Wanderwege im Elsass. 25 Rundwanderungen in den Südvogesen: Herrliche Gipfelerlebnisse und kulturgeschichtlich interessante Informationen über unsere Nachbarregion.
Von Ralf Ritter
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Buchvorschau
Wanderwege im Elsass. 25 Rundwanderungen in den Südvogesen - Ralf Ritter
Kulturlandschaft.
Einführung
Vogesen und Schwarzwald
Das gegenwärtige oberrheinische Gebirgssystem bestand ursprünglich aus einem einzigen Gebirge. Die Vogesen bildeten sich aus dessen Westflügeln, der Schwarzwald und der Odenwald aus den Ostflügeln. Dann versank das Gebirge im Meer und hob sich gegen Ende der Juraperiode (vor 200–145 Mio. Jahren) wieder empor. Während der Aufwölbung brach der Oberrheingraben in der Tertiärzeit (vor 65 Mio. Jahren) ein, der anschließend mit mächtigen Sedimenten, insbesondere Rheinschotter, aufgefüllt wurde. Weitere Bewegungsvorgänge hoben die höchsten Teile beider Gebirge bis weit über 1000 m hinaus. So erscheinen Vogesen und Schwarzwald als Geschwister oder gar Zwillinge.
Der Spitzfelsen bei Thannenkirch
Dennoch gibt es zahlreiche Merkmale, in denen sich die beiden Gebirge unterscheiden: Die Vogesen sind mit 125 km beträchtlich kürzer, reichen aber im südlichen Abschnitt weit nach Westen, bilden fast eine Dreiecksform und sind daher größer in der Fläche (6800 km²). Sie besitzen eine ausgeprägte Hauptwasserscheide in Form eines von Nord nach Süd verlaufenden Gebirgsscheitels, das eigentliche Rückgrat des Gebirges. Der Schwarzwald gleicht dagegen einer leicht nach Osten geneigten Platte. Als Wasserscheide zu den westlichen Südvogesen und zwischen den Tälern selbst sind lange hohe Kämme entstanden, von denen Nebenkämme wie Rippen abzweigen. Die höchste Erhebung, der Grand Ballon (der Große Belchen) mit 1424 m, liegt auf einem der östlichen Seitenkämme, der Rheinebene zugewandt, ähnlich wie der badische Belchen. Das Relief der Vogesen ist nicht mit dem des Schwarzwalds identisch: Es fällt in den Südvogesen stärker nach Westen ab als der Schwarzwald nach Osten. Gérardmer (Gerdsee) liegt – bei gleicher Entfernung zum Rhein – 687 m hoch, Löffingen 805 m.
Große Unterschiede gibt es zwischen Vogesen und Schwarzwald auch hinsichtlich der klimatischen Bedingungen. Die Luftströmungen, die das Wettergeschehen in unserem Raum vorwiegend bestimmen, kommen vor allem aus Südwest bis West. Die Gebiete am östlichen Rand des Pariser Beckens sind deutlich ozeanisch beeinflusst, während das Land östlich des Schwarzwalds ein eher kontinentales Klima aufweist. Die Reliefformen der Vogesen schaffen klare Luv- und Leegegensätze: Im Westen erhöhen sich die Niederschläge als Folge der auftretenden Stauvorgänge (Épinal: 1026 mm Niederschlag), auf der Ostseite lassen die Niederschläge nach. Zwischen dem Hauptkamm (2000 mm) der Vogesen und der »Trockeninsel« Colmar (500 mm) besteht ein deutlicher Kontrast. Am tiefen Gebirgsfuß kommen die Trockenheit und Wärme vor allem dem Weinbau zugute. Diese besonderen klimatischen Bedingungen beeinflussen die Vegetation und damit die Baumarten: Die Weißtanne bevorzugt Feuchtigkeit und Wärme, eine West- und Südausrichtung und damit ozeanisches Klima. Sie beherrscht in mittlerer Höhe einen großen Teil der Vogesen, vor allem auf der Westseite. Die Buche zeigt ein ähnliches Verhalten. Die Fichte ist kälteresistent und gedeiht dagegen vorzugsweise im kontinentalen Klima. Sie ist die vorherrschende Baumart des Schwarzwalds.
