Vampire schlachten!
Von Alfred Bekker
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Über dieses E-Book
Vampire schlachten!
Alfred Bekker
Grusel Krimi Sammlung
Alles, was du über Vampire nie wissen wolltest... Blutsauger sind das Thema der Geschichten dieses Buches, egal ob humorvoll oder brutal romantisch.
Dieses Buch enthält folgende Grusel-Krimis:
Alfred Bekker: Kein Spiegelbild
Alfred Bekker: Wegzehrung
Alfred Bekker: Der Zeilen-Vampir
Alfred Bekker: Eine komplizierte Beziehung
Alfred Bekker: Ein Vampir beim Zahnarzt
Alfred Bekker: Wiedergänger
Alfred Bekker: Palast der Nachtgeschöpfe
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
Alfred Bekker
Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.
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Vampire schlachten! - Alfred Bekker
Vampire schlachten!
Alfred Bekker
Grusel Krimi Sammlung
ALLES, WAS DU ÜBER Vampire nie wissen wolltest... Blutsauger sind das Thema der Geschichten dieses Buches, egal ob humorvoll oder brutal romantisch.
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Alfred Bekker: Wiedergänger
Alfred Bekker: Palast der Nachtgeschöpfe
ALFRED BEKKER IST EIN bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
Copyright
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author / COVER TONY MASERO
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
Alfred Bekker
KEIN SPIEGELBILD
»Die Lichtverhältnisse müssen Sie schon entschuldigen«, sagte der Institutsleiter und hob dabei bedauernd die Schultern.
»Eine der Lampen ist defekt. Der Hausmeister hätte eigentlich längst hier sein müssen, aber Sie wissen ja, wie so etwas geht...
Und leider hat mein Büro keinen Zugang zum Tageslicht.«
»Das macht nichts«, sagte der junge Mann, der eingetreten war und dabei seine Sonnenbrille trotz des wenigen Lichts aufbehalten hatte. »Grelles Licht vertrage ich ohnehin schlecht.
Eine Augenkrankheit...«
Der Institutsleiter musterte den jungen Mann einen Moment lang nachdenklich, dann reichte er ihm die Hand. »Nehmen Sie bitte Platz. Ich bin Dr. Lutz. Und Sie müssen Peter Radvanyi sein.«
»Der bin ich«, nickte der junge Mann. »Ich hoffe, dass meine Bewerbungsunterlagen in Ordnung waren«, setzte er dann noch hinzu, aber Dr. Lutz ging darauf nicht ein.
»Ein seltener Name - Radvanyi«, murmelte der Institutsleiter nachdenklich und rieb sich an der Nasenwurzel.
»Ungarisch - glaube ich«, sagte der junge Mann.
»Ah, ja«, machte Dr. Lutz. »Dieser Name kommt mir bekannt vor. Da war doch vor ein paar Jahren so eine Geschichte in der Zeitung...«
Radvanyi seufzte. »Ja, ja, ich weiß. VAMPIR TRANK
MÄDCHENBLUT - so hieß die Schlagzeile. Das hängt mir bis heute an. Wenn ich Meyer heißen würde, wär's was anderes. Dann hätten die Leute das längst vergessen. Aber Radvanyi - das klingt nach Balkan, Fledermäusen und düsteren Schlössern. So etwas behält man! Zumindest im Zusammenhang mit einer solchen Überschrift! Und da nützt es auch nichts, wenn man auf einer der hinteren Seiten dann irgendwann eine Gegendarstellung bekommt!« Radvanyi beugte sich etwas vor. Seine bleichen Lippen waren aufgesprungen und formten einen gequälten Gesichtsausdruck. »Wissen Sie, was der reale Hintergrund dieser Schlagzeile war?«
Dr. Lutz hob die Augenbrauen. »Nein, aber ich bin gespannt!«, sagte er ein wenig gelangweilt.
Radvanyi atmete tief durch, bevor er dann hervorpresste: »Es war während meines Studiums. Um Plasma unter dem Mikroskop untersuchen zu können, habe ich einer Studienkollegin etwas Blut abgenommen. Das war alles!« Und dann versuchte Radvanyi plötzlich heiter zu wirken und fuhr mit aufgesetzter Leichtigkeit fort: »Wenn Sie hier in Ihrem Büro einen Spiegel hätten, dann könnte ich Ihnen sofort beweisen, dass ich kein Vampir bin, denn die haben ja bekanntlich kein Spiegelbild.«
Dr. Lutz mochte diese Art des Humors offensichtlich nicht besonders. Er tickte mit den Fingern auf der Schreibtischunterlage herum und vermied es dabei, den blassen jungen Mann direkt anzusehen.
