Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Ab $11.99/Monat nach dem Testzeitraum. Jederzeit kündbar.

Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen, Gedichte & Autobiografie: Reinhard Flemmings Abenteuer zu Wasser und zu Lande, Das Weihnachtsland, Der Rosenkönig, Der Hexenmeister
Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen, Gedichte & Autobiografie: Reinhard Flemmings Abenteuer zu Wasser und zu Lande, Das Weihnachtsland, Der Rosenkönig, Der Hexenmeister
Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen, Gedichte & Autobiografie: Reinhard Flemmings Abenteuer zu Wasser und zu Lande, Das Weihnachtsland, Der Rosenkönig, Der Hexenmeister
eBook2.823 Seiten36 Stunden

Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen, Gedichte & Autobiografie: Reinhard Flemmings Abenteuer zu Wasser und zu Lande, Das Weihnachtsland, Der Rosenkönig, Der Hexenmeister

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Heinrich Seidels Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen, Gedichte & Autobiografie bieten einen faszinierenden Einblick in das Schaffen eines der bedeutendsten Autoren des 19. Jahrhunderts. Diese Sammlung umfasst eine Vielzahl literarischer Genres, die Seidels breites Talent und seine Vielseitigkeit als Schriftsteller deutlich zeigen. Die Romane und Erzählungen zeichnen sich durch ihre detaillierte Charakterentwicklung und ihren einfühlsamen Stil aus, während die Gedichte die zarten Nuancen der menschlichen Emotionen einfangen. Die Autobiografie bietet einen intimen Einblick in Seidels persönliches Leben und seine künstlerische Entwicklung. Alle Werke sind meisterhaft geschrieben und spiegeln die zeitgenössischen literarischen Strömungen wider, die Seidels Werk geprägt haben. Heinrich Seidels Gesammelte Werke sind ein wichtiger Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte und bieten einen reichen Schatz an erzählerischem und poetischem Talent, der Leser jeden Alters begeistern wird.
SpracheDeutsch
HerausgeberMusaicum Books
Erscheinungsdatum5. Mai 2017
ISBN9788075831224
Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen, Gedichte & Autobiografie: Reinhard Flemmings Abenteuer zu Wasser und zu Lande, Das Weihnachtsland, Der Rosenkönig, Der Hexenmeister
Autor

Heinrich Seidel

Heinrich Seidel wurde am 25.6.1842 in Perlin in Mecklenburg geboren und verstarb am 7.11.1906 in Großlichterfelde. Er war ein deutscher Ingenieur und Schriftsteller.

Mehr von Heinrich Seidel lesen

Ähnlich wie Gesammelte Werke

Ähnliche E-Books

Klassiker für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Gesammelte Werke

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Gesammelte Werke - Heinrich Seidel

    Roman

    Inhaltsverzeichnis

    Reinhard Flemmings Abenteuer zu Wasser und zu Lande

    Inhaltsverzeichnis

    Teil I

    Erstes Kapitel

    Zweites Kapitel

    Drittes Kapitel

    Viertes Kapitel

    Fünftes Kapitel

    Sechstes Kapitel

    Teil II

    Siebentes Kapitel

    Achtes Kapitel

    Neuntes Kapitel

    Zehntes Kapitel

    Elftes Kapitel

    Zwölftes Kapitel

    Dreizehntes Kapitel

    Vierzehntes Kapitel

    Fünfzehntes Kapitel

    Sechzehntes Kapitel

    Teil I

    Inhaltsverzeichnis

    Erstes Kapitel

    Inhaltsverzeichnis

    Mein Freund Adolf Martens und ich können wohl sagen, dass wir unsere Knabenjahre an und in und auf dem Wasser verbracht haben. Von dieser Zeit würde wenig zu erzählen sein, wollte man den »See« aus ihr streichen, an dessen Ufern wir als kleine Knaben die bewunderungswürdigsten Hafen- und Kanalbauten ausführten, in dessen Gewässern wir später wie die Fischottern herumschwammen, in dessen stillen Buchten wir Barsche angelten und Krebse griffen. Einsame waldige Inseln lagen in ihm, selten nur von eines Menschen Fuss betreten und wohl geeignet, dort fremde Länder zu entdecken und die Schauer unberührter Einsamkeit zu empfinden; in seinen mächtigen Rohrbreiten nisteten die Wasservögel in ungezählten Scharen, und wenn ich an das Geknarre und Geschwätz der Rohrsänger denke, das diese raschelnden Wälder erfüllte, so gellt es mir noch heute in den Ohren.

    Das Kirchdorf Steinhusen, in dem wir wohnten, lag an einer Bucht dieses Sees; der Vater meines Freundes Adolf Martens war Gutsbesitzer und mein Vater, Eberhard Flemming, Pastor dort. Die grossen Gärten der beiden Häuser grenzten aneinander und an den See; wir beiden Knaben waren in einem Alter, genossen denselben Unterricht und waren darum naturgemäss Gespielen, um so mehr, als wir auch in vieler Hinsicht einerlei Meinungen und Liebhabereien hatten.

    Eine alte, morsche Jolle war vorhanden, die wir als unsern grössten Schatz betrachteten, obwohl sie Wasser zog und einer von uns mit der Wasserkelle fortwährend »lenzpumpen« musste, wenn wir sie benutzen wollten. Denn, obwohl der Rademacher sie alljährlich flickte, so gut er es verstand, und ob wir sie auch mit grossem Eifer und mit Werg und Teer kalfaterten, so war ihr die Unart, sich allmählich vollzutrinken, nicht mehr abzugewöhnen, wie das ja auch bei Menschen vorkommt, die sich an den Genuss gewisser Flüssigkeiten gewöhnt haben. Dass dieses Fahrzeug sach- und fachgemäss aufgetakelt gewesen wäre, konnte man auch nicht sagen, aber es hatte einen Mast und ein altes geflicktes Segel, und wenn man Geduld und Zeit hatte, konnte man überall damit hinkommen, und das genügte uns. Wir waren auch von seinen Vorzügen so überzeugt, dass wir es auf den pomphaften Namen Albatros getauft hatten, der, mit Ölfarbe hingemalt, an Bug und Heck prangte, obwohl die Bezeichnung Wasserschnecke den wirklichen Eigenschaften dieses alten Wrackes besser entsprochen haben würde als irgend eine andre.

    Eines Sonnabends in den grossen Ferien hatte sich in der Familie meines Freundes Adolf Martens ein starkes Bedürfnis nach Krebsen herausgestellt, denn zum Sonntag wurde Besuch aus der Stadt erwartet, der diese köstlichen Leckerbissen besonders schätzte, und so wurde uns der willkommene Auftrag, eine genügende Menge dieser wohlschmeckenden Panzerträger herbeizuschaffen. In einer etwa eine Meile entfernten, sehr steinreichen Seebucht, wo sie reichlichen Unterschlupf fanden, gab es eine Menge dieser Tiere, und dieses Ortes Gelegenheit wollten wir wahrnehmen. Es war ein sehr heisser Morgen, dessen Glut aber ein leichter Wind angenehm milderte. Dieser Wind hatte eine zweite vortreffliche Eigenschaft dadurch, dass er »halb« war zu unserm Kurs und uns des lästigen Gebrauches der Riemen für die Hin- und auch für die Rückfahrt überhob, vorausgesetzt, dass er anhielt oder seine Richtung nicht änderte. Wir machten deshalb, mit trefflichem Proviant von Herrn Martens »Mamselling« versehen, guter Hoffnungen voll, den Albatros klar und gingen unter Segel. Während wir nun bei dem leichten Winde im langsamen Schritt dahinsausten, wie man von dem Fuhrwerk meines Grossonkels zu sagen pflegte, der seine Pferde allzusehr schonte, sass Adolf Martens am Steuer, während ich von Zeit zu Zeit die Wasserkelle kräftig handhabte, denn der Albatros hatte wegen der grossen Sommerhitze einen mehr als gewöhnlichen Durst.

    Der langgestreckte, buchtenreiche See hatte in dieser Gegend in seinem mittleren Teile eine Landerhebung, die sich wohl dreiviertel Meilen weit erstreckte und sich an manchen Stellen nur als eine stellenweise mit Rohr bewachsene Untiefe dem Auge zeigte, an ihren höchsten Punkten aber in drei hintereinander liegenden Inseln über den Wasserspiegel hervorragte. Die erste dieser Inseln, die zu dem Gute des Herrn Martens gehörte, schätzten wir sehr, und obwohl sie Rosenwerder hiess, nannten wir sie nur die Robinsonsinsel, denn unser Traum war, dort einmal einige Wochen gleich Robinson und Freitag in der Einsamkeit zu leben. Zu diesem phantastischen Plane hatten wir aber die höhere Einwilligung bis jetzt leider nicht erreichen können. Die zweite Insel, an der unsre Fahrt vorüberging, war nur klein und bestand zum grossen Teil aus Wiesenland. Auf ihrem höchsten Punkte, der nur wenige Meter über den Wasserspiegel emporragte, lag unter einer uralten Weide zwischen allerlei Buschwerk eine halb verfallene, unbewohnte Fischerhütte. In deren Dachraum wurde das auf der Insel geworbene Heu aufbewahrt, um gelegentlich zu Kahn nach einem am benachbarten Ufer liegenden Dorfe abgeholt zu werden. Auch dieses kleine Eiland war ein beliebtes Ziel unsrer Fahrten, denn die alte, verlassene Hütte darauf, deren Thür schief hing, und deren kleine schwarze Fensterhöhlen wie tückische Augen unter einem uralten, riesenhaften Holunderbusch auf uns hinstarrten, hatte etwas höchst angenehm Schauerliches für uns. Wir nannten sie nur das Hexenhaus.

