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Angel Knights: Light behind Darkness
Angel Knights: Light behind Darkness
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eBook321 Seiten4 Stunden

Angel Knights: Light behind Darkness

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Über dieses E-Book

Alle vierhundert Jahre versucht Satan, sich das Himmelreich zu erobern, worauf der Himmel ausgebildete »Angel Knights«, Engel, die noch menschliche Züge aufweisen können, zur Verteidigung aussendet. Doch dieses Mal bricht der Krieg völlig unerwartet, zweihundert Jahre vor der Zeit, aus. Er rekrutiert schließlich fünf Engelsanwärter, die sich ohnehin noch bewähren müssen, um ein vollständiger Engel zu werden. Nach einer kurzen Ausbildung werden diese fünf auf die Erde geschickt um das Tor der Hölle, vor dem Eintreffen der Dämonen zu versiegeln.
Auf der Erde angekommen, stoßen sie im Park gleich auf Miley, die kurz zuvor ihre Mutter durch Selbstmord verloren hat und blindlinks in den Park gelaufen ist.
Die jungen Anwärter Jason, Mike, Peter, Luke und Ron schließen sich Miley an, die ihnen Unterschlupf gewährt, auch wenn sie nicht weiß, worauf sie sich einlässt.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum1. Jan. 2023
ISBN9783347807969
Angel Knights: Light behind Darkness
Autor

Bianka Mertes

Um meinem Alltag ab und zu entfliehen zu können, schreibe ich bereits seit meiner Schulzeit und lasse mich in Fantasiewelten einladen. Neben fantastischen Welten greife ich auch gern alltägliche Themen und die Liebe in meinen Projekten mit auf. Im Vordergrund stehen fast immer weibliche Charaktere, die sich behaupten können. Geboren wurde ich 1968 in einem kleinen Ort namens Unkel, der am wunderschönen Rhein gelegen ist. Derzeit lebe ich mit zwei von vier Kindern und meinem Enkelkind mitten im Naturpark des Westerwaldes und widme mich neuen Herausforderungen und Abenteuern. Solariya ist mein Herzensprojekt, das bereits viele Hürden meistern musste, bis es endlich seinen würdigen Auftritt erhalten konnte. Ohne die Hilfe eines ganz bestimmten Menschen, würde es Solariya nicht mehr geben.

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    Buchvorschau

    Angel Knights - Bianka Mertes

    Kapitel 1

    Luciens besorgtes Gesicht sprach Bände. »Es sind nur noch wenige Tage, bis der Höllenschlund sich öffnen wird. Habt ihr alle Vorkehrungen getroffen?« Wieder hieß es, den Kampf gegen die Kreaturen der Unterwelt aufzunehmen. Ein Kampf, bei dem nicht nur das Leben der Engel, sondern auch das der Menschen in den Händen der Auserwählten lag. Erste Anzeichen für das Erscheinen des Teufels hatten die Späher bereits entdeckt und sofort Alarm geschlagen.

    Doch eigentlich war die Zeit noch nicht gekommen. Der Aufstand erhob sich zu früh. Viel zu früh. Wenn man es genau sah, zweihundert Jahre zu früh. Das bereitete Lucien nicht ohne Grund Sorgen. Etwas musste geschehen sein, dass der Herr der Unterwelt die Gelegenheit ergriff, und vor seiner Zeit die Tore öffnete. Das Siegel war gebrochen. Diese Nachricht kam so unerwartet, dass Lucien vollkommen überrumpelt wurde.

    Lucien leitete daraufhin die ersten Schritte in die Wege und hoffte, geeignete Auserwählte zu finden. Keine einfache Aufgabe, wenn man bedachte, dass die meisten Engel keine menschlichen Züge mehr besaßen. Aber genau diese brauchten sie, um in der Menschenwelt nicht aufzufallen. Zu groß war die Gefahr als Engel enttarnt zu werden. Über Jahrtausende hüteten sie jetzt schon das Geheimnis ihrer Existenz.

