der ersten christlichen Apostel. Auch heute sind die Menschen, die vom Heiligen Geist zum Dienst für Gott berufen werden, »nicht von Menschen« berufen. Der tiefste Grund ihres Dienstes ist der Ruf Jesu und die letztliche Autorität für ihren Dienst ist das Wort Jesu in der Bibel. Aber ihre Amtseinsetzung geschieht durch Menschen. Das heißt: Obwohl heute Pastoren und andere Amtsinhaber in den Kirchen ihre Berufung letztlich von Gott bekommen haben, werden sie gleichzeitig durch andere Geistliche oder durch die Ältesten einer Gemeinde offiziell in ihr Amt eingesetzt.

    Und hier beansprucht Paulus für sich selbst mehr. Er erklärt, dass er sein Apostelamt nicht durch menschliche Vermittlung bekommen hat. Kein anderer Apostel hat ihn eingesetzt, sondern er ist direkt von dem auferstandenen Jesus selbst eingesetzt und gelehrt worden (siehe Apg 9, 1–19).

    Zweitens ist Paulus, wie aus den Versen 8–9 hervorgeht, mit einer ganz besonderen göttlichen Botschaft gesandt worden – dem Evangelium. Das bedeutet, dass seine von Gott inspirierte Lehre die Messlatte dafür ist, ob jemand als rechtgläubig oder als Häretiker zu betrachten ist. In Vers 9 sagt er wörtlich: »Wenn jemand euch ein Evangelium predigt, anders als ihr es empfangen habt, der sei verflucht.« Selbst ein Apostel kann die Botschaft Christi nicht verändern, umarbeiten oder ergänzen. Was er sagt, ist nicht das Ergebnis seines Forschens und Studierens, seines Überlegens und seiner Weisheit. Es kommt direkt von Gott und ist unwandelbar und unveränderbar.

    Mancher fragt sich vielleicht jetzt: Gibt es auch heute noch Apostel? Nun, nicht im vollen Sinne von Paulus und den Zwölfen. Doch in der frühen Kirche wurden auch andere »Apostel« genannt (vgl. 1 Kor 12, 28). Barnabas wurde nach Antiochia »gesandt« und war in diesem Sinne ein Apostel (Apg 11, 22; vgl. 14, 14). Doch diese Missionare wurden von den ursprünglichen Aposteln bzw. von den Gemeinden ausgesandt, also »von Menschen«. Barnabas ist dem auferstandenen Christus nie begegnet; er wurde nie von dem leiblich anwesenden Christus gelehrt, wie Paulus und die Zwölf. Eine mögliche Sprachregelung ist, Christen, die ungewöhnliche Lehr- und Leitungsgaben haben, damals wie heute, als »Verkünder« zu bezeichnen, während wir die Bezeichnung »Apostel« für die direkt von Jesus eingesetzten Apostel vorbehalten. Die Apostel hatten damals und haben bis heute absolute Autorität; was sie geschrieben haben, ist Wort Gottes.

    WAS IST DAS EVANGELIUM?

    Und so erinnert dieser von Gott selbst eingesetzte Apostel die Christen in Galatien an seine spezifische göttliche Botschaft – an das Evangelium. In den ersten Sätzen seines Briefes gibt er ihnen einen knappen, aber umfassenden Abriss der Botschaft des Evangeliums.

    Erstens, was wir sind: Hilflos und verloren. Das ist in dem Wort »errette« in Vers 4 enthalten. Andere Religionsgründer sind nicht als Retter, sondern als Lehrer gekommen. Auch Jesus war ein großer Lehrer, aber in seiner Zusammenfassung des Wirkens Jesu erwähnt Paulus dies mit keiner Silbe. Der heutige Durchschnittsbürger glaubt, dass ein Christ jemand ist, der der Lehre und dem Beispiel Christi folgt. Aber genau das ist für Paulus unmöglich. Schließlich rettet man nur jemanden, der sich nicht selbst helfen kann. Wenn ich einen Ertrinkenden sehe, helfe ich ihm nicht dadurch, dass ich ihm ein Buch »Wie lerne ich schwimmen?« zuwerfe. Was er braucht, sind keine klugen Lehren, sondern ein Rettungsseil. Jesus ist nicht so sehr ein Lehrer als vielmehr ein Retter. Und wir brauchen einen Retter. Was wir selbst sind oder tun, kann uns nicht retten. Die Theologen sprechen hier von dem »geistlichen Unvermögen« des Menschen.

