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Von Männern, Hunden und anderen Menschen: Gutenachtgeshichten Für Erwachsene
Von Männern, Hunden und anderen Menschen: Gutenachtgeshichten Für Erwachsene
Von Männern, Hunden und anderen Menschen: Gutenachtgeshichten Für Erwachsene
eBook294 Seiten4 Stunden

Von Männern, Hunden und anderen Menschen: Gutenachtgeshichten Für Erwachsene

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Über dieses E-Book

Und Katzen? Keine Katzen? Natürlich, auch Katzen kommen drin vor. Und eine Ratte mit Namen "Max". Und Frauen natürlich, viele Frauen. Und alle sind sie ein bisschen verrückt. Die Männer, die Frauen und auch die Tiere. Warum sonst sollte man über sie schreiben?

26 rabenschwarze Geschichten, die sich sehr gut zum Vorlesen eignen. Gutenachtgeschichten für Erwachsene. Am besten genießt man sie zu zweit. Und gute Nerven sollte man haben. Denn sanft geht es durchaus nicht immer zu in diesen Stories. Sanft ist allenfalls der gelegentlich doch leichte Grusel. Wohl dosierter Horror, in dem es auch um Liebe geht. Nur ein Happy End sollte man nicht unbedingt erwarten. In diesen Geschichten nicht. Lachen freilich darf man trotzdem. Wenn man Sinn für Humor hat. Schwarzen Humor.

Peter Fey ist Journalist und Fotograf. Er war viele Jahre Chefreporter bei einem Hamburger Zeitschriftenverlag.
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum15. Apr. 2024
ISBN9783989837812
Autor

Peter Fey

Peter Fey ist Journalist und Fotograf, war viele Jahre Chefreporter bei einem Hamburger Magazin. Nebenbei hat er immer wieder auch Kurzgeschichten geschrieben. Einige davon wurden bereits im Rundfunk gesendet. Inzwischen gibt es über 100 Stories von ihm, verteilt auf insgesamt drei ebooks. Ihre Titel: "Von Männern, Hunden und anderen Menschen" "Kurz" "Wenn Frauen lachen, scheint die Sonne auch im Regen" Unter dem Titel "Gutenachtgeschichten für Erwachsene" hat Peter Fey auch einen Podcast laufen.

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    Buchvorschau

    Von Männern, Hunden und anderen Menschen - Peter Fey

    Vorwort

    Es gibt Geschichten, die gehen dir ständig im Kopf herum. Jeder kennt das. Jeder hat diese Geschichten. Auch ich natürlich. Es sind Geschichten, die einen immer dann heimsuchen, wenn die Zeit still zu stehen scheint und man, in gewissen Momenten, gleichzeitig weiß, dass die Zeit schneller verrinnt, als einem lieb ist. Und während sie verrinnt, diese arg bemessene Zeit, verändern sich diese Geschichten, nehmen immer phantastischere Züge an. Werden zu Märchen, von denen man wünschte, sie wären wahr, aber auch zu Alpträumen, denen man entfliehen will und es nicht kann, weil die Wahrheit stärker ist. Und irgendwann kommen dann diese Nächte und schlussendlich auch Tage, in denen alles durcheinander gerät.

    Für einen Autor kann das sehr fruchtbar sein, wenn er gut drauf ist, wie man so sagt. Vermutlich war ich das nicht immer, als diese Geschichten entstanden. Trotzdem hoffe ich, dass Ihnen die eine oder andere Story gefällt. Auch und vielleicht gerade deshalb, weil sie, gelegentlich zumindest, so rabenschwarz war, und Sie am Ende dann trotzdem lachten. Und wenn Sie es taten, wenn Sie wirklich lachten, laut oder leise - eher verhalten, schätze ich mal -, dann würde es mich freuen. Ganz ehrlich.

    Peter Fey

    Katzenkiller

    Er hieß Cäsar und war ein echtes Monster. Wenn er nicht schlief, dann fraß er, und wenn er weder schlief noch fraß, dann schwängerte er die Katzen in der Nachbarschaft, und das waren ziemlich viele. Oh ja, ich hasste ihn aus ganzem Herzen, diesen fetten, verfressenen, ständig geilen Kater, dessen Nachkommenschaft unaufhörlich wuchs. Allein der Gedanke daran verursachte mir Übelkeit, denn ein Cäsar war bereits einer zu viel.