    Ab und zu jedoch kam es vor, dass sich einer von ihnen aus dem Himmelreich schlich, um auf der Erde sein Glück mit einer Sterblichen zu teilen. Wurde er jedoch enttarnt, erwartete ihn ein schreckliches Schicksal. Sein Körper würde sich unter Höllenqualen langsam auflösen, zu Staub zerfallen und in alle Himmelsrichtungen verweht werden. Um ein solches Schicksal zu verhindern, mussten die Engel sich unbedingt unter die Menschen mischen und unentdeckt operieren können. Ansonsten wäre jeder Versuch, den Aufstand niederzustrecken, von vorneherein gescheitert.

    »Wir haben alle sorgfältig getestet, doch leider ist keiner unter ihnen, der noch irgendwelche menschlichen Züge aufweist.« Niedergeschlagen beobachtete Ethan den obersten Engel. Sein weißer Mantel wehte im abendlichen Licht und den kühlen Luftzügen hin und her. Das markante Gesicht verzog sich zu einem Ratlosen und Sorgenfalten legten sich auf das sonst wunderschöne Gesicht Luciens. Ethan wusste selbst, wie viel von den Auserwählten abhing und doch schien es diesmal keinen Ausweg zu geben. Es sah alles danach aus, als müssten die ›Freiwilligen‹ bestimmt werden, die gegen die Kreaturen in den Kampf ziehen würden. Das war für Ethan keine leichte Aufgabe und am liebsten würde er sie jemand anderem übertragen.

    Schon beim letzten Gefecht vor zweihundert Jahren kehrte nur einer von ihnen zurück, wenn auch gleich es für seine Überlebenschancen nicht gut ausgesehen hatte. Schwer verletzt mit halb zerfetzten Flügeln, erholte er sich nur langsam und überlebte die Angriffe der Höllenbrut. Aber er hatte es geschafft und führte nun das strenge Regiment als oberster Engel. Er alleine hatte es in der Hand, ob sie siegreich in die Zukunft ziehen würden oder fallen wie Schnee, den keiner aufhalten konnte.

    Es fehlte ihnen an Zeit. An zweihundert Jahren Zeit, in der sie sich in aller Ruhe darauf hätten vorbereiten können, um gegen den bevorstehenden Kampf gegen die Hölle, die Engel auswählen und ausbilden zu können. Doch diese Möglichkeit wurde ihnen gekonnt durch diese Überrumpelung vollkommen genommen. Jetzt musste Lucien komplett improvisieren.

    »Ich glaube, wir sollten es dieses eine Mal ganz anders angehen.« Ein seltsames Lächeln huschte über Luciens schönes, dennoch besorgtes Gesicht. Selten hatte Ethan ihn lächeln gesehen. Vielleicht hatten seine Augen ihm aber auch nur einen Streich gespielt.

    »Und wie? Wen wollt Ihr denn aussenden?« Ethan zweifelte normalerweise nicht an Luciens Entscheidungen, doch diesmal stand zu viel auf dem Spiel, um einen leichtfertigen Plan zu schmieden. Sie konnten es auf keinen Fall auf ein Experiment ankommen lassen.

    »Keine Sorge, wir haben noch immer einen Trumpf in der Hinterhand.« Sein fester Blick ließ keinen Freiraum für weitere Fragen. Ethan hatte das Gefühl, als würde sein Blick ihn durchbohren. Ein fest entschlossener Blick, der das Ziel zu siegen nicht aus den Augen ließ und es zum Greifen nahebrachte.

    Er arbeitete jetzt schon fast seit einhundert Jahren als Berater für Lucien und seine Entscheidungen hatte er nie infrage gestellt. Man konnte schon sagen, dass er ihm absolut vertraute. Doch jetzt, wo die Entscheidungen alle so schnell gefällt werden mussten, hoffte er, dass Lucien keine falsche Entscheidung treffen würde. Er hatte nicht einmal genug Zeit, sich einen geeigneten Plan zurechtzulegen.

