Humor für Anfänger und Fortgeschrittene: Mit Briefen von Astrid Lindgren, Dieter Hildebrandt und mehr als zwanzig weiteren Prominenten
Von Wolfgang Krüger
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Über dieses E-Book
Wolfgang Krüger korrespondierte über 20 Jahre mit vielen Prominenten zum Thema Humor. Persönliche Briefe von Astrid Lindgren, Dieter Hildebrandt und mehr als zwanzig weiteren Prominenten werden abgedruckt.
Wolfgang Krüger
Wolfgang Krüger ist ein psychologischer Psychotherapeut in eigener Praxis. Partnerschaftsprobleme sind ein Schwerpunkt seiner Arbeit. Er publizierte daher erfolgreiche Bücher über die Schwierigkeiten und das Gelingen der Liebe. Aber auch über Eifersucht, Freundschaften, Humor und Großeltern.
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Buchvorschau
Humor für Anfänger und Fortgeschrittene - Wolfgang Krüger
Mit herzlichem Dank
für die Briefe von
Dagmar Berghoff
Alfred Biolek
Christine Brückner
Ralph Giordano
Gregor Gysi
Dieter Hildebrandt
Freya Klier
Heinz Knobloch
Hanna-Renate Laurien
Astrid Lindgren
Willy Millowitsch
Adolf Muschg
Elisabeth Noelle-Neumann
Horst-Eberhard Richter
Anneliese Rothenberger
Max Schmeling
Gerhard Schröder
Wolfram Siebeck
Rita Süssmuth
Klaus Staeck
Karlheinz Stockhausen
George Tabori
Jens Weißflog
und dem Bundeskanzleramt
Irren ist menschlich, stolpern ist üblich,
über sich selbst lachen ist Reife.
W. A. Ward
Inhalt
Zur Entstehungsgeschichte
Humor ist lebenswichtig
Humor im antiken Griechenland
Seid traurig – die Botschaft des Christentums
Mittelalter: Das Lachen und das Zähnefletschen
Die neue Humorforschung
Humor ist eine Lebenskunst
Die Humor-Biographie
Humor-Belastung 1: Der Tag fängt gut an
Humor-Belastung 2: Hoffnungen und Größenträume
Humor-Belastung 3: Das große Feuer
Humor-Belastung 4: Das liebe Geld
Humor-Belastung 5: Eine langwierige Erkrankung
Die Basis des Humors: Die Lust am Lachen
Die weltweite Lachbewegung
Der mittlere Humor
Das seelische Gleichgewicht
Komik I: Absurdität
Komik II: Die enttäuschten Erwartungen
Komik III: Der Absturz ins Lächerliche
Komik IV: Die Tücke des Objekts
Komik V: Wenn wir Maschinen ähneln
Komik VI: Die Überwindung von Hemmungen
Komik VII: Die Wiederholung
Komik VIII: Maskenhaft leben oder übertreiben
Der große Humor
Die Suche nach dem Sinn
Die Bananenmethode
Die Überwindung der Eitelkeit
Wer lacht, ist gesünder und glücklicher
Partnerschaft und Humor
Lust und lustig
Unsere sexuellen Phantasien
Wo lernt man den Humor?
Der größte Humorräuber: die Scham
Humor-Beschleuniger 1: Das eigene Selbstbewusstsein
Humor-Beschleuniger 2: Die soziale Verankerung
Humor-Beschleuniger 3: Die Lust der Überwindung
Humor-Beschleuniger 4: Das achtsame Leben
Ist Humor immer angebracht?
Das Recht auf Tragik
Lachen bei einer Beerdigung
Humor kann gefährlich sein
Humor ist die Grundlage unserer Demokratie
Humor ist eine Revolution
Religion und Komik
Humor als Konfliktlösung
Internationale Beziehungen
Humor im diplomatischen Dienst
Der Humor-Essay von Adolf Muschg
Die Humor-Biographie von Heinz Knobloch
Zur Person der Prominenten
Wir können den Wind nicht ändern,
aber wir können die Segel richtig setzen.
Aristoteles
Zur Entstehungsgeschichte
Der Humor ist der Schlüssel zum Lebensglück. Das ist die zentrale Erkenntnis meiner Studien, die vor 30 Jahren begannen. Damals war ich 45 Jahre alt, das Leben hatte mich schon einige Male durchgerüttelt und ich spürte gelegentlich den Wunsch, in der zweiten Lebenshälfte gelassener mit der kränkenden und versagenden Welt umzugehen. Daher wählte ich für die kommenden Jahre den Humor zum Schwerpunktthema meiner therapeutischwissenschaftlichen Arbeit. Ergänzen wollte ich meine Studien durch eine Umfrage, die ich an über 100 Prominente verschickte. Ausgehend von ihrer gesellschaftlichen Vorbildfunktion stellte ich ihnen die Frage:
„Wie haben Sie es in Ihrem wechselhaften Leben geschafft, Ihren Humor zu behalten?"
