44 deutsche Städte, die Sie auch gesehen haben sollten: Reisereportagen
Von Helmut S. Jäger
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Über dieses E-Book
In meinem ersten Buch geht es bloß um mein Heimatland. Warum ins Ausland reisen? Das habe ich schon ausgiebig getan. In diesem Buch erkunde ich endlich die kleinen und großen Städte Deutschlands, in denen viel mehr zu entdecken ist, als ich vorher glaubte.
Deutschland bietet viele Überraschungen. Eines Tages stellte ich fest, dass ich nur einen Bruchteil der interessanten Orte und Regionen genauer kannte. Da packte mich das Reisefieber. Ich machte mich auf den Weg, erforschte meine jetzige Heimat (das Rheinland), die Heimat meiner Eltern und meiner Großeltern. Manchmal war ich weit entfernt von meinem Wohnort unterwegs. Aber immer folgte ich der Devise: „Ich möchte sehen, was hinter der nächsten Kurve kommt“ (Björn Ulvaeus, ABBA).
Fast alle diese Reisen habe ich mit Bahn und Bus durchgeführt. Durch die Internetangebote der Deutschen Bahn und der Firmen Ameropa und DERTOUR konnte ich alles bequem von Zuhause planen. Einige wenige Touren erledigte ich mit dem Pkw.
Mein Interesse gilt vor allem der Geschichte, Kunst, Musik und Natur. Darauf konzentrieren sich meine Reportagen. Jedes Kapitel beschreibt einen Ort oder eine Urlaubslandschaft, die zu besuchen sich unbedingt lohnt. In Form eines Stadtrundganges beschreibe ich eine Auswahl der Sehenswürdigkeiten, der Einkaufsmöglichkeiten, des kulinarischen Angebotes, so wie es sich mir präsentiert hat. Dabei komme ich sicherlich auch zu subjektiven Urteilen. Meine Reise-Erlebnisse führen nicht zu einer Auflistung aller Freizeitmöglichkeiten einer Ortschaft. Es ist und bleibt − wie auch die Auswahl der Reiseziele − eine persönliche, manchmal sogar scheinbar zufällige Auswahl der Besonderheiten einer Landschaft, mit denen wir in Deutschland überreich gesegnet sind.
Diese Reisereportagen sollen Leser ansprechen, die eine literarische Reisebeschreibung lesen wollen. Sie bekommen hin und wieder eine Hotel- oder Restaurant-Empfehlung, aber das ist nicht mein Hauptziel. Mein Ziel ist es, das Besondere, das Flair eines Ortes einzufangen. Daher ist mein Buch interessant für Bahnreisende, Geschichtsinteressierte, Kulturreisende und Musikfans.
Helmut S. Jäger
Helmut S. Jäger wurde 1950 im Kreis Olpe im Sauerland geboren. Nach dem Abitur zog er nach Köln, um dort Mathematik und an der Musikhochschule Musik zu studieren. Seit 1979 war er Lehrer am Erftgymnasium in Bergheim (Erft), seit 2014 im Ruhestand. Er arbeitete außerdem als Kindergärtner, Kirchenmusiker, Arrangeur, Pianist und Übersetzer. Forschungs- und Konzertreisen führten ihn als Musiker nach Schweden, Großbritannien, Belgien, Frankreich, Italien, Spanien und in die Schweiz. Mit seiner Frau wohnt er im Rheinland. Diese Publikation ist sein viertes Buch. Noch lieferbar: 44 deutsche Städte, die Sie auch gesehen haben sollten (2015) ISBN 9783739252766, 18 Euro. Mozart! Aber auch Bach und Beethoven! (2020) ISBN 9783752672770, 20 Euro Weitere Informationen über den Autor finden Sie auf www.jaegermusik.com.
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Buchvorschau
44 deutsche Städte, die Sie auch gesehen haben sollten - Helmut S. Jäger
Vorwort
Entdecke, wo du lebst!
Eines Tages stellte ich fest, dass ich nur einen Bruchteil der interessanten Orte und Regionen genauer kannte. Da packte mich das Reisefieber. Ich machte mich auf den Weg, erforschte meine jetzige Heimat (das Rheinland), die Heimat meiner Eltern und meiner Großeltern. Manchmal war ich weit entfernt von meinem Wohnort unterwegs. Dann folgte ich der Devise: „Ich möchte sehen, was hinter der nächsten Kurve kommt". Deutschland bietet viele Überraschungen.