    Zweitens, was Jesus getan hat: Wie hat Jesus uns gerettet? Er hat »sich selbst für unsre Sünden dahingegeben« (V. 4a). Er brachte ein sogenanntes stellvertretendes Opfer dar. Das »für« in Vers 4a bedeutet »zu Gunsten von« bzw. »an Stelle von«. Dieses Element der Stellvertretung ist das, was das Evangelium so revolutionär macht. Der Tod Christi war nicht ein Opfer wie andere auch, sondern ein stellvertretendes Opfer. Er erkaufte uns nicht eine zweite Chance, unser Leben auf die Reihe zu kriegen und mit Gott im Reinen zu bleiben, sondern er tat alles, was wir eigentlich selbst tun müssten, aber nicht tun können. Wenn der Tod Jesu tatsächlich die Strafe für unsere Sünden an unserer Stelle bezahlt hat, können wir nie mehr verurteilt werden. Warum nicht? Weil Gott sonst für dieselbe Sünde zwei Mal die Strafe bezahlt bekäme, was nicht gerecht wäre. Jesus hat alles, was wir hätten tun müssen, an unserer Stelle (stellvertretend) getan; wenn er also unser Erlöser wird, sind wir damit von jeder Strafe oder Verurteilung befreit.

    Drittens, was der Vater getan hat: Gott hat das Erlösungswerk Christi für uns angenommen, indem er ihn »auferweckt hat von den Toten« (V. 1) und uns die »Gnade« und den »Frieden« gegeben hat (V. 3), die Christus für uns errungen und erreicht hat.

    Viertens, warum Gott das getan hat: Aus lauter Gnade. Nicht als Belohnung für irgendetwas, was wir getan hätten, sondern »nach dem Willen Gottes, unseres Vaters« (V. 4d). Wir hatten nicht darum gebeten, erlöst zu werden, aber Gott hat in seiner Gnade das, was wir nicht erkannten, geplant und Christus ist aufgrund seiner Gnade (V. 6) gekommen, um die Erlösung zu vollbringen, die wir selbst nie hätten vollbringen können.

    Es gibt keinerlei Hinweise auf irgendeine andere Motivation oder Ursache des Erlösungswerkes Christi als den Willen Gottes. In uns selbst ist nichts, womit wir diese Erlösung verdient hätten; sie ist reine »Gnade«.

    Und deswegen ist der Einzige, dem »Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit« gebührt, Gott (V. 5). Wenn wir etwas zu unserer Errettung beigetragen hätten, wenn wir uns selbst erlöst hätten, wenn Gott in uns etwas gesehen hätte, das Erlösung verdiente oder nützlich für seinen Plan wäre, oder wenn wir auch nur unsere Erlösungsbedürftigkeit eingesehen und Gott um Hilfe angerufen hätten – dann könnten wir uns auf die Schulter klopfen, denn dann hätten wir ja unseren Teil zu unserer Errettung beigetragen.

    Aber das Evangelium der Bibel – das Evangelium des Paulus – erklärt klipp und klar, dass unsere Erlösung von Anfang bis Ende Gottes Werk ist. Er ruft, er plant, er handelt. Und deshalb hat er allein alle Ehre verdient, für alle Zeiten.

    Das ist die Wahrheit, die den Kern des christlichen Glaubens bildet und uns demütig machen sollte. Unser Herz liebt es, selbst die Ehre und Herrlichkeit einzuheimsen, und so finden wir Selbsterlösungsbotschaften extrem attraktiv, ob sie nun von der religiösen (»Halte dich an diese Regeln, und du kommst in den Himmel«) oder von der säkularen (»Sieh zu, dass du das und das kriegst, und du hast den Himmel auf Erden«) Sorte sind. Das Evangelium stellt unser Denken komplett auf den Kopf. Es sagt uns: »Du bist solch ein hoffnungsloser Fall, dass du eine Erlösung brauchst, die überhaupt nicht von dir abhängt.« Und dann fährt es fort: »In Jesus schenkt Gott dir eine Erlösung, die dir viel mehr gibt als sämtliche falsche Erlösungen, von denen dein Herz träumt.«

    Paulus erinnert uns daran, dass das Evangelium uns niedriger und gleichzeitig höher macht, als wir es uns je vorstellen konnten. Und die Ehre dafür gebührt mit vollem Recht unserem Gott und Vater, »von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen« (V. 5).

