Merkwürdige Mynthe
Von Dorte Roholte
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Buchvorschau
Merkwürdige Mynthe - Dorte Roholte
Dorte Roholte
Merkwürdige Mynthe
Übersetzt von Sigrid Andersen
Saga Kids
Merkwürdige Mynthe
Übersetzt von Sigrid Andersen
Titel der Originalausgabe: Mærkelige Mynthe
Originalsprache: Dänisch
Coverimage/Illustration: Shutterstock
Copyright ©2013, 2023 Dorte Roholte und SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788728259863
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung des Verlags gestattet.
www.sagaegmont.com
Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.
Kapitel 1
Die Fliesen in der Küche glänzen blau und grün. Ein kleiner Klapptisch ist an der Wand befestigt, sodass man nur an drei Seiten sitzen kann. Mynthe sitzt an einer davon, mit dem Rücken zum großen Kühlschrank. Aus einer kleinen Kristallschale isst sie Joghurt. Es klirrt, als der Löffel das Glas berührt. Ihre Mutter sitzt am Tischende und trinkt aus einer hellblauen Tasse mit weißem Rand Kaffee. Gegenüber sitzt Jokum in seinem Hochsessel und isst seinen Haferbrei fast schon anständig. Er ist gut darin geworden und kleckert gar nicht mehr so viel. Und er ist größer geworden.
Mynthe steht auf. „Ich muss los."
Ihre Mutter blickt auf die Uhr an der Wand über der Tür zum Wohnzimmer. Die Uhr ist mit Teakholz eingerahmt. Diesen Retrostil mag ihre Mutter gern.
„Wir müssen auch bald los. Viel Spaß in der Schule, Mynthe. Kaufst du auf dem Nachhauseweg zwei Liter Leichtmilch, bitte?"
„Okay."
Sie stellt die Schale ins Spülbecken, denn es gibt keine Spülmaschine in der Küche.
Die Tür zum Badezimmer befindet sich direkt gegenüber den Haken an der Garderobe. Mynthe schlüpft schnell ins Bad, um zu prüfen, ob sie auch ordentlich aussieht. Ja, alles in Ordnung. Aber irgendwie sieht sie ihr Spiegelbild undeutlich.
Ihr Rucksack steht unter den Garderobenhaken. Sie nimmt ihn und schlüpft in die Stiefel, bindet sich das Halstuch um und geht los.
Der Wind weht.
Draußen sitzt ein Mädchen auf dem Plastiktraktor von Jokum. Als sie aufsteht, bemerkt Mynthe, dass sie etwas größer ist als sie selbst.
„Dachte schon, du kommst nicht mehr!"
Das Mädchen hat dunkles Haar, genau wie Mynthe. Allerdings sind ihre Haare lockig, ihre Haut ist olivfarben. Das unterscheidet sie von Mynthe. Sie heißt Yasmin und ist ihre Freundin.
Mynthe lächelt ihr zu. „Wir haben noch viel Zeit."
Auch Yasmin lächelt. Sie hängt sich bei Mynthe ein. Beide lachen und stapfen im Gleichschritt los über den Gehsteig.
Mynthe würde so gerne springen und tanzen. Sie freut sich nämlich darauf, Markus zu sehen. Sie hofft so sehr, dass er heute zur Schule kommt.
„Du denkst an Markus, das seh ich genau, oder?, fragt Yasmin sie neckisch. „Du rennst nämlich wie eine Irre, haha!
„Schon", grinst Mynthe und spürt die Schmetterlinge in ihrem Bauch tanzen.
Sie dreht sich um und sieht zurück auf das Haus, bevor sie um die Ecke biegen. Ihre Mutter und Jokum sind noch immer nicht vor der Türe. Mynthe denkt daran, dass sie mit dem Fahrrad zur Krabbelstube fahren müssen. Etwas in ihr wundert sich plötzlich. Jokum ist doch bei einer Tagesmutter, nicht in der Krabbelstube.
Und noch etwas stimmt nicht. Das Haus ist irgendwie falsch. Es ist ein Reihenhaus mit gelben Ziegelsteinen. Und davor ist nur ein ganz kleiner Vorgarten.
„Schau!, flüstert ihr Yasmin ins Ohr. „Da ist er!
Mynthe vergisst das Haus und schaut. Tatsächlich. Da ist Markus. Er kommt auf seinem uralten, rostigen Klapperfahrrad angefahren, mit dem er immer fährt. Hinter ihm sieht sie das große, viereckige Schulgebäude.
Er hat dunkles Haar, das aber nicht ganz so dunkel wie das von Yasmin. Es ist länger als Mynthes Haar. Bis zu den Schultern geht es. Seine Augen sind unglaublich blau. So blau, dass Leute ihn manchmal fragen, ob er farbige Kontaktlinsen trägt. Zweifelsohne ist er der am besten aussehende, attraktivste und wunderbarste Junge auf der ganzen Welt. Aber das Beste ist, dass es ihm völlig egal ist, was andere Leute von ihm halten. Seine Schulbücher trägt er immer in einem Sack vom Supermarkt. Jeden Tag passt er auf seine kleine Schwester auf und ist unglaublich lieb zu ihr. Als Mynthe zum ersten Mal mit ihm gesprochen hatte, hatte sie ihn am Spielplatz getroffen, auf den sie manchmal mit Jokum geht. Markus war mit seiner kleinen Schwester dort und meinte, dass er ganz oft dort wäre. Und außerdem spielt er Gitarre. Er ist einfach einmalig. Und noch dazu duftet sein Haar so gut. Das weiß Mynthe, weil sie sich geküsst haben.