Mit der Bahn zu fahren bereitet mir ein ungewöhnlich starkes Vergnügen. Deshalb habe ich fast alle meine Reisen mit Bahn und Bus unternommen. Durch die Internetangebote der Deutschen Bahn und der Firmen Ameropa und DERTOUR habe ich alles bequem von Zuhause planen können. In ihrer Rubrik „Last Minute" entdeckte ich Städte und Hotels, die ich mehr zufällig als geplant auswählte. Wenn ich dann vor Ort war, fand ich ihre attraktiven, oft auch verborgenen Schönheiten. Als ich bei 44 Zielen angekommen war, beendete ich meine Deutschland-Reise, vorläufig. Ich hatte das Gefühl, jetzt ein handliches Buch vorlegen zu können.
Natürlich gab es auch Verspätungen, Zugausfälle und andere Merkwürdigkeiten, von denen sicher jeder berichten kann. Für mich wiegt das nicht schwer. Einige wenige Touren erledigte ich mit dem Pkw. Mein Interesse gilt vor allem der Geschichte, Kunst, Musik und der Natur. Darauf konzentrieren sich meine Reportagen. - Und jetzt auf und davon! Viel Vergnügen beim Reisen durch fremde und nicht ganz so fremde Städte!
Inhalt
Vorwort
Alt-Kaster
Bad Reichenhall
Berchtesgaden
Bielefeld
Brüggen (Niederrhein)
Celle
Dessau-Roßlau
Düsseldorf
Eutin
Forchheim (Oberfranken)
Freiburg
Freudenstadt
Geldern
Güstrow
Halberstadt
Hinterzarten
Iserlohn
Jülich
Kempen
Köthen
Lübeck
Magdeburg
Neuss
Nürnberg
Ochsenfurt
Olpe am Biggesee
Potsdam
Quedlinburg
Rheinbach
Schluchsee
Schwerin
Siegen
Stendal
Titisee
Travemünde
Uelzen
Viersen
Wachtendonk
Wiesbaden
Wörlitz und Oranienbaum
Würzburg
Xanten
Yach
Zweifall
Danksagung und Literatur
Alt-Kaster
Alt-Kaster ist der älteste Ortsteil von Kaster, und Kaster wiederum ist ein Teil der Schlossstadt Bedburg, westlich von Köln. Der Name kommt von „Castrum", lateinisch für Burg. Und tatsächlich kann der Besucher wenige Schritte außerhalb der Stadtmauern die Ruinen einer 1648 zerstörten Burg sehen, die den Grafen von Jülich gehörte. Sie wurde seither nie mehr aufgebaut.
Einst hat „Caster oder „Castrum
eine größere Rolle gespielt als heute. Es war selbstständig und galt als die nach Einwohnern zweitkleinste Stadt der Bundesrepublik Deutschland. 1975 erfolgte die Eingliederung in die Stadt Bedburg.
Seit vielen Jahren besuche ich Alt-Kaster gerne und betrete den Ort meistens durch das Agatha-Tor. Vor dem Tor stehen neue Informationstafeln, es lohnt sich, hier kurz stehen zu bleiben. Vom Tor aus kann ich schon einige der alten Giebelhäuser sehen. Viele sind denkmalgeschützt. Der Ort hat nur fünf Straßen. Es sind etwa 250 Meter bis zum gegenüber liegenden Erfttor. Dort geht es wieder hinaus, weiter zum Fluss Erft und durch ein Wäldchen zum Kasterer See. Dass dieses Kleinod heute noch existiert, ist ein großes Glück. Kaster sollte in den 70er Jahren dem Braunkohlen-Tagebau weichen. Nur der Einsatz der Bürger und die denkmalgeschützte mittelalterliche Bausubstanz haben dies verhindert.
Ganz Alt-Kaster ist von einer dicken Stadtmauer umgeben, zwei Tore und der Eulenturm schmücken die Befestigung. Teile der Mauer stammen aus dem 14. Jahrhundert, die ältesten Häuser zeigen die Jahreszahl 16xx. Der Straßenplan weist jedoch noch auf den dörflichen Zustand vor der Stadterhebung im Mittelalter hin. Jeder Besucher staunt, wie unversehrt Alt-Kaster die teilweise bewegten Zeiten überstanden hat. „Das Mittelalter lebt", so titelt ein Flyer der Bedburger Stadtverwaltung.
