Wynne Shane Trilogie - Zwischen Freund und Feind
Von Mystery Art
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Buchvorschau
Wynne Shane Trilogie - Zwischen Freund und Feind - Mystery Art
Personenverzeichnis
Emily Silver
Wynne Shane
Auserkorene, die Welt vor der Apokalypse zu bewahren
Tecumapese
Wynne Shane in einer Legende der Shawnee
Gabriel O’Leary
Morphix/Gestaltenwandler: Jaguar, Krieger
Freund/Lehrer von Emily
Nat (Nathan)
Morphix/Gestaltenwandler: Jaguar, Krieger
Bruder von Gabriel/Gegner
Bec (Rebecca) Matthews
Morphix/Gestaltenwandler: Falke, Späher
Gegnerin
Pesh (Peshewa) Maquesara
Beste Freundin von Emily
Nana
Großmutter von Pesh
Schamanin der Shawnee
Dean und Grace Silver
Emilys Eltern
Bob Stevens
Psychologe
Freund von Dean und Grace Silver
Katrina Adams
Besitzerin eines Esoterik-Shops
Chief Warren
Kommissar, der in Peshs Mordfall ermittelt
Marie Webster
Kommilitonin von Emily
Mr. Roberts
Ehemaliger Geschichtslehrer
Liegt nach Überfall im Krankenhaus
Was zuletzt geschah
… Als ein Klatschen an ihre Ohren drang, löste Emily sich erschrocken von Gabriel. Sie visierte den Punkt in der Dunkelheit an, von dem das Geräusch gekommen war, und konnte ein Zittern nicht unterdrücken.
Gabriel schob sie hinter sich. Er drehte den Kopf leicht zu ihr, ohne den Blick von der Dunkelheit abzuwenden. „Emily, wenn ich sage lauf, dann rennst du los. Du läufst direkt zum Auto. Egal, was passiert, du bleibst nicht stehen."
„Aber..."
„Du fährst ohne Umwege zu mir. Sieh dir die Unterlagen im Arbeitszimmer an. Du wirst wissen, was du zu tun hast."
„Ich lass dich hier nicht allein."
„Emily, ich werde darüber nicht diskutieren. Du wirst genau das machen. Ich werde nachkommen, sobald ich kann. Hast du verstanden?"
Sie nickte zögernd.
„Versprich es mir."
Emily brachte die Worte nicht über ihre Lippen. Gabriel drehte sich zu ihr um und hielt sie an den Schultern fest. „Versprich es."
„Ja, ich verspreche es. Aber nur, wenn du mir versprichst, dass du nachkommen wirst." Gequält sah sie ihn an.
„Natürlich."
Direkt vor ihnen löste sich aus der Dunkelheit ein Schatten und kam langsam auf sie zu. Nat. Erleichtert atmete Emily auf. Er schien unversehrt zu sein. Als sie auf ihn zulaufen wollte, hielt Gabriel sie am Handgelenk fest.
„Gabriel, es ist alles in Ordnung."
Emily konnte Gabriels Gesicht nur schwach erkennen, aber selbst in der Dunkelheit glich sein Mund einer harten Linie. Ohne ihre Hand loszulassen, zog er sie an seine Seite. Was war denn nur in ihn gefahren?
„Ganz wie in alten Zeiten, nicht wahr, Gabriel?"
Emily war verwirrt. Woher kannten sich die beiden? Ein ungutes Gefühl überkam sie. Sie konnte nicht sagen, was es war, aber etwas an der Situation stimmte ganz und gar nicht.
Nat kam einige Meter vor ihnen zum Stehen. „Bruderherz, willst du mich denn gar nicht begrüßen?"
Emilys Kinnlade sackte nach unten. Hatte sie gerade richtig verstanden? Erstaunt blickte sie von einem zum anderen, aber auch in der Dunkelheit konnte man durchaus eine gewisse Ähnlichkeit feststellen. Warum war ihr das nicht viel früher aufgefallen?
Gabriels Miene war wie in Stein gemeißelt, und seine Stimme klang unnatürlich ruhig. „Ich wusste es."
Was hatte das zu bedeuten? Wenn Nat Gabriels Bruder war, musste er auch ein Gestaltenwandler sein. Warum hatte Bec das nicht erkannt?
„Emily." Ein Strahlen erhellte Nats Gesicht, doch die Herzlichkeit darin fehlte.
„Halte dich von ihr fern!"
Gabriels Stimme hatte einen kalten und gefährlichen Klang angenommen. Emily hatte gedacht, dass sie Gabriel schon oft wütend gesehen hatte, aber das schien nichts im Vergleich zu dem Gefühl, das er seinem Bruder entgegenschmetterte.