Ich war erstaunt und beglückt über die vielen sehr ausführlichen und persönlichen Antworten. Doch leider war ich selbst dem Thema noch nicht gewachsen. Zu sehr spürte ich im Alltag, dass mein eigener Humor begrenzt war. Wenn mein Computer und zugleich die Kurse meiner Aktien abstürzten und ich auch noch Kniebeschwerden hatte, war es an diesem Tag mit meinem Humor vorbei. Nun wollte ich nichts schreiben, was nicht meiner eigenen Entwicklung entsprach und so erschien nur eine sehr kleine Auflage, die ich als ‚Versuch‘ empfand. Ansonsten legte ich das gesamte Material in die Schublade, um es mehr als zwanzig Jahre später meiner Frau zu zeigen. Sie ermutigte mich sehr, endlich das Buch zu vollenden und die wunderbaren Briefe einem größeren Lesepublikum vorzustellen. Nochmals schrieb ich Prominente an, doch inzwischen leben wir im Zeitalter der Datenflut. Ich erhielt einige wenige nachdenkliche Briefe, aber ansonsten bekam ich kaum Resonanz und begriff, wie wertvoll jene Briefe waren, die mich vor mehr als zwei Jahrzehnten erreicht hatten. Es waren ungewöhnlich persönliche Antworten, oft auf mehreren Seiten, häufig handgeschrieben. Es ist deutlich zu spüren, wie sehr sich die Schreibenden mit dem Humor beschäftigten, um mir dann ihre Gefühle, Gedanken und biographischen Anekdoten mitzuteilen. Astrid Lindgren schrieb mir auf einer alten Schreibmaschine, Alfred Biolek überraschte mich mit einem tiefgründigen Brief, Ralph Giordano berührte mich mit seinen Schilderungen, wie er zusammen mit seinen Brüdern im Nationalsozialismus die ständige Angst weglachte. Solche Briefe waren nur möglich in einer Zeit, in der man noch nicht von Anfragen überflutet wurde und sich beschaulicher der Beantwortung einer Frage widmen konnte. Dadurch enthalten die Briefe eine intensive Achtsamkeit und ein Nachdenken über sich selbst, welche die eigentlichen Quellen des Humors sind. Um ihn zu verstehen, müssen wir unser Leben enträtseln und sowohl unsere Fähigkeiten, als auch unsere Konflikte begreifen. Mit der Altersweisheit von inzwischen 74 Jahren ist mir das soweit gelungen, dass ich nun meine jahrzehntelangen Studien zum Humor vollenden konnte. Ich danke allen Prominenten und vor allem auch meiner Frau Bärbel Rothhaar für ihre große Unterstützung.
Wolfgang Krüger
Nähere Informationen zu den Prominenten finden Sie auf den Seiten 178 ff.
Der Humor nimmt die Welt hin, wie sie ist,
sucht sie nicht zu verbessern und zu belehren,
sondern mit Weisheit zu ertragen.
Charles Dickens
Humor ist lebenswichtig
Mein Lieblingsfilm ‚Alexis Sorbas‘ ist von Tragik und Dramatik geprägt. Ein Bergwerk stürzt teilweise ein und Liebestragödien führen zu einem Lynchmord und einem Suizid. Und dann stürzt auch noch die fertige Seilbahn zusammen, die Alexis Sorbas bauen ließ, um Baumstämme zu transportieren. Doch Sorbas bricht nicht zusammen, sondern freut sich: „He Boss, hast Du jemals etwas erlebt, das so schön zusammengekracht ist?" Und dann lacht und tanzt Alexis mit seinem Boss, der sein ganzes Geld verloren hat, Sirtaki. Dieser Film wurde für mich zu einem Vorbild für eine humorvolle Lebenshaltung. Denn gerade in der Perfektionsgesellschaft, in der wir leben, sollten wir lernen zu lachen, wenn wir im Alltag scheitern.
