Business Purpose Design: Ein Leitmodell für zukunftsfähige Unternehmen
Von Monika Smith, Martin Sinner, Dr. Maren Beverung und
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Über dieses E-Book
Das Business Purpose Design ist ein Leitmodell, das durch eine ganzheitliche Betrachtungsweise einen Orientierungsrahmen für Organisationen, Führungskräfte und Projekte bietet. Es emöglicht, bereichsübergreifende Zusammenhänge zu erkennen, Stärken und Entwicklungspotentiale zu identifizieren und vergleichbar zu machen. Ausgehend vom Jetzt, der Technologisierung und der Notwendigkeit, den Menschen ins Zentrum der Unternehmung zu rücken, dient das fluide Framework als Ansatz, den Business Purpose des Unternehmens zu identifizieren, zu stärken und auszubauen.
30 Artikel zu den relevantesten Themen für Unternehmer, Führungskräfte und Weitdenker. Beleuchtet mit Thought Leadern, Executives, Gründern, Gestaltern und Wissenschaftlern.
Weitere Autoren:
Dr. Maren Beverung: Consultant und Facilitator
Scot Carlson: Digitalisierungsspezialist
Pascal Fantou: Growth Hacker, Founder Q48
Curt Simon Harlinghausen: Serial Entrepreneur, Nerd, Growth Hacker, Digital Creative und 101010
Daniel Heltzel: Managing Director Fab Lab Berlin
Steffan Heuer: US Correspondent brand eins magazin
Philip Siefer : Co-Founder Einhorn Kondome
Martin Sinner : Founder Idealo, Investor
Christian Solmecke: Anwalt und Partner der Kanzlei Wilde Beuger Solmecke
Don Spampinato: Digitalisierungsspezialist
Dr. Shermin Voshmgir: Direktorin des Instituts für Kryptoökonomie - WU Wien, Founder Blockchain Hub Berlin
Nimrod Lehavi : Founder Simplex
Katharina Zwielich: Sustainable Fashion Expert
Co-Autoren: Amrei Andrasch, Viktoria Balk, Jannis Born, Raquel Dischinger, Tina Dreiecke, Dominik Frisch, Jukka Hilmola, Robin Jadkowski, Marcus Prosch, Long Qu, Mats Richter, Friederike Rohde, Stefan Pfeifer, Romas Stukenberg, Maximilian Wächter, Maximilian Weldert, Magdalena Witty, Nicole Wohltran
Monika Smith
Monika Smith works as a purpose coach, company builder, and advisor for leaders, family offices, and national and global enterprises. Being at the intersection of trends, technology, design, and concept, she brings new perspectives and methods to the companies and minds of today. She facilitates change processes, challenges the status quo, often highlights unseen contexts between topics, and fosters purposeful, impact-driven, and human-centric entrepreneurship. www.monikasmith.com
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Buchvorschau
Business Purpose Design - Monika Smith
Herausgeber:
Santiago Berlin GmbH
www.sanitagoberlin.com
Redaktion:
Antje Dohmann
Jennifer Giwi
Christoph Koch
Alexander Langer
Jakob von Lindern
Martin Mühl
Gestaltung & Layout:
T. S. Wendelstein
www.thesimplesociety.com
Layoutassistenz:
Malwine Stauss
Illustrationen:
Johanna Benz, Tiziana Jill Beck
www.graphicrecording.cool
www.businesspurpose.design
Copyright © 2018 Monika Smith
ISBN: 9783981924985
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
LeadAutor
Monika Smith
Agiler Leadership Coach und Beraterin
Autoren
Dr. Maren Beverung
Nachhaltigkeitexpertin für Supply Chain und Produktion, Beraterin
Scot Carlson
Head of Digital Transformation bei Reprise Media
Pascal Fantou
Growth Hacker und Founder Q48
Curt Simon Harlinghausen
Serial Entrepreneur, Nerd, Growth Hacker, Digital Creative und 101010
Daniel Heltzel
Managing Director Fab Lab Berlin
Steffan Heuer
USKorrespondent des Wirtschaftsmagazins brand eins
Philip Siefer
Founder und Chief Executive Unicorn bei Einhorn
Martin Sinner
Investor und Marktplatz Experte, Founder von Idealo
Christian Solmecke
Rechtsanwalt und Partner der Medienrechtskanzlei WILDE BEUGER SOLMECK
Don Spampinato
