Italien – Der Norden: 40 Highlights abseits der ausgetretenen Pfade
Von Stephan Brünjes
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Über dieses E-Book
Abseits ausgetretener Pfade führt der Autor seine Leser mit diesem Buch, zu 40 gut erreichbaren Zielen. Ein bunter Mix aus Natur- und Städte-Attraktionen, spannenden Menschen, die es zu treffen lohnt, sowie Themenrouten, Shopping-Tipps und kuriosen sowie historischen Zielen, die einen Stopp wert sind – von sich kabbelnden Rubikon-Dörfern und der Campari-Keimzelle bis zu Cinque Terres stillen Nachbarn und modernen Mosaik-Künstlern.
Stephan Brünjes
Stephan Brünjes, geboren 1961, arbeitet als Reisejournalist und Fotograf – am liebsten in Kanada. Seit zehn Jahren zieht es ihn nach Ontario, um atemberaubende Seen-Landschaften, faszinierende Tiere und explodierende Indian Summer-Farben zu erleben sowie optimistische, zupackende und naturverbundene Kanadier zu treffen. Die pulsierende Metropole Toronto ist oft Start und Ziel seiner Reisen – weil es hier verrückte Dinge auszuprobieren gibt – wie den kanadischen Funsport Axtwerfen etwa. Dann geht es kreuz und quer durch Ontario – auf der Suche nach Zielen, Menschen und Routen abseits ausgetretener Pfade.
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Buchvorschau
Italien – Der Norden - Stephan Brünjes
Trentino/Südtirol
Gasthof Kohlern – Endstation der weltweit ältesten Personenseilbahn
1.Reschenpass – oder: Schnee-Schmuggler und ein Bleistift im Wasser
2.Im Land der Nougat-Knödel: Der Vinschgau
3.XXL-Glotze auf der Berg-Glatze: Das Knottnkino in Südtirol
4.Genuss bei „Frozen Fritz": Bozen abseits von Ötzi
5.Hoch sollen sie streben: Mit der ältesten Seilbahn nach Kohlern
6.Ossobucco mit Tirolerhut: Die ganz besondere Almhütte
7.Bei den Hexen vom Boah-Felsen: Das Skigebiet Seiser Alm
8.Wo der Hacken-Schorsch den Glatzkopf rasiert: Das Skigebiet Kronplatz
9.Urlaub mit „Goethe-Siegel": Am Gardasee auf den Spuren deutscher Dichter
1. Reschenpass – oder: Schnee-Schmuggler und ein Bleistift im Wasser
Im Skigebiet an der italienisch-österreichischen Grenze gibt es bei Liftfahrten abenteuerliche Schieber-Geschichten zu hören. Und die Antwort darauf, wie ein Kirchturm in einen See kam.
Schwer zu sagen, wem Charly ähnlicher sieht: Catweazle, dem TV-Waldschrat der Siebziger, oder doch eher Gipfelstürmer Reinhold Messner. Jedenfalls macht Karl „Charly" Jung den Liftsessel zum Kinosessel und die Bergwand zur Leinwand. Denn er projiziert seine Erzählungen förmlich hinein in die verschneite Winterlandschaft rund um Nauders am Reschenpass. Kaum zuckelt der Sessellift Richtung Lärchenalm, schon beginnt Charlys Kurzkrimi mit einem Schuss Luis-Trenker-Tremolo: Arme Bauern seien seine Eltern noch gewesen, damals in den Fünfzigern. Drum hätten sie sich was dazu verdienen müssen – mit Schmuggeleien. Und Charly mittendrin – als zehnjähriger Kundschafter-Knirps.
Karl „Charly" Jung spekulierte als Junge die Zöllner aus ...