    Dann aber tauchte die grösste dieser drei Inseln vor uns auf, der Uhlenberg genannt, nach einem stattlichen Hügel, der dort emporragte. Sie hatte den Umfang eines sehr grossen Bauerngutes und war fast ganz mit Wald bedeckt. Das Innere dieser Insel kannten wir zu unserm Leidwesen nicht, obwohl es ungemein fabelhaft und merkwürdig sein sollte. Denn dort wohnte ein ganz richtiger Robinson, über den die wunderlichsten Geschichten in der Gegend verbreitet waren. Man war sich nicht ganz einig, ob er früher als Sklavenhändler oder Seeräuber oder in einem ähnlichen interessanten Berufszweig thätig gewesen sei; das aber erzählte man für gewiss, dass er mit seinem Schiffe an einer einsamen Insel im Weltmeer gescheitert und ausser ihm nur ein junges Mädchen gerettet worden sei. Dieses habe er geheiratet und dann mit seiner Frau jahrelang auf der einsamen Insel gelebt. Als dann ein Schiff in diese sonst gemiedene Gegend gekommen sei, seien sie mit einer wunderschönen Tochter wieder nach Europa zurückgekehrt. Dem Herrn Wohland habe aber der Robinson schon so in den Gliedern gesteckt, dass er absolut auf einer Insel habe leben müssen, wozu er denn in unserm See die Gelegenheit gefunden und sich den Uhlenberg käuflich erworben habe. Nun war er schon ein alter Mann und seine Frau bereits vor Jahren gestorben. Seine Tochter hatte sich an den Gutsbesitzer von Borna verheiratet, das auf einem Höhenzuge lag und dessen Kirche man so weit im Lande und auch von unserm Dorfe aus sehen konnte. Herr Wohland lebte auf der Insel ganz allein mit einem Diener und einer alten Wirtschafterin; man sagte aber, dass er sich an jedem Morgen, wenn die Luft klar sei, zu bestimmter Zeit von einem Turm aus durch Flaggensignale mit seiner Tochter unterhalte.

    Als wir an dieser Insel vorübersegelten, waren unsre Blicke mit einer gewissen sehnsüchtigen Spannung auf sie gerichtet, denn die Geheimnisse ihres Innern hätten wir gar zu gerne ergründet. Wäre nicht die kleine Landungsbrücke gewesen, an der ein Boot und einige Kähne lagen, und die weissen Warnungstafeln am Ufer, auf denen stand: »Das Betreten dieser Insel ist streng verboten!« so hätte man sie für gänzlich unbewohnt halten können, denn von einem Hause war an keiner Stelle etwas zu sehen. Und doch sollte ein wundervolles Schlösschen dort liegen, mit Turm, Erkern und Giebeln und ganz überrankt mit Rosen und wunderlichen Schlingpflanzen. Auch ein Robinsonhäuschen sollte es dort geben, aus rohen Steinblöcken und unbehauenen Baumstämmen erbaut, ganz wie es auf jener einsamen Ozeaninsel gewesen war, und ein Gewächshaus mit Pflanzen, deren Blumen aussahen wie Schmetterlinge oder Kolibris. Wir wären schon zufrieden gewesen, hätten wir nur einen von den Papageien und andern ausländischen Vögeln zu sehen bekommen, die dort in halber Freiheit leben und sogar in den alten hohlen Bäumen der Insel nisten sollten; allein nichts dergleichen zeigte sich, nicht einmal ein fremder, unbekannter Schrei war vernehmlich. Nur der Pirol oder Vogel Bülow, wie wir ihn nannten, rief unablässig aus den hohen Baumwipfeln, und zuweilen tönte der schrille Ruf eines Pfaues. Dass Papageien sich dort aufhielten, wussten wir ganz gewiss, denn sie verflogen sich zuweilen in die Umgegend, und einmal war sogar ein derartiges rot und grünes Fabelwesen in unsern Garten gekommen und hatte sich an unsern Herzkirschen delektiert. Der Papagei that sehr vertraut, und als ich ihm vorsichtig nachkletterte, um mich seiner zu bemächtigen, liess er mich ganz nahe kommen; im Augenblicke aber, da ich die Hand nach ihm ausstreckte, sagte er: »Spitzbub!« und hob sich davon. Ich war über diese wenig schmeichelhafte, aber treffende Anrede so erschrocken, dass ich beinahe vom Baum gefallen wäre.

    Als wir die Insel Uhlenberg hinter uns hatten, that sich zur Seite die von hochansteigendem Buchenwald umgebene Bucht auf, die das Ziel unsrer Fahrt war, und eine Viertelstunde später scharrte unser Kiel auf dem Sande des Ufers. Wir zogen die Jolle ans Land, machten sie fest und freuten uns dann eine Weile der schattigen Kühle des Buchenwaldes, indes wir, auf zwei Steinen am Rande eines glasklaren Baches sitzend, Mamsellings mit Schafkäse und Mettwurst belegten Butterbroten alle Ehre anthaten, wozu wir unsern Durst aus dem kühlen Rinnsal löschten und uns dabei jenes Gefässes bedienten, das Diogenes in seiner letzten, bedürfnislosesten Periode zu verwenden pflegte. Nachdem wir dann eine kleine Entdeckungsreise in die Umgegend ausgeführt hatten, kehrten wir an den See zurück, zogen uns barfuss aus bis an den Hals und gingen an unsre Arbeit. Das sehr weit ausgedehnte flache Vorland des Sees war in dieser weiten Bucht mit einer Unzahl von grossen und kleinen Felsblöcken bestreut, die sich zum Teil über den Wasserspiegel erhoben, zum grösseren Teil aber, von der leicht bewegten Flut bedeckt, mit wechselnden Umrissen und veränderlicher Gestaltung aus dem wallenden Krystall hervorschimmerten. Unter diesen Steinen fanden die Krebse unzählige Schlupfwinkel, und da zu jener Zeit das grosse Sterben noch nicht durch die deutschen Gewässer gegangen war, so hatte fast jede dieser kleinen Höhlen auch ihren Bewohner. Bei schwülem Wetter gehen die Krebse gern spazieren, und so sahen wir auch bald deren auf dem weissen Sandgrunde herumwandern. Ein lustiger Anblick war es, wenn sie bei unserm Nahen mit kräftigen Schwanzschlägen sich eilig wie der Blitz rückwärts zu ihren Schlupfwinkeln flüchteten. Doch es half ihnen nichts, denn wir waren hinterher und holten sie hervor, ob sie sich noch so sehr sträubten und uns mit den kräftigen Scheren in die Finger zwickten. Die Jagd lohnte, und als wir das kahnförmige durchlöcherte Holzgefäss, das hinter unsrer Jolle schwamm, zur Hälfte gefüllt hatten, sagte Adolf Martens: »Junge di, das fluscht heut! Und was für Bengel sind dabei, Kerls wie kleine Hummern.«

    Aber unsre Zahl war noch nicht voll, und indem wir das schwimmende Gefäss mit uns zogen, begaben wir uns an eine andre Stelle der Seebucht in der Nähe des Rohrs, wo wir mächtige Fänge machten, so dass unser Gefäss bald fast gefüllt war und wir genug hatten. Als mein Freund Adolf dann in dem knietiefen Wasser noch eine Weile leise watete und sich umschaute, rief er plötzlich: »Horre, was 'n Tier!« stürzte platschend davon und langte unter einen mächtigen Stein. »Ich hab' ihn, ich hab' ihn!« schrie er. »Au, au, das Untier hat mich! Der wehrt sich aber!« Nach einer Weile zog er ihn aber doch hervor, einen riesigen Krebs, der sich mit mächtiger Schere in seinen rechten Daumen verbissen hatte, und tanzte eine Weile teils vor Freude, teils vor Schmerz in dem platschenden Wasser herum. Dann fasste er den Krebs mit Daumen und Zeigefinger der Linken sanft um den Leib und hielt ihn mit beiden Händen unter Wasser, worauf das Tier, um zu entfliehen, den Daumen freigab. Wir bewunderten diesen Riesenkrebs noch eine Weile, während er klatschend mit dem Schwanze seinen Bauch peitschte und mit den gewaltigen Scheren fruchtlos in die Luft schnitt, und thaten ihn dann zu den übrigen.

    »Den holt sich morgen Onkel Scholz,« meinte Adolf. »Weisst du, dann sagt er: ,Bei Krebsen ist es erlaubt, nach dem grössten zu greifen.' Und steht auf, so lang er ist, und sieht sich die Schüssel von oben an. Und fährt zu wie ein Stossvogel und hat den grössten gefasst, der in der Schüssel ist.« Wir hatten in unserm Jagdeifer nicht darauf geachtet, dass unterdess der Wind sich gelegt hatte und eine brütende Stille eingetreten war. Plötzlich schwand der Sonnenschein hinweg, und der See lag in einem seltsamen, bleifarbigen Lichte da, während das gegenüberliegende ferne Ufer noch in sonnigem Grün glänzte. Über die Buchenwipfel sahen die schimmernden weissen Ränder eines mächtigen Wolkengebirges hervor.

    »Da kommt ja wohl ein Wetter auf?« sagte Adolf.

    Eine ferne, tiefe, grollende Stimme murrte ganz sanft hinter den Bergen wie zur Bejahung dieser Frage.

    »Nun rasch nach Hause!« rief mein Freund. »Wenn das nur gut geht!« Wir banden unser Gefäss mit Krebsen an die Jolle, stürzten an Land und fuhren so schnell wir konnten in unsre Kleider. Dann griffen wir zu den Riemen und ruderten eilig in den See hinaus. Ein finsteres, lauersames Schweigen hatte sich über seine glatte Fläche gebreitet, und das sonnige Grün des gegenüberliegenden Ufers war ausgelöscht. Je weiter wir hinauskamen, je höher stieg das Wolkengebirge mit den schimmernden Rändern hinter der dunkelgrünen Buchenwand empor, und sein dunkelblaugrauer Kern kam zum Vorschein, während aus ihm ein stetes Murmeln und Rollen unheimlich in die bange Stille tönte.