    So wie ich Cäsar hasste, so sehr hasste er zweifellos auch mich. In der Tat ließ Cäsar keine Gemeinheit aus, um den Beweis dafür anzutreten. Er kackte auf die Tastatur meines Computers - ich musste mir anschließend eine neue kaufen -, sprang mir mit spitzen Krallen in den Nacken, wenn ich friedlich ein Buch las. Es war der absolute Terror. Und ich meine, man kann es mir nicht verübeln, dass ich Cäsar, dessen Geilheit allenfalls durch seine Boshaftigkeit übertroffen wurde, gelegentlich mit einem leichten Fußtritt bedachte. Nun gut, einmal flog Cäsar dabei an eine Wand, die ich gerade frisch gestrichen hatte - weiß mit einem Hauch von grau darin -, doch anschließend biss er mir dafür in die Wade. Ganz schön heftig war das, und einen Fleck an der Wand hatte es auch gegeben.

    Babette blieb es natürlich nicht verborgen, dass ich Probleme mit ihrem Kater hatte. Babette war Französin, stammte aus Poissy, einer Kleinstadt nordwestlich von Paris. Ihre Eltern waren recht wohlhabend, zählten in Poissy zur Créme de la Crème. Sie studierte Kunstgeschichte. Ich hingegen hatte mich auf Jura verlegt, jobbte nebenbei als Taxifahrer. Seit einem halben Jahr lebten wir zusammen. Genau genommen waren es inzwischen fast sieben Monate. Die Miete teilten wir uns. Und Cäsar notgedrungen auch.

    Er ist ganz lieb, hatte Babette gesagt, als sie bei mir einzog. Fast gleichzeitig hatte mir Cäsar zum ersten Mal seine Krallen ins Fleisch geschlagen. Babette fand das ziemlich witzig. Männer, sagte sie, grinste mich dabei an, und da musste auch ich lachen. Kurz darauf schliefen wir mit einander. Es war das erste Mal, und es war unheimlich gut. Vielleicht wäre es ohne Cäsar noch besser gewesen. Aber irgendwie fand ich es schon ein bisschen prickelnd, dass Babette ihren Kater liebkoste, während ihr Atem immer schneller ging und Cäsar ihr Gesicht leckte und Babette sich wohlig dem kleinen Tod hingab und mich küsste und irgendwann, als es vorbei war, dann sagte: Ihr werdet euch mögen, Cäsar und Du.

    Die Sache mit Babette ließ sich wahrhaftig gut an. Ich liebte sie und sie liebte mich, und kochen konnte sie auch noch, ganz hervorragend sogar. Ihre Spagetti waren phantastisch, ihr Gulasch ein wahrer Traum. Vermutlich war es nicht wirklich Gulasch, denn Babette kümmerte sich nicht um Rezepte, alt hergebrachte schon gar nicht. Oft schmiss sie alles mögliche in den Topf, scheinbar ohne Sinn und Verstand. Unmengen Zwiebelringe, klein geschnittene Äpfel und Gurken, massenhaft rote und grüne Paprikastreifen, pürierte Tomaten. Und sie rührte und schmeckte ab, kippte dieses und jenes Gewürz dazu und rührte weiter, und wenn ich sie fragte: Babette, um Himmels Willen, was soll das werden? dann schaute sie mich entgeistert an und meinte: Gulasch natürlich, das sieht man doch. Und ich sagte: Aha", und ich wußte, es würde schmecken, egal, was da im Topf vor sich hin brodelte.

    An einem Mittwoch im Frühling, ein herrlich sonniger Tag, die Luft roch nach frischem Grün, schied Cäsar ganz plötzlich aus unserem Leben. Mit anderen Worten: Cäsar verließ diese Welt, er verstarb und das auf reichlich unschöne Weise. Doch ich schwöre es, Gott sei mein Zeuge: Ich hatte ihn nicht absichtlich platt gemacht. Es war ein blöder, saudummer Zufall, dass Cäsar mir unter die Räder geriet. Eine Verkettung unglückseliger Umstände, gepaart mit einem Hauch von Unachtsamkeit. Doch was musste er auch gerade dann und ausgerechnet dort, auf den warmen, rotbraun gescheckten Steinplatten der Garagenzufahrt, seinen Mittagsschlaf halten. Cäsar, ein fetter rotbraun gescheckter Kater. Echt dumm gelaufen für ihn.