„Geh Bua, geh spielen im Wald, sagte mein Vater nach der Schule zu mir, erzählt er – immer noch mit leuchtenden Augen. Für Klein-Charly hieß das, er sollte „die Zöllner ausspekulieren
, wie er sagt. Wo laufen sie Streife, wie viele sind es heute? Aufgrund dieser „Späher-Infos entschied sein Vater damals, ob er es wagen konnte, zwei, drei Schweine vom Tiefhof auf österreichischer Seite im Schutze der Dunkelheit über die Grenze zum italienischen Tendershof zu schmuggeln. Die Schweine bekamen vorher „Beruhigungsmittel
, raunt Charly – „reichlich Schnaps, drei Schluck für die Viecher, einen für den Schmuggler, natürlich aus derselben Flasche ..."
Gerade will Charly noch erzählen, wie einmal ein unzureichend betäubtes Borstenvieh einen ganzen Schmugglertreck durch lautes Gequieke auffliegen ließ, doch in diesem Moment ist die Sesselliftfahrt zu Ende. Charly ist in seinem Revier angekommen – als Skilehrer. Und das heißt: Carven statt spähen, auf schneesicheren, zumeist rot beschilderten Pisten bis zu 2800 Meter Höhe, die sich im Laufe des Tages nicht in fies vereiste Buckel-Mittelgebirge verwandeln. Oder wedeln auf wenig befahrenen, windgeschützten Waldwegen, die auch Anfänger in Ruhe herunterschwingen können. Am Ziel warten Lifte, an denen Menschenschlangen so gut wie nicht vorkommen.
... und erzählt heute noch gerne in der Seilbahn davon.
Breite Pisten am Reschenpass, gut für Genuss-Carver
Die Talabfahrt Nr. 1 im italienischen Schöneben kreuzt die alten Schmugglerrouten. Ganz in der Nähe – der Tendershof, nur gut 50 Meter hinter der österreichisch-italienischen Grenze im Wald gelegen. Fast wie die Schmuggler früher pirschen sich heute Ski-Touristen abends an den Hof heran – auf Schneeschuhen mit Fackeln, geführt von Andreas Prantl, dem heutigen Hofbesitzer. „Mein Onkel saß in Innsbruck im Knast, erzählt er auf der Wanderung, „für den Schmuggel einer Ziege!
Andreas Prantls Mutter hingegen hat sich nie erwischen lassen, obwohl sie so manches Ding gedreht hat – das mit den Ochsen in der Hofkapelle zum Beispiel. „Die beiden Rindviecher waren gerade auf den Hof geschmuggelt worden, erinnert sich Margarita Prantl, „da stürmten die Finanzer aus dem Wald.
Die Zöllner von der italienischen „Guardia di Finanza" stellten den ganzen Tendershof auf den Kopf. Nur die Hofkapelle nicht. Denn davor ging Margarita Prantl auf und ab, tief ins Gebet versunken. Es hat offensichtlich genützt, denn die beiden in der Kapelle versteckten Schmuggel-Ochsen blieben mucksmäuschenstill.
Wie ein Bleistift ragt der Kirchturm aus dem Eis, weil ein Ort geflutet wurde.
Solche Räuberpistolen rund um Schiebereien auch mit Tabak und Zucker erzählt die resolute Frau immer noch gern ihren Gästen. Die haben es heute mindestens so gut wie damals die „Finanzer, denn nach wie vor bekommt jeder Besucher auf dem Tendershof in der warmen Gaststube mindestens die Sauerkrautsuppe nach Geheimrezept – heute die Touristen aus Gastfreundschaft, früher war’s der Bestechungsteller für die Zöllner, damit sie nicht gar so genau kontrollierten. Viel zu verdienen gab’s bei den Schmugglertouren damals meist nicht, viel zu verlieren hingegen schon. Umgerechnet 200 Euro vielleicht und die mussten meist noch unter vier oder fünf „Mittätern
geteilt werden. Für diesen „Reingewinn" von 50 Euro liefen sie ein hohes Risiko: Manch einer ist vorher unter einer Lawine begraben worden.