    Die Zeit arbeitete jedoch gegen sie. Es blieb nicht mehr viel davon, um diejenigen auszuwählen, die ihr aller Leben in der Hand halten würden. Sie konnten nur seinem Geschick und seiner Erfahrung vertrauen.

    »Folge mir«, sprach er fast fröhlich, als hielte er den Schlüssel für einen gnadenlosen Sieg bereits in den Händen. Ethan folgte ihm, ohne weitere Fragen zu stellen.

    Den gesamten Weg starrte er auf den weißen Stoff, der Luciens Rücken bedeckte und bemerkte nicht, dass sie schon bald am Ziel angekommen waren. Wie erstarrt, sah er ungläubig auf die Tür, die vor ihnen lag.

    »Habt Ihr Euch das wirklich gut überlegt?«

    Lucien wandte sich mit einem düsteren Blick zu Ethan um, der ihm einen merkwürdigen Schauer über den Rücken trieb. »Zweifelst du an meinen Entscheidungen?«

    »Nein, natürlich nicht.« Demütig senkte er seinen Blick, doch er wusste nicht, ob es wirklich eine gute Entscheidung von Lucien war, die Engelsanwärter mit einzubeziehen.

    Engelsanwärter, phee, er hasste sie. Gute Menschen, die es verdient hatten, zogen ins Himmelreich ein, um ein weiteres Leben als Engel zu führen. Doch diese Anwärter hatten allesamt etwas auf dem Kerbholz. Sie schwebten zwischen Gut und Böse. Sie waren es nicht Wert hier zu sein und er machte auch keinen Hehl daraus, dass er sie nicht ausstehen konnte. Zudem ließen auch ihre Manieren einiges zu wünschen übrig.

    Ethan öffnete Lucien jedoch wehmütig die Tür.

    »Also, nur damit ich das auch richtig verstehe. Ihr wollt, dass wir als menschenartige Wesen auf die Erde zurückkehren? Auch auf die Gefahr hin, dass wir ein zweites Mal getötet werden und so ganz nebenbei die Menschheit und dieses Reich retten, indem wir noch immer als Anwärter herumhängen?«, wiederholte Luke die Worte Luciens und sah Ethan mit hochgezogener Augenbraue ungläubig an.

    »So ist es geplant. Nur ihr, als Anwärter der Engel, habt noch immer die Fähigkeit, wie ein Mensch zu denken und zu handeln. Genau das braucht diese Mission. Wir Engel haben diese Gabe leider schon lange verloren und sind daher nahezu nutzlos, uns in einem solchen Krieg zu behaupten.« Er versuchte, ihnen das Unterfangen ein wenig schmackhaft zu machen. Er wusste von vorneherein, dass es nicht leicht sein würde, die Anwärter von einer solch wichtigen Mission zu überzeugen. Sie waren allesamt Sünder schlimmer Taten, die auf Bewährung waren. Sie mussten sich erst beweisen, um doch noch den Einzug ins Himmelreich gestattet zu bekommen. Auch wenn nicht alle von ihnen diese Chance nutzen würden, wären trotz allem einige unter ihnen, die sie ergreifen und sich als wertig erweisen würden. Genauso eine Gelegenheit boten sie ihnen gerade an.

    »Und was hätten wir davon?« Peter sah Lucien mit festem Blick an und versuchte hinter seine Gedanken zu kommen. Beide hatten schon mit einer solchen Frage gerechnet. Da kamen eben die menschlichen Züge wieder zum Vorschein. Also gab Lucien ihnen eine einmalige Chance, die ihr ganzes weiteres Dasein bestimmen würde.

    »Solltet ihr euch dazu entscheiden, den Krieg gegen die Kreaturen der Unterwelt aufzunehmen und lebend wieder zurückkehren, könnt Ihr wählen, ob ihr ins Himmelreich einkehrt oder euer Leben als Mensch wieder aufnehmen wollt. Doch bevor ihr euch jetzt Hoffnungen auf euer altes Leben macht, muss ich sagen, dass ihr als jemand anderes auf die Erde zurückkehrt. Ihr seid für eure Familien tot und das kann keiner mehr ändern. Nicht einmal ich habe diese Gabe.«

    Ein Raunen ging durch die Gruppe der Anwärter. Sie tuschelten und diskutierten, doch wie jede Sache, hatte auch diese einen Haken.