    Dass wir mit dem Leichtsinn unsrer dreizehn Jahre uns unter diesen Umständen auf den See hinaus begaben, war sehr thöricht; vernünftig wäre es gewesen, am Lande das Wetter abzuwarten, doch als uns diese Erkenntnis kam, war es schon zu spät, denn mit einem Male entstand ein gewaltiges Rauschen und Sausen in den Wipfeln des schon ziemlich fernen Buchenwaldes, von dem Rande des düsteren Wolkengebirges löste sich ein weisslicher Dunst, der mit rasender Schnelligkeit den Himmel überzog, und dann, wie mit tausend kleinen Füssen das Wasser kräuselnd, sauste die Gewitterböe heran und stürzte sich schwer in das Segel, so dass die alte Jolle auf der Seite lag und einiges Wasser übernahm. Aber Adolf Martens hatte gut auf das Segel gepasst, und während ich nun wie wahnsinnig das Wasser ausschöpfte, sausten wir dahin in einem Tempo, wie wir das bei dem gebrechlichen Fahrzeug noch nicht erlebt hatten, indes der Regen in Strömen auf uns niederklatschte und das gewaltige Knattern und Rollen des Donners endlos war.

    »Junge di, wie das kitscht,« sagte Adolf Martens, »solche Fahrt hat der Albatros sein Lebtag noch nicht gemacht. Wenn dies nur gut geht. Kommt nun noch 'ne tollere Böe, dann ist der Teufel los! Ich glaube, das beste ist, wir laufen beim Uhlenberg auf den Strand!«

    Als wir nun unsre Blicke auf diese Insel richteten, sahen wir durch den Regenschleier zwei Männer, die auf der Landungsbrücke standen und Zeichen machten und uns offenbar etwas zuriefen, denn sie legten von Zeit zu Zeit die Hände an den Mund. Wir verstanden aber nicht, was sie wollten. Der Sturm hatte etwas nachgelassen, da wir in den Überwind eines sehr hohen bewaldeten Uferhügels gekommen waren, und wir fingen schon an, Mut zu schöpfen, zumal das Gewitter auf der Höhe war und Blitz und Schlag sich in kurzem Zeitraume folgten; da wendete ich plötzlich meinen Blick nach der Windseite, und in demselben Augenblick rief ich auch schon: »Adolf, pass auf! die Böe, die Böe!«

    Der stattliche Hügel, der uns bis dahin einigen Schutz gewährt hatte, fiel nun ziemlich steil ab, und dadurch that sich am Ufer eine ziemlich breite Schlucht auf, die dem Winde ungehinderten Durchgang gewährte. Dergleichen Bildungen, die sich häufig finden, sind es, die das Segeln auf den meist langgestreckten, aber wenig breiten norddeutschen Seen so gefährlich machen und bei böigem Wetter die stete Aufmerksamkeit des Seglers erfordern. Ein neuer Vorstoss des Windes kam nun mit ungeschwächter Kraft durch diese Lücke dahergesaust, man sah an der kurz gekräuselten See, wie er gelaufen kam, und plötzlich war er da. Meines Freundes Segelkunst war zu Ende. Der Albatros legte sich ganz auf die Seite, nahm eine' ungeheure See über, schüttete uns ganz sacht aus und kenterte, so gründlich wie ein Boot nur kentern kann; er sah sich den Himmel mit dem Kiel an.

    Zum Glück konnten wir, wie schon gesagt, schwimmen wie die Fischottern, hatten alsbald jeder einen der treibenden Riemen erfasst und schnaubten und pusteten ziemlich in dem tosenden Wirrwarr, wo uns alle Augenblicke eine der schaumgekrönten Wellen über die Köpfe hinwegging. »Junge di, was 'n Hoppei!« sagte Adolf Martens.

    Schneller, als man es sagen kann, waren die beiden Männer auf der Landungsbrücke, Herr Wohland und sein Diener, in ein bereitliegendes Boot gesprungen und trieben es nun mit starken und kunstgerechten Ruderschlägen durch Schaum und Gischt und Wellengewoge auf uns zu. Es dauerte nicht lange, so wurden wir von kräftigen Armen in das Boot gezogen und unsre beiden Riemen, die wir natürlich nicht fahren lassen wollten, ebenfalls geborgen »Unsre Jolle und unsre Krebse!« rief Adolf, indem er dem kieloben davontreibenden Fahrzeuge nachsah. Der Diener des Herrn Wohland stiess ein kurzes, hässliches Lachen aus, und um seinen bartlosen Mund zog ein Grinsen. Er starrte mit kleinen grünlichen Augen, die tief unter gelblichen Augenbrauenwülsten hervorglimmerten, auf uns hin, spuckte mit grosser Virtuosität einen gelblich gefärbten Strahl seitwärts in den See, rollte mit der Zunge etwas Klumpiges, das er in seinen Backentaschen trug, an einen andern Ort und knurrte dann: »Dei Jöll ward woll einerwegt andrieben. Un von wegen dei Krewt, dor freut Jug man, dat Jug dei Krewt nich hebben!«

    Dies schien er für einen trefflichen Witz zu halten, denn er lachte noch einmal in seiner fatalen Weise, und ich gewann die Überzeugung, dieser von ihm angedeutete Ausgang unsers Abenteuers wäre seinem Herzen weit sympathischer gewesen.

    Dieser Mensch zog meine Augen mit dämonischer Kraft auf sich, und ich konnte nicht von ihm wegsehen, obwohl ich mich fürchtete, seinem Blick zu begegnen. Er trug weder Mütze noch Hut, und seine graugelblichen Haare standen ihm buschig um den Kopf, während ein Backen- und Kinnbart von gleicher Farbe sein erdiges Gesicht gleich einer Mähne umgab. Alles dies, die Höcker über den wulstigen Augenbrauen, der sehr vortretende untere Teil seines Gesichtes mit dem breiten, schlitzähnlichen Munde und den schmalen Lippen, die übernatürlich langen Arme, aus deren Ärmeln langfingerige, rotbraune, mit Haaren bewachsene Hände weit hervorschauten und die Ruder führten, alles dies brachte mich auf den verrückten Gedanken, Herr Wohland habe sich einen der grossen Menschenaffen gezähmt und ihm sogar mit wunderbarer Kunst das Sprechen beigebracht.

    Einstweilen hatte ich aber keine Zeit, diesen wunderlichen Betrachtungen weiter nachzuhängen, denn wir hatten das Land erreicht und stiegen aus.

    Herr Wohland, der bis jetzt noch kein Wort gesprochen hatte, sagte auch nun nichts, sondern forderte uns nur durch eine Handbewegung auf, ihm zu folgen. Ich wechselte einen Blick mit Adolf, dem ich anmerkte, dass es ihm gefiel, durch diese Wendung der Dinge in das geheimnisvolle Innere der Insel zu gelangen. Die unterdrückte Freude leuchtete ihm aus den Augen. »Fein!« sagte er nur ganz leise und nickte mir zu.

    Der Fahrweg, sichtlich seit lange nicht benutzt, war mit Gras bewachsen und stieg langsam bergan, mit seinen Windungen den tiefsten Bodenstellen zwischen zwei benachbarten Hügeln folgend. Es war dort dunkel, obwohl die Sonne schon wieder schien, denn ein unglaublich dichter Baumwuchs schloss ihn ein und wölbte sich darüber hin. Einzelne alte Eichen und riesenhafte, knorrige wilde Obstbäume bildeten den Bestand, und dazwischen waren als Unterholz Dornbüsche aufgeschossen, die ein undurchdringliches Dickicht bildeten und sich mit starken, schwarzen, gewundenen Stämmen und dunklen Kronen zu uralten Bäumen ausgewachsen hatten. Nach dieser dumpfigen Urwaldsdunkelheit war es um so wirksamer, als wir plötzlich von einem schmalen Seitenpfade aus auf eine sonnenglänzende Lichtung traten und vor uns auf der Anhöhe ein Haus mit vielen Giebeln und einem Turm erblickten, das überall mit dem mannigfachsten Rankenwerk bis zur Galerie des Turmes überwachsen war, so dass man an keiner Stelle etwas vom Mauerwerk erblicken konnte. Selbst über die steilen schwarzen Schieferdächer spannen sich hier und dort die schnurgeraden Ranken des wilden Kletterweines dahin. Doch hatten wir jetzt keine Zeit, noch weitere Beobachtungen zu machen, denn Herr Wohland ging mit uns rasch auf das Haus zu und stellte an uns das energische Verlangen, uns auszuziehen und ins Bett zu gehen. Dies war nun allerdings ungeheuer gegen unsre Ehre, denn wenn wir einmal im Sommer ins Wasser fielen oder vom Regen durchnässt waren, wie es oft geschah, so hielten wir es für die einzige männerwürdige Methode, unsre leinenen Anzüge an Sonne und Luft wieder trocknen zu lassen, während wir darin blieben. Wir schlugen vor, zur Beschleunigung dieses Trockenverfahrens draussen im Sonnenschein allerlei Dauerläufe und akrobatische Kunststücke wie Radschlagen und dergleichen zu verrichten, und beschworen, dass wir die Erspriesslichkeit dieses Verfahrens in unzähligen Fällen schon erprobt hätten, allein das half uns alles nichts. Herr Wohland lächelte zwar ein wenig, aber er führte uns in ein Zimmer, in dem ein grosses breites Bett, wahrscheinlich sein eignes, stand, blitzte uns mit seinen dunkelgrauen Augen an und sagte nur, indem er auf das Bett deutete: »Rein! Halbe Stunde drin bleiben. In fünf Minuten komm' ich wieder.« Damit ging er hinaus.