    ZUM NACHDENKEN

    1. Der Ton, in welchem Paulus schreibt, erinnert uns daran, dass der christliche Glaube nicht nur Kopfsache, sondern Herzenssache ist. Inwieweit ist dir das eine Ermutigung? Inwieweit ist es eine Herausforderung?

    2. Wann findest du es am schwersten, die Autorität der apostolischen Lehre des Neuen Testaments zu akzeptieren? Warum?

    3. Nimm an, jemand fragt dich, was du glaubst. Wie erklärst du ihm das Evangelium?

    TEIL 2

    DAS EVANGELIUM ZU VERÄNDERN, HEISST, ES ZU ZERSTÖREN

    Das biblische Evangelium der Gnade ist etwas unendlich Kostbares. Und es ist dieses herrliche Evangelium, das die Leiter der galatischen Gemeinden verdreht und das die galatischen Gemeindemitglieder verlassen haben.

    Das ist etwas sehr Ernstes, weil es »kein andres [Evangelium] gibt« (V. 7). Das Evangelium zu verändern, heißt, kein Evangelium mehr zu haben. Warum ist das so? Warum macht jede noch so kleine Abänderung des Evangeliums es null und nichtig?

    Weil Gott die Christen »berufen hat in die Gnade Christi« (V. 6). Nicht wir haben Gott berufen, sondern er hat uns berufen. Und Gott hat uns trotz unseres Mangels an Verdiensten sofort angenommen. Das ist die Reihenfolge des Evangeliums: Gott nimmt uns an, und dann folgen wir ihm. In anderen religiösen Systemen ist es gerade andersherum: Wir müssen Gott etwas geben, und dann nimmt er uns an. Die Aussage des Paulus in Vers 7 ist also, dass jede Lehre, die dem Glauben an Christus das Halten des mosaischen Ritualgesetzes hinzufügt, das Evangelium pervertiert (»verkehrt«; wörtlich: »umdreht«).

    Das ist sehr aufschlussreich. Wenn ich, um von Gott angenommen zu werden, Christus irgendetwas (egal, was) hinzufüge und sage: »Um erlöst zu werden, brauche ich die Gnade Christi plus das und das«, drehe ich die »Reihenfolge« des Evangeliums komplett um und mache es damit null und nichtig. Darum schreibt Paulus in Vers 6, dass die falschen Lehrer ein »anderes Evangelium« bringen, »obwohl es doch kein andres gibt« (V. 7).

    Das sind klare Worte. Ein anderes Evangelium ist kein anderes Evangelium, es ist gar kein Evangelium. Wer das Evangelium auch nur ein kleines bisschen verändert, verliert es so vollständig, dass die neue Lehre kein Recht auf die Bezeichnung »Evangelium« hat. Martin Luther hat es in seinem Kommentar zum Galaterbrief auf den Punkt gebracht: Es gibt kein Mittelding zwischen der Gerechtigkeit durch Christus und der Gerechtigkeit aufgrund unserer Werke. Wenn ich nicht auf Christus vertraue, muss ich auf meine Werke bauen; eine »dritte« Möglichkeit gibt es nicht.

    WIE WIR HEUTE DAS EVANGELIUM VERLIEREN

    Das, wogegen Paulus und Jahrhunderte später Luther so sehr kämpften, erleben wir heute wieder. Paulus verurteilt jede Lehre, die nicht in den folgenden beiden Tatsachen gründet:

    •Wir sind zu sündig, um irgendetwas zu unserer Erlösung beizutragen; wir sind völlig erlösungsbedürftig .

    •Wir werden allein und zu hundert Prozent durch das gläubige Vertrauen auf das Erlösungswerk Jesu (die »Gnade Christi« ) gerettet.