    »Aber es gibt da noch eine Sache, die ihr wissen solltet. Nur fünf von euch werden auserwählt werden. Nur diese werden in die Gruppe der ›Angel Knights‹ aufgenommen, wie auch vorher schon eure Vorgänger. Ihr werdet in sechs Tagen zu einem vollwertigen Knight ausgebildet. Nur so seid ihr in der Lage, für die wichtigste Schlacht im Universum zu kämpfen. Ein Krieg, in dem ihr auf keinen Fall versagen dürft«, mahnte Lucien.

    Einer der Anwärter, der sich bis dahin im Schatten der anderen gehalten hatte, trat hervor. Sein Gesicht war von den Ereignissen, die er bis dahin in der Menschenwelt erlebt hatte, schwer gezeichnet. Ein Zeichen für Lucien, dass er noch nicht lange ein Anwärter war. Ansonsten würde er jetzt in ein schönes Gesicht voller Anmut blicken, genau wie dem von Peter. Unter seinem dunklen, fast schwarzen Ledermantel blitzte durch den weiten Ausschnitt ein kleines Stück eines Tattoos hervor. Ein Art Trible, dass Ethan noch nie zuvor gesehen hatte. Er hatte schon viele menschliche Körper gesehen, die mit der Kunst der Menschen verziert waren. Groß, stark und mit stechend blauen Augen, deren Anblick schon fast wehtaten, baute er sich vor Lucien auf. Während Ethan tief den Atem einzog, sah Lucien ihm gelassen entgegen.

    »Und ihr denkt wirklich, dass nur fünf von uns gegen eine Horde wildgewordener Höllenkreaturen gewinnen können? Für mich sieht das eher so aus, als wolltet ihr unnötigen Ballast loswerden.« Dunkle Haare umrahmten sein missmutiges Gesicht, in das sich eine Strähne verirrt hatte. Ethan sah ihn skeptisch an. ›Die ganze Sache schien zum Scheitern verurteilt, sollten alle so denken?‹ Aber er musste ihm auch in irgendeiner Weise Recht geben. Auch er hatte ein merkwürdiges Gefühl bei der ganzen Aktion. Und das galt für beide Seiten.

    »Unnötiger Ballast?« Ethan verstand nicht recht, was er mit diesen Worten meinte. Doch nachdem der junge Mann einen nach dem anderen in der Runde der Anwärter ansah, wusste auch er, was gemeint war. Sogleich schlug seine anfängliche Skepsis in Unmut um.

    »Meint ihr nicht, wenn ihr Ballast für uns wärt, hätten wir euch nicht sogleich nach unten verfrachtet? Ihr alle, wie ihr hier seid, habt von unserem Herrn, eine Chance zur Bewährung bekommen. Eine sehr seltene Chance, wenn man mal sieht, wie viele hier übrig sind. Und da habt ihr nicht das Recht, sie mit Füßen zu treten.« Er verteidigte das Tun seines Herren aufs Bittere. Obwohl er nichts dagegen gehabt hätte, wenn diese Anwärter, sofort nach unten einsortiert worden wären.

    »Das soll also heißen, dass wir etwas Besonderes sind? Dann frage ich mich nur, warum wir überhaupt so früh sterben mussten. Das widerspricht sich doch, oder meint ihr nicht?«, gab der junge Mann sarkastisch von sich und blickte dabei in zwei erstaunte Gesichter. Mit dieser Frage hatte wohl keiner von ihnen gerechnet. Sie waren schon so lange hier, dass sie es für eine reine Selbstverständlichkeit ansahen. Es gab allerdings auch Engel oder wie eben die Engelsanwärter, die keinerlei Erfahrung mit diesem Dasein hatten. Das sollten sie sich wieder ins Gedächtnis rufen.