Nats Lippen verzogen sich zu einem Schmollen. „Gabriel, warum denn so abweisend? Sollte Emily das nicht selbst entscheiden? Schließlich hat sie sich vor kurzem noch sehr gerne von mir berühren lassen. Es gab Momente, da habe ich dich sogar verstanden, Bruderherz. Ihre Lippen schmecken geradezu außergewöhnlich. Und schließlich ist sie extra gekommen, um mich zu retten."
Emily konnte spüren, wie Gabriel sich bei diesen Worten versteifte. Er warf ihr einen ungläubigen Blick zu. „Das ist dein Exfreund? Das ist der nette Kerl, von dem du gesprochen hast?"
Emily fühlte sich zunehmend unbehaglich. „Ich wusste schließlich nicht, dass er dein Bruder ist. Woher sollte ich auch?"
„Es gibt sieben Milliarden Menschen auf dieser Welt, und du nimmst ausgerechnet ihn? Wenn wir das hier überleben, müssen wir dringend ein Gespräch über deine Definition von nett führen."
Emily runzelte die Stirn. „Warum sollten wir das nicht überleben? Er ist doch dein Bruder."
Nat kam weiter auf sie zu. Vor Bec blieb er stehen und sah Emily direkt an. „Em, du überraschst mich. Du hast es also tatsächlich geschafft. Er sah auf Bec. „Eigentlich schade, sie war eine exzellente Gefährtin. Eigensinnig und unkontrollierbar, aber doch eine treue Seele.
Emily traute ihren Ohren nicht. War sie nicht eigentlich hergekommen, um ihn zu retten?
Nat sah sie mit einem Lächeln an. „Vielleicht möchtest du ja ihren Platz einnehmen? Das wäre nur fair, nachdem ich dich gestern am Leben gelassen habe."
„Du? Du warst das?" Emily lief es eiskalt den Rücken hinunter. Ihre Finger berührten ihren Hals.
„Ich weiß, die Geschichte vom Pfleger für bedrohte Tierarten hat dir besser gefallen, aber zumindest kenne ich mich bestens mit Tieren aus. Es ist also fast das Gleiche."
Emilys Gehirn arbeitete fieberhaft.
„Hast du etwa Katrina umgebracht?"
Als Nats Lippen sich zu einem eiskalten Lächeln verzogen, hatte Emily das Gefühl, dass ihr der Boden unter den Füßen weggerissen wurde. Ihr Magen verkrampfte sich.
„Du! Du hast Bec den Auftrag gegeben, Pesh umzubringen!"
Sie musste sich eingestehen, dass sie tatsächlich der leichtgläubigste Mensch auf dieser Welt war. Wie hatte sie sich so täuschen können? Wenn sie daran dachte, dass sie beinahe miteinander …
„Warum hast du dich an mich herangemacht und mich nicht auch gleich umgebracht?"
„Wo wäre denn da der Spaß? Nats Lächeln war eisig, und er schüttelte den Kopf. „Man muss doch nicht gleich jeden umbringen, der einem im Weg steht, wenn man sein Ziel auch auf vergnüglichere Weise erreichen kann. Emily, ich garantiere dir, wir hätten zusammen viel Spaß gehabt.
Emily lief es erneut eiskalt den Rücken hinunter.
„Und dann musstest du dir dieses Amulett umlegen."
Emily dämmerte es. Deswegen hatte Nat bei ihrem letzten Treffen nicht diese faszinierende Anziehungskraft auf sie ausgeübt. Er hatte sie jedes Mal mental beeinflusst. Ihr wurde schlecht.
„Nathan, du wirst sie nicht bekommen. Wenn du dich ihr noch einen Schritt näherst, bringe ich dich um."
Nat sah Emily an. „Komm schon, Em. Was kann er dir außer dem sicheren Tod bieten? An meiner Seite könntest du leben."
Gabriel hielt unmerklich ihr Handgelenk fester, doch das brauchte Emily nicht. „Nein, danke. Ich verzichte."
Nats Augen verengten sich, und das Lächeln verschwand. Auf einmal wirkte er nicht mehr wie der nette Mann, den sie kennengelernt hatte. Tödliche Kälte ging von ihm aus.
„Bist du dir da auch sicher?"
Emily brachte nur ein Nicken zustande.
„Emilia, du enttäuschst mich. Nach fast zweihundert Jahren hast du noch immer nichts dazugelernt. Wolltest du denn nicht genau diesen Fehler kein zweites Mal begehen?"
Verständnislos sah Emily ihn an. Was wollte er damit andeuten? Tief in ihrem Inneren hörte sie plötzlich ganz leise das Rufen einer Frau.
„Emilia, geh sofort ins Haus."
Ehe sie den Gedanken greifen konnte, wurde er von Gabriels wütender Stimme vertrieben. „Es reicht. Ich gebe dir die letzte Möglichkeit zu verschwinden."
Nat wandte den Blick von Emily ab und sah Gabriel wütend an. „Du Narr! Willst du wirklich wegen ihr sterben? Sie wird dich töten, sobald sie die Gelegenheit dazu hat. Das weißt du."
