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Berühmte deutsche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts: Historische Biografien: Gräfin Aurora von Königsmarck, Fürstin Amalie von Gallitzin, Caroline Neuber
Berühmte deutsche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts: Historische Biografien: Gräfin Aurora von Königsmarck, Fürstin Amalie von Gallitzin, Caroline Neuber
Berühmte deutsche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts: Historische Biografien: Gräfin Aurora von Königsmarck, Fürstin Amalie von Gallitzin, Caroline Neuber
eBook292 Seiten4 Stunden

Berühmte deutsche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts: Historische Biografien: Gräfin Aurora von Königsmarck, Fürstin Amalie von Gallitzin, Caroline Neuber

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Über dieses E-Book

Für alle Geschichtsbegeisterten, Feministinnen und Leser, die sich für die vielfältigen Lebenswege außergewöhnlicher Frauen interessieren, ist 'Berühmte deutsche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts' von Alexander von Ungern-Sternberg ein absolutes Muss. Durch die einfühlsamen Porträts und die tiefgründige Analyse der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen jener Zeit bietet dieses Buch einen inspirierenden Einblick in das Leben und Wirken einiger der bedeutendsten Frauen des 18. Jahrhunderts. Eine lehrreiche Lektüre, die sowohl unterhält als auch zum Nachdenken anregt und die historische Bedeutung weiblicher Persönlichkeiten hervorhebt.
SpracheDeutsch
HerausgeberMusaicum Books
Erscheinungsdatum14. Dez. 2017
ISBN9788027237869
Berühmte deutsche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts: Historische Biografien: Gräfin Aurora von Königsmarck, Fürstin Amalie von Gallitzin, Caroline Neuber

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    Buchvorschau

    Berühmte deutsche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts - Alexander von Ungern-Sternberg