    Lucien zweifelte nicht an den Entscheidungen seines Herren, den Menschen ihr Leben zu nehmen. Dafür gab es einen Grund, dessen war er sich sicher. Aber die Frage von diesem jungen Anwärter konnte er dennoch nicht beantworten. Er selbst hatte sich diese Frage noch nie gestellt.

    »Vielleicht liegt der Hauptgrund für euer neues Leben darin, es für andere aufzuopfern und zu beschützen. Genau diese Gelegenheit wird euch jetzt geboten. Oder habt ihr in eurem Leben, hier und dort, schon einmal darüber nachgedacht? Ihr solltet diese Chance nicht einfach wegwerfen.« Ethan versuchte, die aufgeheizte Situation zu entschärfen. Aus den Augenwinkeln erkannte er die nachdenklichen Gesichter der allesamt noch recht jungen Anwärter. Vielleicht gab es ja wirklich unter ihnen fünf, denen an einer friedlichen Zukunft gelegen war. Schließlich lebten ja auch ihre Familien auf der Erde, auch wenn sie sich wahrscheinlich schon nicht mehr an sie erinnern könnten. Je länger sie hier im Himmelreich waren, umso mehr vergaßen sie aus ihrem früheren Leben.

    »Und wie wollt ihr wählen? Wer von uns hat eurer Meinung nach eine zweite Chance verdient?«, meldete sich der Tätowierte wieder und drängte sich an den anderen vorbei, bis er auf gleicher Höhe mit dem jungen dunkelhaarigen Mann war.

    Wieder ging ein leises Tuscheln umher, dass schließlich von Luciens rauer Stimme unterbrochen wurde.

    »Lasst das unsere Sorge sein. Wir haben ganz bestimmte Kriterien, die ihr erfüllen müsst, bevor ihr das Privileg erhaltet, euch ›Angel Knight‹ nennen zu dürfen. Wir entscheiden nicht einfach über euren Kopf hinweg, ihr erhaltet alle die gleiche Gelegenheit euch zu beweisen.« Danach hatten sogar die zwei selbst ernannten Sprecher der Anwärter keine Argumente mehr dagegen.

    »Wenn dann keine Fragen mehr offen sind, geben wir die Auserwählten, so schnell wie möglich bekannt. Ihr habt noch ein hartes Training vor euch und ich rate euch, nutzt die Gelegenheit, um euch Gedanken zu machen, was ihr nach der Schlacht mit eurem Leben anfangen wollt«, erklärte Lucien, bevor Ethan ihm schnellen Schrittes aus dem Raum folgte und die Tür hinter sich schloss.