Einzig die Langläufer spuren heute an alten Schmugglerrouten vorbei, plagen sich als Neulinge allerdings während der ersten Tour auf italienischer Seite ständig mit einer Frage herum: Warum ragt dieser Kirchturm aus dem Reschensee? Und warum ist da weder eine Kirche noch ein Kirchplatz, geschweige denn ein Dorf? Die Antwort: Weil ein von Menschen ausgelöster Tsunami alles geflutet hat. Der italienische Energiekonzern Montacatini erhielt 1950 von der Regierung die Erlaubnis, den Reschensee zwecks Stromerzeugung 22 Meter höher zu stauen. Alfred Rieper, der Pfarrer des Dorfes Graun am Reschensee pilgerte bis zum Papst nach Rom, um mit seiner Hilfe die Pläne zu stoppen. Ohne Erfolg. 163 Häuser wurden überflutet, 1000 Menschen enteignet und umgesiedelt, zunächst teilweise in Baracken, ohne Grund und Boden. Heute ist der Kirchturm im See das Wahrzeichen der Region Reschenpass.
Info
Lage: Der Reschenpass liegt etwa 80 Kilometer nordwestlich von Meran.
Anfahrt: Die Region Reschen ist per Auto gut erreichbar von Meran über die Staatsstraßen SS 38 und 40.
Öffnungszeiten: keine
Eintritt: keiner
Websites:
•reschen.suedtirol.com
•tendershof.com/index.php
2. Im Land der Nougat-Knödel: Der Vinschgau
Die sonnenverwöhnte Region westlich von Meran ist bekannt für saftige Äpfel und den Ortler – mit fast 4000 Metern höchster Berg Italiens. Weitgehend unentdeckt dagegen: kulinarische Kuriositäten und seltsame Sehenswürdigkeiten.
Knödel garniert mit Garnelen ...
... oder mit Schnittlauch
Ja, da war so ein gewisses Vorab-Völlegefühl – noch vor dem ersten Bissen. Kein Wunder, bei diesem Menü: Fünf Gänge – nichts als Knödel. Egal, wir geben uns mutig die Kugel(n), fragt sich nur, wie viele es am Ende sein werden. Nummer 1 kommt mit Auberginen, Tomaten und Mozzarella auf Basilikum-Jus daher. Sehr herzhaft und gar nicht so schwer wie erwartet macht diese Knödelkomposition richtig Appetit auf den zweiten Tennisball im Schlafrock, diesmal veredelt mit Garnelen an Tomaten, in Knoblauch gedünstet. Hmm, feurig!
Nein, mit fahlen, faden Dampf-Klöpsen, die auf Berggasthof-Tellern bis zum Bauchansatz in Jägersoße baden, haben diese Kreationen nichts gemein. Schließlich wird hier kein Tagesgericht von der abgegriffenen Speisekarte geboten, sondern – bittschön – eine „Knödel-Degustation. Und die zielt auf Feinschmecker wie Weinschmecker gleichermaßen: Zu jedem Knödel wird passend ein Pinot Grigio, Merlot oder Moscato gereicht. Einmal pro Woche überrascht Paul Grüner seine Gäste im Hotel „Zur goldenen Rose
mit solchen Verkostungen unter dem Titel „Ö wie Knödel. Er will das traditionelle Alpenpummelchen modern und weltoffen präsentieren. „Das geht nur mit einem Chefkoch aus einem typischen Knödel-Land
, sagt Grüner und grinst breit: „So wie Karim aus Marokko ..." Er erfand hier vor Jahren immer neue Knödelvariationen, etwa die mit Nougat zum Dessert.
Paul Grüner lädt zur Knödel-Degustation ...