    Vorwort

    Inhaltsverzeichnis

    Keine Biographien sollen diese Darstellungen sein, keine historischen Aufsätze in strengem und belehrendem Styl, sondern Bildnisse an die bunte Teppichwand des Jahrhunderts geheftet, in einem Rahmen, wie er dem jedesmaligen Portrait zukommt, bald barock, bald zierlich, bald ein einfacher Goldleisten, immer aber im Zusammenhange mit den Ornamenten des Saals, mit dem Schmuck des Amöblements, mit dem Muster des Teppichs. Das Jahrhundert bleibe dem Beschauer immer gegenwärtig: neben den einzelnen Gestalten laufe noch immer die Arabeske der Zeit fort, ja die einzelnen Gestalten seien nur Ausläufe und Endknospen der Arabeske. So hat's der Autor mit diesen Bildnissen gemeint. Wir besitzen, obgleich nicht sehr zahlreich, Biographien über die meisten dieser Frauen, es wäre die Aufgabe des Historikers, diese mangelhaften Aufsätze zu ergänzen, kritisch das Gegebene zu beleuchten, das Fehlende zu ergänzen; aber diesen Zweck hatte der Sammler und Aufsteller dieser Bilder nicht vor Augen; ihm lag es daran, neben der gewissenhaften Zusammenstellung der Facta auch die Blüthenfrische des ehemaligen Lebens wieder herzustellen. Eine Biographie darf kalt, trocken, selbst gewissermaßen geistlos sein, und erfüllt dennoch ihre Aufgabe; ein Portrait muß neben der materiellen Wahrheit, durch ursprüngliches Leben, durch vibrirenden Reiz, durch Süße und Lieblichkeit des Ausdrucks fesseln, interessiren, erfreuen. Thut es das nicht, so ist's mißlungen. Ein Biograph braucht kein Bildnißmaler zu sein, ein Bildnißmaler muß aber nothwendig zugleich Biograph sein, wenn auch kein schulgerechter, strengkritischer. Ihm ist die Lebendigkeit seines Bildes die Hauptsache, jenem die Treue; ihm sind tausend Dinge wichtig, die zur Verstärkung des Ausdrucks, zur Förderung der größern Lebendigkeit dienen, er geht mit Liebe auf Nebendinge ein und schildert tausend kleine Details der Zeit, immer im Streben, seinem Hauptbilde frischeren Reiz zu verleihen; dem wissenschaftlichen Biograph ist's nur ums Factum zu thun, um die Feststellung eines Datums, die Beseitigung eines historischen Zweifels. Nicht die geschwungene Linie der Schönheit, sondern die gerade mathematische Linie, die am schnellsten und sichersten zum Zielpunkte führt, ist ihm die liebste. Um sprechend ähnliche und belebte Bildnisse zu malen, muß man etwas vom Dichter in sich haben, um gute Biographien zu schreiben gehört's nur, daß man ein gebildeter und gewissenhafter Kritiker und Sammler sei. Aus diesen Erörterungen folgt, daß dieses Buch nicht bestimmt ist in die Hände der Gelehrten vom Fach zu gelangen, sondern der Gunst des größern gebildeten Publikums anempfohlen wird, besonders den Frauen, die sich an den Gestalten der berühmten ihres Geschlechts erfreuen mögen, bald lächelnd über diesen oder jenen seltsamen Zug, der heutzutage eher Spott als Ruhm zur Folge haben würde, bald wahrhaft angeregt und zur Nachfolge begeistert durch große Tugenden und liebenswürdige Eigenschaften einer mit vollem Recht Berühmten. Hier und da sind die Bildnisse so aufgefaßt, daß auch die kokette Tracht, die seltsame Mode des Jahrhunderts, ein Blumenbouquet, ein schief aufgesetztes Hütchen, eine gepuderte Locke und ein Schönpflästerchen gerade sichtbar genug werden, um unseren schönen oder berühmten Zeitgenossinnen ein Lächeln über ihre Schwestern aus dem achtzehnten Jahrhundert zu entlocken: auch dies gehört zu dem, was wir früher über die Lebendigkeit eines Portraits sagten. Es ist die malice blanche des Portraitmalers, die das Recht jedes selbständigen Malers ausmacht, wenn er sie nur gehörig versteckt zu üben versteht, so daß man ihm nicht offener Bosheit anklagen kann. Befriedigt wird der Sammler und Aufsteller dieser Bildnisse sein, wenn dem Beschauer ein treffendes, wenn auch flüchtiges Bild des ganzen achtzehnten Jahrhunderts, dieses Jahrhunderts voll Glanz und Frivolität, voll Geist und Schönheit, aufgeht. Dahin ist hingearbeitet worden. Wir haben keine Memoirensammlungen, wie die Franzosen und Engländer, wir haben keinen St. Simon und keinen Chesterfield, der mit uns den Gang durch die Säle des glänzenden Jahrhunderts machte, um so mehr ist's Pflicht desjenigen, der die Glanzpunkte jener Tage darzustellen sich bemüht, der die beliebtesten und gefeiertsten Schauspielerinnen jener Zauberbühnen neu belebt und vorführt, daß er alle Mittel anwende, um nicht allein die einzelne Gestalt, sondern auch ihre ganze Umgebung dem Auge des Lesers mit jener Lebendigkeit vorzuführen, die ihn den Mangel an geistvollen und lebensfrischen Memoiren nicht fühlen läßt. Es wäre eine Thorheit, das Leben der Markgräfin von Baireuth, Friedrich des Einzigen Schwester, zu schildern, denn sie hat es selbst schon gethan, und zwar mit der größten Frische und Lebendigkeit der Auffassung; hätten wir über unsere anderen berühmten Frauen ähnliche Memoiren, so wäre ein solches Buch, wie das vorliegende, nicht allein überflüssig, sondern es könnte nur schädlich wirken, indem es schlecht wiederholte, was sehr gut im Original schon vorhanden ist, und vom Genuß der Quelle abhielte.