    Kapitel 2

    Miley rannte durch den heftigen Regen. Durch die dunklen Straßen, die durch die Bronx nahe Manhattan führten, wurde die Sicht nur noch durch ein paar Laternen ermöglicht. Früher flößten ihr das schummrige Licht und die dunklen Straßen immer eine Heidenangst ein. Doch nachdem sie jetzt schon zwei Jahre in dieser Gegend wohnte, kannte sie die Strecke nach Hause schon fast im Schlaf. Es war keine besonders schöne Gegend, dafür aber war die Miete nahe der Melville Street wenigstens bezahlbar und sie hatte ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Nachbarn. Zwar nannte sie die Wohnung im ersten Stock eines grauen verwahrlosten Mehrfamilienhauses immer ihr Zuhause, doch dorthin zog sie nicht wirklich etwas. Es war sowieso immer das gleiche trostlose Bild, dass sie zu sehen bekam: Ihre Mutter sturzbetrunken auf der Couch oder im Bett, wenn sie es denn bis dorthin noch geschafft hatte. Die Hinterlassenschaften ihres Saufgelages lagen kreuz und quer in der ganzen Wohnung verteilt. Die schmutzige Wäsche stapelte sich fast bis unter die Decke und das benutzte Geschirr hatte nicht den Weg in die Spülmaschine gefunden. Und wie jeden Tag, würde Miley sich auch heute wieder, um das Abendessen kümmern müssen. Sie hasste dieses Leben, aber sie konnte ihre Mutter auch nicht alleine lassen. Nachdem ihr Vater sie vor sechs Jahren, ohne Grund, einfach im Stich gelassen hatte, ging es mit ihrer Mutter bergab. Zuerst griff sie nur ab und zu zum Glas, doch nach und nach wurde es immer mehr und zum Schluss täglich. Miley war damals gerade elf Jahre alt gewesen und die ganze Verantwortung für ihre Mutter und sich selbst, brach, wie der heftige Regen heute, über sie herein. Nach außen hin machte sie immer gute Miene zum bösen Spiel, aus Angst, dass sie ihrer Mutter weggenommen und diese alleine überhaupt nicht mehr zurechtkommen würde. Schließlich hatte ihre Mutter ja auch nur noch sie. Wie sollte es ihr denn alleine möglich sein, sich um sich selbst zu kümmern? Sie schaffte es ja nicht einmal, sich etwas zu Essen zu machen. So hatte Miley, nachdem sie alt genug war und alle Ersparnisse aufgebraucht, nach der Schule zwei Jobs angenommen. Irgendwie musste sie es ja schaffen, sich und ihre Mutter über Wasser zu halten. Doch sie merkte auch, dass es so nicht mehr lange weitergehen konnte. Ihre Knochen taten bereits weh und in der Schule hatte sie wegen Schlafmangel auch schon Probleme bekommen. Ihre Mutter musste endlich aufwachen und ihr Leben wieder selbst in den Griff bekommen. Denn schließlich wollte auch Miley endlich etwas von ihrem Leben haben, anstatt nur Schule, arbeiten und dann noch den Haushalt. Verdammt, sie war siebzehn und hatte noch nicht einmal ihren ersten Freund, geschweige denn ihren ersten Kuss, weil ihr einfach die Zeit dazu fehlte. Selbst in der Schule machten mittlerweile alle einen großen Bogen um sie, weil sie immer alle Freizeitaktivitäten und eventuellen Dates absagen musste. Sie fühlte sich einsam ohne Freunde und hatte nur ihre Mutter, mit der sie sich ab und zu unterhalten konnte, wenn der Alkoholpegel es denn zuließ. Und jedes Mal, wenn sie, wie jetzt, von ihrem zweiten Job nach Hause kam, nahm sie sich vor, mit ihrer Mutter zu reden und ihr ordentlich den Kopf zu waschen. Doch das scheiterte auch jedes Mal, weil diese zu betrunken war, um überhaupt die Worte zu verstehen.

    Die letzten Meter bis zum Haus lief Miley noch schneller, um aus dem Regen herauszukommen, auch wenn sie schon bis auf die Haut durchnässt war. Sie konnte Licht im Schlafzimmerfenster sehen, also schien ihre Mutter es heute einmal bis ins Bett geschafft zu haben. Schnell stieg sie die Treppen zu ihrer Wohnung hoch.

    Schon als sie den Schlüssel im Schloss der Wohnungstür drehte und die sich einen Spalt öffnete, stieg ihr der beißende Gestank von Alkoholresten in die Nase, die sie sich sofort zuhielt. Ein Geruch, an den sie sich wohl nie gewöhnen würde. Schnell schloss sie die Tür hinter sich wieder, um den Blick auf die unaufgeräumte Wohnung für andere zu versperren, und stieg im Flur über die leeren Flaschen, die sich bis zur Küche hin verteilten. Miley bahnte sich einen Weg zwischen ihnen hindurch, bis sie endlich das rettende Fenster in der Küche erreichte und es dankbar öffnete. Der frische, saubere Duft, den der Regen hinterließ, vermischte sich mit dem ekelerregenden in der Wohnung. Miley füllte noch einmal ihre Lungen mit der klaren Luft und räumte dann schließlich den Einkauf in den leeren Kühlschrank.

