Pfad der Erinnerung: Auf den Spuren der Wanderschamanin
Von Nicole Elmer
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Über dieses E-Book
Dich Neuem zu öffnen?
Kannst Du aufhören zu Analysieren und Dich stattdessen tief in die Zeiten dieser Welt mitnehmen lassen?
Dieses Buch lädt Dich ein, mit mir auf den alten Pfaden zu wandern,
es führt Dich zurück zu den Erinnerungen unserer Ahnen.
Eine Reise der Initiation auf meinem schamanischen Weg.
Nicole Elmer
Nicole Elmer, geboren 1982 in Ostwestfalen, verwurzelt auf der Welt. Seit vielen Jahren geht sie Ihren ganz individuellen, schamanischen Weg. Geprägt wurde dieser vor allem durch unsere europäischen Ahnen aber auch durch Lehrern aus Deutschland, Österreich, Grönland und Sibirien. Auf unzähligen Reisen in den hohen Norden und die britischen Inseln kam es immer wieder zu tiefen, intensiven Begegnungen. Seit 2016 begleitet sie im "Eulennest" Menschen durch ihre Lebensprozesse, gibt selbst Seminare & Coachings und bietet schamanische Ausbildungen an. Studiengänge zur Psychologischen Beraterin und Psychologisch- systemischen Märchenbegleiterin runden ihre Arbeit ab. www.eulennest-schamanin.de
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Buchvorschau
Pfad der Erinnerung - Nicole Elmer
Kapitel 1
Das unverkennbare Klickern weckte mich. Noch bevor ich die Augen öffnete, wusste mein Geist, was geschehen war: Sie waren zurückgekehrt. Von ihrer großen und ewigen Wanderung. Auf Wegen, die es schon zu einer Zeit gab, als wir Menschen nicht mehr als ein Gedankensplitter der Großen Mutter waren. Sie gaben das Wissen um diese Pfade von Generation zu Generation weiter.
Ein wilder, erdiger und gleichzeitig beruhigender Geruch drang in meine Nase. Die Morgensonne schien noch sehr zaghaft, doch mit kraftvoller Beharrlichkeit drang ihr Licht durch die Häute meines Zeltes. Und nun sah ich sie: die ausladenden Geweihe, die Schatten ihrer gedrungenen, recht eckig anmutenden Körper. Die Köpfe hielten sie gesenkt, nichts und niemand trieb sie zur Eile. Ihre Bäuche wölbten sich bereits, nicht mehr lange und die ersten Kälber würden geboren werden.
In den wenigen Jahren meines jungen Lebens war die jährliche Rückkehr der Rentiere zu einer Konstanten geworden. Durch sie hatte ich bereits die Wechsel der Jahreszeiten verinnerlicht. Und noch etwas durfte in mir gedeihen: Ein tiefes Vertrauen.
Das Gefühl von Heimat.
Hier war ich zu Hause, in den weiten und urigen Landschaften des alten Landes. Es gab keinen anderen Ort für mich auf dieser Welt, nur hier wollte ich groß werden, in meine Sippe hineinwachsen und den mir angedachten Platz einnehmen.
Nichts würde mich je von hier fortbringen. Schnell zog ich mir den warmen Mantel aus Fell und die von Hand genähten Fußlinge über, schlug die schwere Plane meines Zelteinganges zur Seite und rannte hinaus in das von mir so sehr geliebte kleine Dorf. Unzählige Rentiere zogen nah an den runden Zelten vorbei, soweit mein Auge blicken konnte, reichte ihre Gruppe. Die Freude über die Ankunft, der für uns so wichtigen Tiere war deutlich spürbar, fröhliches Stimmengewirr mischte sich in das Klickern, Schnauben und Rufen.
Die Luft selbst war angereichert von einem würzigen Duft, durchzogen von den Rauchschwaden der Feuerstellen und der Süße des frisch zubereiteten Frühstückbreis.
Gerade wollte ich losrennen und mich in das ausgelassene Treiben meines Volkes hineinstürzen, als mich ein unterschwelliges Gefühl innehalten ließ. Ganz still wurde ich und auch meine übrigen Sinne fokussierten sich mehr und mehr nach innen.Ich spürte, wie sich die feinen Härchen an meinem Körper aufrichteten, ein Kribbeln und Prickeln sich über meine gesamte Kopfhaut ausbreitete.
Was ließ mich hier innehalten?