    Gräfin Aurora Königsmark

    Inhaltsverzeichnis

    Um das Bild dieser berühmten Geliebten Königs August des Starken, die Voltaire die merkwürdigste Frau zweier Jahrhunderte nennt, dem Beschauer in das rechte Licht zu stellen, ist es unumgänglich nöthig einige von ihren Ahnen vorher flüchtig zu skizziren. Es sind interessante Gestalten darunter, Gestalten, welche die geschichtlichen Costüme zweier Jahrhunderte auf anziehende und für die Forscher belehrende Weise tragen; sie bilden einen Zug, der von der Grenze des dreißigjährigen Kriegs bis zu der des siebenjährigen herüberschreitet. Wahrlich, einen Verlust für deutsches Wissen kann man's nennen, daß wir so wenig Familiengeschichten besitzen. Hier ist eine, die, wenn auch flüchtig, bald aus diesem, bald aus jenem Archiv zusammengetragen, dennoch den vollen Reiz solcher Urkunden besitzt und Blicke in das innerste Leben der Zeit thun läßt. Wir sehen ein stolzes, reiches Geschlecht mit großem Geräusch über die Bühne der Welt gehen; die Männer entweder Helden oder Abenteurer, die Frauen entweder keusche Vestalinnen, treffliche Matronen, oder reizende Verführerinnen, anmuthig herumirrende Unheilstifterinnen. Ewig Tumult, ewig Intriguen, Prozesse und Geldnoth; stets befindet sich eine ganze Abtheilung der Familie auf Reisen, man kommt nie zur Ruhe, aber das ist's gerade, was diese seltsame Sippschaft interessant macht. Wir lernen durch sie fast das ganze damalige Europa kennen, sogar etwas von Asien und Afrika; der Türkenkrieg, die polnische Revolution, die deutschen Zwistigkeiten, alles findet seinen Platz; der Luxus und die Sittenzerrüttung der kleinen und großen Höfe wird lebendig vor unseren Augen, und tausend lustige Scenen, ärgerliche Klatschereien, in welchen irgend ein Glied der ewig beweglichen Familie verwickelt ist, lärmen und rauschen vor unseren Ohren. Aber auch das Entsetzen, der geheime Mord, die teuflische Intrigue, die unter parfümirten Manschetten versteckte blutige Mörderhand auch sie kommen zum Vorschein und füllen die Blätter unserer Familienchronik.

    Der alte Marschall Königsmark ist der Ahnherr des Hauses, der Schöpfer des Reichthums und der Macht der Familie. Dieser alte Herr besteht vor dem Richterstuhl der Moral sehr schlecht. Er war im Kriege ein unermüdlicher Plünderer, ein nie rastender Beutemacher, ein schlauer und brutaler Degenknopf. Von Freiheit und Poesie, von dem chevaleresken Parfüm der Sitten, wodurch sich das Geschlecht auszeichnete, trifft man bei diesem alten Unheilstifter noch keine Spur. Es ist merkwürdig und zugleich betrübend zu sehen, wie er mit seinen zahllosen Feinden fertig wird. Er kommt nie zur Ruhe, und wenn auch die Fürsten, denen er dient, Frieden schließen, er fängt auf eigene Faust Krieg an.

    Wir sehen ihn im Tumult des dreißigjährigen Kriegs sich herumtreiben. Welch ein Schauplatz für einen kecken und wenig scrupulösen Soldaten! Unter den berühmten schwedischen Helden, neben Horn, Wrangel, Banner und Torstensohn, nimmt er auch einen Platz ein, der Himmel weiß mit welchem Rechte; denn die Weisheit und Größe dieser Männer war ihm nicht zu Theil geworden, nur die soldateske Tapferkeit scheint er in hohem Grade besessen zu haben.