    Erschöpft ließ sie sich auf einen der ramponierten Stühle nieder, die, wie man noch an einigen Farbresten erkennen konnte, früher einmal rot waren. Stolz hatte sie die Stühle vor zwei Jahren vom Sperrmüll ergattert und den kleinen runden Tisch, an dem sie standen, von einer Nachbarin geschenkt bekommen. Es waren harte Zeiten, nach dem langsam die Ersparnisse ausgingen und Miley das restliche Geld für wichtigere Dinge als Möbel ausgegeben hatte. Mittlerweile hatte sie alles zusammenbekommen, was sie unbedingt zum Leben brauchten. Und wenn man mal von den Hinterlassenschaften und dem Dreck absah, den sie jetzt noch beseitigen musste, hatte sie es tatsächlich mit wenigen Mitteln geschafft, die Wohnung ein wenig gemütlicher einzurichten. Sogar eine Kochstelle, einen Kühlschrank und ein Radio hatte sie geschenkt bekommen. Den Fernseher im Wohnzimmer hatte sie ebenfalls vom Sperrmüll und wunderte sich, dass jemand ein so gutes, funktionierendes Stück achtlos wegwarf. Auch wenn sie eigentlich nie Zeit zum Fernsehen hatte, war sie stolz, einen zu besitzen. Auch den Leuten in der Umgebung war eben nicht verborgen geblieben, wie es ihr ging und wie rührend sie sich trotz aller Hindernisse um ihre Mutter kümmerte.

    Langsam und müde raffte sie sich wieder auf und steuerte auf das Schlafzimmer zu, wo sie ihre Mutter vermutete. Zwischendurch hob sie die leeren Flaschen auf und entsorgte diese in der mitgeführten Mülltüte. Laut klirrend krachten sie im Müllsack aufeinander.

    »Mom? Bist du im Schlafzimmer?«, rief sie nach ihrer Mutter, bekam aber wie immer keine Antwort. Wahrscheinlich schlief sie, auch wie immer, ihren Rausch aus.

    »Mensch, Mom, so geht das einfach nicht weiter. Ich glaube, wir sollten endlich ein ernstes Wörtchen miteinander wechseln«, sprach sie noch, während sie das Schlafzimmer betrat. Doch ihre Absichten schob sie ganz schnell wieder zur Seite, nachdem sie den Raum, den sie zum Schlafzimmer umfunktioniert hatte, betrat. Kreidebleich und unfähig sich zu bewegen, hielt sie sich erschrocken und hilflos, bei dem Anblick ihrer Mutter, die Hände vor den Mund. So versuchte sie, den Aufschrei, der sich aus ihrer Kehle löste, zu ersticken. Ihre Mutter lag auf dem Bett, Blut rann aus den Wunden ihrer Handgelenke und in der rechten Hand hielt sie einen geöffneten Briefumschlag.

    »Mom, um Gottes Willen, was hat du gemacht?«, brachte Miley krampfhaft über ihre Lippen. Ihr Herz raste vor Angst und ihr ganzer Körper zitterte.

    Sie stolperte zum Bett und versuchte, sie zuerst zaghaft, dann immer kräftiger zu schütteln. Doch als das nichts nutzte, wurden ihre Versuche fordernder. Alle Bemühungen waren vergebens und in Miley kroch Panik hoch.

    »Verdammt, was hast du getan? Ich brauche dich doch!«, schrie sie ihren Schmerz heraus.

    Durch tränenverschwommene Augen sah sie, wie die Nachbarin durch die Tür trat. Miley hatte ihr für Notfälle einen zweiten Schlüssel gegeben. Diese hatte das Mädchen schreien gehört und sich Sorgen gemacht.

    »Oh mein Gott, wir müssen sofort einen Arzt rufen«, brachte sie über die Lippen und ließ den Schlüssel fallen. Sofort griff sie nach ihrem Mobiltelefon und wählte geschockt die Nummer des Notrufes.

