Mami 1751 – Familienroman: Kinder träumen von Geborgenheit
Von Susanne Svanberg
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Es war bereits dunkel, als Irene Dahrendorf die Redaktion verließ. Der kühle Herbstwind ließ ihre langen blonden Locken flattern. Fröstelnd schloß sie die Knöpfe ihres Blazers und eilte die wenigen Stufen hinab. Unter der Laterne auf der Straße hatte sie ihren Freund Martin entdeckt. Der junge Ingenieur, der in seinem Job viel früher Feierabend hatte, holte sie häufig ab. Groß und breitschultrig war er, ein Mann, den niemand übersehen konnte. Er war ein Sonnyboy, der überall Frauen hatte. Das Leben verwöhnte ihn. Alles fiel ihm leicht, überall hatte er Erfolg. Dazu trugen auch sein gutes Aussehen und sein unerschütterliches Selbstbewußtsein bei. Irene liebte ihren Martin und war glücklich mit ihm. Lachend lief sie ihm entgegen und fiel ihm stürmisch um den Hals. Sie küßten sich mit einer Innigkeit, die jedem Vorübergehenden sofort signalisiert hätte, daß diese beiden ein beneidenswert glückliches Paar waren. Es ging aber niemand vorbei, nur Irenes Kollege Michael Fischer stand am Fenster des Redaktionsbüros und beobachtete die zärtliche Begrüßung. Er empfand Wehmut dabei, denn er liebte die hübsche Kollegin heimlich, obwohl er wußte, daß er gegen Martin Roeder keine Chance hatte. "Hast du Lust zu einem kleinen Bummel? Ich möchte Verschiedenes mit dir besprechen." Martin sah seine Partnerin strahlend an. Irene verspürte keine Lust, denn ihr war es viel zu kühl. Doch sie mochte ihrem Martin keinen Wunsch abschlagen. Nur zu gern ließ sie es geschehen, daß Roeder schützend seinen Arm um sie legte. Sie lehnte sich im Weitergehen an ihn und hatte keine Ahnung, daß es jemand gab, der ihnen traurig nachschaute.
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Mami 1751 – Familienroman - Susanne Svanberg
Mami -1751-
Kinder träumen von Geborgenheit
Roman von Susanne Svanberg
Es war bereits dunkel, als Irene Dahrendorf die Redaktion verließ. Der kühle Herbstwind ließ ihre langen blonden Locken flattern. Fröstelnd schloß sie die Knöpfe ihres Blazers und eilte die wenigen Stufen hinab. Unter der Laterne auf der Straße hatte sie ihren Freund Martin entdeckt.
Der junge Ingenieur, der in seinem Job viel früher Feierabend hatte, holte sie häufig ab. Groß und breitschultrig war er, ein Mann, den niemand übersehen konnte. Er war ein Sonnyboy, der überall Frauen hatte. Das Leben verwöhnte ihn. Alles fiel ihm leicht, überall hatte er Erfolg. Dazu trugen auch sein gutes Aussehen und sein unerschütterliches Selbstbewußtsein bei.
Irene liebte ihren Martin und war glücklich mit ihm. Lachend lief sie ihm entgegen und fiel ihm stürmisch um den Hals.
Sie küßten sich mit einer Innigkeit, die jedem Vorübergehenden sofort signalisiert hätte, daß diese beiden ein beneidenswert glückliches Paar waren. Es ging aber niemand vorbei, nur Irenes Kollege Michael Fischer stand am Fenster des Redaktionsbüros und beobachtete die zärtliche Begrüßung. Er empfand Wehmut dabei, denn er liebte die hübsche Kollegin heimlich, obwohl er wußte, daß er gegen Martin Roeder keine Chance hatte.
»Hast du Lust zu einem kleinen Bummel? Ich möchte Verschiedenes mit dir besprechen.« Martin sah seine Partnerin strahlend an.