Emily zuckte zusammen. Was sollte das bedeuten? Sie wusste, was Gabriel war, und sie würde ihn deswegen doch nicht töten. Sie liebte ihn, egal, wie anders er war.
„Ja, ich weiß es."
Gabriels Stimme klang ruhig, für Emilys Empfinden zu ruhig. Sie runzelte die Stirn. Was wusste er?
„Dann komm endlich zur Vernunft."
Nats Ungeduld spiegelte sich in jedem Wort wider, und Emily wurde unsicher. Was war, wenn Gabriel es sich anders überlegte? Sie kannten sich gerade mal vier Wochen, und Nat war sein Bruder – war Blut bekanntlich nicht dicker als Wasser? War die Verbundenheit zu seinem Bruder nicht wesentlich größer als die zu ihr? Sie schalt sich selbst für diesen dummen Gedanken. Er würde sie nie verletzen.
„Gabriel?"
Gabriels Blick war unergründlich. Für einen Augenblick meinte Emily, Bedauern darin zu sehen. „Schade. Ich denke, aus unserem gemeinsamen Urlaub wird doch nichts."
Emilys Augen weiteten sich. Instinktiv wollte sie einen Schritt zurückweichen, doch Gabriel hielt sie immer noch fest. Er zog sie an sich. Emily versteifte sich und versuchte, sich dagegen zu wehren, doch er zog sie unerbittlich näher, bis ihre Körper sich fast berührten. Sie spürte seine Lippen an ihrer Schläfe.
„Du weißt, was du tun sollst."
Gabriels Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, doch sie hatte jedes einzelne Wort verstanden. Emily verspürte Erleichterung – sie hatte sich nicht in ihm getäuscht. Aber eine Flucht? Das war Wahnsinn. Sie wusste nicht, wie Nat reagieren würde, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass er entspannt dabei zusah.
Sie betrachtete Gabriels gebeugte Haltung. Er war verletzt, einen Kampf würde er nicht überstehen. Ihm musste das ebenfalls bewusst sein. Emily spürte, wie eine einzelne Träne ihre Wange hinablief, die ihr Gabriel sanft wegstrich. Als er mit seinen Lippen ein lautloses „Jetzt" formte, konnte sie den Blick nicht von ihm abwenden. Erst nach einem kurzen Zögern erwachte sie aus ihrer Starre. Sie riss sich los und rannte, so schnell sie konnte, Richtung Auto. Hinter sich konnte sie einen wütenden Aufschrei, gefolgt von einem animalischen Fauchen hören, doch sie blieb nicht stehen und drehte sich nicht um.
Die Geräusche gingen in ein Brüllen über, welches nichts Menschliches mehr an sich hatte. Emily hatte erwartet, dass die Geräusche mit jedem Schritt, den sie zurücklegte, leiser würden, doch die Lautstärke nahm zu. Es waren die Geräusche eines Kampfes, der auf Leben und Tod ausgetragen wurde. Sie hatte gerade das Auto erreicht, als ein letzter markerschütternder Schrei die Nacht durchdrang.
Die plötzlich eingekehrte Stille war unnatürlich und beängstigend. Emily öffnete das Auto und sprang hinein. Ohne zu zögern, startete sie den Wagen und trat das Gaspedal durch.
Es war ihr egal, ob Marie auf ihr Auto wartete. Sie hatte Gabriel versprochen, direkt zu ihm zu fahren, und er hatte ihr versprochen, sobald wie möglich zu folgen. In Gedanken hörte Emily noch einmal den markerschütternden Schrei. Sie ignorierte die aufsteigende Angst und fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit weiter.
* * *
Ohne zu zögern, betrat Emily Gabriels Haus. Im Gang ließ sie sich an der Wand hinabgleiten und legte den Kopf auf ihre Knie. Sie fühlte sich leer und allein.
Wieder hörte sie in ihrem Inneren diesen grauenhaften Schrei, und ihr lief es eiskalt den Rücken hinunter. Sie schloss die Augen. Aber Gabriel hatte doch versprochen, nachzukommen.
Er hatte es versprochen!
Die Tränen, die sie bis dahin zurückgehalten hatte, liefen ihr nun still die Wangen hinunter.
Prolog
„Eines Tages wird die Erde weinen, sie wird um ihr Leben flehen, sie wird Tränen von Blut weinen. Ihr werdet die Wahl haben, ihr zu helfen oder sie sterben zu lassen, und wenn sie stirbt, sterbt ihr auch."
(Weisheit eines alten Lakota-Indianers)
Kapitel 1
Samstag, 08.12.2012
„Es tut mir leid. Es tut mir so unendlich leid."
Emily wusste nicht, ob sie die Worte dachte oder ob sie diese laut sagte. Immer nur diese Worte – immer und immer wieder. Zeit war relativ geworden. Sie befand sich nach wie vor auf demselben Fleck in Gabriels Hausflur, auf dem sie sich den Abend zuvor niedergelassen hatte. Ihre Augen brannten von den Tränen, die irgendwann versiegt waren.