    »Mom, bitte, bitte wach auf.« Miley war total ausgelaugt und konnte noch immer nicht glauben, was sie sah. Sie sackte auf die Knie und versuchte, noch immer ihre Mutter ins hier und jetzt zu holen. Sie wusste im Inneren, das es nichts helfen würde, aber irgendwie war der Drang nicht aufzuhören größer, als die Gewissheit darüber, dass sie eventuell bereits tot war. Erst als einer der Ärzte, die sie in ihrer Trauer und ihrer Angst nicht bemerkt hatte, sie behutsam zur Seite schob, wurde ihr klar, dass ihre Mutter sich das Leben genommen hatte. Mrs. Peters, die Nachbarin, schloss sie beruhigend in die Arme. Mileys langen blonden Haare hatten sich im tränennassen Gesicht festgeklebt und ihre blauen Augen waren mittlerweile so rot und geschwollen, dass man ihre eigentliche Farbe nicht mehr erkennen konnte.

    »Sie hat noch schwachen Puls«, hörte Miley die Worte, die langsam in ihr Unterbewusstsein drangen und schöpfte wieder etwas Hoffnung. Vielleicht war sie ja doch noch rechtzeitig Zuhause gewesen. Erst dann bemerkte sie auch wieder den Brief, den ihre Mutter in der Hand hielt. Sie ließ ihn fallen, nachdem die Rettungskräfte sie auf die Trage legten. Mit zitternden Händen griff Miley nach ihm, der neben dem blutverschmierten Messer unter dem Bett lag. Durch die Tränenvorhänge ihrer Augen blickte Miley auf den Absender. Das Erste, was sie erkannte, war: »Anwaltsbüro«

    Blass und schnell atmend saß Miley im Wartebereich des Krankenhauses und starrte auf die Zeilen des Briefes. Geschockt las sie immer und immer wieder die gleiche Stelle.

    »Ihnen mitteilen zu müssen, dass ihr Ehegatte verstorben ist!« Sie las zwar die Worte, konnte sie aber nicht wirklich verstehen. Das konnte doch nicht sein, oder? Hatte ihre Mutter sie wirklich die ganzen Jahre angelogen und sie wusste doch, wo ihr Vater war? Sie waren geschieden, so hatte sie es Miley jedenfalls immer erzählt, wenn sie nach ihrem Vater gefragt hatte. So wie es jetzt aussah, war das wohl auch gelogen. Sie musste ihn all die Jahre geliebt und nie vergessen haben. Sie hatte ihn sogar geschützt und vielleicht hatte sie, hinter ihrem Rücken auch Kontakt mit ihm gehalten. Und jetzt lag sie wegen ihm auf der Intensivstation und kämpfte um ihr Leben. Das war total verrückt und momentan viel zu viel für Mileys Verstand. Sie konnte und wollte nicht mehr. All die ganzen Jahre hatte sie die Verantwortung für ihre Mutter übernommen, auf alles verzichtet. Und ihre Mutter? Sie hatte ihre Tochter die ganze Zeit nur belogen, und dann will sie sich einfach ohne eine Erklärung so aus dem Leben stehlen? Ohne eine Erklärung oder Entschuldigung.

    Wütend zerriss Miley den Brief, der schuld an dieser Misere war, stand auf und schmiss die Schnipsel sauer und enttäuscht in die Luft. Tränenüberflutet und schluchzend sah sie den Arzt mit ernster Miene aus den Intensivbereich auf sich zukommen. Am ganzen Körper zitternd, gaben ihre Beine nach und sie sackte zu Boden.

    »Es tut mir leid, aber wir konnten ihr nicht mehr helfen. Sie hatte schon zu viel Blut verloren, bis sie hier war«, sprach er mitfühlend die Worte, die Miley nicht hören wollte. Er hockte sich vor sie und versuchte, sie wenigstens ein wenig zu trösten und zu beruhigen, auch wenn er wusste, dass es unmöglich war. Sie hatte gerade ihre Mutter verloren. Wie sollte man in dieser Situation auch jemanden beruhigen können?

    Miley war total überfordert mit der ganzen Situation. So viele Gefühle mischten sich in ihrem Inneren, die sie nicht sortieren konnte. Trauer, Wut, Liebe und Hass, waren nur einige davon. So überfordert und alleinegelassen hatte sie

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