»Dennoch, Herr Radvanyi«, brachte der Institutsleiter dann schließlich hervor, »für unser Institut kommt jemand mit einer solchen - wie soll ich sagen? - unseriösen Vergangenheit kaum in Frage. Sie kennen die Aufgabe, die sich unsere Organisation gestellt hat. Wir nehmen Blutspenden an und sorgen für sachgerechte Konservierung, Lagerung und Verteilung. Bei unserer täglichen Arbeit sind wir maßgeblich von dem Vertrauen abhängig, das man uns entgegenbringt. Und wenn nun bekannt würde, dass einer unserer leitenden Mitarbeiter in seiner Vergangenheit einen Punkt aufweist, der nicht ganz astrein zu sein scheint...«
Radvanyi war empört. »Das ist doch nicht Ihr Ernst!«, rief er.
»Sie nehmen diesen zwei Jahre alten Schmutzartikel zum Anlass, um...?« Er schüttelte nur den Kopf.
»Es tut mir leid«, erklärte Dr. Lutz fest entschlossen. »Ganz gleich, ob damals etwas an der Sache dran war oder nicht, es kann nicht mein Interesse sein, dass dieses Institut durch Sie in die Schlagzeilen gerät. Ich sehe vor meinem geistigen Auge schon die Überschrift: VAMPIR IN DER BLUTBANK! Für die Presse wäre das doch ein gefundenes Fressen. Um ehrlich zu sein: Ich hätte Sie gerne genommen. Ihre Zeugnisse sind hervorragend. Aber als Sie mir eben bestätigten, dass Sie der Radvanyi sind, da stand mein Urteil fest.«
»Schade«, sagte Radvanyi schließlich resignierend. »Ich hätte mir gut vorstellen können, hier zu arbeiten.«
»Wie gesagt...«
»Ich verstehe schon!« Radvanyi erhob sich und verabschiedete sich knapp. Die Enttäuschung war ihm anzumerken, als er schnellen Schrittes hinausging.
Etwas eigenartig wirkt er ja doch!, ging es dem Institutsleiter durch den Kopf. Dieses bleiche Gesicht mit dem gequält wirkenden Ausdruck...
Dr. Lutz blickte auf die Uhr. Feierabend. Er stand auf, nahm seine Tasche und ging zur Garderobe, um seinen Mantel zu holen.
An dem großen Wandspiegel, der dort unglücklicherweise angebracht war, lief er immer besonders schnell vorbei. Es würde nur eine Menge dummer Fragen geben, wenn jemand mitbekam, dass Dr. Lutz kein Spiegelbild hatte.
Alfred Bekker
WEGZEHRUNG
»Entdecken Sie die Costa Brava! - Noch Platz für zwei Teilnehmer. Keine Verkaufsveranstaltung!«
Es war eine kleine, unscheinbare Anzeige, die uns auf die Idee gebracht hatte, an einer dieser Billig-Busfahrten an die Costa Brava teilzunehmen. Von Deutschland aus mehr oder minder Nonstop nach Lloret de Mar oder Blanes, am Steuer ein übernächtigter Busfahrer mit dunklen Ringen unter den Augen, der 22 Stunden auf dem Bock saß und sich dabei mit einem Gemisch aus Kaffee und Weinbrand wachzuhalten versuchte, eine Unterbringung in Hotels, die nicht gerade der Spitzenklasse angehörten, und ein Frühstück, das diesen Namen nicht verdiente -
das war die eine Seite der Medaille. Die andere war der unglaublich günstige Preis der Reise. Sie war praktisch geschenkt.
»Ich glaube, dass es ein Fehler war mitzufahren «, sagte meine Frau mir leise ins Ohr, aber da hatten wir bereits die kurze Toilettenpause bei Macon in Frankreich hinter uns.
»Das fällt dir ein bisschen spät ein!«, erwiderte ich.