Die Burgruine Hoh-Rappoltstein
Die beiden Gebirge sind aber nicht nur wegen der erdgeschichtlichen Vorgänge und der klimatischen Verhältnisse verschieden. Auch die Eingriffe des Menschen haben ihr Bild verändert. Die Vogesenkämme wurden schon ab dem 11. Jh. beweidet und waren die Grundlage der Milch- und Käseproduktion mit ihren zahlreichen Melkereien. So erklärt sich die Entstehung der lang ausgedehnten Hochweiden (Hautes Chaumes), welche die Landschaft der Südvogesen prägen. Daran waren die Klöster entscheidend beteiligt, welche für die Besiedlung und die Bewirtschaftung der Vogesen eine Vorreiterrolle spielten. Der Hochschwarzwald blieb bis ins Hochmittelalter weitgehend unerschlossen. Im 17. / 18. Jh. erlitt der Schwarzwald eine systematische Waldzerstörung, um die zahlreichen Hüttenwerke, Köhlereien und die Glasindustrie mit Holz zu versorgen. Flößer haben Baumstämme des Schwarzwalds über die Nebenflüsse und den Rhein bis nach Holland transportiert. Aufgeforstet wurde im 19. Jh. mit der Fichte. In den Vogesen gab es keinen vergleichbaren Eingriff in die Wälder. Bis heute sind Edeltannen und Buchen vorherrschend. Die Beschreibungen der einzelnen Wanderungen gehen – wo es der Anlass gebietet – auf diese humangeografischen Aspekte ein.
Fischbödlesee bei Mittlach
Auch die Geschichte hat diese Landschaft geprägt. Wohl in keiner Landschaft Mitteleuropas gibt es auf so engem Raum so viele Burgen. Das »Elsässische Burgenlexikon« von Felix Wolff (1908) führt 300 Burgen auf! Zahlreiche Klöster haben sich im Elsass angesiedelt, viele ehemalige freie Reichsstädte sind Zeugen seiner Geschichte, um nur einige Aspekte zu nennen.
Südvogesen
Die vorherrschende Bergform der Südvogesen ist die »Ballonform«. Granite und Grauwacke bildeten infolge ihrer gleichmäßigen Verwitterung flach gewölbte Kuppen. Aus Granit bestehen alle Erhebungen des Hauptkamms wie der Hohneck, der Ballon d’Alsace (Elsässer Belchen), auf den Seitenkämmen der Petit Ballon (Kleiner Belchen) oder der Brézouard. Im Gegensatz dazu stehen die wenigen Sandsteinberge, denen man auf der Hohkönigsburg oder dem Großen Hohnack begegnet. Sie erscheinen als abgestumpfte Pyramiden mit langem Rücken; diese Form nimmt der Buntsandstein an, wenn er bis auf seine Unterlage durchsägt ist.
Kennzeichnend für die Südvogesen sind ferner die lang gestreckten, breiten, meist waldlosen Kämme, welche die Weideflächen bildeten und zum Teil heute noch bilden. Hier entstanden die vielen Melkereien, die von den Melkern mit ihren Herden nur im Sommer bezogen werden. Die Bewirtschaftung wurde im Mittelalter streng geregelt. Um Weideland zu gewinnen, wurden die Waldflächen durch Abholzung zurückgedrängt. In den Südvogesen überwiegt der Nadelwald. Den Abschluss der Waldregion an der Grenze zu den Hochweiden bildet meist die Buche, die in ihrem Wuchs in die Breite geht und oft nur als niederes Buschwerk entwickelt ist.
Die Täler zeigen einen weitgehend geradlinigen Verlauf nach Osten. Die Talsohle ist verhältnismäßig schmal, der obere Talbeginn ist oft von steilen, kesselartigen Steilwänden umgeben.
Die Südvogesen bilden seit 1989 einen Naturpark (Parc Naturel Régional des Ballons des Vosges). Er erstreckt sich vom Tal der Lièpvrette (Lebertal) bis nach Belfort, von der elsässischen Weinstraße im Osten bis nach Gérardmer. In der »Maison du Parc« (Naturparkhaus) in Munster sind die wesentlichen Aspekte dieses Parks dargestellt.
Dieses vielfältige Naturreich mit seinen wunderbaren Aussichtsgipfeln, mit den weiten Weideflächen als Zeugnisse einer (fast) vergangenen Kultur der Milchwirtschaft, mit den östlichen Steilabfällen, Karen und Karseen, mit den zauberhaften Tälern mit Wasserfällen und wilden Gebirgsbächen und nicht zuletzt die kulturgeschichtlichen Kleinode wie Burgen, Kirchen, Klöster und Orte machen die Südvogesen zu einer der eindrucksvollsten Landschaften Europas. Und diese erschließt sich vor allem beim Wandern.
Hinweise zur Tourengestaltung
Auswahl der Wanderungen
Unter den zahllosen Möglichkeiten der Tourengestaltung in den Südvogesen wurde eine Auswahl nach folgenden Gesichtspunkten getroffen: Zum einen werden die hohen Berge wie der Grand Ballon, der Ballon d’Alsace oder der Hohneck wegen ihrer großartigen Sicht vorgeschlagen; zum anderen Berge, die wenig bekannt sind und reizvolle Ausblicke bieten oder in einer besonders schönen Landschaft liegen. Dazu gehören u. a. die Tête des Faux, der Brézouard sowie der Sérichamp. Schließlich bestimmten die Auswahl aber auch kulturkundliche Aspekte: Wallfahrtsorte wie der Schauenberg und Kloster St. Marc (St. Markus), der Königstuhl mit Riquewihr und der Alexiuskapelle sowie die Tête des Faux und der Collet du Linge wegen der besonderen Militärarchitektur, um nur einige Beispiele zu nennen.