Trotz Schwierigkeiten lachen
Immer wenn ich diesen Film sehe, wird mir klar: Wir können glücklich sein, auch wenn unser Leben schwierig verläuft und von den fast unvermeidlichen Enttäuschungen und Kränkungen geprägt ist. Wir können glücklich sein, wenn wir es schaffen, die kleinen und großen Schwierigkeiten wegzulachen. Tatsächlich gelingt dies 23% aller Deutschen und die Frage ist: Was machen sie richtig? Warum können sie trotz aller Schwierigkeiten lachen? Und warum leiden die restlichen 77% unter einem massiven Humordefizit? ¹
Die Ohnmachts-Allmachtspirale
Die große Mehrheit der Befragten meinte, sie hätten zwar in den normalen Zeiten des Lebens durchaus Humor. Doch bei allen größeren Belastungen würde ihnen der Humor vergehen. Offenbar verlieren wir ihn leicht, während uns die von Angst und Ärger getönten Stimmungen sehr vertraut sind. Dann unterschätzen wir häufig die Bedeutung des Humors. Schließlich beeindruckt er uns nicht mit einer heldenhaften Entschlossenheit und selbst Gefühle von Wut und Zorn wirken zunächst durch ihre Wucht. Und doch kann uns der Humor ein Gefühl der Größe in einer Situation vermitteln, die wir zunächst nicht ändern können. Und weil wir alle unaufhörlich schwierigen Belastungssituationen ausgesetzt sind, ist der Humor so wichtig für unser Lebensglück.
Wir müssen kleine oder schwerwiegende Krankheiten bewältigen, die Partnerschaften, die Arbeit und die Kindererziehung sind gelegentlich anstrengend und mühselig. Sehr leicht führt dies bei den meisten Menschen zu einem resignativen Ohnmachtsgefühl. Dies wird jedoch massiv durch eine gesellschaftliche Grundstimmung verstärkt, die sich in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Noch in der Studentenbewegung gab es eine Aufbruchsstimmung und die Hoffnung auf eine bessere Welt. Für die meisten ist dies längst Vergangenheit und jetzt empfinden sie, dass ihr Leben von mächtigen Faktoren bestimmt und eingeengt wird, die sie nicht steuern können: Die zunehmende Klimakatastrophe, Kriege auch in Europa, eine Flüchtlingswelle und die Tatsache, dass in vielen Ländern Regierungen an die Macht kommen, deren Programm von einem unverkennbar autoritären Geist geprägt ist. Angst macht sich breit und in einer Allensbacher Neujahrsfrage im Jahre 2016 zeigte sich, dass immer weniger Menschen der Zukunft gelassen entgegen sehen. Wir werden resignativ.
Aber diese Resignation unterscheidet sich sehr von der unserer Großeltern. Diese nahmen fast fatalistisch die Unwägbarkeiten ihres Schicksals an, das sie nicht beeinflussen konnten. Soziale, religiöse und politische Strukturen waren autoritär geprägt und wurden von den meisten als nicht veränderbar akzeptiert. Doch wir bäumen uns gegen die Widrigkeiten unseres Lebens auf und können tragische Ereignisse oft nicht akzeptieren. Vielmehr wollen wir die Zusammenhänge unseres Lebens begreifen und steuernd eingreifen. Wir haben den Anspruch, über unser Leben zu bestimmen und so feiern alle Theorien Hochkonjunktur, die uns vorgaukeln, wir seien die Schöpfer unseres Lebens. Man denke nur an die amerikanische Bewegung Christian Science, die davon ausgeht, man könne jede Krankheit durch geistige Kräfte überwinden. Man kann sich ihre Krise vorstellen, als ihre Gründerin trotzdem starb. Und ich erinnere mich noch deutlich an die Botschaft ‚Forever Young‘ von Ulrich Strunz. Das Älterwerden könne man durch seine Bewegungsprogramme aufhalten – versprach er. Millionen seiner Bücher wurden verkauft, er bekam riesige Gagen als Redner. Doch dann stürzte er mit seinem Rennrad und verletzte sich schwer.
Hybris ist offenbar gefährlich. Wir brauchen einen gesunden Realismus und müssen unsere Grenzen erkennen, sollten bodenständig bleiben und begreifen, wie sehr wir mitunter dem Schicksal ausgeliefert sind. Wenn wir übertriebene Ansprüche an das Leben stellen, werden wir nicht nur enttäuscht, sondern unsere Resignation verstärkt sich, weil wir die realen Möglichkeiten des Lebens nicht mehr erkennen.
Der Stoßdämpfer
Offenbar liegt die Grundproblematik unseres Daseins in einer Ohnmachts-Allmachts-Spirale, die sich wechselseitig verstärkt. Sie prägt unser Leben und daher haben sich seit Jahrhunderten zahlreiche Philosophen damit beschäftigt. Sie zeigen uns, wie wir diese Spirale überwinden und das Leben sowohl mit seinen schönen Seiten, aber auch seiner Tragik und Dramatik gelassen ertragen und mitunter sogar genießen können. Und sie haben jenen Stoßdämpfer des Lebens gefunden, der unsere Sorgen abfedert und uns auch schwere Krisen überstehen lässt. Auf diesen Stoßdämpfer hat schon Kant vor 200 Jahren hingewiesen. Denn er war davon überzeugt, der Himmel habe uns als Gegengewicht gegen die vielen Mühseligkeiten des Lebens vor allem den Humor mitgegeben.