»Ich weiß, dass wir jetzt nicht zurück können, aber ich habe einfach ein ungutes Gefühl. Hast du das rote Zeug gesehen, das der Fahrer trinkt? Auf der Flasche war kein Etikett, aber ich wette, dass es Rotwein war!«
»Naja...«
»Ich hoffe, wir landen nicht im Graben!«
»Der Mann fährt ja nicht zum ersten Mal, Schatz!«
»Und dann die Leute! Du musst schon zugeben, dass wir hier mit ziemlich merkwürdigen Leuten reisen«, flüsterte sie - und sie hatte recht. Gleich zu Anfang war mir aufgefallen, dass sich alle anderen Teilnehmer der Reise offenbar gut kannten, der Busfahrer eingeschlossen. Aus den Gesprächen erfuhr ich, dass sie offenbar nicht zum ersten Mal gemeinsam nach Spanien fuhren. Der Tatsache, dass alle Fahrgäste ziemlich bleich waren, maß ich zunächst keinerlei Bedeutung zu. Schließlich nahm ich an, dass sie gerade deswegen die Sonne Spaniens suchten, um dies zu ändern.
Andererseits vermieden sie augenscheinlich jeglichen Kontakt mit dem Sonnenlicht. Der Bus hatte bereits kleinere Fenster, als dies üblich ist - offenbar eine Sonderanfertigung - und diese Fenster waren dann auch noch den ganzen Tag über mit Rollos verdeckt, so dass im Inneren stets eine Art Halbdunkel herrschte.
Erst, als es draußen bereits ziemlich dämmrig war, wurde ein kurzer Stopp eingelegt. Meine Frau und ich hatten vor Jahren eine ähnliche Fahrt mitgemacht und erlebt, dass sich - je weiter es in die Nachtstunden hinein ging - eine lethargische Stimmung unter den Fahrgästen auszubreiten begann, bis die ersten in einen kurzen, leichten Schlaf fielen. Man konnte dabei immer nur beten, dass diese Schlafperioden beim Busfahrer nicht länger als eine oder anderthalb Sekunden dauerten... Jedenfalls war es auf dieser Reise anders. Je später es wurde, desto munterer wurden die Mitfahrer.
Und desto öfter gingen ihre Blicke in unsere Richtung. Seltsame Blicke waren es, die ich erst später zu deuten wusste...
Irgendwann nickten wir ein. Ich fiel in einen dumpfen, traumlosen Schlaf. Als ich erwachte, dämmerte der Morgen und wir hatten die spanische Grenze vor uns.
Meine Frau wurde auch langsam wach. »Meine Beine sind mir eingeschlafen!«, murmelte sie, und dann schrie sie plötzlich auf. »Irgend so ein Mückenvieh hat mich gestochen! Sogar zweimal!« Ich sah die beiden roten Stellen an ihrem Handgelenk, und sie fuhr fort: »Das werden sicher Riesendinger! Es ist jedes Mal dasselbe bei mir! Wenn mich eine Mücke sticht, gibt das immer eine Entzündung!« Dann fixierte sie mich mit großen Augen und stellte fest: »Du hast auch zwei Einstiche!«
Ich lächelte. »So?«
»Ja, am Hals!«
Das Hotel, in dem man uns und die anderen Teilnehmer der Reise einquartierte, war nicht so schlecht, wie ich befürchtet hatte.
Den ersten Tag verbrachten wir mehr oder weniger am Strand. Am Abend trafen wir einige unserer Mitreisenden in der Hotelbar, tranken mit ihnen zusammen ein Gläschen und gingen dann in unser Zimmer. Bleierne Müdigkeit überfiel uns, und wir legten uns schlafen. Ich hatte seltsame, wirre Träume. Ich träumte davon, dass die Tür zu unserem Zimmer geöffnet wurde. Ich träumte von Stimmen, konnte aber nicht verstehen, was gesagt wurde.
Als ich schweißgebadet erwachte, kam meine Frau aus dem Bad.
»Sieh mich an«, sagte sie verzweifelt. »Von oben bis unten zerstochen!«
Als ich aufstand und meine Arme und Beine sah, bemerkte ich, dass mich diese Blutsauger offenbar genauso sehr heimgesucht hatten. Fast zwei Dutzend Einstichstellen zählte ich.
»Merkwürdig...«, murmelte ich. »Die Stiche scheinen immer paarweise angeordnet zu sein. Und sie jucken auch nicht!«
Die Einstiche verheilten schnell. Noch im Verlauf des Tages.