Die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster fielen, kündeten zwar das Ende der Nacht an, konnten die Dunkelheit in ihrem Inneren jedoch nicht vertreiben. Bis zuletzt hatte sie gehofft, dass Gabriel noch kommen würde. Doch mit Anbruch des neuen Tages war die Hoffnung wie eine Seifenblase zerplatzt. Wie viel Trauer konnte ein Mensch eigentlich ertragen, und ab welchem Zeitpunkt starb er selbst mit?
Warum hatte sie gestern das Telefon nicht klingeln lassen? Es hätte nie zu diesem Ende kommen müssen. Es war allein ihre Schuld. In Gedanken sah sie zwei dunkle Augen, die Ruhe, Kraft und Erfahrung ausstrahlten.
„Sieh dir die Unterlagen im Arbeitszimmer an. Du wirst wissen, was du zu tun hast"
Langsam streckte sie die Beine durch und stand auf. Jeder Muskel in ihrem Körper schmerzte. Sie wusste nicht, ob es von der unbequemen Haltung oder von ihrem gestrigen Kampf mit Bec kam, aber es machte keinen Unterschied.
Fast schon mechanisch ging sie ins Arbeitszimmer und steuerte auf den Schreibtisch zu, auf dem einige Blätter lagen. Sie nahm das Blatt, das obenauf lag, zur Hand und besah die Notiz darauf.
UA1177 / 10:00 / Sonntag, 09.12.2012
Abholung der Tickets Samstag 15:00 Uhr
Darunter hatte Gabriel den Namen und die Adresse eines Reisebüros notiert.
Unschlüssig betrachtete Emily die restlichen Blätter, die auf dem Schreibtisch lagen, und nahm sie ebenfalls an sich. Ohne ihrer Umgebung einen weiteren Blick zu schenken, verließ sie das Haus.
Ein kalter Wind schlug ihr entgegen, und sie schloss den Reißverschluss ihrer Jacke. Es war Samstag. Sie hatte noch genau zwei Wochen, um das Ende der Welt aufzuhalten, und keine Ahnung, wie sie es ohne Gabriel bewerkstelligen sollte.
Nachdem sie Maries Auto am Straßenrand geparkt hatte, stieg sie mit zitternden Beinen aus. Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihrer Magengegend bemerkbar, doch sie musste sich Gewissheit verschaffen. Bei Tageslicht sah das Fabrikgelände noch erbärmlicher aus. Unsicher machte sie einige Schritte auf das Gelände zu.
Eigentlich hatte sie erwartet, dass das Areal verlassen war, doch je näher sie kam, desto mehr Fahrzeuge konnte sie ausmachen. Sie entdeckte die dazugehörigen Personen im selben Moment, als auch sie gesehen wurde. Ihr Gehirn benötigte einen Moment, um die Informationen zu verarbeiten. Polizei. Emilys erster Impuls war, sich umzudrehen und wegzulaufen, doch eine Person löste sich bereits aus der Menge und kam auf sie zu.
„Miss Silver?"
Chief Warren von der Mordkommission hatte seinen grauen Trenchcoat an und sah aus wie an dem Tag, als sie ihm zum ersten Mal begegnet war. Seine grauen Augen betrachteten sie argwöhnisch, was sie zunehmend nervös machte.
„Hallo, Chief."
Der Polizist blieb direkt vor ihr stehen. „Miss Silver, es überrascht mich, Sie hier anzutreffen. Darf ich fragen, was Sie hier machen?"
Ob er ein Nein als Antwort akzeptierte? Sie befürchtete, dass dem nicht so war. Mit großen Augen sah sie ihn an. „Ich bin zufällig hier vorbeigekommen." Gott, sie klang schon wie Gabriel. Aber was hätte sie dem Polizisten auch sonst sagen sollen?
Der Chief musterte sie eingehend. „Zufällig? Interessant."
Emily zuckte gelassen mit den Schultern. Jedoch fühlte sie sich keineswegs so entspannt, wie sie versuchte darzustellen. „Und Sie, Chief? Was macht die Polizei hier?"
„Mord."
„Oh."
Emily ignorierte den kalten Schauer, der ihr über den Rücken lief. Schweigend betrachtete sie den Polizisten und versuchte, nicht noch nervöser zu werden, als sie es ohnehin schon war. Sie musste zusehen, dass sie sich dezent wieder zurückzog. Es war eine außerordentlich dumme Idee gewesen, hierherzufahren.
„Ja, bei dem Opfer handelt es sich um eine junge Frau. Wir ermitteln derzeit noch ihre Personalien."
Es gab also nur ein Opfer. Oder hatte man bisher nur eine Leiche gefunden?
Der Chief musterte sie erneut von oben bis unten. „Und was ist mit Ihnen passiert?"