    Babette war völlig aufgelöst, heulte Rotz und Wasser. Und wütend war sie natürlich, wütend auf mich, den sie einen Mörder nannte, einen Katzenkiller, eiskalt und ohne Herz.

    Du mochtest ihn nie.

    Babette, Liebling, das stimmt so nicht. Manchmal fand ich ihn sogar...

    Ach erzähl' mir doch nichts, du..., du..., ja ein Scheusal bist du, ein gewissenloses, ekelhaftes Scheusal. Wie konnte ich dich nur jemals lieben? Ich hasse dich!

    Babette, es war ein Unfall, ein bedauerlicher Unfall, ich wollte das nicht, ganz bestimmt nicht.

    Ein Unfall, ja? Dass ich nicht lache! Mord war das, brutaler Katzenmord!

    Babette, Liebling...

    Liebling, Liebling, ich bin nicht mehr dein Liebling, hörst du? Und überhaupt: Verpiss' dich am besten, sonst raste ich endgültig aus!

    Das wollte ich lieber nicht riskieren. Auch so machte mir Babette schon Angst genug.

    Ich geh' dann mal, sagte ich mit eingezogenem Schwanz. Wir sehn uns heute Abend.

    Da würde ich an Deiner Stelle lieber nicht drauf wetten, fauchte Babette. und wog dabei ein ziemlich dickes Buch in der Hand. Stephen King, Tommyknockers, 683 Seiten, sehr empfehlenswert, wenn man Stephen King mag. Als sie das Buch nach mir warf, konnte ich mich gerade noch rechtzeitig bücken. Schade nur um die chinesische Vase, die es dafür dann traf. Ich mochte sie sehr, diese Vase, ein wirklich schönes Stück und sündhaft teuer obendrein.

    Gegen 20 Uhr wagte ich mich wieder nach Hause. Vorsichtshalber mit einem großen Strauß Blumen bewaffnet, einem sehr großen Strauß und ebenfalls schweineteuer. Das Geld hätte ich mir freilich sparen könne. Denn Babette war nicht da. Im Wohnzimmer nicht, im Schlafzimmer nicht, in der Küche nicht. Im Bad dann eine kurze Nachricht von ihr, mit karmesinrotem Lippenstift auf den Spiegel geschrieben: Bin nach Poissy. Essen steht im Kühlschrank. Ich hasse Dich. Babette.

    Na toll, dachte ich, was für ein Schlamassel! Und ich dachte an Babette. Und sie fehlte mir schon jetzt. Fehlte mir, obwohl die Spuren ihres Zorns mir ins Auge sprangen, wohin ich auch blickte. Zerfetzte Bücher, zerrissene Fotos, meine Schallplattensammlung ein einziger Trümmerhaufen. Dass sie nebenbei überhaupt noch Zeit zum Kochen gefunden hatte, war in der Tat beachtlich.

    Babette hatte Gulasch gemacht. Ich häufte mir eine gewaltige Portion auf den Teller, schob ihn in die Mikrowelle. Beim Essen geriet ich in helle Verzückung. Ein wahrer Hochgenuss, dieses Gulasch, ein Meisterwerk kulinarischer Phantasie. Süß aber nicht zu süß, scharf aber nicht zu scharf. Niemand würde je ein besseres Gulasch machen. In tausend Jahren nicht.

    Am Tag darauf blieb Babette noch immer weg. Mein Stolz aber verbot es mir, bei ihren Eltern anzurufen. Sie wird schon von allein wiederkommen, sagte ich mir. Morgen, spätestens übermorgen ist Babette wieder da. Komm zurück, mein Engel. Das mit Cäsar war wirklich nicht meine Absicht. Und ich schaufelte Gulasch in mich rein. Glücklicherweise war genug davon da.

    Auch am dritten Tag ließ Babette nichts von sich hören. Kein Anruf, nichts. Allmählich fand ich das ziemlich kindisch. Und von dem Gulasch war auch nicht mehr all zu viel übrig. Ab morgen würde ich auf Currywurst mit Pommes umsteigen müssen. Weiß Gott keine erfreuliche Aussicht. Umso mehr genoss ich den Rest vom Schützenfest. Und entdeckte Haare auf meinem Teller. Katzenhaare.