    Im Jahre 1600 auf einem Familiengute in der Mark geboren, nimmt er noch in jungen Jahren kaiserliche Dienste unter dem Herzog Albrecht von Sachsen-Lauenburg, den das Gerücht den Mörder Gustav Adolphs nennt. Als dieser heldenmüthige König 1630 in Deutschland erscheint, verläßt Königsmark die kaiserlichen Dienste und geht zu den Schweden über. Hier fängt er nun an, seine Talente zu entwickeln. Mit selbstgeworbenen Heerhaufen durchzieht er Niederdeutschland, Böhmen und Schlesien, dergestalt plündernd, mordend und sengend, daß er den schwedischen Namen zum Schrecken der Welt macht. Böhmen blieb aber sein vorzüglicher Tummelplatz.

    Der Abschluß des westphälischen Friedens kümmerte ihn wenig. So zog er vor die Reichsstadt Bremen und belagerte sie förmlich. Alle Welt schrie darüber, die Kabinette Frankreichs und Schwedens erhoben Klagen auf Klagen, und zu gleicher Zeit luden der Senat von Stockholm und das Reichskammergericht den Unruhstifter vor ihre Schranken. Er kam nicht. Der Uebermuth eines glücklichen Soldaten gegenüber den rechtlichen Einrichtungen innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft, diese bitterste Frucht, die uns die Kriege bringen, machte sich in seiner ganzen Schärfe schon bei unserm Helden geltend. Endlich begab er sich nach Stockholm und stimmte durch passende Geschenke, einen kleinen Theil seines Raubes, die Königin Christine zu seinen Gunsten um. 1650 wohnte er der Krönung dieser Fürstin bei, und sie machte ihn zum Statthalter des Fürstenthums Verden und des Herzogthums Bremen. Als Fürststatthalter schlug er seinen Sitz in Stade auf und baute ein prächtiges Schloß daselbst, das er zu Ehren seiner Gemahlin, eines deutschen Fräuleins, Agathenburg nannte.

    Alles dieses misfiel am Hofe zu Stockholm sehr. Die schwedischen Großen konnten so viel Gunst und Glück einem Ausländer nicht vergeben, sie zettelten unaufhörlich Kabalen an, aber der alte Haudegen war der rechte Mann, um über Hofintriguen zu siegen. Er gab Geld her, wo er käufliche Naturen fand, er schlug zu, wenn er Schwächlinge vor sich sah, und so abwechselnd mit Degen und Ducaten schaffte er sich an dem gelehrten Hofe Christinens Platz und galt zuletzt, was das Befremdendste ist, sogar für einen Beschützer der Wissenschaften. Er, der die herrlichen Kirchen Prags mit wahrhaft vandalischer Wuth geplündert hatte, dessen Soldaten zerschlagen und zertrümmern mußten, was sie nicht fortführen oder verkaufen konnten, er saß in der Akademie zu Stockholm und vertheilte gnädig fürstliche Preise für Künstler und Gelehrte und sprach in den kleinen Abendgesellschaften Christinens ein Wort mit, wenn über die Verse Tibulls gestritten, oder ein alter classischer Autor citirt wurde.

    Dergleichen wiederholt sich auch wohl jetzt, aber doch nicht mit dieser naiven Unverschämtheit. Die Wissenschaft, die sich damals noch nicht emancipirt hatte, bettelte an den Thüren der Großen um Gunst, und so kam es denn auch, daß rohe Krieger ihre Protectoren wurden und sich mit academischen Titeln schmücken durften. Dadurch suchten sich diese bedrängten Vereine vor Gewaltthätigkeiten zu schützen. Sie erreichten nicht immer ihren Zweck. Wenn ein brutaler Krieger Lust spürte, sich oder Anderen ein besonderes Schauspiel zu bereiten, so mußten jene armen Pedanten herhalten, und mehr als einmal geschah es in jenen Zeiten, daß gelehrte Männer, wenn sie wissenschaftliche Reisen antraten, von einem der kleinen Höfe eingefangen wurden, um an demselben als Hofnarren zu figuriren. Nur mit Zittern traten die gefährdeten Männer ihre Wanderungen an; immer mußten sie fürchten, daß die Locken ihrer majestätischen Perücken sich in Schellen verwandeln könnten. Sie riefen daher den Charlatanismus zu Hülfe, und versuchten es, durch einen erborgten Nimbus von übernatürlichen Kräften die rohe und spottsüchtige Gewalt im Zügel zu halten. Jetzt kam die Reihe, die Rolle der Narren zu spielen, an die Fürsten; Goldmacher und Sterndeuter betrogen sie und rächten die verfolgten Collegen.