Aber die folgende Nacht verlief ähnlich wie die vorangegangene -
mit wirren Träumen und einem Erwachen mit frischen Einstichstellen. Und das, obwohl wir die halbe Nacht wachgelegen hatten, um auf das Summen einer Mücke zu horchen. Aber es war nichts zu hören gewesen, und Türen und Fenster hatten wir geschlossen gehalten.
Die Tage gingen dahin. Wir hatten auf einmal kaum noch den Drang, an den Strand zu gehen und uns der Sonne auszusetzen.
Unser Schlaf/Wachrhythmus verschob sich. Wir verschliefen zunehmend den Großteil der Tage und lebten in den Nächten auf, in denen wir nur noch für einige Stunden einen immer leichter werdenden Schlaf schliefen. Die wirren Träume aber blieben, und sie kamen nur des Nachts.
Aus einem von ihnen schreckte ich hoch und sah, dass unser Zimmer voller Menschen war.
Unsere Mitreisenden standen um unser Bett herum.
»Sie gehören jetzt zu uns«, sagte der Busfahrer und lächelte breit. So breit, dass seine außergewöhnlich langen Eckzähne für einen kurzen Moment in ihrer vollen Größe sichtbar wurden...
Nachtrag: Wir fahren jetzt regelmäßig an die Costa Brava.
Nächste Woche ist es wieder soweit. Ich hoffe nur, dass sich auf die Anzeige, die wir aufgegeben haben, bis dahin noch jemand meldet. Proviant sollte schließlich stets frisch sein!
Alfred Bekker
DER ZEILEN-VAMPIR
Gisela war alles andere als begeistert, als ich ihr eröffnete, wo wir unseren Urlaub verbringen würden. Aber ich kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie erst toben und sich dann damit abfinden würde. »Es ist eine einmalige Gelegenheit«, sagte ich ihr.
»Peter von Varoschy hat uns in sein Haus in Österreich eingeladen.
Wir brauchen nicht einmal etwas zu bezahlen!«
Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und meinte: »Na, das wäre ja auch noch schöner! Meine Güte! Wie ich diesen Peter von Varoschy hasse, obwohl ich ihm nie begegnet bin! Aber seit du deine Doktorarbeit über ihn schreibst, bist du doch kein normaler Mensch mehr!«
Ganz Unrecht hatte sie da nicht. Peter von Varoschy -
eigentlich Peter Varoschy, das 'von' war nicht echt - war zweifellos ein ungewöhnlich begabter Schriftsteller, dem es meisterhaft gelang, sich in seine Personen hineinzuversetzen, so dass man fast den Eindruck gewinnen konnte, sie - und nicht Varoschy - hätten die Romane geschrieben. Ein lohnendes Thema für eine Promotionsarbeit, zumal sich noch niemand daran versucht hatte.
Auf einem Symposion ergab sich zufällig die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Varoschy und als er erfuhr, dass ich an einer Dissertationsschrift über sein Werk arbeitete, lud er mich kurzerhand zu sich auf sein Anwesen in der Nähe von Klagenfurt ein. »An Ihrem Ring sehe ich, dass Sie verheiratet sind«, ergänzte er dann. »Sie können Ihre Frau selbstverständlich mitbringen...«
»Macht das nicht zu viel Umstände?«
»Aber nein, mein Haus hat so viele leere Zimmer... Seien Sie meine Gäste. Ich würde mich freuen. Und Ihrer Arbeit würde es sicherlich gut tun!«
Daran bestand kein Zweifel. Wir plauderten noch über dies und jenes, bevor ich schließlich auf jenen Punkt kam, der mich am meisten interessierte. »Wie schaffen Sie es, sich derart in Ihre Personen hineinzuversetzen? Nehmen wir den Obdachlosen in Ihrem letzten Buch. Man könnte meinen, Sie selbst hätten jahrelang auf der Straße gelebt...«
Varoschys hageres, etwas bleich wirkendes Gesicht zeigte ein mattes Lächeln. »Wer sagt Ihnen, dass dem nicht so war?«, fragte er zurück.
Ich beugte mich zu ihm vor und hakte nach: »Nein, im Ernst!
Ich vermute schon seit langem, dass Ihre Hauptfiguren reale Vorbilder besitzen!«
Varoschy hob die Augenbrauen. »Sie haben recht«, gab er zu.
