Eine ganz andere Liebe
Von Paul Senftenberg
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Hände Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNarben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDamals ist vorbei Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEin Lächeln mit Zukunft Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGay Movie Moments: Schwule Gänsehautmomente in Filmen und Serien Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Stammbaum Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPink Christmas 6: Andere Weihnachtsgeschichten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFahren mit wehendem Haar Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
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Buchvorschau
Eine ganz andere Liebe - Paul Senftenberg
Paul Senftenberg
Eine ganz andere Liebe
Über den Autor:
Paul Senftenberg ist ein niederösterreichischer Autor. Sein erster Roman Damals ist vorbei erschien 2009. Darin geht es um das Coming-out eines verheirateten Familienvaters und seine Liebe zu einem Mann, mit dem er Jahrzehnte zuvor einen Sommer verbrachte. In seinem neuen Roman Eine ganz andere Liebe beschreibt der Autor einen ähnlichen Prozess der Ich-Findung aus der Sicht von jugendlichen Protagonisten, die sich der Intoleranz und den Vorurteilen ihrer Umwelt stellen und ihren Platz im Leben finden müssen.
Himmelstürmer Verlag, Kirchenweg 12, 20099 Hamburg,
Himmelstürmer is part of Production House GmbH
www.himmelstuermer.de
E-mail: [email protected]
Originalausgabe, Juli 2013
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages
Rechtschreibung nach Duden, 24. Auflage.
Covermotiv: „Danny" oil on panel, 2009 by Martin-Jan van Santen
www.martinjanvansanten.com
Umschlaggestaltung: Olaf Welling, Grafik-Designer AGD, Hamburg. www.olafwelling.de
ISBN print 978-3-86361-316-7
ISBN epub 978-3-86361-317-4
ISBN pdf: 978-3-86361-218-1
Die Handlung und alle Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit realen Personen wären rein zufällig.
„You have no idea what I’d give to be normal!"
X-Men First Class
„Here’s much to do with hate,
but more with love."
William Shakespeare, Romeo and Juliet
Leo
Im Rücken die aufgerissene Rinde des Stammes der alten Kastanie, in den Ohren das Windrauschen in den Zweigen, nimmt Michael durch seine geschlossenen Lider auf einmal das Flackern von Licht und Schatten wahr. Er öffnet die Augen und blickt in Annas Gesicht.
„Ich hab auf dich gewartet", sagt Michael und setzt sich halb auf.
„Ich bin nicht zu spät", erwidert Anna.
„Nein, ich war zu früh. Es war so eine traurige Stimmung daheim."
„Ich wäre noch gern eine Runde geschwommen. Aber dann ist deine SMS gekommen. Und da habe ich mir gedacht, dass du nicht allein sein willst."
Anna setzt sich zu Michael ins Gras, und er streicht ihr über die Haare wie auf einem glatten dunklen Tuch bis auf den Rücken hinunter. Mit den Fingerkuppen der anderen Hand fährt er ihr über ihre Wange.
„Deine Haare sind noch feucht", sagt Michael leise.
„Sie sind bald trocken", sagt Anna.
Michael blickt sie direkt an und versucht ein Lächeln. „Hast du heute schon dein geliebtes Erdbeereis gehabt?"
Sie schüttelt den Kopf. „Nein ..."
„Dann gehen wir doch in den Eissalon."
Doch er macht keine Anstalten dazu.
„Und du?, fragt Anna. „Möchtest du denn auch ein Eis?
Sie merkt, dass Michael mit seinen Gedanken woanders ist. „War’s schlimm?", wechselt sie deshalb das Thema.
Michael sagt eine Weile nichts, dann runzelt er die Stirn.
„Ich habe ihn im Arm gehalten, als der Tierarzt ihm die Spritze gegeben hat. Es war arg! Er war ... Innerhalb von ein, zwei Sekunden war er tot."
„Dass das so schnell geht!"
„Das Mittel war nicht einmal vollständig in seinem Körper, da habe ich gemerkt, wie er ganz schlaff geworden ist."
„Ist ja voll arg!"
„Ich hätte heulen können."