    In diesem Kriege, den die materielle Gewalt mit der Intelligenz führte, spielte unser alter Marschall ebenfalls eine Rolle, und er war schlau genug, es mit keiner dieser Mächte zu verderben. Die fruchtbringende Gesellschaft nahm ihn in ihren Schoos auf und er führt in ihren Registern den Namen des »Streitenden.«

    So ging denn dieser alte Knabe mit Ruhm bedeckt zu Grabe. Er hinterließ der Familie ein jährliches Einkommen von 130,000 Thalern, ein colossales Vermögen für die damalige Zeit, er übergab ihr Landgüter und Schlösser und den Grafentitel. Das hieß nicht umsonst gelebt haben. Die Flüche, die an diesen zusammengeplünderten Schätzen hafteten, verhallten in die Luft, nur die Ehre, der Ruhm und das marmorne Denkmal blieben. Bei meinem Aufenthalte in Stockholm zeigte man mir sein Bild, und ich fand, daß es lebhaft an Peter den Großen erinnert. Ein kostbares Werk mit vielen Bildern und Documenten, das die Thaten dieses Mannes beschreibt und die Mythologie plündert, um Bezeichnungen und Vorbilder zu seinem Helden zu finden, erhielt sich noch lange in der Familie. Prag bewahrt ein anderes Denkmal; es bestand in Trümmerhaufen und Blutspuren. Man schreckte die Kinder mit dem Namen Königsmark wie in Deutschland mit dem Knecht Ruprecht. Das schwedische Document und das prager ergänzen einander.

    Graf Karl Johann folgt jetzt, ein Enkel des Vorigen. Der alte Marschall hinterließ drei Söhne, von denen der jüngste, Otto Wilhelm, bei der Belagerung von Negroponte, der mittlere, Johann Christoph, in noch jungen Jahren durch einen Sturz vom Pferde, und der älteste, Curt Christoph, der Vater Karl Johanns, Philipp Christophs und der beiden Schwestern Aurora und Emilie, bei der Belagerung von Bonn starb. Die Familie hatte unterdeß ihr Ansehen noch erweitert. Dieser Vater Karl Johanns und unserer berühmten Aurora war mit Christina Wrangel vermählt, einer Tochter des Marschalls Hermann Wrangel, der seinerseits wieder eine Prinzessin von der Pfalz geheirathet hatte. Hierdurch war die Familie mütterlicher Seits mit Fürstenhäusern in Deutschland, väterlicher Seits fast mit dem ganzen Adel Schwedens verbündet. Man sieht, wie glänzend die Laufbahn sich geebnet zeigte, die diesem jungen Geschlecht beim Beginn seiner Lebenswanderung vom Schicksal vorgezeichnet war. Leider sollte jedoch von den Kindern Curt Christophs kein einziges das Ziel eines glücklichen und späten Alters erreichen, und es war bestimmt, daß der Stamm mit diesem so günstig Ausgestatteten aussterben sollte. Wir fassen für's Erste Karl Johann in's Auge.