Don Spampinato Solutions Consultant bei Reprise Media
Dr. Shermin Voshmgir
Direktorin des Forschungsinstituts KryptoÖkonomie der WU Wien
und Gründerin des Blockchain Hub Berlin
Katharina Zwielich
Ethical Trade Manager bei Carcel
CoAutoren
Amrei Andrasch
Human Experience Designer
JeanPhilipp Almstedt
Kognitionswissenschaflter
Victoria Balk
MA Psychologie an der Universität Wie
Robin Jadkowski
Diplompsychologe, Prozessbegleiter Design Thinking Coach
Jannis Born
MA für Neuronale Systeme und Computation an der ETH Zürich
Raquel Dischinger
MA für nachhaltige Unternehmensführung an der Universität Ulm
Tina Dreisicke
Design Thinking Trainerin
Dominik Frisch
Organisationsentwickler, Coach
Jukka Hilmola
CoFounder von Soma
Nimrod Lehavi
CoFounder und CEO von Simplex
Marcus Prosch
CoFounder von Mama Agency
Long Qu
Design Thinking Trainer
Mats Richter
Data Scientist
Friederike Rohde
Soziologin an der TU Berlin
Stefan Pfeifer
Berater und Redakteur
Romas Stukenberg
CoFounder und Partner bei NAMENAME
Maximilian Wächter
Kognitionswissenschaftler bei Actus
Maximilian Weldert
Wirtschaftspsychologe und Dozent
Magdalena Witty
Design Thinking Trainerin
Nicole Woltran
MA Wirtschaftspädagogik an der WU Wien
Prolog
Text: Monika Smith
Die bewusste Entscheidung zum Menschsein
Im Luxus unseres selbst geschaffenen Technotops, dem Rausch der Reize und individualisierten Erfahrungen, im Wissen um den Stand unseres Planeten und der wachsenden Weltbevölkerung mit der Möglichkeit, alles zu tun, was wir als Individuum, Gesellschaft, Kultur, Konzern tun möchten, stehen wir vor einer großen Verantwortung. Die, der bewussten Entscheidung zum Menschsein.
Das ist keine leichte Aufgabe, denn Mensch zu sein braucht Zeit für Gefühl und Reflexion. Dagegen steht der Fokus auf Beschleunigung und Effizienz. Rapid Prototyping, Smart Everything, Skalierung und Maschinen, die nicht nur unsere Arbeit und den Alltag erleichtern, sondern auch selbst lernen und die menschliche Leistung in vielen Bereichen schon überholen oder bereits ersetzen. Wir als Vordenker, Visionäre, Träumer und Unternehmer sehen uns vor bislang undenkbaren Möglichkeiten und Freiheiten, aber auch immensen Überforderungen. Dabei erkennen wir, dass der Mensch zum wichtigsten Einflussfaktor für die Prozesse unserer Erde geworden ist und auch, dass wir die Möglichkeit haben, sie zu gestalten. Unter Druck müssen wir ständig unser Handeln hinterfragen und adaptieren. Und streben evolutionsgetrieben nach Fortschritt, oftmals, ohne die nötige Verbindung zum Selbst und dem eigentlichen Zweck unseres Daseins.
Auf persönlicher Ebene gibt es zahlreiche anerkannte und erprobte Methoden, um fündig zu werden. Auf beruflicher Seite begleiten speziell ausgebildete Leadership Coaches Teams und Führungskräfte auf dem Weg zum eigenen Selbst. Doch was ist mit dem Unternehmen als gesamtes System?
In einer Welt, in der Unstetigkeit, Ungewissheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit unseren Raum ausmachen, in der ganze Märkte, Branchen, Abteilungen und Fachbereiche ungeplant und mit offenem Ausgang interagieren und korrelieren, bedarf es einer umfassenden, nahezu holistischen Sichtweise für Unternehmen und Projekte, um Orientierung zu schaffen. Ein Leitmodell, das durch eine definierte, ganzheitliche und umfassende Sicht und Arbeitsweise Führungskräfte darin unterstützt, ihr Unternehmen zukunftsfähig, mit Freude und Leidenschaft, Welt positiv zu gestalten.
Damit entstehen Arbeitsplätze mit Sinn und Menschlichkeit, die die besten Talente anziehen, Produkte und Dienstleistungen entstehen lassen, die menschenzentriert sind und nachhaltig Mehrwert erzeugen und damit auch den Absatz finden, der das Unternehmen langfristig sichert und Raum für Innovation und Entwicklung bietet.