    Gerade noch rechtzeitig erreichte ich das Klo, kotzte mir buchstäblich die Seele aus dem Leib. Zum Schluss kam nur noch Galle. Und mir war noch immer speiübel. Und ich musste an Cäsar denken, kleingehackt und fein gewürzt, nicht zu süß und nicht zu scharf. Und da kam es mir aufs neue hoch, und das Kotzen nahm kein Ende.

    Die Träume, die mich dann nächtens heimsuchten, würde ich meinem schlimmsten Feind nicht wünschen. Ich war in Schweiß gebadet, als mich Morpheus in den neuen Tag entließ.

    Hey Katzenkiller, sagte Babette. Babette, die neben mir lag, den Kopf mit dem kurz geschorenen Blondhaar lässig in die Hand gestützt. Quietschvergnügt offenbar schaute sie mich an, aus großen unschuldigen, wahnsinnig blauen Augen. Du hast so tief geschlafen, als ich kam. Da wollte ich dich nicht wecken, mein Schatz.

    Viel erwidern konnte ich nicht darauf. Ich gab nur ein Stöhnen von mir, denn ich spürte es bereits wieder, dieses Rumoren in meinem Leib. Und ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, als ich das kleine, schnurrende, rotbraun gescheckte Knäuel entdeckte, das sich auf winzigen Pfoten zielstrebig zu mir vorarbeitete.

    Ist er nicht allerliebst? fragte Babette. Und fügte hinzu: Ich finde, wir sollten ihn Cäsar nennen...

    Monas Tattoo

    Es war mörderisch heiß in Hongkong, so um die 35 Grad vermutlich, und die Nathan Road mit ihren grellbunten Neonfassaden kam ihm vor wie ein riesiger, lichtdurchfluteter Brutkasten, durch den sich, von quäkenden Autohupen begleitet, ein quirliges Millionenheer menschlicher Ameisen schob. Vielleicht hätten sie wirklich nicht gerade jetzt hierher kommen sollen, mitten im Sommer, wenn die Hitze am schlimmsten war und nur selten ein kurzer Regenschauer vorübergehend Abkühlung brachte. Jedermann wußte das, auch Aaron natürlich. Doch es war ihm unmöglich gewesen, seinen Urlaub in einen anderen Zeitraum zu verlegen, beim besten Willen nicht. Ihm selbst machten diese Temperaturen auch keineswegs zu schaffen. Nur Mona hatte ihre Probleme damit. Seit sie in Hongkong eingetroffen waren, am Montag vor zwei Tagen, hatte sie noch kaum einen Fuß vor die Tür gesetzt. Mona blieb lieber im Hotel, drehte ihre Runden im Swimmingpool und sorgte dafür, daß der Umsatz in den reichlich vorhandenen Boutiquen auch ja nicht stagnierte. Vermutlich tat sie auch jetzt nichts anderes, frönte ihrer, wie Aaron stets fand, nahezu sinnlichen Trägheit, während Kowloon mit seinem emsig dahin eilenden, handybewehrten Ameisenheer vor Geschäftigkeit schier zu explodieren schien.

    Mona schlief noch, als Aaron sie heute früh verließ. Lag da auf diesem schneeweißen Laken, zusammengerollt wie ein Fötus im Mutterleib, pfirsichflaumsamtige Haut, straff und sonnengebräunt, das Gesicht fast gänzlich verborgen von einem Schwall flachsblonder Haare. Glatte, seidige Strähnen, die hinab reichten bis zu den kleinen Brüsten, kaum größer als zwei Hände umfassen konnten. Aaron konnte sich nicht satt sehen an diesem schlanken biegsamen Körper, der soviel jünger, so viel frischer, unverbrauchter war als der seine. Wie er da lag, dieser Körper, als hätte ihn jemand nachgerade so drapiert, um seine Augen zu erfreuen.