    War der alte Marschall nicht viel mehr als ein braver Soldat, ein kecker Beutemacher, so war sein Enkel schon mit der Poesie seines Standes bekleidet; er war ein vollkommener Ritter des siebzehnten Jahrhunderts, ein moderner Roland, unerschöpflich thätig in Liebes- und Waffenabenteuern, jung, schön, tapfer, verführerisch und ein übermüthiger Aristocrat. Der schwedische Hof, der sich damals in einer Krisis befand, an welchem sich die Parteien zankten und der Reichstag endlose Reden hielt, gab dem jungen Wildfang, der sehr früh den Schulbänken der Ritteracademie zu Stade entflohen war, wenig Aussicht zu glänzenden Thaten. Er ging nach Paris und dort, wo er seinen Oheim Otto Wilhelm fand, stürzten sich Oheim und Neffe in die galanten und gefährlichen Abenteuer der Hauptstadt. Der Oheim wurde dieses Lebens nicht überdrüssig, wol aber der Neffe. Ein kühner Geist waltete in dem jungen Körper, ein Ideal von Ruhm und Thatenglanz stand unverrückt vor seiner Seele.

    So sehen wir denn den kaum achtzehnjährigen Jüngling nach Malta übersegeln, um seine Dienste dem Ordensmeister gegen die Barbaresken anzubieten. Auf einer der Ordensgaleeren zeigt er eine so verwegene Tapferkeit, einen so glänzenden Muth, daß der Orden, bestürzt und erfreut, sich bereit erklärt, ihn in seine Mitte aufzunehmen. Aber Graf Karl Johann ist Protestant, er zeigt auch nicht die geringste Bereitwilligkeit, dem Glauben seiner Väter zu entsagen, noch weniger ist bei ihm irgend eine Neigung sichtbar, das Gelübde der Keuschheit abzulegen. Dennoch erhält er das Ordenskreuz, und Raphael Cotonerus, der Ordensmeister, umarmt den jungen Helden öffentlich vor dem versammelten Capitel der Ritter. Jenes Kreuz und diese Umarmung sind Ehrenbezeugungen, die die Welt staunen machen, da sie von einem streng katholischen Orden einem Ketzer erwiesen worden. Welchen Glanz mußte diese Auszeichnung dem jungen Schweden verleihen! Unsere Zeit hat Mittel gefunden, jeden Orden frivol und fast alle werthlos zu machen. Nur eine bewegte Zeit der Thaten kann diesen kleinen Zeichen, die sonst wie eine Ironie der Fürstenlaune aussehen, einen bleibenden Werth verleihen.

    Unser ritterlicher Abenteurer ging nunmehr von Malta nach Rom, nach Florenz, und der alten Stätte verliebter und gefährlicher Intermezzos, nach Venedig. Dieser Stadt der Masken und der Dolche, wo Melpomene, vereint mit Arlequin, die Säulenhallen durchzieht, trug auch der junge Schwede den Zoll der Jugend und des Muthes ab. Hier war es, wo er eine junge Gräfin Southampton kennen lernte, die sich entschloß, ihre Reichthümer und ihre Familie im Stich zu lassen, und ihm in Pagenkleidern überall hin zu folgen. In den Briefen Charlottens von der Pfalz, der Mutter des Regenten, Herzogs von Orleans, wird dieser romantischen Liebschaft gedacht, und zwar in jener anstößigen derben Weise, wie es die Herzogin liebte.

    Die Stelle lautet: »Ma chére princesse (Karoline von Wales, geborene Markgräfin von Anspach), ich will Ihnen etwas auch in aparter Manier schreiben. Ich habe einen Grafen Königsmark gekannt, dem war eine junge englische Dame in Pagenhosen nachgelaufen. Er hatte sie bei sich zu Chambor, und weil kein Platz für ihn im Schlosse war, hatte er ein Zelt im Walde aufschlagen lassen und logirte darinnen. Auf der Jagd erzählte er mir seine Aventüre. Ich hatte Curiosität, den Pagen zu sehen, und ritt zu seinem Zelte; er rief den Pagen und präsentirte ihn mir. Ich habe in meinem Leben nichts Artigeres, als das Mädchen in Pagenkleidung war, gesehen; sie hatte schöne große braune Augen, ein artiges Näschen, einen schönen Mund voller schönen Zähne, denn sie lachte wie sie mich sah; sie merkte wohl, daß der Graf mir alles erzählt hatte. Sie hatte ihre eigenen Haare, braune mit großen Bouklen. Wie er von Chambor wegzog und nach Italien reiste, kam die Wirthin in einem Wirthshause gelaufen und schrie: Monsieur, courez vite lá-haut, votre Page accouche! – Sie bekam ein Töchterchen. Man steckte Mutter und Tochter in ein Kloster zu Paris. So lange der Graf gelebt, hat er wohl für sie gesorgt; er starb aber in Morca und der Page hat ihn nicht lange überlebt; sie ist wie eine Heilige gestorben. Das Töchterchen hat ein Freund vom Grafen, Madame de Montespans Neveu, versorgt; nach dessen Tode hat der König dem armen Mensch eine Pension gegeben. Ich glaube, sie ist noch im Kloster.«