Der Abstand zur Welt
Tatsächlich ist der Humor der wichtigste Schlüssel zu unserem Glück. Er ist die Eigenschaft, die unser Leben grundlegend verbessern kann. Der Anthropologe Plessner meint sogar, nur der Mensch könne humorvoll sein, dies sei die Folge seiner exzentrischen Position im Leben. Der Mensch sei im Leib und gleichzeitig in der Welt. Dadurch könne er einen Abstand zu sich und zum Leben gewinnen, er könne über sich nachdenken und über sich und die zu bewältigenden Schwierigkeiten lachen.
Diese positiven Kräfte des Humors wurden lange unterschätzt. Zu sehr war der Mensch auf das Überleben programmiert. Er musste daher immer auf das Schlimmste gefasst sein, um Gefahren abzuwehren. Ängste waren in ihrer Signalfunktion wichtig, Ärger und Wut dienten dazu, in Bedrohungssituationen alle Kräfte zu mobilisieren. Doch nun ist zumindest für Westeuropa seit Jahrzehnten eine völlig neue Lebenssituation entstanden. Seit 70 Jahren gibt es keinen Krieg auf deutschem Boden und ökonomisch geht es uns vergleichsweise gut. Gemessen zum Leben unserer Großeltern und Eltern können wir uns – trotz aller Probleme und Bedrohungen – über ein relativ glückliches Dasein freuen. Nun können wir uns auch mit den positiven Gefühlen wie Freude, Heiterkeit und dem Humor beschäftigen.
Das Irrenhaus des Lebens
Für unsere innere Gelassenheit ist der Humor unverzichtbar - damit wir den Alltag überstehen können, damit wir jenes Irrenhaus des Lebens weglachen können, in dem wir uns alle gelegentlich befinden. So schrieb mir auch der gesellschaftskritische Grafikdesigner Klaus Staeck, nur mit Humor könne er den Wahnsinn unserer Zeit im Zaum halten: „Immerhin bietet er die Chance, sich selbst nur als winzigen Teil des Nabels der Welt zu sehen, nicht einem Fundamentalismus gleich welcher Spielart zu verfallen. Humor schafft für mich Nähe durch Distanz. Humor macht frei."
Wenn wir an dem Irrsinn dieser Zeit nicht verzweifeln wollen, müssen wir das Weltgeschehen aus einem größeren Abstand sehen. Dann wird deutlich, dass die Gegenwart erheblich friedlicher ist als frühere Zeiten. Zwar sind die Opferzahlen durch Kriege in den letzten Jahren wieder gestiegen und die Flüchtlingszahlen sind erschreckend. Der Terrorismus hat weltweit zugenommen, aber die Konflikte im Ersten und Zweiten Weltkrieg und im Koreakrieg haben erheblich mehr Todesopfer verursacht. Daher kam das Institute for Economics and Peace (IEP) zu der Erkenntnis, der Weltfrieden habe große Fortschritte gemacht. Angesichts der aktuellen Entwicklungen mag dies erstaunen, aber die Geschichte lehrt, dass frühere Jahrhunderte noch viel brutaler waren als die Gegenwart.
Die Revolution im Kopf
Der Humor bewirkt, dass wir nicht in den alltäglichen Sorgen versinken, sondern den Überblick behalten. Insofern ist er der Rettungsanker unseres Lebens. Er hilft uns, über das Leben zu lachen oder zumindest zu lächeln, auch wenn wir uns wie eine Billardkugel des Schicksals fühlen. Selbst wenn wir machtlos sind, bleibt uns noch immer die Kraft des Humors, mit dem wir uns aus der Position des Opfers in die Einstellung einer inneren Überlegenheit bringen können. Wir sind dann nicht mehr ohnmächtig, sondern es findet eine Revolution im Kopf statt.
Die aktive Maus
Sie kennen sicher die Geschichte mit den beiden Mäusen, die in ein Glas Milch fallen. Und viele Stunden strampeln, da sie nicht sterben wollen. Doch eine Maus resigniert bald und geht unter. Ihre kleine Freundin ist verzweifelt, es bricht ihr kleines Mäuseherz, aber entschlossen kämpft sie weiter, bis auch ihre Kräfte nachlassen. Da fällt ihr ein, dass ihre Mutter einmal sagte, im Paradies würde man in Sahne und Honig baden. „Dann ist ja alles in Sahne." - kichert sie piepsend und strampelt wie wild mit ihren Mäusebeinen. Sie ist am Ende ihrer Kraft, als sie