Sicht auf das Tal der Thur
Mit wenigen Ausnahmen beginnen die Wanderungen im Tal; es wird also nicht mit dem Auto auf die Vogesenkammstraße gefahren und dort auf der Höhe gewandert. Somit stellen die meisten Routen den Anspruch an den Wanderer, 600 bis 1200 Höhenmeter zu überwinden. Er erfährt beim Durchwandern der verschiedenen Höhenstufen auch die Schönheit der Täler, der Gebirgsbäche und Wasserfälle sowie die Variation in der Vegetation.
Aufbau des Wanderbuchs
Ein Vorspann erwähnt die Besonderheiten der Wanderung und begründet, warum es sich lohnt, das Wanderziel anzustreben. Eine knappe Übersicht zeigt die Stationen der Wanderung vom Ausgangspunkt bis zur höchsten Erhebung (Aufstieg) und die Stationen des Abstiegs bis zum Ausgangspunkt. Für Auf- und Abstieg sind die Gehzeiten angegeben sowie die Höhenmeter insgesamt und die Entfernung. Im Text sind die Stationen in Fettdruck aufgeführt. Auf eine Klassifizierung der Wanderungen in leicht, mittel und schwer wird verzichtet. Die Anforderungen ergeben sich aus den Höhenmetern und der Gehzeit.
Im Text ist die Wegführung genau beschrieben. Wo die Wegzeichnung des Vogesenclubs eindeutig ist, weist er auf die Zielangabe und das Wegzeichen auf den Wegweisern hin, vor allem wenn sich das Zeichen während einer Strecke ändert. Bei Zweifel oder fehlendem Zeichen wird die Route präzise erklärt. Der Vogesenclub hat die Wegzeichnung in den letzten Jahren in vorbildlicher Weise stets verbessert. Dennoch ist das System für den deutschen Wanderer ungewohnt, denn es gibt unterschiedliche Formen (Punkt, Raute, Rechteck, Kreuz, Dreieck usw.), und diese in allen möglichen Farben. Die Formen geben einen Hinweis auf die Art des Wanderwegs (z. B. Rechteck für Fernwanderweg oder Dreieck für Zugangswege). Dies hat zur Folge, dass sich die Wegzeichen auf einer Route (z. B. Metzeral – Kleiner Belchen) mehrfach ändern. Jeder Wanderung ist zur Orientierung ein Kartenausschnitt mit dem jeweiligen GPS-Track beigefügt.
In farblich abgesetzten Kästen werden die natur- und kulturkundlichen oder andere Besonderheiten erläutert, welche die Tour berühren. Sie sind von der reinen Wanderbeschreibung abgesetzt, um deren Lesbarkeit nicht zu beeinträchtigen.
Orientierung
Auf die Darstellung der Anfahrt zum Ausgangspunkt der jeweiligen Wanderung wurde meist verzichtet. Ein Navigationssystem im Auto oder die vorzügliche Michelin-Karte »Vosges« übernimmt diese Funktion. Eine Anfahrt mit der Bahn ist nur bei wenigen Touren möglich und dann sehr umständlich.
Die Tourendarstellung mit Karte und GPS-Track sollte eigentlich genügen, um sich gut orientieren zu können. Auf der Internetseite des Silberburg-Verlags (verlagshaus.de/gps_tracks_1054_1054.html) stehen die GPS-Daten zum Download bereit. Sie müssen dazu das letzte Wort (ohne Satzzeichen) auf Seite 110 als Passwort eingeben und dann auf »Download starten« klicken.
Trotz dieser Unterstützung wird empfohlen, eine Karte des Vogesenclubs mitzuführen. Die Karten im Maßstab 1 : 25 000 sind vorzüglich und werden ständig überarbeitet (Club Vosgien 16, rue Ste-Hélène F-67000 Strasbourg). Es gibt aber auch Karten im Maßstab 1 : 50 000.
Anforderungen und Empfehlungen
In den Vogesen geht man meist auf Pfaden, was das Wandern reizvoll macht. Im Gegensatz zum Schwarzwald sind Waldfahrstraßen oder gar geteerte Straßen als Wanderweg selten ausgewiesen. Die Pfade können besonders auf der Ostseite der Vogesen sehr steil und steinig sein. Daher sollte man auf gutes Schuhwerk achten. Viele haben alpinen Charakter