„Treppe. Ich bin die Treppe hinuntergefallen. Dummes Missgeschick."
Der skeptische Blick, mit dem er sie bedachte, ließ Emily erkennen, dass er keines ihrer Worte glaubte. Bestimmt hatte sie bereits in dem Moment, als sie hier aufgekreuzt war, sein Misstrauen geweckt. Sie konnte nur hoffen, dass auf ihrer Stirn nicht das Wort Mörderin aufleuchtete. Selbstjustiz galt schließlich ebenfalls als Mord. Sie zuckte erneut mit den Schultern. „In der Tat ein dummes Missgeschick … aber ich möchte Sie nicht bei Ihrer Arbeit stören …" Emily drehte sich um, doch die Worte des Chiefs ließen sie innehalten.
„Ach, Miss Silver?"
Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sich erneut dem Polizisten zuwandte.
„Haben Sie in letzter Zeit Ihren Freund gesehen?"
„Gabriel?"
Er nickte.
„Nein. Wieso?" Emily versuchte, so ruhig wie möglich zu bleiben. Warum dieses Interesse an Gabriel? Ob sie etwas gefunden hatten?
„War nur eine Frage."
„Kann ich dann gehen?"
Der Chief lächelte, aber sein Blick blieb weiterhin wachsam. „Natürlich, es sei denn, Sie wollen mir noch etwas sagen."
Emily schüttelte still den Kopf und drehte sich wieder um.
„Wirklich interessanter Zufall."
Sie wusste nicht, ob er die Worte an sie oder an sich selbst gerichtet hatte. Es war auch egal – sie musste hier weg.
Als sie das Auto erreichte, stieg sie mit zitternden Knien ein. Sie konnte nur hoffen, dass diese Exkursion hierher kein Nachspiel hatte.
Obwohl sie nur ein Mal in ihrem Leben hier gewesen war, fand sie das Haus auf Anhieb wieder. Wie lange war das jetzt her? Zwei Wochen oder doch schon drei? Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren, aber sie konnte sich noch genau an den Tag erinnern, als Nat sie hierher mitgenommen hatte. Damals hätte sie um ein Haar ihre Chance verspielt, die Apokalypse aufzuhalten. Wie oft hatte sie an diesen Tag zurückgedacht. Der arme Nat. Der arme Forscher für bedrohte Tierarten. Sie hatte ihn einfach ohne ein Wort der Erklärung stehenlassen.
Emily verzog grimmig das Gesicht, als sie an ihr schlechtes Gewissen dachte, das sie verfolgt hatte. Mentale Kraft hin oder her, sie hatte beinahe einen unverzeihlichen Fehler begangen. Aber wie sie gestern bewiesen hatte, war aufgeschoben nicht aufgehoben.
Mit klopfendem Herzen betrachtete sie die Eingangstür. Sie hatte keine Ahnung, was sie dahinter erwartete, aber es war ihre einzige Chance. Nur Nat wusste, wo Gabriel war und ob …
Warum war sie gestern Nacht nur geflohen?
Bitte, lieber Gott, lass ihn am Leben sein. Mach, dass ihm nichts passiert ist, dann bitte ich dich auch nie wieder um etwas.
Sie straffte ihre Schultern und drückte so lange wahllos auf Klingelknöpfe, bis der Türsummer ertönte. Schnell stieß sie die Eingangstür nach innen auf. Wieder strömten Bilder ihres letzten Aufenthalts auf sie ein.
Oh Gott, ich schwöre, ich werde ihn umbringen.
Emily rannte fast die Treppenstufen zur ersten Etage hoch. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie hatte keine Ahnung, was sie machen sollte, falls Nat tatsächlich öffnete. Instinktiv griff sie in ihre Gesäßtasche, und ihr Gesicht wurde blass. Das Messer war nicht mehr da.
Sie ließ den gestrigen Abend Revue passieren. Hatte sie das Messer nach dem Kampf mit Bec nicht mehr an sich genommen? Was war, wenn die Polizei das Messer gefunden und in Gewahrsam genommen hatte? Emilys Lippen verzogen sich zu einer dünnen Linie. Das hatte ihr gerade noch gefehlt.
Sie positionierte sich vor der Wohnungstür auf der linken Seite des Hausflurs und betätigte den Klingelknopf. Innerlich zählte sie bis drei, aber niemand öffnete. Erneut drückte sie auf die Klingel, und dieses Mal ließ sie ihren Finger darauf. Deutlich konnte sie das schrille Läuten bis ins Treppenhaus hören. „Mach sofort auf! Du weißt ganz genau, was ich will!" Mit einem energischen Klopfen gegen die Tür verlieh Emily ihrem Wunsch einzutreten Nachdruck.
Endlich wurde die Tür aufgerissen. „Sind Sie komplett verrückt? Wenn Sie nicht augenblicklich verschwinden, rufe ich die Polizei."