    So weit die alte originelle Dame, die mitten in der verfeinerten Hofsphäre Ludwigs XIV. nicht müde wurde, ihr deutsches Sauerkraut zu speisen und in Manieren und Sprache die deutsche Hausmutter zu spielen. – Der Graf ging von Venedig nach Madrid, dann hielt er sich in Holland einige Zeit auf, auch in Hamburg, kam dann an den Hof zu Stockholm, wo er mit den Anerbietungen, die man ihm machte, nicht zufrieden war, dennoch aber, wieder durch Fraueneinfluß, sich bestimmen ließ, eine diplomatische Sendung nach Windsor an den König Jacob II. zu übernehmen.

    In England stellten ihm die Verwandten der Gräfin Southampton nach, verwickelten ihn in Zweikämpfe, und selbst der Gefahr einer Vergiftung war er ausgesetzt. Auf den Rath des Königs, der sich väterlich für ihn interessirte, verließ er Englands Boden, um sich auf der Flotte einzuschiffen, die nach Afrika bestimmt war, um Tanger zu belagern. Die Schiffe wurden durch widrige Winde zurückgehalten, und der ungeduldige junge Held nahm durch Frankreich und Spanien seinen Weg, um rasch vor Tanger anzulangen. Hier erntete er wieder Ruhm und Waffenehre. Die darauf folgenden Jahre werden in beständigen Kriegszügen hingebracht. Dreimal kehrt er nach Afrika zurück, wir finden ihn auf der britischen Flotte vor Algier, dann in Madrid, dann in Holland, in England, in Deutschland.

    An der Spitze eines selbstgeworbenen französischen Regiments sehen wir ihn Courtrai belagern, wo er verwundet wird, aber dennoch bald darauf in rapidem Marsch nach Catalonien eilt, um das französische Heer mit dem Ruhm seiner Waffen zu unterstützen. In venetianische Dienste eingetreten, nimmt er unter dem Oberbefehl seines Oheims, Otto von Königsmark, an der Belagerung von Navarin und Modon Theil, und die gefahrvolle Unternehmung bei Argos zählt ihn mit unter die heldenmüthigsten Krieger.

    Hier war jedoch seiner Laufbahn ein Ziel gesetzt. Nicht dem Schlachtentode fiel er zum Opfer, sondern einer Seuche, die ihn nach kurzem Schmerzenslager im Monat August 1686 in Morea dahinraffte. Er hatte noch nicht sein siebenundzwanzigstes Jahr vollendet. Seine sterblichen Ueberreste, mit denen seines Oheims, der bald nach ihm ebenfalls den bösen Einflüssen des Klimas unterlag, wurden in die Familiengruft nach Stade gebracht. So war dieses Epos beschlossen, dessen Held so viel Gefahr, Liebe und ritterliche Tugend der Welt gezeigt hatte. Das damalige Europa hatte auf seinem Welttheater einen hübschen Schauspieler weniger, die Paläste und Fürsten sahen aus ihren Räumen eine elegante Figur verschwinden, die Putzgemächer und Schlafkabinette der Frauen verloren ihren kecksten und siegreichsten Eindringling. Auch mit den Musen hatte er sich abgegeben, und zwar nicht auf eine so gezwungene und zweifelhafte Weise wie der alte Marschall, sein Großvater.