Irene verspürte keine Lust, denn ihr war es viel zu kühl. Doch sie mochte ihrem Martin keinen Wunsch abschlagen. Nur zu gern ließ sie es geschehen, daß Roeder schützend seinen Arm um sie legte. Sie lehnte sich im Weitergehen an ihn und hatte keine Ahnung, daß es jemand gab, der ihnen traurig nachschaute.
»Ich war heute bei meinem alten Kumpel Gustav. Du weißt schon, der Architekt. Er hat mir versprochen, daß das Haus im nächsten Frühjahr fertig ist.«
»Aber im Moment ist doch gerade erst die Baugrube ausgehoben«, antwortete Irene etwas zerstreut. Sie war mit ihren Gedanken noch bei der Arbeit in der Redaktion. Kurz bevor die Seiten der Tageszeitung in Druck gehen sollten, war noch eine wichtige Meldung gekommen, die unbedingt in die morgige Ausgabe mußte. Alles mußte nochmals umgestellt und einige Artikel gekürzt werden. Eine umfangreiche Arbeit, für die nur wenig Zeit zur Verfügung stand. Allein hätte es Irene gar nicht geschafft. Michael Fischer hatte ihr dabei geholfen, obwohl er keinen Spätdienst hatte.
»Gustav meint, wenn es keinen Frost gibt, steht der Rohbau bis zum Jahresende. Und dann können wir die Innenausstattung auswählen. Du, ich freue mich.«
»Ich auch«, erwiderte Irene etwas lahm. Bis jetzt konnte sie sich für das mit Schlammpfützen übersäte Grundstück, auf dem ihr späteres Zuhause entstehen sollte, nicht begeistern.
Das junge Paar ging gerade auf den Fluß zu, der sich in vielen Windungen durch die Kleinstadt schlängelte. Im Sommer führte er nur wenig Wasser, doch wenn im Frühjahr in den Bergen die Schneeschmelze einsetzte, wurde er zum reißenden Strom. Deshalb gab es zu beiden Seiten einen hohen Damm mit schattigen Spazierwegen. An einer mittelalterlichen Brücke, geschmückt mit einer Statue des Heiligen Nepomuk, bog er auf diesen Weg ein. Tagsüber gingen hier junge Mütter und Rentner spazieren, um diese Zeit war der Damm menschenleer. Das welke Laub der Linden bedeckte den Weg. Es raschelte bei jedem Schritt.
Martin blieb stehen und wandte sich zu Irene. »Was hältst du davon, wenn wir im März heiraten? Die Hochzeitsreise machen wir auf die Seychellen, das ist genau die richtige Zeit. Wenn wir zurückkommen, ziehen wir ins neue Haus. Man, ist das nicht super?« Roeder schlang beide Arme um Irenes schmale Taillie, zog die mädchenhafte junge Frau eng an sich.
»Hm.« Irene lächelte. Sie ließ sich von Michaels Begeisterung nicht anstecken, denn es gab so viele andere Dinge, die sie beschäftigten.
»Ist das alles, was du dazu sagst?« fragte der junge Ingenieur etwas enttäuscht. »Irene, wir reden vom schönsten, vom wichtigsten Tag in unserem Leben. Ich kann es kaum erwarten, bis wir offiziell zusammengehören. Ich liebe dich doch so sehr, und ich möchte stolz sagen können: das ist meine Frau. Wir werden bestimmt sehr glücklich sein miteinander. Und wenn wir irgendwann ein Baby bekommen, werden wir eine perfekte Familie. Du und ich und ein süßes kleines Mädchen. Mein Gott, das Leben ist so schön…« Verliebt küßte Martin seine künftige Frau auf die Stirn. Er strich mit liebevoller Geste ihre blonden Locken zurück.
Die Berührung seiner Finger war angenehm, trotzdem drehte Irene den Kopf weg.
»Nicht für alle ist das Leben schön«, murmelte sie bedrückt.