Das Business Purpose Design ist solch ein Leitmodell. Ein ganzheitlicher Ansatz, der ohne Anspruch auf Vollständigkeit einen validierten Orientierungsrahmen für Organisationen, Führungskräfte und Projekte bietet. Es ermöglicht, bereichsübergreifende Zusammenhänge zu erkennen, Stärken und Entwicklungspotentiale zu identifizieren und innerhalb des Unternehmens oder der Abteilung vergleichbar zu machen und legt den Schwerpunkt dabei auf relevante Fragestellungen für die Führungsebene.
Ausgehend vom Jetzt, der Technologisierung und der Notwendigkeit, dem Menschen ins Zentrum der Unternehmung zu rücken, dient das fluide Framework als Ansatz, den Business Purpose des Unternehmens zu identifizieren, zu stärken und auszubauen. Dabei arbeitet es mit den Kernbereichen des Unternehmens (Kultur, Organisation, Gestaltung, Technologie, Commerce und Planet) und betrachtet jeweils die derzeit relevantesten fünf Fokusthemen, die im Folgenden näher erläutert werden.
Lesart
Es gibt viele Arten, ein Buch zu lesen und viele Arten, etwas zum Ausdruck zu bringen. Ich habe mich für eine Artikelform entschieden, um die Vielzahl und Tiefe der Themen so leichtfüßig wie möglich zu gestalten. Die einheitliche Struktur: A Status quo, B Trends und C Herausforderungen bietet einen Überblick und ist geeignet für alle Querleser unter uns.
Die gelb markierten Stellen sind Kernaussagen, die man auch als Zusammenfassung sehen kann. Falls mal wenig Zeit für das tiefe Einsteigen ist oder Sie vor einer Besprechung oder Präsentation noch kurz Input brauchen. Und die Überschriften sind tatsächliche Aussagen, keine Teaser und die minimalste Art der Zusammenfassung.
Da ein Buch begrenzt im Umfang ist und wir mit aktuellen und teilweise neuen Themen arbeiten, findet sich alles, was umfangreicher ist und stets aktuell sein sollte, online auf www.businesspurpose.design. Dort finden Sie das BusinessPurposeDesignLeitmodell – interaktiv, eine Zusammenfassung des Buches, ein Glossar, dessen Begriffe im Buch kursiv gekennzeichnet sind, eine Literaturliste zu den besten Büchern und Artikeln sowie Aktualisierungen zu den jeweiligen Themen. Und am spannendsten – den menschlichen Aspekt. Uns als Team von CoCreators mit Profil im Detail. Ich wünsche Ihnen eine bereichernde, inspirierende und vernetzende Erfahrung beim Lesen.
BusinessPurposeDesign Modell
Das Modell besteht aus sechs Kernbereichen: Kultur, Organisation, Gestaltung, Technologie, Commerce und Planet. In jedem der Bereiche fokussiert das BusinessPurposeDesignModell auf die jeweils fünf relevantesten Themenfelder und setzt diese als Momentaufnahme in anwendbaren Kontext — für das Unternehmen, das Projekt, das Team, die Abteilung und deren Umfeld. Der Mensch verbindet alle Bereiche und steht im Kern.
Aus den Schnittmengen ergeben sich Orientierungshilfen, die Organisationen den Weg hin zu Zukunftsfähigkeit und PurposeLeadership weisen.
Kultur
Vorwort
Text: Martin Mühl
Digitalisierung verändert nicht nur Arbeit und Freizeit, sondern auch unsere Kultur(en), wie wir uns als Menschen wahrnehmen und vielleicht auch unsere Ansichten darüber, wer wir sind. Als Gesamtheit unserer Sprache, Rituale und Regeln ist Kultur entscheidend für die Frage unseres Zusammenlebens. → Kultur | Chapter I: Kultur Digitalität ermöglicht uns erstmals das Leben in einer realen Virtualität und hat einen Einfluss auf unsere sichtbaren Handlungen und Entscheidungen, die wiederum auf unsere zugrundeliegenden Werte und gesellschaftliche Normen zurückgehen. In welcher Weise und ob sie global eher gleichmachend sind oder dies ein Trugschluss ist, befindet sich in permanenter Bewegung. Die Herausforderung besteht darin, als sicher angenommene Werte und Lebensweisen in Frage zu stellen und neu zu verhandeln. Entscheidend ist es hier, die Räume zu schaffen, in denen die individuellen Differenzen offen zur Diskussion gestellt werden können.