„Ich hätte es getan."
„Wir haben ihn gleich eingegraben, als wir heimgekommen sind.
„Was hätten wir denn auch tun sollen? Ihn einfach so herumliegen lassen?"
„Ist schon das Beste so."
„Ich hab ihn in seine Decke gerollt, und jetzt liegt er unter dem Ahornbaum im Garten."
Anna wiederholt Michaels Geste von vorhin, fährt ihm durch die Haare und streicht dann die Wange hinunter bis zu seinen Lippen.
„Dass du so blond wirst im Sommer!"
„Bin halt eine Blondine."
Michaels Grinsen wirkt auf Anna unecht.
„Ich finde, sein Name hat zu ihm gepasst, sagt sie. „Er war ein wirklich schöner Kater. Und dazu so schmusig.
Für einen Moment entspannt sich Michael wieder. „Die Mama hat seit Titanic einfach für den Leo geschwärmt."
Michael kommt auf die Beine, streckt Anna die Hand hin und zieht sie zu sich hoch.
„Aber Frostschutzmittel im Hochsommer!, meint Anna. „Das checke ich immer noch nicht.
„Das Zeug schmeckt süß, hat der Tierarzt gesagt. Er hat es wohl in irgendeiner Garage aufgeschleckt. Seufzend setzt Michael nach: „Oder was weiß ich, wo. Er war ja oft die ganze Nacht unterwegs. Aber dann saß er in der Früh immer vor der Terrassentür. Nur vorgestern nicht, da ist er erst nachmittags angekrochen gekommen, wie mit letzter Kraft hat er sich geschleppt ...
„Und dieses Frostschutzmittel ..."
„Ein paar Tropfen genügen angeblich, und die Nieren sind kaputt, da kann man gar nichts mehr machen. Der ganze Körper wird nach und nach vergiftet. Er hat mir so leid getan, als er am Schluss nichts mehr gefressen hat und nur noch so da lag."
„Als ich ihn gestern noch gestreichelt habe, bekräftigt Anna, „konnte ich jede einzelne Rippe spüren.
Unbewusst reibt sich Michael mit der flachen Hand mehrmals über die Brust. Anna weiß, dass das eine seiner Angewohnheiten ist. Dabei bleibt der silberne Ring, den Michael am Daumen trägt, an einer Stelle hängen, an der der Ausschnitt seines Shirts aufgerissen ist. Anna überlegt für sich im Stillen, ob der Kater gekrallt hat, als er eingeschläfert wurde, aber sie fragt Michael nicht danach. Stattdessen greift sie nach seiner Hand und zieht sie zu sich.
Michael reagiert darauf nicht. Er starrt an Anna vorbei ins Leere.
„Es war besser so, sagt er, wie um sich selbst zu überzeugen. „Es hat sein Leiden beendet.
„Wir werden heute Abend eine Kerze unter dem Baum anzünden."
„Das stelle ich mir schön vor."
Anna hat für sich beschlossen, dass es an der Zeit ist, Michael auf andere Gedanken zu bringen.
„Alle meine Ideen sind gut, sagt sie. „Und jetzt habe ich eine besonders gute ...
Michael zieht fragend die Brauen hoch. An Stelle einer Antwort fährt Anna mit einem Finger die Kuppe seiner schmalen Nase entlang, über den kleinen Höcker, den sie nach oftmaliger eigener Aussage süß findet, was Michael seinerseits nicht nachvollziehen kann. Annas Finger bewegt sich weiter und streicht in winzigen Kreisen über Michaels rechten Nasenflügel, als wollte sie die Sommersprossen darauf zählen. Heute früh war dort ein kleiner Pickel, und Michael hofft, dass er nicht größer geworden ist. Doch Annas Finger verharrt nicht auf seiner Nase, sondern zieht sanft seine Lippen nach. Dann legt ihm Anna die Arme um den Hals. Er holt sie ganz nah zu sich. Wenn er sie in seinen Armen hält, ist das, als wären ihre Körper zwei Puzzleteile, die sich mit einer Selbstverständlichkeit zueinander fügen, als wären sie dafür und für nichts sonst gemacht; das geht Michael auch in diesem Moment wieder einmal durch den Kopf.