Michael zog seine Irene noch inniger an sich. »Daran sollten wir nicht denken, nicht jetzt. Wir können doch nichts daran ändern.«
»In diesem Fall schon.« Ernst sah Irene zu dem wesentlich größeren Martin auf. Das Licht der Laterne fiel auf ihr apartes Gesicht mit den großen grauen Augen, dem herzförmigen Mund und der kleinen Nase, die Irene einen kindlichen Reiz verlieh.
»Sprichst du von den Kindern deiner Schwester?« erkundigte sich ihr Partner ahnungsvoll. Er hätte sich gewünscht, daß Irene nicht davon anfing, nicht jetzt.
»Du weißt ja, wenn ich Spätdienst habe, muß ich erst am Nachmittag in der Redaktion sein. Heute war ich draußen im Kinderheim. Bianca und Björn waren in der Schule, ich traf nur Barbara an. Sie hat sehr geweint, weil sie in eine Familie vermittelt werden soll und somit von ihren Geschwistern getrennt wird. Die Heimleiterin hat mir bestätigt, daß für Barbara und Björn jeweils eine Adoptionsfamilie gefunden worden sei, während es schwierig ist, Bianca zu vermitteln. Sie ist immerhin schon zwölf, und die Ehepaare, die bereit sind, ein Kind zu sich zu nehmen, möchten am liebsten Babies.« Irene seufzte bedrückt.
Michael beugte sich hinab, bis seine Stirn Irenes Haaransatz berührte. »Ich finde diese Entwicklung gar nicht so ungeschickt. Wenn es dich beruhigt, können wir ja Bianca zu uns nehmen. Sie ist sicher ein vernünftiges Mädchen, dem man schon kleine Hausarbeiten übertragen kann und das auf das Baby achten kann, das wir vielleicht schon nächstes Jahr haben werden.« Martin hielt diesen Vorschlag für sehr großzügig.
Um so enttäuschter war er, als Irene mit einem entschiedenen Nein antwortete. »Die Kinder träumen davon, zusammenzubleiben. Verstehst du das nicht?« fügte sie etwas ärgerlich hinzu.
»Schön und gut. Werden sie eben einsehen müssen, daß dies nicht möglich ist. Sie können ja trotzdem Kontakt miteinander pflegen.«
»Wie denn, wenn Barbara nach Hannover vermittelt wird und Björn in ein bayrisches Dorf? Es ist einfach unmenschlich, die Geschwister auseinanderzureißen.«
»Immerhin noch besser, als sie in einem Heim aufwachsen zu lassen. Wer ist schon bereit, sich mit drei fremden Kindern zu belasten.« Martin hatte seinen Griff gelöst und ging langsam weiter. Wie ein schmollender kleiner Junge wirbelte er bei jedem Schritt das welke Laub auf.
Irene blieb an seiner Seite. »Für uns sind es keine fremden Kinder. Freilich, ich habe mich mit meiner Schwester nicht besonders verstanden und hatte deshalb auch nichts dagegen, daß die Kinder in ein Heim kamen, als ihre Eltern bei diesem schrecklichen Flugzeugunglück ums Leben kamen. Aber inzwischen habe ich die drei näher kennengelernt, und ich mag sie sehr. Es ist meine Pflicht, ihnen zu helfen, weil ich ihre einzige Verwandte bin.« Irene spürte den frischen Wind, der die restlichen Blätter von den Ästen der Linden schüttelte, nicht mehr. Ihr war jetzt richtig warm.
»Du urteilst mit dem Herzen, aber nicht mit dem Verstand. Überlege doch, welche Probleme drei Kinder mit sich bringen. Es ist nicht damit getan, daß sie ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen haben. Jedes von ihnen ist eine eigene Persönlichkeit, braucht Ansprache, Verständnis, Rücksicht. Dabei wird aber keines bereit sein, Rücksicht auf uns zu nehmen. Die drei Rangen werden streiten, toben, schreien und das rund um die Uhr. Weißt du denn,