»Und - wie gehen Sie vor, bei Ihrer Recherche?«
Ein halb amüsiertes, halb diabolisches Lächeln umspielte seine blutleeren Lippen. »Die Lösung ist ganz einfach!«, behauptete er in einem Tonfall, von dem sich nicht sagen ließ, wie hoch der Anteil an Ernst darin war. »Ich besitze die Fähigkeit, die Seelen von Menschen, die mich interessieren, in mich aufzusaugen. All die Personen, von denen meine Bücher handeln, hat es wirklich gegeben, und sie haben in gewisser Weise mit mir am Schreibtisch gesessen.«
Ich lachte. »Sie sehen sich also als eine Art Vampir? Ein Zeilen-Vampir, sozusagen!« Ich fand dieses Bonmot damals ungeheuer gelungen, zumal Peter von Varoschy mich mit einem gütigen Lächeln bedachte.
»Vampirismus dieser Art gibt es zweifellos schon Jahrhunderte«, fuhr er fort und machte dabei den Anschein, als würde er jedes Wort tatsächlich ernst meinen. »Der Volksglaube hat allerhand dazu gedichtet, was mit dem eigentlichen Phänomen nichts zu tun hat, so das Trinken von Blut, die langen Eckzähne und so weiter.« Er lächelte. »Und nicht alle Vampire der Geschichte waren Schriftsteller!«
Varoschy hatte uns für den Sommer eingeladen. Bis dahin waren es noch ein paar Monate, die ich nicht ungenutzt verstreichen lassen wollte. Ich wollte so gut wie möglich vorbereitet sein. Denn was nützte es, mit Peter von Varoschy für einige Zeit unter einem Dach zu leben, wenn man ihm nicht die richtigen Fragen zu stellen wusste? Sein Gerede auf jenem Symposion, auf dem ich ihn persönlich kennen gelernt hatte, hielt ich für ein Beispiel seines hintergründigen Humors. Der Vampir als Bild für den Schriftsteller. So hatte das noch niemand gesagt.
Wie ein Besessener machte ich mich an die Arbeit und fand etwas heraus, das mich gleichermaßen beunruhigte wie faszinierte.
Dass seine Romanfiguren tatsächliche Vorbilder besaßen, hatte Varoschy zugegeben, und so versuchte ich, wenn möglich einige von ihnen kennen zu lernen. Sie zu identifizieren war nicht sehr schwer, denn Varoschy hatte sich oft nicht einmal die Mühe gemacht, Namen und Orte zu verändern - und wenn doch, dann war dies so nachlässig geschehen, dass die tatsächliche Identität leicht herauszufinden war, wenn man danach suchte.
Merkwürdigerweise schienen allerdings sämtliche Vorbilder Varoschys verstorben zu sein. Noch merkwürdiger war, dass bei einigen von ihnen die Leichen unter ungeklärten Umständen verschwunden waren, nachdem man sie zunächst in einem seltsamen, mumifizierten Zustand gefunden hatte.
Im Sommer fuhren Gisela und ich nach Klagenfurt.
Peter von Varoschy quartierte uns in seinem herrschaftlichen Landhaus ein. Varoschy behandelte uns mit ausgesuchter Höflichkeit, so wie es seiner Art entsprach. Den Tag über müsse er arbeiten, so sagte er, aber am Abend stände er zu unserer Verfügung.
Gleich am ersten Abend lud er uns zu einem opulenten Mal ein, das uns sein Butler zubereitet hatte, der außer Varoschy selbst der einzige Bewohner dieses Hauses zu sein schien. Er selbst saß am Tisch, ohne mitzuessen. Ein Magenleiden, wie er sagte.
Gisela hatte zunächst noch gemault, aber Varoschys vollendeter Charme nahm sie von der ersten Begegnung an sofort für ihn ein.
»Es freut mich außerordentlich, auch Sie kennen zu lernen«, sagte Varoschy. »Ich kann mir vorstellen, dass es nicht immer einfach ist, einen Mann zu haben, der versucht, eine Doktorarbeit zu verfassen.«
»Das können Sie laut sagen! Ich sehe ihn kaum noch!«
»Seien Sie versichert: Das geht vorbei!«
»Ich will's hoffen!« Und dann fragte Gisela plötzlich: »Sie sind nicht verheiratet, Herr von Varoschy?«