Erstaunt sah Emily in das wütende Gesicht einer fremden Frau. Sie musste um die vierzig sein und stand lediglich mit einem Bademantel bekleidet wutschnaubend im Türrahmen.
„Ich möchte sofort zu Nat."
Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete die Frau Emilys ramponiertes Äußeres. „Hier gibt es keinen Nat, und jetzt machen Sie, dass Sie von hier verschwinden."
Kurzerhand schob sich Emily an der Frau vorbei und betrat die Wohnung. „Nathan, ich weiß, dass du da bist. Komm sofort raus."
Die Frau wirbelte herum. „Raus aus meiner Wohnung, und zwar sofort! Ich schwöre Ihnen, ich rufe die Polizei, wenn Sie nicht augenblicklich gehen."
„Nathan, du Feigling! Emily wandte sich wütend an die Frau im Bademantel. „Wo ist er?
„Ich sagte Ihnen bereits, hier gibt es niemanden mit diesem Namen. Ich wohne allein."
„Das kann nicht sein! Wieso lügen Sie mich an? Wo ist er?"
Von dem Radau alarmiert, wurde eine weitere Wohnungstür auf der anderen Seite des Treppenhauses geöffnet. Ein älterer Mann betrat mit wütendem Blick das Treppenhaus. „Was ist denn hier los?"
„Diese Irre ist einfach in meine Wohnung gestürmt. Würden Sie bitte die Polizei rufen?"
Der Mann bedachte Emily mit einem strengen Blick. „Ist das nötig? Müssen wir die Polizei verständigen?"
„Ich will lediglich wissen, wo Nathan O’Leary ist." Emily hielt inne. Sie wusste nicht einmal, ob O’Leary überhaupt Nats Nachname war. Wieder einmal wurde ihr bewusst, wie naiv sie gewesen war.
„Meinen Sie einen jungen Mann, Anfang dreißig, dunkle Haare?"
Emily nickte bekräftigend und sah den Mann an, der sich nachdenklich am Kinn kratzte.
„Tja, der ist bereits vor einer Woche ausgezogen."
„Ausgezogen?"
Unsanft zog die Frau Emily vor die Tür. „So nennt man das, wenn Leute die Wohnung wechseln. So etwas soll vorkommen. So wie ich es auch vor einer Woche getan habe. Und jetzt verschwinden Sie!"
Ehe Emily etwas erwidern konnte, wurde ihr die Tür vor der Nase zugeschlagen. Ihre einzige Chance zu erfahren, was mit Gabriel geschehen war, hatte sich soeben in Luft aufgelöst.
Der Mann aus der anderen Wohnung lächelte sie aufmunternd an. „Er wird schon wieder auftauchen."
Dann wurde auch die zweite Tür geschlossen, und sie stand mutterseelenallein im Treppenhaus.
Ihre Verzweiflung hatte noch immer nicht nachgelassen, als sie einige Zeit später vor ihrer eigenen Wohnungstür stand. Das Türschloss war aufgebrochen, und sie erinnerte sich, dass Gabriel so etwas erwähnt hatte.
Entschlossen setzte sie einen Schritt über die Türschwelle und machte sich daran, sämtliche Räume zu überprüfen. Jedoch konnte sie nichts Ungewöhnliches feststellen. Als sie wieder im Gang stand, fiel ihr Blick auf die Kommode. Dort, wo sich normalerweise eine kleine Tür befand, war nur ein klaffendes Loch zu erkennen. Bei genauerer Betrachtung stellte Emily fest, dass das Türchen sehr wohl noch da war, sich jetzt jedoch im Inneren der Kommode befand. Eine Reparatur war wohl ausgeschlossen.
Auf dem kaputten Möbelstück lagen immer noch die Abschiedsbriefe an ihre Eltern und Nana, nur der Brief an Gabriel war verschwunden. Emily sah auf dem Fußboden und hinter der Kommode nach, doch nirgends war der Brief zu sehen. Gabriel musste ihn mitgenommen haben. Ihr Herz verkrampfte sich.
Warum lässt du mich hier allein zurück? Warum? Gott, warum tust du mir das an?
Doch sie wusste, dass Gott damit nichts zu tun hatte. Sie allein hatte am vergangenen Abend die Entscheidung gefällt, sich mit Bec zu treffen. Warum hatte sie sich nur auf diesen Deal eingelassen?
Die Vibration ihres Handys ließ in Emily ein neues Gefühl aufkeimen – Hoffnung.
„Gabriel?"
„Nein, Kleines. Ich bin es. Nana."
Der Hoffnungsschimmer starb, bevor er überhaupt die Chance bekommen hatte zu gedeihen.
„Emily, alles in Ordnung?"
Emily schloss die Augen. Natürlich. Es ist alles bestens. Ich habe lediglich den Mann, den ich liebe, wegen meiner eigenen Dummheit verloren. Sie schluckte die Worte hinunter. „Ja, es ist alles in Ordnung. Nana … ich habe das Versprechen, das ich Pesh bei der Trauerfeier gegeben habe, eingehalten und ihren Tod gerächt."