Wie schon vorhin schwingt ein Windstoß durch die Krone des Kastanienbaumes. Michael hat sich gerade zu Anna gebeugt, jetzt ist er abgelenkt. Das Geräusch der Blätter klingt für ihn wie das Knistern eines papierenen Drachens, der über ihnen im Baum lauert.
Als Michael ein Kind war, hat er Abendspaziergänge mit seinem Vater geliebt. Der Vater mochte schon immer Filme und hatte Geschichten parat, die so aufregend waren, dass sie auch einen langen Spaziergang zu wenigen Minuten schrumpfen ließen. Der kleine Michael hatte eine Taschenlampe dabei und leuchtete hinter jeden Busch und hoch in jede Baumkrone. Wehte Wind, dann machte ihn der Vater auf das Rascheln der Blätter aufmerksam. Er sprach vom Raunen geheimnisvoller Stimmen noch geheimnisvollerer unsichtbarer Erzähler; Michael müsse nur aufmerksam genug hinhorchen, meinte sein Vater im dramatischen Flüsterton, der dem Jungen wohlige Schauder über den Rücken jagte, dann könne er sie verstehen.
Tatsächlich nahmen die Gesichter all der edlen Prinzen und grazilen Elfen, der heimtückischen Gnome und grausigen Ungeheuer und all der anderen Sagenfiguren und Superhelden während der abendlichen Spaziergänge in der Dämmerung in Michaels Kopf Gestalt an. Und selbst an windstillen Abenden war es so, denn dann war er sich ganz sicher, dass sie in ihren Blätterverstecken den Atem anhielten.
Jetzt aber kommen dem Jungen die Geräusche aus den Zweigen wie ein unpassendes Detail vor. Ihr Kuss friert ein. Er braucht keine Beobachter und Einflüsterer von oben, die ihm Anweisungen geben. Michael weiß auch ohne sie, was Anna in einer Situation wie dieser von ihm erwartet. Michael ist klar, dass er eigentlich an nichts anderes als an den Geschmack von Annas Zunge und den leichten Druck ihres Busens an seiner Brust denken dürfte, oder besser: gar nicht denken, einfach den perfekten Augenblick genießen. Stattdessen hat er einen imaginären Papierdrachen vor Augen, und aus dem Schutz des Baumes wird ein Moment der Bedrohung.
Fast wütend auf sich und die Situation, schiebt Michael eine Hand unter Annas Shirt. Seine Bewegung ist dabei so heftig, dass Anna kurz zurückzuckt. Doch die Berührung seiner Hände ist ihr so vertraut, dass sie sich gleich wieder entspannt. Annas weiche warme Haut unter seinen Fingern wischt auch Michaels seltsame Gedanken auf einen Schlag beiseite.
„Gehen wir zu dir", flüstert er in Annas Ohr.
Dann leckt er mit der Zunge ganz leicht darüber. Wie erwartet zieht Anna die Schulter hoch und den Kopf ein.
„Du weißt, dass ich nicht mehr klar denken kann, wenn du das tust."
„Gut so ..."
„Weil du mich verrückt machst."
„Ich bin auch verrückt nach dir!"
„Und weil ich dich liebe."
Michael löst sich von Anna und tritt einen Schritt zurück.
„Dass du das sagst, ... also die Vorstellung, dass du mich liebst ... Er blickt sie ernst an. „Irgendwie gibt das allem einen Sinn.
Anna nimmt ihn an der Hand, und er lässt zu, dass sie ihn aus dem Schatten des Kastanienbaumes ins grelle Nachmittagslicht des Sommers zieht. Dort hat sich die Sonne an den Mauern der Häuser, die den Platz um den Baum säumen, schon den halben Tag heiß gerieben. Michael bleibt stehen, Annas Hand rutscht aus seiner.