Technologie verändert, wie wir uns als Mensch definieren und inszenieren. → Kultur | Chapter II: Identität Es gilt, Selbstbestimmung und Selbstoptimierung jeweils für sich zu betrachten und letztlich bereit zu sein, in nicht mehr von oben vorgegebenen Strukturen und Regelwerken Verantwortung für die Mitgestaltung unserer Arbeit und unserer Gesellschaft zu übernehmen. Voraussetzung dafür ist eine digitale Mündigkeit. Dies gilt nicht nur für uns als Individuum, sondern auch als Wir und für unser Zusammenspiel mit den anderen. Gemeinsam gilt es, aus einem hohen Maß an Komplexität und Informationsdichte Sinn zu entwickeln. Dafür braucht es das entsprechende Wissen und die entsprechende Bildung → Kultur | Chapter IV: Lernen – im Idealfall, um als Schwarm allein nicht zu lösende Aufgaben zu bewältigen oder als sogenannter Hive Mind die Fehleranfälligkeit zu verringern. → Kultur | Chapter III: Wir und Wissensgesellschaft Je mehr Menschen Zugang zu Wissen und Austausch haben, desto besser. Dass dieser Austausch von Heterogenität profitiert, ist nur ein weiteres Argument für Gleichberechtigung und Diversity, die längst selbstverständlich sein sollten. → Kultur | Chapter V: Equality und Diversity Ziel kann nicht länger eine Anpassung des Menschen an ein System sein, sondern das Herausbilden von und die Ermutigung zu eigenen Identitäten. Dadurch können wir gemeinsam und gerade aufgrund unserer Unterschiedlichkeiten zu Entwicklungen beitragen.
Chapter I
Kultur
Text: Tina Dreisicke, Monika Smith
Redaktion: Martin Mühl
A Status quo
Kultur als Orientierungssystem
Ob als Nation, Gesellschaft, Organisation oder Gruppe: Wir orientieren uns an Symbolen wie Sprache, Gestik, Mimik, Kleidung oder auch Begrüßungsritualen. Das hilft allen Mitgliedern, ihre Zugehörigkeit zur Gesellschaft oder Gruppe wahrzunehmen und ermöglicht einen spezifischen Umgang mit der Umwelt. ¹
»Kultur, als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen, umfasst Wissen und Artefakte, Ideen und Ideale, Werte und Normen, aber auch Einstellungen und Meinungen«.² Durch ihre Wertschätzung wird eine menschliche, an humanistischen Werten orientierte Lebensweise gestärkt. Sie ist die unverzichtbare Grundlage unserer Gesellschaft und prägende Erscheinungsform des individuellen wie gesellschaftlichen Lebens, sie gibt Orientierung, ohne zu normieren, und bietet Freiräume, ohne beliebig zu sein. Vertrauen in die Kultur drückt ein Vertrauen auf die Perspektive und Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft aus.³
Wertewandel in der Kultur
Ein einschneidender Wertewandel der Gesellschaft ist darin zu sehen, dass im Gegensatz zu Vermögen und Besitztum (Werte des vorherigen Jahrhunderts) heute Selbstverwirklichung und Kommunikation im Vordergrund stehen. → Organisation | Chapter III: Leadership und Talent Mit diesem Wertewandel lässt sich auch die zu beobachtende Individualisierung sowie die Pluralisierung von sozialen Milieus und Lebensstilen erklären. → Kultur | Chapter II: Identität
B Trends
Kultur im Zeitalter der Technologie und virtueller Welten
Die traditionelle Philosophie unterschied klar zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Realität und Virtualität. Digitale und globale Prozesse bilden heute eine neue Art der Wirklichkeit heraus: eine Kultur der realen Virtualität.⁴ Immer wieder wird dadurch die Frage gestellt, ob eine größere Vernetzung und Integration durch die Globalisierung die Diversität einzelner Kulturen überfordert und wir so auf eine kulturelle Homogenisierung zusteuern. Ins Spiel gebracht werden hier die Ideen einer gemeinsamen Weltkultur ebenso wie eine mögliche Polarisierung oder auch ein kultureller Hybrid.⁵ Basis dieser Gedanken ist die Vorstellung von einem gemeinsamen Internet als Informationsmedium und als gleichberechtigter Tummelplatz von kleinen und großen Nutzern. Aktuelle Entwicklungen, wie etwa die Menge lokaler Vorschriften zu Datenschutz und Wettbewerbsgleichheit, stellen diese Sichtweise in Frage und rücken ein fragmentiertes Netz in den Fokus: ein Splinternet – als Ökosystem von parallel operierenden Online-Netzwerken.