Hätten die Ureinwohner dieses abgelegenen Fleckens im Schnalstal geahnt, welche kulinarischen Segnungen dem Ort einmal zuteil werden, sie wären möglicherweise geblieben. Mönche des Karthäuserordens waren sie, gaben dem Herrgottswinkel anno 1326 seinen Namen und wurden 1782 vom österreichischen Kaiser vertrieben – eine düstere Geschichte, noch heute in Blei gegossen auf dem Dorfbrunnen zu besichtigen. Gelebt hatten die 13 bis 15 Karthäusermönche in strenger Abgeschiedenheit, fast wie Häftlinge. Mahlzeiten wurden ihnen in die Zelle gereicht und zwar durch eine Klappe, die so rechtwinklig in die Tür gesetzt war, dass Mönch und Essen-Verteiler sich nicht sehen konnten. Demut statt Degustation. Die kühlen, geheimnisvollen Klostergänge sind fast vollständig erhalten. Wer hindurch schreitet, spürt noch heute ein wenig von der Enge und Verschlossenheit dieser Anlage – auch wenn hinter den schweren Holztüren längst keine Mönchszellen mehr sind, sondern kleine Wohnhäuser mit Handtuchgärten. Am intensivsten nachempfinden lässt sich die Klosterwelt beim montäglichen Rundgang „Die innere und äußere Welt der Mönche – kunsthistorische und architektonische Besonderheiten & Lebens- und Arbeitsweise der Kartäusermönche. Überhaupt, die Klöster und Kirchen: Im Vinschgau gibt’s so viele gut erhaltene, dass Kunsthistoriker über die Region von der „ältesten Kulturlandschaft Tirols
schwärmen.
Paul Grüner lädt zur Knödel-Degustation ...
Das Dorf Karthaus, versteckt in den Bergen des Vinschgaus
Demut statt Degustation im Kloster Karthaus
Durch die Region kann man sich mit dem Auto wunderbar entspannt treiben lassen. Drängler und Licht-Huper gibt’s hier nicht. Warum nicht mal abbiegen nach Glurns, der kleinsten Stadt Italiens. Nicht nur wegen der Einwohnerzahl (gut 800), so scheint es, sondern auch, weil die Häuser hier irgendwie kleinwüchsig, geduckt erscheinen. Ebenso wie Bozen und Meran hat auch Glurns Straßen mit Laubengängen, doch wer darunter entlang schlendert, zieht unweigerlich den Kopf ein. Und reckt ihn neugierig mitten im Dorf wieder hoch: Ja, richtig, da ist eine Mini-Weide, mit gemütlich wiederkäuenden Kühen drauf. Gleich daneben: ein riesiger Misthaufen, der die Straße fast komplett blockiert. Kein Wunder, dass diese so gar nicht touristisch aufgehübschte Modelleisenbahn-Idylle regelmäßig Besuch von Filmteams bekommt. Ein Streifen über den Tiroler Freiheitskämpfer Andreas Hofer entstand hier ebenso wie „Annas Heimkehr", ein Kriegsdrama um eine jüdische Familie mit Veronika Ferres.
Dorf-Alltag in Italiens kleinster Stadt Glurns
Info
Lage: Das Schnalstal und das Dorf Karthaus liegen 26 Kilometer westlich von Meran.
Anfahrt: Mit dem Auto fährt man auf der Brennerautobahn (A22) bis zur Abfahrt Bozen Süd, dann auf die Autobahn nach Meran. Kurz dahinter beginnt der Vinschgau.
Öffnungszeiten: keine
Eintritt: keiner
Websites:
•merano-suedtirol.it/de/schnalstal/natur-kultur/erholung-natur/silentium.html
•goldenerose.it
•knoedel.it
Spezial-Rezept „Knödel à la Karim"
Feine Schokoladenknödel (ca. 12 Stück )
Zutaten
•250 g trockene Semmel in Würfel geschnitten
•250 g flüssige Zartbitterschokolade
•150 g Milch
•15 g Rum
•15 g Zitronensaft
•1 Päckchen Vanillezucker
•optional: gehackte Nüsse
Zubereitung
Die Schokolade mit Milch, Rum, Zitrone und Zucker mischen und über die Brotwürfel geben. Die Masse quellen lassen. Knödel formen. Die Knödel werden in der Fritteuse bei 160 Grad für ca. vier Minuten frittiert.
3. XXL-Glotze auf der Berg-Glatze: Das Knottnkino in Südtirol
30 Kinosessel hat ein Landschaftskünstler in der Nähe des Örtchens Burgstall vorn auf die Spitze