Einen Moment herrschte Stille. „Lass uns darüber nicht am Telefon reden. Ich wollte dir etwas anderes mitteilen. Die Polizei hat heute Morgen Peshewas Leiche freigegeben. Die Beerdigung wird heute Mittag um zwölf Uhr stattfinden. Wirst du kommen?"
Bei dem Wort Beerdigung krümmte sich Emilys Magen zusammen, und sie schloss die Augen. Schwärzer konnte ein Tag nicht werden. „Ich werde da sein. Nichts auf der Welt könnte mich davon abhalten. Pesh war meine beste Freundin."
„Danke, Kleines."
Emily lehnte den Kopf gegen die Wand. Ausgerechnet heute war Peshs Beerdigung, aber sie war es ihrer Freundin schuldig hinzugehen.
Sie nahm die verbliebenen Briefe und schnappte sich den Koffer, der immer noch im Gang stand. Sie wollte hier keine unnötige Zeit verschwenden. Die ganze Wohnung war beladen mit Erinnerungen, die ihr Herz in tausend Stücke rissen. Sie betrachtete die defekte Eingangstür. Wohl oder übel musste sie die Verwaltung verständigen, dann konnte sie nebenbei auch gleich ihren Mietvertrag kündigen. Warum sollte sie damit warten? Sie würde die Kündigungsfrist sowieso nicht überleben.
Mit dem Koffer in der Hand ging sie zu ihrem eigenen Auto. Es war an der Zeit, ins Reservat zu fahren.
Schweigend nahmen Emily und Nana sich in die Arme. Worte waren angesichts ihrer gemeinsam verbrachten Zeit und den bevorstehenden Stunden nicht notwendig. Als sie sich nach einer endlosen Zeit voneinander lösten, sah Nana Emily prüfend an und legte ihr behutsam einen Arm um die Schultern. „Komm erst mal mit rein. Möchtest du etwas essen?"
Obwohl das Mittagessen am Vortag ihre letzte Mahlzeit gewesen war, verspürte Emily keinerlei Hunger. In Gedanken sah sie wieder Gabriels Lächeln, und ein Kloß setzte sich in ihrem Hals fest und drohte ihr die Luft zum Atmen zu nehmen. Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen.
„Nein, keinen Hunger. Aber eine Dusche wäre großartig. Und ich wäre dir sehr dankbar, wenn ich hier übernachten könnte."
Erschrocken betrachtete Emily ihr Spiegelbild. Hatte sie sich wirklich so der Öffentlichkeit präsentiert? Kein Wunder hatte Chief Warren sie so kritisch beäugt. Ihre linke Gesichtshälfte war mit Striemen übersät, und das Augenlid hatte eine lila Schattierung angenommen. Ihr Körper wurde durchgehend von Blutergüssen geziert, und ihr wurde klar, warum jeder einzelne Knochen so wehtat. Aber sie war am Leben. Sie drängte die Tränen zurück, die versuchten, in ihr aufzusteigen.
Ja, sie lebte, aber das hatte sie nicht sich selbst zu verdanken. Und nun war keiner mehr da, der sie retten konnte. Jetzt war sie auf sich allein gestellt. Der Ausgang der Geschichte lag ganz allein in ihrer Hand. Wer auch immer sie zur Wynne Shane ernannt hatte, hatte damit einen unverzeihlichen Fehler begangen.
Die Zeremonie auf dem kleinen Friedhof des Reservats war herzergreifend. Obwohl die Bewohner bereits bei der Trauerfeier Abschied genommen hatten, war es nochmals ein bewegender Moment, als der dunkle Sarg in den Boden gelassen wurde. Entfernt hörte Emily Nanas Worte.
„… und es wird nur ein kleiner Sprung zwischen Zeit und Ewigkeit sein …"
Emily war zu keiner Träne mehr fähig. Sie hatte bereits so viele Tränen vergossen. Für Katrina, für Pesh und zuletzt auch für Gabriel. Sie fühlte sich nur noch leer und ausgebrannt.
Sie betrachtete die Anwesenden. Nicht nur die Bewohner aus dem Reservat, sondern auch viele ihrer Kommilitonen waren gekommen. Sie war erstaunt, wie viele die Möglichkeit nutzten, von Pesh Abschied zu nehmen und ihr damit die letzte Ehre zu erweisen.
Jeder der eingefundenen Trauergäste warf eine einzelne Rose oder eine Schaufel voll Erde in die Öffnung, die von nun an das neue Zuhause von Peshs Körper werden sollte. Im Vorbeigehen konnte Emily sogar Dekan Franklin sehen, der misstrauisch die Spuren auf ihrem Gesicht betrachtete. Vermutlich schrieb er nun doch ihren Schulverweis.