    »Was sollten wir machen? Dieser wortkarge Mann flösste uns einen mächtigen Respekt ein, und wir waren am Ende in seiner Gewalt. Auch meinte er es offenbar gut mit uns, obwohl er von unsrer Männlichkeit so harte Opfer forderte.

    Widerwillig, aber ziemlich rasch entkleideten wir uns und krochen mit Protest unter die warme Decke. Dann kam Herr Wohland wieder herein und trug eine vierkantige Flasche und zwei kleine Gläser. Er schenkte einen dunkelroten, funkelnden Wein in diese, hielt jedem von uns ein Glas hin und sagte: »Austrinken! Warm werden!«

    Diese Vorschrift, die unsrer Ehre nicht zu nahe trat und unsrer Männlichkeit schmeichelte, erfüllten wir mit Hingebung. Es war ein süsser, starker Wein, der mir, wie es schien, gleich bis in die Finger- und Fussspitzen rieselte. Die Bereitwilligkeit, mit der wir diese Medizin einnahmen, schien Herrn Wohland mit Befriedigung zu erfüllen, er nickte und ging hinaus, nicht ohne Flasche und Gläser wieder mit sich zu nehmen. Nachträglich ist es mir aufgefallen, welchen merkwürdigen Respekt uns dieser einsame Mann in so kurzer Zeit eingeflösst hatte. Denn wir wagten seiner, nach unsrer Ansicht ungerechtfertigten und ganz thörichten Anordnung nicht im geringsten zu widersprechen und lagen die ganze vorgeschriebene Zeit über unter unsrer Decke wie Gottfried Kellers gerechte Kammmacher gleich zwei Heringen unter einem Blatt Papier, während es doch unsern natürlichen Trieben entsprochen hätte, diese unnatürliche Situation durch eine solenne Balgerei zu einer Hauptfestlichkeit zu gestalten.

    Während nun also Adolf wie eine pädagogische Latte mit den Händen an seiner nicht vorhandenen Hosennaht auf dem Rücken lag, sagte er: »Hast du den Pfau gesehen, der auf dem Dache sass?«

    »Ja,« antwortete ich, »und Goldfasanen waren da auch.«

    »Hast du aber auch den Papagei gesehen?«

    »Nein,« antwortete ich, »wo?«

    »Sah grün und rot aus; sass in einer Eiche und schrie lauter als eine Krähe!«

    Von draussen kam durch das geöffnete Fenster ein rauher schriller Ton, märchenhaft und unbekannt.

    »Das war er wieder,« sagte Adolf.

    Während wir nun auf eine Wiederholung dieses Schreies horchten, schlug die tiefe Stimme des Herrn Wohland an unser Ohr, wir verstanden aber nicht, was er sagte. Von dem aber, was eine helle weibliche Stimme ihm antwortete, drangen verschiedene Bruchstücke an unser Ohr: »Herr, du meines Lebens!« verstanden wir, »... ne aber, ich sag' man ... in das kalte Wasser..., ja, was so richtige Jungs sünd, das sünd auch ümmer richtige Bambusen!« (Wir quittierten dankend für diesen Ehrentitel) ... »Un in Herrn Wohland sein eigen Bett! ... ne, aber so was, da will ich doch man gleich ... die arm'n Jungs ... Na, Essent un Trinkent hält Leib un Seel' zusammen! ... Stina! Stina!« – dann wurde es still, aber andre Geräusche drangen an unser Ohr, ein mannigfaltiges Klirren und Klappern von Küchengerät und nach einer Weile ein Bullern von starkem Holzfeuer und starkes Zirpen und Prätzeln wie von Butter in einer Bratpfanne.

    »Das riecht nach Pfannkuchen!« sagte Adolf nach einer Weile.

    »Können auch Bratkartoffeln sein!« meinte ich.

    »Ich sage, Rührei mit Speck!« lautete Adolfs neueste Hypothese. »Gebratene Klösse sind auch etwas Feines!« rief ich, der, als der einfacher Gewöhnte von uns beiden, keine zu hohen Vorstellungen von den uns erwartenden Genüssen aufkommen lassen wollte.

    Doch hatten wir keine Gelegenheit, uns in noch weiteren Hypothesen zu ergehen, denn Herr Wohland kam wieder herein, mit einem Arm voll von Kleidungsstücken, die er bei dem Bette niederlegte, mit der Aufforderung, uns derer zu bedienen, so gut es ginge. Dann entfernte er sich wieder. Unser Glück war, dass Herr Wohland schlank war und nur von Mittelgrösse, während wir für unser Alter ziemlich lang aufgeschossen waren, sonst hätten wir in seinen alten Kleidern, in denen wir mit vielem Lachen heimisch zu werden versuchten, wohl eine sehr komische Rolle gespielt. Sie waren uns zwar reichlich geräumig, aber mit aufgekrempten Ärmeln und Hosenbeinen machte es sich, und wir sahen darin noch immer weniger lächerlich aus als ein Gigerl von heutzutage. Die hingestellten Schuhe passten uns, da wir beide auf ziemlich grossem Fusse lebten, wie angegossen.

    Als Herr Wohland uns wieder abholte, trug er einen grossen Korb mit vier Fächern in der Hand, der mit allerlei Sämereien und anderm Vogelfutter gefüllt war. Wir gingen auf den grossen Rasenplatz vor dem Hause, der, rings von Wald begrenzt, sich den Hügel hinab senkte und hier und dort mit mächtigen Steinblöcken bedeckt war. Um diese herum waren, gleichsam als hätte die Natur sie aus sich selbst hervorgebracht, Gebüsche und Blumengruppen angelegt. Nirgendwo, auch am Hause nicht, war etwas von künstlichen Steigen zu bemerken, nur einige schmale, nach Bedarf getretene Fusswege durchwanderten scheinbar launisch diese grüne Senkung. In der Mitte stand eine prachtvolle ausländische Tanne, wie ich jetzt weiss, eine Nordmannia. Herr Wohland ging bis an diesen Baum und läutete an einer Glocke, die dort auf einem Gestell angebracht war. Kaum waren die Töne verhallt, so kam eine Anzahl von Rosellapapageien mit reissendem Fluge über die Wipfel geschossen und fiel auf der schönen Tanne ein, wo sie seitwärts auf den Zweigen gingen und verlangend nach dem Korbe hinsahen. Und nun tönten die schrillen Schreie von allen Seiten. Rosenfarbige Kakadus und weisse mit gelben Hauben hoben sich schimmernd vom dunkeln Geäst ab, schwangen sich flügelblitzend durch die Luft oder rüttelten unentschlossen über dem verlockenden Korbe; Fasanen, die in allen Farben leuchteten, schwebten mit nachwogendem Schweif herab und liefen verlangend auf dem Boden hin und her, und die schöne Nordmannia füllte sich mit allerlei glänzendem Papageienvolk in Grün, Rot und Gelb und allen den strahlenden Farben, mit denen der Schöpfer sie geziert hat, Vögel, die sich schreiend jagten, bissen und miteinander kämpften, während die schwächeren und weniger mutigen zuweilen auffliegend und wieder zurückkehrend auf den Zweigen des Kranzes der entfernten Bäume verlangend aber furchtsam verharrten. Als nun dieser Trubel, dieses Kämpfen, dieses Geschrei und dieser Farbenwirrwarr am grössten war, kam mit reissendem Fluge ein rotschwänziger Graupapagei geflogen und setzte sich ohne weiteres auf den Rand des Korbes, wo er sich sofort über die leckeren Sachen hermachte. Auf dieses Signal begaben sich eine grüne Amazone, ein blauer Arara und ein rosenfarbiger Inka-Kakadu ebenfalls an diesen Ort, wodurch ein erbärmliches Geschrei und ein grosser Kampf unter den vier Vögeln entstand, bis endlich Herr Wohland mit weiten Würfen das Futter ausstreute nach allen Richtungen hin, wodurch auch die schüchternen unter den Tieren auf ihre Rechnung kamen. Nur der Graupapagei, offenbar der dreisteste und zahmste von allen, blieb auf dem Korbe sitzen und suchte sich das Beste aus. Grossen Hunger schien er aber nicht zu haben, denn bald fing er an, das noch im Korbe vorhandene Futter mit seitlichen Schnabelhieben zu zerstreuen und hinauszuschleudern, wobei er ungeheuer eifrig war und fortwährend schwatzte: »Lora! Lora! Bist du verrückt? Schläg' haben? Lora, du, du!«

    Als nun Herr Wohland ihm mit einem Stäbchen drohte, das er in der Hand trug, duckte er sich, sah ganz ungemein scheinheilig aus und sagte: »Lora, artig sein, ganz artig sein! Lora Zucker haben. Zucker, Zucker! Lora Zucker haben, Zucker, Zucker!«

    Dabei blieb er nun mehrere Minuten und ward nicht müde, halb schmeichlerisch und halb mit dem Grundton der tiefsten Überzeugung zu verkünden, dass Lora durchaus und unter allen Umständen Zucker haben müsse.