    Aaron legte einen Zettel auf den Tisch, bevor er ging: „Ich schau mir die Stadt an. Mach‘ Dir einen schönen Tag. Kann spät werden heute. Zum Schluss dann noch die Worte, die er selten zuvor so aus übervollem Herzen schrieb wie jetzt: „Ich liebe Dich. Aaron

    Vor knapp einer Woche war Mona 23 geworden. Aaron hingegen hatte die 50 bereits um einiges überschritten. Fast zwei Jahre waren sie jetzt zusammen. Es waren die glücklichsten Jahre seines Lebens gewesen. Und er hätte alles darum gegeben, dieses Glück für immer festzuhalten. In der Tat hatte Aaron auch einiges dafür getan. Mehr, weit mehr, als so mancher andere Mann an seiner Stelle wohl getan haben würde.

    Mona’s Geburtstag hatten sie auf Phuket gefeiert. Mit einem richtigen Candlelight-Dinner. Und der Barpianist im Holiday Inn hatte „happy birthday gesungen. „Happy birthday, dear Mona, happy birthday to you. Der Trip nach Hongkong war Aaron’s Geburtstagsgeschenk gewesen. Das Tattoo, diesen kleinen, blaugrünen Schmetterling auf ihrem Po, hatte sich Mona dann selbst geschenkt. Und gelacht, als sie sagte: „Es ist auch dein Schmetterling". Und sie waren beide ziemlich beschwipst. Und auch er hatte gelacht und ließ kein Auge von ihr, als der Tätowierer, ein alter Chinese mit schlohweißem Bart, seine Nadel geschickt über Mona’s nackten Po tanzen ließ. Der zuckte ab und zu, zuckte zurück vor der Nadel des alten Chinesen, der ein guter Tätowierer war, denn der kleine blaugrüne Schmetterling mit seinen geschwungenen Flügeln, hätte besser, lebensechter, wahrhaftig nicht werden können. Im Holiday Inn wird man es fraglos bestätigen können. Denn Mona hatte ihn anderntags ausgiebig zur Schau gestellt. Am Strand gleich gegenüber, bäuchlings auf ihrem hellblauen Badetuch, nackt wie Gott sie schuf.

    Knapp 24 Stunden später waren sie dann nach Hongkong geflogen. Die Maschine hob gerade ab in Bangkok, als man am Patong Beach einen jungen Thai fand. Friedlich schlafend, so schien es. Doch er war mausetot.

    Aaron bereute es nicht, ihn getötet zu haben. Obschon, im Nachhinein gesehn, es doch ziemlich anstrengend gewesen war, den Mann zu erwürgen. Schließlich war er nicht mehr der Jüngste. Und dieses fürchterliche Quieken und Quaken, dieses jämmerliche Gejaule, während er sich förmlich die Finger verrenkte, war ihm echt auf den Geist gegangen. Ein wenig Würde, fand Aaron, sollte man eigentlich schon bewahren im Angesicht des Todes. Und er dachte an Mona. Und lächelte still vor sich hin. Dachte an den bunten Schmetterling auf ihren Po. Und Kowloon war ein dampfender abgasvermiefter Brutofen voll wimmelnder Ameisen, auch jetzt noch nach 20 Uhr, als Aaron sich schwitzend seinen Weg durch das propangasbeleuchtete Chaos der Temple Street bahnte. Für ein Spottgeld kaufte er zwei Lacoste-Hemden, möglicherweise sogar echt, Ausschußware mit kaum sichtbaren Fehlern. Aaron konnte keine entdecken, doch vermutlich waren es doch nur die üblichen Fälschungen. Er kannte sich da nicht so aus. Die Breitling, die er dann schließlich noch kaufte, war mit Sicherheit nicht echt. Doch seine Armbanduhr war im Arsch, und eine Breitling, eine echte, hätte er schon gerne gehabt, und die Uhr, die er in der Temple Street kaufte, sah wirklich echt aus, zumindest soweit er es beurteilen konnte. Aber auch mit Uhren kannte sich Aaron nicht aus, nicht so richtig jedenfalls. Trotzdem fand er die Breitling mit ihrem stählernen Gehäuse richtig gut, auch wenn es eine Fälschung war. Er streifte sie übers Handgelenk, und die Ameisen, die er auf seiner Haut zu spüren vermeinte, seit Stunden schon zu spüren glaubte, krochen an ihm hoch und bemächtigten sich seiner, und es war so gegen 21 Uhr als Aaron die Temple Street verließ. Ein wenig nachdenklich, denn Aaron fragte sich ernsthaft, ob er möglicherweise drauf und dran war, den Verstand zu verlieren.