Sollte er ruhig.
Im Anschluss an die Beerdigung fand eine kleine Trauerfeier bei Nana zu Hause statt. Da das kleine Holzhaus nicht dafür ausgelegt war, so viele Menschen auf einmal zu beherbergen, platzte es fast aus allen Nähten.
Unter den vielen Anwesenden konnte Emily Marie erkennen und ging erstaunt auf ihre Kommilitonin zu. Es war die perfekte Gelegenheit, ihr den Autoschlüssel zurückzugeben.
Marie wirke überrascht, als Emily ihr den Schlüssel vor die Nase hielt, und nahm ihn argwöhnisch entgegen. „Wie kommst du an meinen Autoschlüssel? Wo ist mein Auto?"
Emily runzelte die Stirn. Was sollte diese Frage? „Lass die Spielchen, Marie. Ich habe weder die Zeit noch die Lust, mich mit deinen Kindereien zu beschäftigen. Der Wagen steht auf dem Campus-Parkplatz." Mit diesen Worten ging sie weiter und ließ ihre Kommilitonin stehen.
Wenn sie noch ins Reisebüro wollte, musste sie jetzt wirklich los. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, Nana mit all diesen Menschen allein zu lassen, aber ohne Ticket konnte sie das Flugzeug nach Mexiko nur von außen bestaunen.
* * *
Zwei Stunden später saß Emily an einem kleinen Tisch in einem Café und betrachtete die Reiseunterlagen. Ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, als sie die zwei Flugtickets in der Hand hielt. Morgen um zehn Uhr würde sie im Flugzeug sitzen.
Sie legte die Tickets vor sich auf den Tisch und nahm die Broschüre des Hotels aus dem Umschlag. Eine kleine Ferienanlage war darauf in allen Perspektiven abgelichtet, und der beiliegende Hotelvoucher war für eine Übernachtung ausgestellt. Stirnrunzelnd las Emily die Reisedaten durch. Das Rückflugticket war erst auf übernächste Woche, Mittwoch, ausgestellt. Was war Gabriels Plan gewesen? Wo hatte er die restlichen Nächte verbringen wollen?
Sie zog die Notizen, die sie von Gabriels Schreibtisch mitgenommen hatte, aus ihrer Handtasche und besah sich das erste Blatt.
Mexiko / Tuxtla Gutiérrez
San Cristóbal de las Casas
Selva Lacandona
Christliche Mission
Lacantún
Sie nahm sich das nächste Blatt zur Hand.
Taschenlampe / Batterien
Erste-Hilfe-Set
Isomatte
Schlafsack
Zelt
Stopp! Zelt? Was hatte Gabriel vorgehabt? Mitten in Mexiko sein Zelt aufzuschlagen? Wozu gab es Hotels? In Gedanken schickte Emily ein Stoßgebet zum Himmel. Bitte lass es da Hotels geben. Allein der Gedanke, mitten in der Pampa, irgendwo im Nirgendwo allein in einem Zelt zu campieren, behagte ihr überhaupt nicht. Sie würde es noch nicht einmal schaffen, das Zelt aufzuschlagen. Seufzend las sie das letzte Blatt.
Lacandonen (wahre oder echte Menschen) – Chiapas
Chorti-Maya / 1692 – 1712
Amisha – ohne Täuschung, rein
Conquista (Konquistador)
Emily runzelte die Stirn, das brachte sie nicht weiter. Gabriel und ihr Unterbewusstsein hätten sich sensationell verstanden. Sie hatten beide die Art, ihr Nachrichten zukommen zu lassen, die sie einfach nicht verstand.
„Miss Silver?"
Überrascht blickte sie auf. „Mr. Roberts, was für eine Überraschung."
„Darf ich mich vielleicht zu Ihnen setzen?"
Emily sah sich um. In dem kleinen Café gab es fast keinen freien Platz mehr. Kurzerhand deutete sie auf den freien Stuhl an ihrem Tisch.
Mr. Roberts nahm dankend Platz und stellte eine Tasse Kaffee auf den Tisch. „Was ist denn mit Ihnen passiert?"
„Ich bin die Treppe hinuntergefallen."
Einen peinlichen Moment lang starrte jeder auf seine Tasse, ehe Emily das Schweigen brach. „Wie geht es Ihnen? Sind Sie schon lange wieder aus dem Krankenhaus?"
„Ein paar Tage. Allerdings bin ich noch ein wenig gehandicapt."
„Das tut mir leid."
„Sie können ja nichts dafür. So etwas hätte überhaupt nicht passieren dürfen. Ich kann nur hoffen, dass sich die Bundesbehörde darum gekümmert hat."
Erstaunt hob Emily die Augenbrauen. „Die Bundesbehörde? Warum nicht die hiesige Polizei?"
„Ich glaube nicht, dass freilaufende Wildkatzen in den Zuständigkeitsbereich der Polizei fallen."
Emily lief es eiskalt den