    Herr Wohland liess sich erweichen und langte ihm ein Stückchen aus der Tasche, worauf der Vogel auf die Schulter seines Herrn flog und dort an dessen Kopf geschmiegt mit der Miene eines Weisen, der es seiner nicht unwert hält, auch den Genüssen des Gaumens zugänglich zu sein, den Zucker mit der einen Klaue zierlich zum Schnabel führte. In den Pausen sagte er wieder: »Zucker, Zucker!« und zwar in einem Tone schmunzelnder Genusssucht und Besitzesfreude und dann sehr sanft: »Guter Papa, guter Papa!«

    Wie wir dieses Schauspiel mit den Augen verschlangen, und wie wir allen diesen Ereignissen, die unsre märchenhaftesten Erwartungen noch übertrafen, mit Spannung folgten, kann man sich vorstellen. Adolf konnte sich nicht enthalten, mich zum Zeichen seiner Wonne mit den spitzen Knöcheln in die Rippen zu stossen, was mich, der ungeheuer kitzlig war, zu einem mächtigen Seitensprunge veranlasste, so dass die Vögel erschrocken aufflatterten und selbst Lora zusammenfuhr und im schönsten Sächsisch ausrief: »Eihercheeses!«

    Darüber überfiel uns die ungeheure Lachlust der Jugend, und da Lora immer in den hellsten Tönen mitlachte, so konnten wir uns kaum wieder beruhigen, so dass sich zuletzt sogar der ernste Mund des Herrn Wohland zu einem Lächeln verzog. Sodann gingen wir mit ihm in das grösste Zimmer des Hauses, wo wir einen gedeckten Tisch vorfanden, an dem Platz zu nehmen unser Gastfreund uns mit einer Handbewegung aufforderte. Er selbst ging wieder hinaus. Der Tisch war mit allerlei kalten Sachen besetzt. Mit besonderem Wohlwollen fassten wir eine Schüssel mit saurem Aal ins Auge und mit Interesse eine geöffnete Büchse mit Ölsardinen, die wir nicht kannten, ebenso wie manches, was sonst noch auf dem Tische stand. Dass dort auch eine Karaffe mit rotem und eine mit weissem Wein vorhanden war und vor jedem Platze zwei Gläser standen, erfüllte uns mit männlichem Stolz. Wir wussten nun nicht recht, ob wir mit dem Essen beginnen oder auf Herrn Wohlands Rückkehr warten sollten. Es war allerdings nur für zwei Personen gedeckt. Da öffnete sich plötzlich die Thür, und herein trat ein sauberes junges Dienstmädchen, offenbar das, das vorhin mit Stina angerufen wurde. Sie trug auf einem japanischen Brette eine Schüssel mit gebratenen Hähnchen nebst dem nötigen Zubehör, setzte alles vor uns hin und empfahl sich dann mit einem zierlichen Knicks.

    »Gebratene Kücken. Fein!« sagte Adolf im Tone unbedingter Anerkennung!

    Da wir nun hier so gut behandelt wurden, so überkam mich die Neigung, mich höflich und galant zu benehmen, was mir sonst ein Greuel war: »Darf ich Ihnen Rot oder Weiss geben?« sagte ich, indem ich die Hand nach den Karaffen ausstreckte.

    »Wenn ich um Rot bitten dürfte!« antwortete Adolf in dem zimperlichen Tone seiner Tante Malchen Säuberlich, indem er dazu mit dem Munde altjüngferlich prünte.

    Ich schenkte ihm ein und sagte: »Nun musst du auch immer nachher so, wie Tante Malchen es macht, weggucken, wenn ich wieder einschenke, und dich erst erschrecken und die Hand vorhalten, wenn das Glas voll ist.«

    Adolf lachte kurz und warf dann einen fast bedauernden Blick auf die vor uns aufgebauten Schätze. »Ich möchte nur,« sagte er dann fast trübselig, »Mamselling hätte uns heute morgen nicht so grosse Butterbrote geschmiert.«

    Dann machten wir uns trotzdem mit ungeschwächten Kräften über die Kücken und das Kirschenkompott her. Als wir nun alles bewältigt hatten und eben wieder den sauren Aal mit Blicken liebevoller Teilnahme ins Auge fassten, öffnete sich die Thür zum zweiten Male, und der Mond ging auf, oder war es gar die Sonne? Denn diesmal war es nicht Stina, die eintrat, sondern Mamsell Kallmorgen, eine ältliche ungemein runde Dame, die aussah, als hätte Wilhelm Busch sie ganz und gar mit dem Zirkel konstruiert. Ein so rundes, glänzendes Gesicht gab es sonst nur noch beim Vollmond, und von Wohlwollen strahlte es wie die Sonne. Alles war rund an dieser alten Mamsell, die kleinen Äuglein, die winzige Nase zwischen zwei rosigen Plusterbacken und die drei Unterkinne, die den Übergang zum Körper vermittelten, und dieser selbst, der sich aus lauter Kugeln zusammensetzte. Nur der Mund machte eine Ausnahme, er war ein wenig in die Breite gezogen, was natürlich zu dem wohlwollenden Ausdruck dieses Antlitzes beitrug, denn Leute mit einem kleinen runden Munde sind selten oder nie gutmütig. Aus den Kugelpuffen ihrer Ärmel kamen schneeweisse stattliche Arme hervor mit ausgepolsterten Händen, an denen Finger sassen wie fünf rosige Knackwürste. An den Knöcheln waren sie mit Grübchen geziert. Auf diesen Händen trug sie eine Schüssel mit zusammengerollten Eierkuchen, die mit Fruchtgelee gefüllt waren. Diese setzte sie vor uns hin und sagte: »So, Jungs, nu esst man düchtig, das is das beste Mittel, dass euch das kalte Wasser nichts schad't. Ihr müsst 'ne ornliche Wärmnis in die Maag kriegen. Wo ich früher mal eins in Konditschon war, bei Herrn Barner in Plüschow an den Koblankschen See, da hatten wir auch so 'n Jung, war schon konfermiert, aber was nutzt Gotts Wort bei so 'n Slacks, wenn er seine dummen Streich' machen will? Das war ja nu in die Weihnachtsferien, un da läuft er ja nu Schlittschuh auf den Koblankschen See, un das Eis is 'n Fuss dick. Was hilft das aber bei so 'n Jung? Da is doch einerwo mal so ne'Stell', wo ne Waak gewesen is, wo sich die wilden Enten das Wässer offen gehalten haben, oder wo 'ne warme Quell' anne Grund is, mal eben so bischen eine Nacht übergefroren, un natürlich da muss er ja hin, anners is er nich glücklich. Je natürlich, un denn bricht er ein in das eiskalte Wasser bis über den Kopf – ich muss mir schon gräsen, wenn ich da bloss an denk'. Je, er hat sich ja nu allein wieder 'rausgeampelt un is nach Haus gelaufen den weiten Weg, un war dreizehn Grad kalt. Un war natürlich ganz verklamt, un als sie ihn seine Büxen ausgezogen hatten, da konnten die allein stehen, so steif waren sie. Un stachen ihm ins Bett und gaben ihm heissen Thee. Aber, was die Hauptsach' war, wir hatten Entenbraten an den Tag, un da hat er in 's Bett 'ne ganze Ent' aufgegessen mit alle Apfels un Flaumen, die da in waren, un da 'ne Buddel Rotspohn szu. Da kriegt er natürlich 'ne schöne Wärmnis in sein Maag, un hat ihm nachher gar nichts geschadt ... Na, nu scheniert euch man nich, un wenn ihr mit die Plinsen fertig seid, denn könnt ihr ja noch 'n bischen bei den sauren Aal gehn un bei das andre.

    »Un ihr erlaubt woll, dass ich hier 'n bischen bei euch sitzen geh', von das alte Stehent krieg' ich inne Küch' schon genug. Je, un was ich sagen wollt', du büst doch woll den Herrn Pastohr sein Reinhard, das seh' ich an die Ähnlichkeit, denn dein lieb Mudding kenn' ich sehr gut. Eine ganze süsse Frau. Sie war ümmer so sanft un so solide, un so furchbar gemütvoll. Szü, un dann musst du so 'n dumm Zeug machen un in den alten wackligen Kahn fahren un noch szu bei 's Gewitter.

    Was habt ihr überhaupt auf 's Wasser verloren? An eure Stell' würd' ich mir freuen, dass ich's nich nötig hätt', da'rauf szu gehn. Ich bün man einmal in mei'n Laben auf 's Wasser gefahren, das war, als ich hier her kam, vor fünf Jahr'. Halb dot hab' ich mir geängst allein schon bei das Ein- un Aussteigent, wenn es denn so wiwagt. Erst wollt' ich nich 'rein in die Boot, un nachher wollt' ich nich wieder 'raus. Driebenkiel, was Herrn Wohland sein Knecht oder meinswegens sein Bedienter is, hat mir mit Gewalt 'rausgewucht't, un da wär' ich zuletzt beinah doch noch in'n See gefallen, wenn Driebenkiel nich so furchtbar staark wär'. Igittegittegitt, ich gräs' mir ümmer noch, wenn ich da bloss an denk', denn wenn ich erst ins Wasser lieg' – wer soll mir da woll wieder 'rauskriegen?«

    Wir hielten dies für eine wohlberechtigte Frage, was wir durch Kopfnicken andeuteten, und da wir unterdes die Eierkuchen bewältigt hatten, »gingen wir noch 'n bischen bei den sauren Aal un bei das andre«. Dies sah Mamsell Kallmorgen mit Wohlwollen, nickte beifällig und liess das Bächlein ihrer Rede weiter rauschen:

    »Einsam is es hier ja man, szu un szu einsam, kein Mensch, mit den 'n Wort snacken kann. Gar un gar szu gärn in all die Zeit hätt' ich ja mein' Swester besucht, die an den Holländer in Bibow verheurat't is, dass ich mir mal wieder mit ihr aussnacken könnt', aber denn käm' ümmer wieder die Angst vor das Wasser, un dass ich dann wieder in den Kahn muss. Ich kann hier ja gar nich klagen, un der Salehr is ja so hoch, so viel kriegt' ich auf keine andre Stell', wenn ich mir man bloss an dem Einsamen gewöhnen könn't! Wenn nich alle Jahr' Herrn Wohland sein' Tochter mit ihr klein süsse Lana auf vier Wochen hier her kam', dann hielt' ich's jawoll auch gar nich aus. Glaubt ihr woll, dass Herr Wohland mal'n Wort mit mir spricht? Ne, fällt ihm gar nich ein. Bloss mal, wenn's gar nich anders geht, so ruff, buff un mit Handweisen. Das muss er sich woll so auf seine einsame Insel angewöhnt haben. Aber mit seine Papageien, da kann er ümmerszu snacken. Was hat er denn nu bloss an das unvernünftige Viehzeug? Un kosten ein gräsiges Geld. Vor den einen hat er sechsundreissig Daler gegeben in Hamburg, bloss weil da man einen von da war un weil noch niemals ein solchen nach Hamburg gekommen war. Na, un Driebenkiel, wenn ich mit den mal anfang' un 'n bischen mit ihm snacken will, denn grient er ümmer so veniensch, un ich trau' ihn auch nich, er snüffelt, überall snüffelt er rum, wo ihn gar nichs verloren hat. Mir wundert man bloss, dass unsen grossen Kettenhund Wasser ihm so gern leiden mag. Un denn Stina! Stina is 'ne unbedarfte Dirn, was soll ich mit die gross snacken? Un Respekt muss auch sein, un in acht nehmen muss 'n sich ja auch, sonst spielen einen sonne Dirns gleich auffe Nas'. Je, un da könnt ihr euch woll denken, wo ich mir freu', dass ich mir mal mit so nette un artige Jungs bischen unterhalten kann.«

    Man musste sagen, genügsam war die alte Dame, denn bis jetzt hatte keiner von uns den Mund anders aufgethan, als zum Essen. Aber auch hierzu erlahmten allmählich unsre Kräfte, und wir liessen ermattet die Waffen sinken. Mamsell Kallmorgen wollte uns eben mit Beredsamkeit zu neuen Thaten anfeuern, da horchte sie plötzlich auf ein Geräusch, das draussen vernehmlich ward.

    »Ne aber!« rief sie, »kaum, dass man den Rücken wend't! Da jachtert Driebenkiel all wieder mit Stina 'rum. So'n alten Kerl, un noch ümmer hinter die Dirns her un süht doch aus wie so 'n richtigen Affe. Un schämt sich gar nich mal, so 'n Kerl. Un Stina, anstatts dass sie ihm einen ans Maul giebt, wie sich das hört, die macht das jawoll noch Spass. Ja, mit die Dirns heutszutage – un mit die Mannsleut' erst recht! Na ich sag' man!«

    Und damit dampfte sie unter dem Hochdruck sittlicher Entrüstung zur Thür hinaus.

    Wir standen nun auf, und da wir nichts Besseres zu thun hatten, so sahen wir uns im Zimmer um. Wir schienen uns in Herrn Wohlands Studierstube zu befinden, die zugleich eine Art von Museum darstellte. An den Wänden standen viele Glasschränke, die zum Teil Bücher enthielten, meist Reisebeschreibungen und naturwissenschaftliche Werke, zum grössten Teil aber waren sie mit Naturalien und Seltsamkeiten angefüllt, alles weitläufig und mit Platzverschwendung aufgestellt, so dass man jegliches Ding von aussen sehen konnte. Wir konnten solche ungeahnten Schätze nicht ohne Staunen und einige stille Besitzesgier betrachten. Da waren ganze Schränke angefüllt mit den herrlichsten und wunderbarsten Muscheln an Formen und Farben, die wir nie für möglich gehalten hätten. Sie schimmerten in Porzellan- und Perlmutterglanz und leuchteten mit den Farben der Morgenröte und sanftem Purpurbraun. Stattliche Erzstufen flimmerten mit metallischem Glanz, und von den unzähligen Flächen und Kanten der verschiedenfarbigen Krystalldrusen strahlte wechselndes Licht. Dann wieder war da ein Schrank mit Vogeleiern und einer mit Schmetterlingen. Davon glaubten wir etwas zu verstehen, denn Adolf hatte eine ganz stattliche Eiersammlung und ich zwei Kasten mit selbstgefangenen Schmetterlingen; allein von den Eiern konnte mein Freund kein einziges benennen, und ich starrte fast geblendet auf die glänzende Pracht dieser geflügelten Luftjuwelen. Dergleichen flog nicht in Steinhusen und Umgegend, und mein grösster Stolz, die beiden Schillerfalter, die ich im Warnitzer Holz gefangen hatte, verblassten vor diesem schimmernden Glanz zu nichts. Insonderheit waren da Schmetterlinge, die hatten eine unscheinbare Zeichnung auf dem Flügel, die von oben einfach schwarz erschien. Sah man diese Zeichnung aber in schrägem Lichte und wechselte den Ort, so strahlte sie bald in feurigem Rot, dann in leuchtendem Grün, durchdringendem Blau und sonnigem Goldgelb, wie es kein Diamant vermag. Das erschien mir wie ein Wunder ohnegleichen. Die Seltsamkeiten in andern Schränken, Arbeiten aus Porzellan, Glas, Elfenbein, Bernstein, Malachit, Onyx und wer weiss was für Stoffen, zogen uns weniger an, doch schenkten wir den bunten und wunderlichen ausgestopften Vögeln, die auf den Schränken standen, einige Blicke. Von Bildern enthielt der grosse Raum nur zwei Ölgemälde. Das eine stellte ein Barkschiff unter vollen Segeln dar, die Anna Sophie aus Rostock, das andre zeigte eine sanftblickende Frau, an die sich ein schönes zwölfjähriges Mädchen schmiegte. Wir waren so betäubt und berauscht von der Fülle der Schätze, die dieses Zimmer darbot, dass wir, von wechselnden Eindrücken fast ermüdet, an die Fenster traten, wo in einem stattlichen Erker, der durch den Unterbau des Turmes gebildet wurde, der Schreibtisch des Herrn Wohland stand. Die Fenster reichten fast bis auf den Boden, und man sah von hier auf den abfallenden Rasenplatz und den Waldgürtel, der ihn umgab. Wir bemerkten, was uns vorher entgangen war: dass überall Durchhaue im Walde, von hohen Wipfeln überwölbt, sternförmig von diesem Punkte ausliefen, so dass man an den verschiedensten Stellen einen Ausblick auf den See hatte, auch auf die Bucht, in der wir vorhin dem Krebsfang obgelegen hatten. In einem dieser Ausschnitte sahen wir gerade einen Fischerkahn vorüberziehen, der langsam wieder hinter dem Baumwerk verschwand. Über den Wipfeln sah man in weiter Ferne den blau dämmernden Höhenzug, auf dem die Kirche von Borna, das Wahrzeichen der Gegend, sich deutlich abhob. Neben der Schreibmappe des Herrn Wohland stand ein Doppelfernrohr, mit dem wohl der alte Einsiedler die Welt aus seinem Schlupfwinkel zu betrachten pflegte.

    In diesem Augenblicke öffnete sich die Thür, und Stina trat herein, wie es uns schien mit einem etwas roten Kopfe. Sie sagte: »Das Zeug von die jungen Herrn wär' nu trocken, un wenn die jungen Herrn sich nu anziehen wollten, in die Schlafstube wär' allens prat. Un Driebenkiel hätt' auch das Boot von die jungen Herrn wieder flott gemacht un sollt Ihnen nu in unser Boot nach Haus fahren, denn mit die jungen Herrn ihr eigen Boot da ginge das nicht, das hätte eine Leck.«

    Damit öffnete sie eine andre Thür, die, wie wir jetzt sahen, in das Schlafzimmer führte, das uns vorhin zum Aufenthalt gedient hatte. Wir zogen uns um und wurden dann von Herrn Wohland abgeholt, der, wortkarg wie immer, nur mit einer Handbewegung uns aufforderte, ihm zu folgen. Wir verliessen das Haus diesmal durch einen andern Eingang als vorhin und kamen auf einen Hof, der die Küchen- und Wirtschaftsgebäude von dem eigentlichen Hause trennte. Hier wurden wir begrüsst durch das wütende Gebell eines ungeheuern, wild und blutgierig aussehenden Hundes, der, vor seiner Hütte angekettet, unter schrecklichem Gerassel wie ein wahnsinniger Teufel hin und her tanzte und sich das Ansehen gab, er würde uns alle beide, jeglichen auf einen Happs, aufessen, könnte er nur von der ekligen Kette loskommen. Da war es nun merkwürdig, zu sehen, wie, als Driebenkiel mit einer Futterschüssel aus der Küche trat und auf den Hund zuging, sich dessen wütige Wildheit sofort in Sanftmut verwandelte, wie er jenem die mächtigen Pranken auf die Schultern legte und ihm mit seinem grossen blutroten Zungenlappen das Gesicht zu lecken versuchte. Driebenkiel aber drückte den Hund nieder zu seiner Schüssel, und dieser begann zu fressen, nicht ohne uns zuvor von der Seite ein böses, misstrauisches Knurren zuzusenden. In der Küchenthür, sie ganz ausfüllend, so dass nur Stinas hübsches Köpfchen über die eine Schulter hinweg sichtbar wurde, stand in der ganzen überwältigenden Pracht ihrer rundlichen Leibesfülle Mamsell Kallmorgen. Sie nickte uns zu und winkte mit ihrer fetten Hand und rief: »Na, adjö Jungs un kommt gut nach Haus! Un du, Reinhard, grüss auch dein süss' Mudding von mich. Un auf das alte Wasser, da geht mich man nich wieder 'rauf. Da hat Moses keine Balken unter gemacht. Un wär' doch schad um solche nette, artige Jungs, wenn die versaufen thäten! Adjö auch, adjö!«

    Wir gingen dann mit Herrn Wohland zum See hinunter, und Driebenkiel folgte uns. Dort fanden wir einen Kahn bereit, an den unsre Jolle angehängt war. Das Leck war mit Lappen verstopft, und wir sahen mit Befriedigung, dass auch unser schwimmender Behälter mit Krebsen noch vorhanden war.