Die noch vor einem Augenblick empfundene Leichtigkeit war einer großen Unsicherheit gewichen. Sehr achtsam und langsam drehte ich mich um, bis ich in die tief in den Höhlen liegenden Augen des Ältesten blickte. Sein Gesicht war gezeichnet von den nicht mehr zählbaren Jahren, die sein Leben bereits andauerte. Der Körper, welcher einst hoch aufgerichtet und sehr kräftig gewesen sein muss, war nun eher hager und krumm. Eingehüllt in ein grob gewebtes, dunkles Tuch war sein Kopf. Ein dickes, schweres Fell des Moschusochsen schützte seinen Körper vor Wind und Wetter.
In seinen Händen ruhte der Griff eines gar wundersamen Stabes. Das Holz war in sich gedreht, ganz so als konnte es einst den einfachen und kurzen Weg nicht nehmen, den es so gerne gewachsen wäre. Durch die vielen Jahre, die dieser Stab bereits den Ältesten stützte und begleitete, war er an vielen Stellen blank gerieben und glänzte.
Vor nicht allzu langer Zeit hatte er mir verraten, dass ein alter, mächtiger Wacholder sein Holz für diesen kraftvollen Stab gegeben hatte. Ein Mittler zwischen den Welten, ein Wächter und Hüter der Zwischenräume. Auch Schutz vermag er seinem Träger zu schenken, durch seinen reinigenden Duft hält er das Energiefeld sauber.
Bevor meine Gedanken weiter abschweifen konnten, drehte sich der Alte langsam um, ging los und an den wenigen Behausungen meiner Sippe vorbei. Niemand der Anderen schien ihn wahrzunehmen, alle waren so sehr mit den Tieren und der Vorbereitung des Festes, welches ihnen zu Ehren am Abend stattfinden sollte, beschäftigt.
Plötzlich schlich sich ein kaum greifbarer Verdacht in meinen Geist hinein: Waren sie lediglich abgelenkt oder vielmehr gar nicht in der Lage, diesen außergewöhnlichen Mann zu sehen?
Doch wie wäre das möglich?
Zögerlich folgte ich ihm, merkte erst jetzt, dass ich beim Verlassen meines Zeltes meine Schlafdecke, einen Becher und noch andere nützliche Dinge mit hinausgenommen hatte. Hatte ich das wirklich? Ich konnte mich nicht erinnern, es getan zu haben.
Dort, ganz am Rande des Dorfes stand er nun. Sein Blick ging hinaus in die Weiten der Landschaft. Nur wenige kleine Bäume wuchsen hier, die Flächen waren gedeckt von Heide, Gräsern und Moosen. Auf den Berggipfeln am Horizont lag immer noch Schnee, in den meisten Jahren schmolz er nie gänzlich.
Langsam und zögerlich trat ich an seine Seite. Eine mir nicht erklärbare Traurigkeit und Angst machte sich in mir breit. Und dieses sehr beklemmende Gefühl von großer Einsamkeit breitete sich in meinem kleinen Herzen aus.
„Der Tag ist nun gekommen, an dem Du alt genug bist, den langen Weg Deiner ureigenen Reise anzutreten. Du und ich, wir gehören zu den Letzten dieser Art, nur wenige von uns leben noch an anderen Orten dieser Welt. Wir drohen, in Vergessenheit zu geraten."
Was sagte er denn da? Auf Reisen sollte ich gehen? Keiner hatte mir davon etwas gesagt. Wo blieben denn die Erwachsenen? Sollten sie nicht längst hier bei uns sein? Niemand hatte eine Reise angedeutet, alle hatten seit Wochen kaum einen Tag nicht von dem Fest zu Ehren der Rentiere gesprochen.
Und was meinte er damit, dass wir die Letzten seien? Unser Dorf war gesund, kräftig und bereits in diesem Jahr wurden schon einige Kinder geboren. Vielleicht war er schon so alt, dass er gar nicht mehr wusste, was er da sagte? Hoffnungsvoll schaute ich ihn an. Doch ein Blick in seine klaren, grauen Augen löschten sofort jeden Zweifel an seinem Verstand aus.
„Du bist auserwählt, auf den Spuren der Vergessenen, der Uralten zu wandeln. So weit zurück, bis Du zum Ursprung gelangen wirst. Wir brauchen die Kraft der Erinnerung, damit wir nicht vergessen, wer wir sind.
Nur ein Kind mit reinstem Herzen kann diesem Weg überhaupt folgen. Ein Kind, sanft und doch sehr stark. Stark genug, die Einsamkeit zu ertragen und in all den Wirren weiter klar lauschen zu können.
Geh nun, es ist soweit. Eines Tages wirst Du zu diesem Dorf zurückfinden, bewahre Dir diese Gewissheit immer in Deinem Herzen.