Vorbei an zwei therapeutischen Praxen nähere ich mich der Ortsmitte. Ein nettes Geschäft mit Kunstgewerbe wird leider bald schließen, weil die Inhaberin fortzieht. Wenige Schritte weiter besuche ich ein ganz besonderes Lädchen.
„Seit 1963 habe ich den Laden hier. Und ich bin 84 Jahre alt. Hätten Sie das gedacht? klärt mich Anneliese Wallenfang auf. Die charmante Chefin des Tante-Emma-Ladens oder „Büdchens
, wie wir hier im Rheinland sagen, erwähnt, dass früher drei Geschäfte im Ort waren. Auch hatte sie einst die Poststelle dazu; das hat sie aber aufgegeben. Sie gibt freimütig zu, dass die Arbeit schwerer geworden ist. Gut, dass ihr die Tochter und die Enkel zur Hand gehen.
Mir fallen zwei altmodische Stühle an der langen Wand auf. „Ja, was meinen Sie, wie oft Kunden aus anderen Dörfern kommen, hier ein Schwätzchen halten und vielleicht dabei ein Bier trinken!" Aus der Flasche natürlich, denn Zapfen oder auch Kaffee Ausschenken ist aus steuerlichen Gründen nicht drin. Ich verabschiede mich von der klugen und fröhlichen Frau, nicht ohne ein paar Brötchen mitzunehmen. Gut, dass es solche Orte noch gibt.
Die schmucken Fassaden haben schon Filmregisseure angeregt. Hier wurden Außen- und Innenaufnahmen für „Jahrestage (2000) und für den Tatort-Krimi „Familienbande
(2010) gedreht. Wenn damals schon in der beschaulichen Hauptstraße viel los war, dann sollten Sie erst einmal zu den zwei besonderen Festen Alt-Kasters kommen. Jeden Sommer tummeln sich Gaukler, Händler und Musiker auf dem „Ricarda-Markt" (ein ganzes Wochenende lang). Noch älter ist die Tradition des Nikolausmarktes. Am 1. Adventssonntag öffnen viele Privatleute ihre Häuser und verkaufen Schmuck, Dekoratives und natürlich Köstlichkeiten aus dem eigenen Backofen. Menschen mit Platzangst sollten an diesem Tag etwas anderes unternehmen!
Für Hunger und Durst ist in Alt-Kaster auch abseits der Feste bestens vorgesorgt: Mindestens drei Bistros und Restaurants sind sehr beliebt bei den Besuchern, die auch von Belgien oder aus den Niederlanden anreisen. Übernachtungen sind im renommierten Danielshof möglich.
Nicht nur Jakobspilger finden auf dem Weg von Dortmund nach Aachen hierher. Der Ort liegt auch an der Wasserburgenroute und nicht weit vom Erftradweg entfernt, der von der Eifel bis zur Flussmündung in den Rhein - bei Neuss - führt.
Vor über 400 Jahren hat sich in der Nähe von Alt-Kaster Schauriges zugetragen. Peter Stump, genannt Stubbe-Peter, beging nach Auffassung der damaligen Justiz im Zeitraum von 25 Jahren in der Gestalt eines Werwolfes mindestens 16 Morde, Vergewaltigungen sowie Inzest. Er wurde verurteilt und hingerichtet. Das weiß man so genau, weil über den Prozess im In-und Ausland berichtet wurde. Auf Flugblättern wurde das so beschrieben.
Bey bedbur in dem selben land
hab ich mich jn ein Wolff verwandt
mein leben ein Weil hingebracht
mit Zauberey Gott hab veracht
Die Touristik-Abteilung der Stadtverwaltung war so schlau und hat vor einiger Zeit den „Werwolf-Wanderweg" eingerichtet. Sieben Stationen erläutern die uralte Geschichte; geführte Touren können gebucht werden. Das ist nichts für schwache Nerven!
Sicher auch noch sehenswert (Innenbesichtigung in der Regel nicht möglich):
Die Kellnerei (früher Vorburg).
Die Alte Vikarie.
Das Vogtshaus (ehemaliges Amtshaus).
Die alte Wassermühle.
Die ehemalige Schule.
Die katholische Pfarrkirche St. Georg.
Insgesamt: Ein charmanter Ort mit ausgiebigen Wander- und Fahrradmöglichkeiten.