    Herr Wohland reichte uns die Hand, und wir stiegen ein. Driebenkiel griff zu den Riemen, stiess ab und trieb den Kahn mit langsamen, kräftigen Ruderschlägen in den See.

    Als wir an dem letzten Vorsprung des Uhlenberges vorüber waren, wälzte Driebenkiel das Klumpige, das die eine seiner Backentaschen stets zu beherbergen schien, auf die andre Seite, schoss seitwärts mit bemerkenswerter Kunstfertigkeit einen langen gelben Strahl in den See und knurrte dann zwischen den schmalen Lippen seines breiten Mundes heraus: »Versupen harrt ji möst!«

    Dann betrachtete er uns eine Weile mit der feindseligen Miene eines Menschen, den man um seine besten Hoffnungen betrogen hat, und wiederholte seine Meinung:

    »Versupen!«

    Wir wussten nicht recht, was wir auf diese von recht mangelhaftem Wohlwollen gegen uns erfüllte Ansicht erwidern sollten, und schwiegen deshalb. Er aber fuhr fort:

    »In so 'n kaputte Nätschell, in so 'n Seelenverköper bi't Gewitter ruttausegeln, dat is jo utverschamt. Dei oll Jöll is jo krank dörch un dörch, dat is jo 'n Kräpel, dei hett jo so vel Flickens as 'n Snurrer sin Rock, wo dei Flickens all werre flickt sünd. Wenn ji man nich so 'n Unkrut wirt, denn wirt ji ok all lang' versapen. – Wenn Herr Wohland jug nu nich seihn harr ut sie Kiekfinster, un wenn wi nich kamen wiren, wo wirt denn? Hä?«

    »Wie könt doch swemmen!« wagte Adolf zu antworten.

    »Swemmen!« sagte Driebenkiel mit einem Ausdruck unbeschreiblicher Verachtung, »bi sonne Bülgen un so wiet von Land un mit Tüg. Dor wir jug woll bald dei Pust utgahn. Und denn runne na dei Aals und na dei Krewt! As ick noch bi Sw'rin deinen dehr, dor harr sick mal eins ein versöpt und harr sick dat Tüg vull Stein stoppt, wil dat hei nich wedder hochkamen wull, un dorüm hebben sei em ok lang nich funnen. As sei em nu äwer doch finnen dehren, dor seet hei ganz vull armlange Aals.« Driebenkiel schwieg, und um seinen Mund lag ein schmunzelnder Zug, als ergötze er seine Phantasie mit der Ausmalung dieses anmutigen Bildes. Dann grinste er plötzlich ganz freundlich und fragte mit einem gewissen weichen Wohlwollen: »Na, Jungs, wo hett jug denn dei sure Aal smeckt?«

    Ich sah, dass Adolf, der, wie sich das oft gerade bei sehr gesunden und kräftigen Naturen findet, in diesem Punkte gar nichts vertragen konnte, schon anfing, höchst merkwürdige Gesichter zu schneiden, da wurden wir glücklich von der Weiterführung dieser anmutigen Unterhaltung dadurch befreit, dass wir die Robinsonsinsel passiert hatten und ich nun auf dem Stege, der von unserm Garten aus in den See lief, Menschen gewahr wurde, die scheinbar mit grosser Spannung nach uns ausblickten. Mit meinen scharfen Augen erkannte ich die Personen.

    »Adolf,« rief ich. »da auf unserm Steg, da sind deine Eltern und meine auch, und mein Onkel Philipp und deine Tante Malchen! Die werden sich doch wohl nicht geängstigt haben?!«

    »Das werden sie doch nicht!« meinte Adolf.

    »Was haben sie denn aber dort zu stehen?« fragte ich.

    Der Gedanke, dass man Sorge um uns haben könne, war uns in der erlebnisreichen Zeit, die wir hinter uns hatten, auch nicht ein einziges Mal gekommen, nun aber erfüllte uns plötzlich die Befürchtung, dass diese kleine Menschenwolke, die sich dort angesammelt hatte, ein neues Gewitter verdriesslicher Art für uns bedeuten möchte.

    »Du, meinst du, dass es was giebt?« fragte Adolf.

    Ich wusste darauf nicht zu antworten allein Driebenkiel ergriff diese Thatsache mit besonderem Vergnügen, um daran seine sehr spartanischen Ansichten über Erziehung zu knüpfen.

    »Wenn ick jug Vadder wir,« sagte er mit schmunzelndem Ingrimm, »denn gew dat nu tau un tau vel Schacht. Aewerlegt un stramm halt, un denn mit so 'n rechten swubsigeh Ruhrstock so väl hinnen up, as dor hacken willen. Un denn inspunnt un tau'n Vesperbrot nix tau äten un denn wedder Schacht!«

    Während er nun mit einer wahren Henkerphantasie solche Bilder weiter ausmalte, in denen sich diese pikante Abwechslung von »Schacht« un »nix tau äten« über mehrere Tage hin ausdehnte, waren wir schon so nahe gekommen, dass wir die Gesichter unterscheiden konnten, und da sagten uns unsre physiognomischen Kenntnisse, dass nichts Ernstliches zu befürchten sei, was unsre Herzen von schwerer Sorge entlastete.

    Wir wurden mit einer wirren Menge von Fragen überschüttet und hatten genug zu thun, um alle zu beantworten und die grossartige Fülle der überstandenen Abenteuer ins rechte Licht zu setzen. Endlich erinnerte man sich an Driebenkiel, der mit missvergnügtem Grinsen den höchst unangemessenen Empfang der beiden verlorenen Söhne beobachtet hatte, und er wurde aufgefordert, ins Haus zu kommen, um mit dem üblichen »Snapps un Bodderbrot« der Botengänger bewirtet zu werden. Ausserdem drückte ihm jeder der Väter einen Thaler in die Hand, was sein vergrätztes Gemüt mit einigem Sonnenschein verklärte. Wir erfuhren später, dass er einen Teil dieses unvermuteten Kapitalsüberflusses in unserm Dorfe angelegt habe, indem er sich vor seiner Rückkehr im Kruge eine »Pottbuddel« Aquavit zum Troste für einsame Stunden erstanden hatte. Da er als ein nachdenklicher und gewissenhafter Mann an dem Herausprobieren der geeigneten Sorte in diesem selben Wirtshause anderthalb Stunden lang fleissig und mit Sachkenntnis gearbeitet hatte, so verliess er unsern Ort, wie ich denke, in angeregterer Stimmung, als er ihn betreten hatte. Wir sahen ihn am späten Nachmittag über den spiegelblanken See nach Hause rudern und waren ein wenig verwundert über den rauhen und furchtbaren Gesang, mit dem er abfuhr, dessen Kehrreim:

    »Wat geiht denn di dat an –

    Du büst kein Arbeitsmann!«

    er mit einem Ausdruck wilder Auflehnung gegen Gesetz und Recht in die schweigende Natur hinausbrüllte. Unser Staunen erregten auch die sonderbaren Kurse, die er einschlug, um den Ort seiner Bestimmung zu erreichen, da solche uns manchmal weder zielbewusst noch zweckmässig erscheinen wollten. Nachdem er sich dann einmal im Rohr und einmal auf einer Sandbank festgefahren hatte, verschwand er endlich hinter einer Waldecke, und wir glaubten, es noch einmal ganz leise herübertönen zu hören:

    »Wat geiht denn di dat an –

    Du büst kein Arbeitsmann!«

    Wir aber waren die Helden des Tages und sonnten uns im Glanze unsrer glücklich verlaufenen Abenteuer. Als am nächsten Tage zu Herrn Martens der Besuch aus der Stadt kam, durften wir an dem Abendessen teilnehmen und mussten noch einmal von allem berichten. Als nun aber die Krebse, die zu den ganzen Erlebnissen die Veranlassung gegeben hatten, aufgetragen wurden und Onkel Scholz sich wirklich erhob, so lang er war, und mit den Worten: »Bei Krebsen ist es erlaubt, nach dem grössten zu greifen!« mit der Sicherheit eines Stossvogels unsern Freund von gestern beim Wickel hatte, da explodierte in uns eine so ungeheure Lachlust, dass wir kaum wieder zu uns kommen konnten und sicher vom Tisch geschickt worden wären, hätte nicht Onkel Scholz, der uns wegen der Krebse wohlwollte, Fürsprache eingelegt. Als dann bald darauf seine Nachbarin, Tante Malchen, zum dritten Male durch ihr gefülltes Glas aufs höchste überrascht und in Schrecken gesetzt wurde, beschränkten wir uns darauf, uns gegenseitig furchtbar in die Beine zu kneifen, um unsre gewaltig emporsteigende Lachlust im Keime zu ersticken.