Michael zieht blinzelnd seine Sonnenbrille aus einer Tasche seiner Shorts und setzt sie sich auf. Direkt vor ihm, auf der anderen Straßenseite, macht sich ein weißbärtiger Alter mit Glatze und nicht kleinen Ohren an einem der Schaukästen am ehemaligen Kino zu schaffen. Michael erkennt in ihm den Betreiber des Kinos aus der Zeit, als es noch regelmäßig bespielt wurde. Der Mann bewegt einen Schlüssel einige Male im Schloss, scheint den Kasten aber nicht aufzukriegen. Michael hört etwas, das ein Fluchen sein könnte. Erst als der Alte mit der Faust gegen das Holz schlägt, lässt sich der Schaukasten öffnen. Aus Erzählungen weiß Michael, dass sich sein Vater schon als Jugendlicher oft und gern in diesem Kino, das man damals noch „Lichtspieltheater" nannte, Filme angesehen hat. Später waren sie manchmal zusammen in einem Film, seit einiger Zeit aber wurde das Gebäude abgesehen von der Wohnung, in der der Besitzer lebte, nicht benutzt. Als er ihn nun dabei beobachtet, wie er ein Plakat im Schaukasten anbringt, dessen Schriftzug er aus der Entfernung und in dem grellen Licht nicht entziffern kann, denkt Michael, dass es doch nett wäre, wenn in dem alten Kino wieder Filme gezeigt würden.
Noch halb in diesen Gedanken, spürt er, dass Anna wieder seine Hand ergreift.
„Ich glaube, ich hätte jetzt doch gern ein Erdbeereis, bevor wir zu mir gehen, sagt sie. „Bei der Hitze!
Ohne ihr zu antworten, folgt Michael ihr in Richtung einer der Gassen, die von dem Platz mit dem Kino wegführen. Zwischen zwei Schritten fasst er Anna an den Schultern; sie bleibt stehen, er ist dicht hinter ihr und teilt mit den Händen ihre Haare, die jetzt rehbraun glänzen und sonnenwarm und ganz trocken sind, und küsst sie leicht auf den Nacken. Anna lehnt sich an Michael, der sie mit beiden Armen umfasst und dem vorkommt, dass jetzt wieder alles genauso ist, wie es sein sollte.
Paul Walkers Blick
Später, in Annas Zimmer, sind ihre Bewegungen aufeinander eingespielt. Für Michael ist das nichts, worüber er sich groß Gedanken macht, es ist einfach so. Sie sind seit fast zwei Jahren zusammen und kennen sich noch viel länger, seit dem ersten Tag im Kindergarten, als Michael begann, mit Bauklötzen um sich zu werfen, weil er wütend war vor Angst, seine Mutter würde ihn nicht wieder abholen, und Anna von einem der Klötze an der Wange getroffen wurde und Michael sich schlagartig der Konsequenzen seiner Handlungen bewusst wurde, die Klötze einsammelte und für Anna ein Schloss baute, damit sie nicht mehr weinte, sondern wieder lachte, und weil sie, wie er ihr auch sagte, so schön sei wie eine Prinzessin, die schließlich und endlich nirgendwo sonst als in einem Schloss wohnen könne.
Anna hat die Vorhänge zugezogen, und noch bevor sie sich Michael zuwendet, schlüpft sie aus ihrer Bluse. In dem diffusen Licht, das jetzt im Zimmer herrscht, könnte ihr schlanker Körper der eines Jungen sein. Michael steht schon ohne Shirt vor ihr. Anna kommt auf ihn zu und ihr Kopf, leicht zur Seite geneigt, genau in der Mulde von Michaels Hals zwischen seinem Kinn und der Brust zum Liegen. Michael streichelt die nackte Haut ihres Rückens, dann suchen seine Hände ihren Busen.
„Du bist so zärtlich", flüstert Anna.
Sie hebt jetzt den Kopf, und Michael nähert sich ihr mit dem seinen. Michael liebt es, Anna zu küssen, dabei verfliegt sein Denken zu einem schwebenden Nichts. Er kostet Annas Geschmack und die Länge des Moments aus, so könnte er ewig dastehen, eins mit Anna.
Dann, ohne dass der Kuss dabei zu einem Ende käme,