    Hier drei Beispiele für moderne kirchliche Positionen, die eine oder alle beide dieser Wahrheiten leugnen:

    1. In manchen Gemeinden wird direkt oder indirekt gelehrt, dass wir dadurch gerettet werden, dass wir unser Leben »Jesus übergeben« plus das Richtige glauben und die richtigen Dinge tun bzw. die falschen lassen . Das ist typisch für viele Gemeinden von der »evangelikalen« Sorte. Man ruft die Menschen dazu auf, »sich zu bekehren« bzw. »ihr Leben Jesus zu übergeben«. Das klingt sehr biblisch, führt aber leicht zur Leugnung des Prinzips »allein durch Gnade«. Die Leute bilden sich ein, dass sie einfach einen starken Glauben brauchen, der Gott liebt und sich in ihrem Leben auswirkt. Damit Christus in ihrem Leben gegenwärtig sein kann, müssen sie genügend Reue, inneren Hunger und Liebe zu Gott mobilisieren, und das nicht nur einmal, sondern immer wieder, wenn sie »im Glauben bleiben« wollen. Das bedeutet, dass diese Gemeinden vielleicht nicht in ihrer Theologie, aber sehr wohl in ihrer Praxis die Position vertreten, dass wir durch die Qualität unseres Glaubens erlöst werden. Aber das Evangelium sagt, dass wir durch unser Vertrauen auf das, was Christus für uns getan hat, erlöst sind. In der ersten Position geschieht unsere Erlösung letztlich durch unsere eigene religiöse Leistung, in der zweiten durch Christus. Es ist nicht die Qualität unseres Glaubens, die uns rettet, sondern der Gegenstand unseres Glaubens, also der, auf den er sich richtet.

    2. In anderen Gemeinden heißt es: Es ist nicht so wichtig, was du glaubst, solange du ein guter, liebevoller Mensch bist . Das ist ein typischer Fehler in »liberalen« Kirchen. Wer immer strebend sich bemüht, den wird Gott schon irgendwie erlösen, egal welche Religion er hat. Das klingt erfrischend tolerant, ist aber in Wirklichkeit eine intolerante Verneinung der Gnade, und das gleich auf zweierlei Art.

    Erstens lehrt diese Position, dass gute Werke ausreichen, um zu Gott zu kommen. Das aber bedeutet, dass der Kreuzestod Jesu nicht nötig war; ein »anständiges Leben« tut’s ja auch. Und daraus wiederum folgt, dass die »nicht Anständigen« keine Chance auf Erlösung haben – ein klarer Widerspruch zum Evangelium, das »Böse und Gute« einlädt (Mt 22, 10). Wenn wir behaupten, dass wir durch gutes Verhalten erlöst werden können, schließen wir die Bösen von Gottes Festmahl aus, und das Evangelium lädt nicht ein, sondern grenzt aus.

    Und zweitens verführt diese Position die Menschen zu dem Denken, dass sie dann, wenn sie schön tolerant und offen sind, Gott gefallen. Sie brauchen Gottes Gnade nicht; sie kriegen das ewige Leben auch so. Und so gebührt die »Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit« nicht Gott, sondern ihnen. Doch das Evangelium hält uns den Spiegel unserer radikalen Sündhaftigkeit vor. Wer nicht erkannt hat, wie rundum böse er ist, den kann Gottes Gnade nicht verwandeln, und er begreift nicht, wie sehr es Gott verherrlicht, wenn auch nur ein Mensch in den Himmel kommt.

    3. Ein drittes Beispiel sind jene Gemeinden, die eisern auf der strikten Einhaltung bestimmter Äußerlichkeiten bestehen . Die falschen Lehrer in Galatien wollten (wie wir noch sehen werden) viele alte Regeln bezüglich Kleidung, Essen und Trinken und Ritualen verbindlich machen. Ähnlich gibt es auch heute Gruppen und Gemeinden, die ihre Mitglieder sehr streng kontrollieren und ihnen vorschreiben, wie sie »richtig« zu essen, sich zu kleiden, sich zu verabreden, ihre Zeit einzuteilen usw. haben. Oder sie bestehen auf einer detaillierten Einhaltung vieler komplizierter Rituale. Moderne Beispiele finden wir in Kirchen und Gemeinden mit sehr autoritären Führungsstrukturen, die entweder

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