    Zweites Kapitel

    Inhaltsverzeichnis

    Wer sich am meisten für unsre Erlebnisse auf der Insel Uhlenberg interessierte, war »isern Hinrich«, unser Gespiele aus dem Dorfe, der, wenn es seine Zeit zuliess, in unserm Bunde der dritte zu sein pflegte. Da er ein Sohn des Krügers Trilk war, wo Driebenkiel seine Einkäufe gemacht hatte, so waren ihm unsre Abenteuer schon bekannt, allerdings nur in jener Form, die sie in Driebenkiels von Wohlwollen nicht beeinflussten Darstellung angenommen hatten. Mit dem Massstabe von Driebenkiels Entrüstung gemessen, mussten wir ganz ungewöhnlich heldenhafte Thaten vollbracht haben, und da isern Hinrich für das Heldenhafte schwärmte und schon Wilddiebe für Heroen, Strassenräuber aber gar für Halbgötter erachtete, so brannte er darauf, Näheres zu erfahren, zumal auch auf ihn die Geheimnisse des Uhlenberges eine dämonische Anziehungskraft ausübten. Er traf uns, als wir nachdenklich unsern schwer erkrankten Albatros betrachteten, der sich über Nacht so voll Wasser gesogen hatte, dass er nur noch mit den Bordrändern aus dem See hervorschaute. Er ging feierlich auf uns zu, indem er uns nach alt geheiligtem Brauch den rechten Arm steif entgegenstreckte. Wir nahten uns ihm ebenso feierlich und versetzten ihm nacheinander mit spitzem Knöchel der verwendeten Faust einen kräftigen Schlag auf den gespannten Muskel des Oberarmes. Er stiess einen geringschätzigen Kehlton aus: »Fäuhl' ick gor nich!« sagte er dann.

    Isern Hinrich führte seinen Namen nicht umsonst, und Mucius Scaevola wäre sein verehrtes Vorbild gewesen, wenn er überhaupt jemals was von ihm gehört hätte. Heldenhafte Verachtung körperlicher Schmerzen erschien ihm als eine der erhabensten Eigenschaften des Heroen, ja er ging so weit, zu behaupten, für solche Gefühle bis zu einem gewissen Grade unempfindlich zu sein. Diese Einbildung hat, wie ich glaube, zur Stärkung seines Charakters beigetragen, sonst aber die Folge gehabt, dass er jahrelang eine Existenz ohne blaue Flecke und Schmerzen im Oberarm nicht kannte. Aber was machte das alles, wenn man sich den ehrenvollen Namen »eiserner Heinrich« damit verdiente.

    »Na, Driebenkiel hett schön upjug schimpt!« sagte er, scheinbar nicht ganz frei von Neid. »Wat hewwt ji nu man eigentlich blot makt?«

    »Ja,« antwortete Adolf, »as wi von 't Krewtgriepen na Hus wullen, dor keem 'n Weder up, un dor sünd wi kentert, un ' donn hebben Herr Wohland un Driebenkiel uns wedder rut treckt, un nahst hebben wi Herrn Wohland all sin Papegeis sehn, un dei ein kann snacken as 'n Minsch.«

    »Un labennige Pfauen un Fasans hett hei ok,« sagte ich, »un allerhand anner Vogels, dei 't gor nich gift, dei sünd äwer utstoppt.«

    »Un nahst,« fuhr Adolf fort, »hebben wi lütt braden Hahns tau äten kregen und Pannkauken mit Schalee in.«

    »Un suren Aal und lütt Fisch in Öl,« sagte ich, der historischen Genauigkeit wegen. Dass wir ins Bett gesteckt worden waren, verschwiegen wir beide als unsrer Ehre zuwider.

    »Na, un donn?« fragte isern Hinrich offenbar unbefriedigt.

    »Ja, un donn,« sagte Adolf, »donn hebben wi sin utlandschen Eier un Muschels un Stein un Smetterlings beseihn, und donn hett uns Driebenkiel wedder na Hus führt.«

    »Mihr nich?« fragte isern Hinrich sehr enttäuscht, »wat hewwt ji denn dahn, dat Driebenkiel so inne Wut up jug wir? As ick em den sösten groten Rum tau n' Schilling bröcht harr, dor wir hei all so wiet, dat hei sick verswören dehr, wenn hei jug noch eins up t' Water tau faten kriegen dauhn dehr, denn wull hei jug versöpen as junge Rotten. Un denn keem Jochen Nehls. Dei harr sik all'n poor Mal an t' Finster vörbischaben un harr sick nich 'rintrugt, wil dat hei woll wedder kein Geld nich hebben dauhn dehr un Vadder doch nich mihr för em anschrieben will. Dor kreeg Driebenkiel em tau seihn un röp em rin un würr em nu frie hollen und sär: ›Jochen Nehls is min Fründ, dat 's dei einzigste Kierl in 't ganze Dörp, dei sick den Wind hett ümme Näs' weihn laten, dei annern sünd all olle Nuschen un nich achtern Aben rutkamen.‹ Un as sei denn beir noch so 'n poor grote Rums achter harren, dor kreeg Driebenkiel dat Singent, un Jochen Nehls musst em helpen. Un gröhlten so gruglich und flögen dorbi uppern Disch und makten so 'n Spitakel, dat Vadder sei giern 'rutsett' harr, man blot hei wagt sick nich an Driebenkiel 'rau, denn dei hett 'ne furchtbare Kraasch un kann Haufisens mitte Hänn' grar bögen. Tauletzt würr Driebenkiel äwer doch na dei Klock kieken un verfihrte siek un sär, hei müss na Hus, un köff sick noch 'ne Pottbuddel vull Akkewiet un tummel denn na 'n See dal un bölkte dortau lurhals dat Leid von den Arbeitsmann, dat dat ganze Dörp rebelisch würr un alle Hunn' an tau blaffen füngen.

    »Jochen Nehls harr sick äwer tauletzt noch acht Schilling von em leihnt, un dei müss hei jo natürlich ierst versupen. Un wil hei nu werre ganz manierlich wir un jo ok Geld harr, so wull dei Oll em dei acht Schilling lang ruhig sitten laten un sär blot tau mi, dat ik em, wenn dei all wiren, keinen Snaps nich mihr gäben süll, un güng rut na'n Acker. Na, dit pass mi jo, dat ik mit Jochen Nehls allein wir, un ik kreeg em nu för, hei süll mi mal 'n beten von Herrn Wohland verteilen. Na, hei wull jo ierst nich, tauletzt äwer sär hei, wenn ik em 'n Enn' von den mojen Prim afsnieden wull, denn' min Oll in 't Schapp hebben dauhn dehr, denn künn 't woll sin, dat hei mi wat vertellen dehr. Na, dat dehr ick jo nu ok, un donn hett Jochen Nehls sin Gorn spennt, dat sär man so stah. Un dat kann 'k jug man seggen, ji hewwt up 'n Uhlenbarg gor nix seihn, dor weit ick beter mit Bescheid.« Damit streckte er uns gewohnheitsmässig seinen rechten Arm entgegen, wir gaben ihm feierlich und sachgemäss eins drauf, und er zuckte verächtlich die Achsel: »Fäuhl' ick gor nich!«

    »Wenn du dat Robinsonshus meinst, wat dor sin sall,« sagte ich, »dat hebben wi nich seihn.«

    »Robinsonshus!« wiederholte isern Hinrich mit unbeschreiblicher, fast erhabener Verachtung. »Weit 't ji denn nich, dat Herr Wohland Seeröwer wäst is? As Jochen Nehls noch Matros' wir un up dei Bianka dörch den Magelhanschen Sund na Panama seilen dehr, dor is up dat Schipp ein Matros' wäst, so 'n griesen ollen Kierl mit 'ne breire Noar äwern Dätz, as harren sei em mal eins den ganzen Kopp vonein klöwt. As sei nu in Valparaiso Haben binnen kernen un tosamen an Land gahn wiren, un dei oll Matros' dat söste Glas Krock tau Bost harr, dor is hei updäut un hett em vertellt, dat hei früher bi den groten Seeröwer Wohland, binennt ›Der Schrecken der Südsee‹, an Burd von den ›Dod un Düwel‹ wäst is. Dat Schipp is 'n Snellsegler wäst, ganz gnäterswart anmalt un mit Dod un Düwel anne Galjon un up dei swarte Flagg 'n witten Dodenkopp mit twei gekrüzte Knakens. Un kein Parduhn hett Herr Wohland nich gäben, denn blot dei Doden seggen nix na, un dei nich bi't Entern all dot makt sünd, dei hebben nahst anne Raa bammeln möst. Un dei Kaptainsköpp hett hei all afsnieden un insolten und rökern laten un hett sick dor 'ne Sammlung von anleggt. Un dat hett hei sick sett', wenn hei hunnert Kaptainsköpp tausamen hebben dauhn dehr, denn wull hei sin Geschäft upgäben un sin Geld läben. Dor is nu äwer up dat letzte Schipp, dat hei utröwert hett, 'ne wunnerschöne Gräwin wäst, dei hett hei gruglich giern lieden mücht un hett ehr nich dot maken laten un hett ehr friegen wullt. Sei äwer hett dat Seeröwergeschäft kein'n Spass makt un hett em blot nehmen wullt, wenn hei gliek mit ehr an Land treken un Gautsbesitter warden wull, so as Gräwinnen dat gewennt sünd. Dat is em jo un suer ankamen, wil dat hei ierst nägenunnägentig Kaptainsköpp tausamen harr un em blot noch einen an dat Hunnert fehlen dauhn dehr. Aewer sei hett seggt, sei wull leiwer tau Water an gähn, als noch einen Ogenblick länger as nörich up dat Schipp vull bläudige Mürers blieben, un wenn Herr Wohland ok seggt hett, sei süll sick doch man blot nich so hebben, sei is dor doch bi blähen. Ja, dor hett Herr Wohland denn dacht: ›Nägenunägentig is ok 'ne gaude Tall, un up den einen lumpigen Kopp sall mi dat ok nich ankamen, un is mit sin Schipp an Land gahn un hett sin Mannschaft af

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1