Viermal.
„Hallo, Mynthe, begrüßt er sie und bleibt fast ganz stehen vor ihnen. „Und ich bin unsichtbar?
, lacht Yasmin.
Mynthe lächelt Markus an und bekommt fast keine Luft, weil sie so verliebt ist.
Sie will ihn fragen, warum er von der Schule wegfährt, bringt aber kein Wort heraus.
Mynthe wurde ruckartig wach. Sie hatte einen dicken Kloß im Hals. Vermutlich hatte sie die Decke im Laufe der Nacht zu fest über den Kopf gezogen. Sie rang nach Luft und warf die Decke zur Seite. Ihr Herz pochte laut.
Was für ein verrückter Traum. Er hatte sich so echt angefühlt, aber nichts von ihrem Traum stimmte. Sie wohnte doch gar nicht in einem solchen Reihenhaus, sondern in einem großen Haus mit einem großen Garten. Auch die Küche sah ganz anders aus.
Die Einfahrt war ebenso völlig anders, und auch die Schule stimmte nicht. Und sie ging nie zu Fuß. Sie fuhr immer mit dem Fahrrad, denn der Weg zur Schule war in Wirklichkeit viel weiter als in ihrem verrückten Traum.
Mynthe drehte sich auf den Rücken. Es kam ihr so vor, als ob der Traum wie ein klebriges Spinnennetz noch immer an ihr haftete. Panik, dass sie ihn nicht loswerden könnte, überfiel sie.
Yasmin hatte das Mädchen mit den schwarzen, krausen Haaren geheißen. Aber ihre Freundin hieß doch Klara. Ihre beste Freundin. Sie hatten einander ewige Freundschaft geschworen.
Mynthe sah Klaras helles Gesicht mit den Sommersprossen vor sich und bekam fast ein schlechtes Gewissen, obwohl es doch nur ein Traum gewesen war. Klara verschwand aus ihren Gedanken. Stattdessen versuchte sie sich zu erinnern, wie Markus aus ihrem Traum ganz genau ausgesehen hatte. Sie war verrückt nach ihm im Traum. Aber genau das war ja verrückt, denn sie war ja eigentlich in Klement verliebt, dem großen Bruder von Klara. Er war fünfzehn.
Aus der Küche drangen leise Stimmen. Ihre Mutter und ihr Vater sprachen fast flüsternd miteinander.
Endlich fühlte sie sich ganz wach und fast so wie immer.
Heute war ihr Geburtstag. Sie wurde dreizehn. Und natürlich freute sie sich auf das übliche Frühstückstablett mit Kerzen, Ballons und Geschenken, mit dem sie sie gleich überraschen würden. Mynthe drehte sich schnell zur Seite, zog die Decke ein wenig hoch und schloss die Augen. Es würde sonst nicht dasselbe sein, wenn sie schon wach wäre.
Jetzt konnte sie auch Jokum hören. Er rief das einzige Wort, das er sagen konnte.
„Auto! Auto, Auto, Auto!"
„Schhhh, sei still, meinte ihre Mutter leise. „Heute ist Mynthes Geburtstag!
„Mynthes Morgen", kam die Stimme ihres Vaters. Ihre Mutter antwortete nicht.
Jetzt standen sie direkt vor der Türe. Etwas Metallisches wurde gegen die Türe geschlagen.
Mynthe kannte das Geräusch. Sie wusste, dass die kleinen Autos von Jokum so klangen. Dann wurde die Türe geöffnet und alle kamen herein.
„Alles Gute zum Geburtstag, Mynthe. Jetzt bist du dreizehn!", lächelte ihre Mutter.
„Guten Mynthe-Morgen, lachte ihr Vater wie immer. „Nein, warte. Heute ist Guten-Geburtstag-Mynthe-Morgen. Oder Guten-Mynthe-Geburtstagsmorgen. Oder ...
„Ja, ja, Peter, ist genug jetzt", unterbrach ihn ihre Mutter.
Mynthe gab vor, gerade erst aufzuwachen. Sie rollte auf den Rücken, lächelte und streckte sich genüsslich.
Ihr Vater trug Jokum, ihre Mutter das Tablett. Auf dem Tablett stand eine Kerze, und ein Luftballon war daran festgebunden. Alles, wie es sein sollte. Und auch ein großes Glas Multifruchtsaft, den sie so mochte, gab es.
„Hurra, hurra, hurra, jetzt bist du ein Teenager, lachte ihre Mutter. „Sag mal Hurra, Jokum!
„Auto!", rief Jokum und katapultierte das kleine Auto in Richtung Mynthes Kopf. Sie konnte gerade noch ausweichen, sodass es die Wand hinter ihr traf.
„Jetzt ist Schluss, Jokum!", meinte ihre Mutter zornig.
Sie setzte sich auf die Bettkante und stellte das Tablett auf ihre Knie. Mynthe richtete sich im Bett auf und nahm das Glas mit Saft.
„Dein Geschenk ist in der Küche, sagte ihre Mutter. „Und das Frühstück auch. Warum setzten wir uns nicht in die Küche und essen gemütlich?
„Dein Geschenk ist nämlich so groß, dass es