C Herausforderungen
Kulturelle Verunsicherung
Eine Herausforderung für die Kultur besteht nun in der Verunsicherung des Einzelnen und der Gesellschaft, die darin begründet liegt, dass tradierte Werte, Lebensformen, bewährte Sicherheiten und religiöse Glaubensgewissheiten erheblich an Relevanz eingebüßt haben. Dies gilt besonders für die westlichen Industrieländer.⁶ Die Digitalisierung, die auch in der Migration sichtbare Globalisierung und die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Herausforderungen stellen etablierte Institutionen vor Fragen.⁷ Der deutsche Publizist und Politologe Wolfgang Welsch beschreibt eine permanente Durchdringung und Vernetzung. Moderne Kulturen sind komplex, differenziert und durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Lebensformen geprägt.⁸ Neue Kommunikationstechnologien tragen wesentlich zur Vermischung verschiedener Kulturen und zur Auflösung nationaler Identitäten in einer globalen und multikulturellen Welt bei. Menschen mit ähnlichen Werten und Ansichten kommen nicht mehr aus einer gemeinsamen Region, sondern bilden global ihre neue Heimat. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie in einer globalisierten Welt die Spezifika und die Diversität nationaler und lokaler Kulturen gewahrt werden und dennoch so etwas wie ein multikultureller Dialog, ein Fortschreiten der Menschheit zu mehr Humanismus und Demokratie, gefördert werden kann.
Kultur der Zukunft – Orientierung durch Werte in einer Zeit des Umbruchs
Online-Diskussionen, wie sie beispielsweise auf Blogs und in Foren stattfinden, ermöglichen es, relativ unkompliziert interkulturelle Gespräche zu führen. Sie legen Differenzen und Gemeinsamkeiten offen und entwickeln dadurch Perspektiven zu einer neuen gemeinsamen Orientierung. Dabei wird ein ethisches Feld eröffnet, das die Suche nach Orientierung durch gemeinsame Normen und Werte beinhaltet. In ihrer Ortlosigkeit eröffnen digitale Medien grenzüberschreitende Kommunikation, die Bedingung der Möglichkeit von Transkulturalität ist. Hier geht es jedoch nicht darum, Grenzen zu nivellieren, sondern sie als fruchtbaren Ort der Begegnung mit dem Fremden zu begreifen. Es kann auch nicht darum gehen, die eigene Identität aufzugeben, sondern sie als ureigene zu betrachten, aus deren Perspektive Fremdes als solches erst erkannt und verstanden werden kann. In diesem gegenseitigen Verständigungsprozess kann schließlich Zusammengehörigkeit entstehen, die zu einem kontinuierlichen transkulturellen Dialog führt.⁹
Die Ambiguitätstoleranz der Führungskraft
Der Netzwerkforscher Peter Kruse rät, Diskurse strategisch anzuregen, die verändernd auf Kulturmuster wirken können und Neubildungen beschleunigen. Manager haben deswegen die Aufgabe, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, die mehr Eigenverantwortung einschließen, um diese dann auch zu gewähren.¹⁰ Es geht hier auch darum, kulturelle Differenz hervorzubringen – in einem geschützten ›dritten Raum‹. Ein Raum, der physisch nicht existiert, sondern in der zwischenmenschlichen Interaktion entsteht. Demnach gibt es auch nicht nur einen einzigen dritten Raum, sondern unzählige. Er kann sich überall dort auftun, wo Menschen mit unterschiedlichem Wissen oder aus unterschiedlichen Kulturen zusammentreffen und über Bedeutungen und Inhalte diskutieren. Die permanente Schaffung neuer Inhalte und kultureller Differenzen ist somit die Kerneigenschaft eines dritten Raumes.¹¹ Es ist entscheidend, dass die Möglichkeit besteht, Überzeugungen, Erfahrungen und antrainierte Bezugsrahmen, die sich auch in Form von persönlichen Werten zeigen, zwischenmenschlich zu diskutieren. Das kann nicht von außen – meist mit Hilfe von Powerpoint Präsentationen – aufoktroyiert werden. Es helfen keine imperativischen Aussagen, sondern nur aufrichtige Gespräche mit offenen Ohren und eine gemeinsame Vertrauensbasis.
Chapter II
Identität
Text: Stefan Pfeiffer, Monika Smith, Magdalena Witty
Redaktion: Martin Mühl
A Status quo
Der Mensch im Einklang mit der Technologie
Was ist der Mensch? Diese Frage ist nicht nur eine der ältesten Fragen der Welt.