    Welche Thränen und Seufzer mögen dem Sarge gefolgt sein, der seine Reise von Morea nach Stade antrat! Wie manches junge Herz in der Klosterzelle, im Palast und in der Hütte mag bei der Trauerbotschaft schmerzlich und krampfhaft sich zusammengezogen haben! Wir haben hierüber keine Nachrichten, und ohne die plauderhafte Feder der alten Prinzessin von Orleans wüßten wir nicht einmal die anmuthigen Details von dem Pagen. Auf diesen Pagen zurückzukommen, so starb er – oder sie – wie eine Heilige; so sagt uns nämlich unsere Berichterstatterin. Die Tochter, die ebenfalls im Kloster erzogen wurde, verlor ihre Pension, als Ludwig XIV. starb, und unter dem Namen einer Mademoiselle d'Holland trat sie in die Welt, vermählte sich mit einem gewissen Chevalier de Cavado, der ihr eine Rente von 40,000 Livres zusicherte, und hatte später die Undankbarkeit, die Schwestern ihres Vaters, Aurora und Emilie, in einen Proceß über die Nachlassenschaft des Grafen Königsmark, ihres Vaters, zu verwickeln. Der Proceß schlug nicht zu ihren Gunsten aus; dennoch verstieß Aurora, in angeborener Milde, dieses Kind der Liebe ihres Bruders nicht; sie that für dasselbe was nur in ihren Kräften stand.

    Philipp Christoph war ein Bruder Karl Johanns, und ihm in sehr vielen Charaktereigenschaften ähnlich, an körperlichen Vorzügen ihn jedoch übertreffend. Wenn wir einem Portrait Glauben schenken wollen, das aus der Nachlassenschaft Aurora's stammt und sich jetzt im Privatbesitz in Dresden befindet, so glich er seiner schönen Schwester und vereinigte in seinen Gesichtszügen denselben Liebreiz mit demselben Adel und Geist. Die gewinnende Anmuth der Schwester war auch ihm eigen, aber sein Scherz war nicht so unschuldig, seine Spöttereien nicht so harmlos; er war muthwillig und boshaft, und da seine Keckheit sich keine Grenzen setzte, so ist ein großer Theil seines Misgeschicks dieser gefährlichen Gabe, die die Welt liebt, aber zugleich verfolgt, beizumessen. Er wich hierin von seinem Bruder ab, der auch darin das wahre Bild des chevalier sans peur et sans reproche war, daß er nie über Frauen oder zarte Verhältnisse spottete, was Philipp gern that, wenn es galt, einen schläfrigen Hofcirkel zu beleben und die Fürsten lachen zu machen.

    Das Schicksal dieses jungen Mannes, der als der letzte seines Stammes fiel, ist ein wundersam schauerliches; es tauchen in demselben alle dunkelen Schrecken der Mordlust des Mittelalters auf, um sich mit dem feinen Gifthauch der modernen Intrigue des achtzehnten Jahrhunderts zu vereinigen. Noch weiß man nicht gewiß, wo und wie diese glänzende Erscheinung sich verlor, auf welche Weise ein junger Mann endete, der reich, übermüthig, angesehen, von den Fürsten geliebt, dem mächtigsten Adel entsprossen, seine Laufbahn begann. Sein Grab ist mit grausenhaftem Dunkel umhüllt. Tausende haben darnach geforscht und es nicht finden können. Seine unglückliche Schwester setzte ganz Europa in Bewegung, um das Geheimniß dieses Verschwindens aufzuklären; umsonst. Noch jetzt ist die Gruft, in welcher Philipp Christoph von Königsmark verschwand, eine von jenen mysteriösen Grabstätten, deren die Geschichte mehre zählt, ein Grab, das weder Mitwelt noch Nachwelt zu bezeichnen

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