    Er tauchte unter im benachbarten Gassengewirr des Stadtviertels Yau Ma Tei, verlor sich im Dschungel von Kowloon. Ging durch enge Straßen, in denen Hongkong unter sich war. Wo die Wäsche aus den Fenstern hing, alte Männer vor niedrigen Türen saßen und Brettspiele spielten, die er nicht kannte. Alte Männer, die ihn nicht sahen, als er vorüberging. Er blickte hinauf in den Himmel flackernder Leuchtreklamen, die sich in schreiender Buntheit aus brüchigen Hausfassaden gierig vorwärts fraßen über die schmalen Schluchten der Gassen von Yau Ma Tei. Und die Ameisen, die Ameisen trieben ihn voran. Vorbei an spärlich beleuchteten Garküchen, die ihren köstlichen Duft verströmten, an Restaurants, hinter deren Scheiben er gelbgesichtige Männer sitzen sah, die im bläulichen Licht ersterbender Neonleuchten ihr Abendmahl zu sich nahmen. Und Aaron erlag diesem bläulichen Licht todgeweihter Neonröhren, ließ sich hinein saugen in eines dieser Lokale, in die sich vermutlich nur selten ein Tourist verirrte. Denn seine Füße waren wie Blei, und die betörenden Düfte der Garküchen hatten ihn hungrig gemacht.

    Es war ein absolutes Drecksloch, in das ihn der Hunger getrieben hatte. Schäbige, verfleckte Resopaltische, ein graugrün gefliester, von Tausenden Schuhen verschmutzter Fußboden, die zertretenen, zerfledderten Seiten einer Zeitung mit chinesischen Schriftzeichen. Zu seiner Rechten ein verrosteter Gasbrenner und im Nacken der hechelnde Atem eines asthmatischen Ventilators an verrauchter Decke. Trotzdem gelang es ihm, dieser Höhle tief im Herzen von Yau Ma Tei einen Hauch von morbidem Charme abzugewinnen. Das freilich erst nach der zweiten Flasche chinesischen Biers. Der Aaron sehr schnell eine dritte folgen ließ. Denn ein junger Chinese am Nachbartisch erklärte ihm lächelnd und mit sichtlich großem Sachverstand, was Aaron soeben voller Heißhunger in sich hinein gestopft hatte. Schlangenfleisch, eine ausgesprochene Delikatesse, nirgendwo werde sie schmackhafter zubereitet als hier. Geschmorte Ratte sei freilich auch sehr lecker. Aaron müsse diese Köstlichkeit unbedingt probieren. Er werde es nicht bereuen.

    Gegen 23 an diesem feuchtheißen Abend im Dschungel von Kowloon trat Mike dann in sein Leben. Stand plötzlich vor ihm in diesem Saftladen, und er mochte ihn sofort.

    „Hey, sagte Mike, „ich glaube, wir kennen uns.

    Aaron dachte nach, und der Mann kam ihm in der Tat bekannt vor. Ein solches Gesicht – ein bisschen wie der junge Robert Redford -, einen solchen Körper, sportlich gestählt, ohne auch nur ein einziges Gramm Fett zu viel, konnte man nicht übersehen. Aaron kam nicht umhin, eine Spur von Neid zu empfinden. Wäre er schwul gewesen, hätte er sich mit Sicherheit in Mike verliebt.

    „Golden Mile, würde ich sagen. Nathan Road."

    „Exakt, Mann, wir wohnen im selben Hotel. Scheissladen hier , sagte er dann noch. „Das reinste Rattenloch. Und Aaron sagte: „Aber das Essen ist gut. Rattenfleisch, geschmort mit Pilzen, ein absoluter Gaumenschmaus."

    Mike mit seinen blauen L.A.-Augen schaute ihn zweifelnd an. „Red‘ keinen Scheiß, Mann. Ich wollte hier wirklich was essen."

    Und der junge Chinese am Nachbartisch grinste und Aaron prustete los vor Lachen, und Mike, der vermutlich kaum älter war als Mona, stimmte ein in das Gelächter. Dann nahm er ebenfalls von dem Schlangenfleisch, und auch er fand es ausgezeichnet.