Geh!"
Kapitel 2:
" Du wirst auf Wanderschaft hinein in das Leben geschickt. Um Erfahrungen zu sammeln, zu lernen und zu lehren. Um Prüfungen zu meistern und du kehrst dann zurück, wenn es an der Zeit ist. Das Feuer in unserer Mitte wird immer brennen, wir werden drumherum sitzen wie eh und je und immer für Dich erreichbar sein. Nimm einen Teil dieser Flammen mit und bringe sie zurück in die Welt, gebe sie zurück in die Seelen, die kalt und dunkel geworden sind.
Mach Dich auf den Weg, Kind des Stammes."
Erschöpft, hungrig und so unglaublich einsam zog ich nun schon viele Tage durch die sich nur langsam verändernde Landschaft. Ich hatte aufgehört, die Zahl der Sonnenaufgänge zu zählen.
Es war bedeutungslos geworden. Nur immer weiter, einen Fuß vor den anderen setzen. Noch immer spürte ich die heißen Tränen meine Wangen hinunterlaufen, Tränen der Wut, ja sogar hasserfüllt waren sie gewesen. Ich tobte innerlich, doch hatte ich der Versuchung, mich auch nur ein einziges Mal umzudrehen, um noch einen Blick auf mein Dorf werfen zu können, widerstanden.
Trotz all des Entsetzens und der Fassungslosigkeit über den Auftrag, den der Älteste mir gegeben hatte, trug ich seitdem eine große Annahme und Akzeptanz in mir. Ich hatte keinen Augenblick gezögert und war losgezogen, hinaus in eine andere Welt.
Hinfort, um die Erinnerung zu bewahren.
Hatte ich es nicht sogar vom ersten Atemzug an gespürt, dass mein Leben eine einzig große Wandelzeit sein wird? Vorbei an mächtigen Kiefern führte mein Weg nun. Ihre Wipfel reichten weit hinauf, berührten fast den alles umspannenden Himmel.
So gerade auf aufrichtig standen sie dort. Unverrückbar und dennoch biegsam. Sie wussten genau um ihren Platz, trugen aber auch das Wissen um die Notwendigkeit der Flexibilität in sich. Ich entschied mich, eine Weile bei ihnen zu bleiben, es schien, als luden sich mich dazu ein, als wollten sie meine Gefährten sein.
Die Zweige hingen tief und berührten an manchen Stellen gar den von abgestorbenen Nadeln bedeckten Boden. Ganz in der Nähe gab es wunderbar weiches, satt-grünes Moos. Und auch ein kleiner Bach bahnte sich flüsternd und glucksend seinen Weg durch diese Landschaft.
Es schien ein guter Ort zu sein, um eine Zeit der Einsamkeit und Innenschau zu erleben. Ich richtete mich ein, begann mit den alten Bäumen zu sprechen und erfuhr in dieser Kommunikation Trost. Sie leisteten mir treu und ohne jegliche Erwartungen Gesellschaft, allein durch ihre Nähe und ihr Sein.
Oft lag ich einfach da, ganz ausgestreckt auf Mutter Erde. Mit jedem Atemzug wurde ich mehr und mehr eins mit ihr. Eine Verbindung baute sich auf, jeder Zentimeter meines Körpers war ganz bewusst in dieser erdigen Berührung verankert.
Ganz sanft konnte ich spüren, wie die Erdenergie sich den Weg in meine Adern und Gefäße suchte. Mit jedem Einatmen versank ich mehr in den fruchtbaren Boden. Dunkel wurde es um mich herum, eine wohlige, alles umarmende Dunkelheit hüllte mich ein.
Ich konnte mich fallenlassen, ganz frei und leicht. Immer mehr drang ein warmes und gleichzeitig kraftvolles Gefühl in jede meiner Zellen ein.
Große Mutter, sie war es, die mich hier willkommen hieß. Sie war durchzogen von einem einzigartigen Netz aus Wurzeln und Pilzen. Unzählig viele Linien und Energiebahnen trafen hier aufeinander, verflochten sich, tauschten sich aus und webten so das Lebensnetz weiter.
„Beginne, Dich zu erinnern. Es gab eine Zeit, in der Du Dein Leben so gelebt hast, wie es von Anfang an für Deine Seele vorgesehen war. Erinnere Dich an diese Aufgabe, an den Grund, warum Du hier bist."
Es war die mir so wohlbekannte Stimme des Ältesten, die sich hier unten in Wurzelreich den Weg zu mir gesucht hatte.
Ich spürte keine Angst, keinen Widerstand.
Bedingungslos ließ ich mich