    Sie tranken Sake, diesen chinesischen Reisweinschnaps, tranken ein ganze Flasche davon. Und sie wurden allmählich betrunken. Und der asthmatische Ventilator mit seinen fliegenschissbedeckten Flügeln drehte seine Runden. Und Aaron dachte an Mona. An den blaugrünen Schmetterling auf ihrem Po. Und er sehnte sich nach ihr. Mona, geliebte Mona, ich hätte dir soviel zu erzählen. Von Hongkong Island, dem Viktoria Peak und Norman Foster’s Geniestreich aus Aluminium, Stahl und Glas. Eine Startrampe ins Universum hattest Du ihn genannt. Und ich stand mitten darin, sah an den schlanken Säulen empor, schaute in atemloser Bewunderung hinauf zu den gigantischen Schaufeln, deren Spiegel gebündeltes Sonnenlicht sanft auf die Etagen der Hongkong Bank verteilte. Das hätte Dir gefallen Mona. Schon deshalb, weil es so angenehm kühl war in der Hongkong Bank. Aber Du warst nicht da, Mona. Ich war allein mit den Ameisen. Die an mir hoch krochen, in mich hinein krochen, sich Nester bauten in den Windungen meines Hirns.

    „Aaron, sagte sein amerikanischer Freund mit trunkener Stimme. „Aaron, du träumst, lass mich teilhaben an Deinem Traum.

    „Ameisen", sagte Aaron.

    „Mit süßsaurer Sahne", kicherte Mike. Das graugrün geflieste Rattenloch hatten sie längst verlassen, wankten die Shanghai Street entlang, bogen ein in die Jordan Road. Sich gegenseitig stützend, ab und zu stolpernd, denn sie hatten wirklich eine Menge getrunken. Der klebrig feuchtheiße Atem des Kowloon-Dschungels, saugte ihnen förmlich das Mark aus den Knochen, und Aaron, dessen Kopf ein einziges Tollhaus war, sah, wie die Ameisen, ziemlich fette Ameisen, auf Mike’s T-Shirt krochen. Ameisen, die unentwegt mit einander kopulierten, neue Ameisen gebaren, immer mehr Ameisen, und sie schienen schnell, sehr schnell zu wachsen. Und als sie die lärmende Karaoke-Bar betraten, kurz vor dem Typhoon Shelter, beeilte sich Aaron, die Tür möglichst schnell ins Schloss fallen zu lassen.

    Den Text von „Love me tender" kriegten sie beide nicht auf die Reihe. Aber die Leute in dem Laden klatschten trotzdem, und sie grölten vor Vergnügen, als Aaron und Mike zum Elvis-Playback dann noch ein Tänzchen hinlegten. Ein schwules Paar, hätte man denken Können. Doch Aaron fühlte sich einfach nur gut. Und jung. Und er wußte, dass er nicht schwul war, denn während er tanzte mit Mike, dachte er unentwegt an Mona.

    Am Typhoon Shelter standen sie einfach nur da, sahen hinaus auf das Lichtermeer der Dschunken im südchinesischen Meer. Ein leichter Wind war aufgekommen, wehte Musik zu ihnen herüber, das Gekläff eines Hundes.

    „Schön, sagte Mike. Das zu sehen, ist unendlich schön. Und während er auf die Dschunken schaute, drehte er einen Joint, den sie sich teilten, und sie hielten den Rauch ganz lange, ganz tief in ihren Lungen, und der kleine Rausch machte alles noch um einiges schöner, und Aaron fühlte sich gut, besser denn je zuvor. Bis Mike dann von Monas Tattoo erzählte, ihrem braungebrannten Körper, der auf ihm getanzt hatte wie ein Derwisch. Da stieß ihn Aaron ins Hafenbecken. Und er war traurig und ein bisschen wütend, weil Mike so ein Theater machte. Der schrie und heulte und wollte einfach nicht aufhören damit. Zum Glück entdeckte Aaron einen Betonklotz mit einem praktischen Haltegriff. Wozu dieser Klotz diente, war ihm nicht klar. Doch er kam ihm gut zupass in diesem Moment, denn Mike’s Geschrei „Aaron, bitte, ich wußte doch nicht..., dieses klägliche Gewimmer, „Aaron, das kannst du nicht tun, ging

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