Noch ein Hinweis: Noch viel mehr als hier steht hat der rührige (private) Arbeitskreis Altstadt Kaster e.V. zusammen getragen. Alles zu finden auf seiner Internetseite: www.altkaster.de.
Ein zweiter Hinweis: Vor einigen Wochen hat der Bedburger Autor Dennis Vlaminck sein drittes Buch veröffentlicht. In „Das schwarze Sakrament" beschreibt er eine (erfundene) Kriminalgeschichte, die um 1248 in der Kasterer Burg und ihrer Umgebung spielt. Sehr spannend zu lesen!
Bad Reichenhall
Die Alpen! Für mich ist es immer wieder so aufregend, sich mit der Bahn (oder auch mit dem Pkw) den Voralpen und dann auch den deutschen Alpenriesen in Bayern zu nähern. Ich hatte schon fast vergessen, wie sich das anfühlt: Erstaunen, dann Bewunderung, schließlich Respekt vor den Bergriesen, aber auch Respekt vor den Menschen, die im Alltag mit ihnen vertraut sind. Keinen der Gipfel werde ich heute ersteigen oder mit einer Bergbahn erreichen. Trotzdem, auch unten im Tal spüre ich ihren Einfluss.
In Bad Reichenhall, nur wenige Kilometer von der Grenze und von Salzburg entfernt, bin ich im ehemaligen Grand Hotel Axelmannstein untergebracht. Wenn ich die lange Geschichte dieses Hauses richtig verstanden habe, hat mit dem Bau dieses Luxushotels die Kurgeschichte der Stadt angefangen. Die Lage ist einmalig: Direkt an der Fußgängerzone (Salzburger Straße), alle Kurhäuser gut erreichbar, mit einem herrlichem Park hinter dem Hauptgebäude.
Bad Reichenhall ist Große Kreisstadt des „Berchtesgadener Landes" und als solche sehr bedeutend. Obwohl der Kurbetrieb und der Tourismus etwas nachgelassen haben, ist die Stadt in den letzten Septembertagen doch sehr belebt. Mir werden noch ganze Busladungen von Japanern und Amerikanern begegnen!
Auf meinem ersten Spaziergang folge ich den Bummlern, die sich die vielen Geschäfte in den ruhigen kleinen Straßen ansehen. Ich komme an prachtvollen alten Funktionsbauten vorbei, denen man aber auch ihr Alter deutlich anmerkt. Beeindruckend ist das 13 m hohe Gradierwerk. Hier läuft Tag und Nacht Sole von hoch oben nach unten über Schwarzdornzweige. So können die heilsamen Aerosole schon durch das Einatmen auf die Gesundheit der Besucher einwirken. Es ist also ein Freiluftinhalatorium.
Kurhaus, Wandelhalle und Konzertrotunde sind prächtig und sehr gepflegt. Fast jeden Tag wird hier von der Bad Reichenhaller Philharmonie ein niveauvolles Programm dargeboten. Dieses Orchester existiert schon seit 1868 und dürfte somit eines der ältesten dieser Art in Mitteleuropa sein. Der Kurpark selbst, wichtiges Zentrum für Kurgäste und andere Touristen, ist nicht groß. Aber die Pflanzen und Wege sind so geschickt angelegt, dass sich jeder hier wohl fühlen kann. Neben dem Kurpark laden noch weitere nahe gelegene Parks ein.
Die alte Saline ist ein Beispiel für den Umgang mit einem Bauwerk, das seine früheren Funktionen nicht mehr erfüllt. Denn längst ist eine neue Saline entstanden, modern und fabrikähnlich. Das alte Gebäude ist ein Riesenbauwerk, wuchtig und pompös, gegliedert in mehrere große Bauteile. Man hat die leer stehenden Räume an viel Kleingewerbe und Kanzleien vermietet. Alle Innenhöfe sind zu Pkw-Parkflächen umgewandelt. Den Kern bildet aber das Salzmuseum, das ich mir gleich ansehen muss.
„Nach wie vor spielt das Salz in Bad Reichenhall eine große Rolle. Reichenhall - seit 1890 Bad Reichenhall − ist dank seiner aus zahlreichen Solequellen gespeisten Solebäder ein anerkannter Kurort bzw. eine ‚Kurstadt‘, und die Saline Bad Reichenhall vermarktet ihr Reichenhaller Markensalz in ganz Deutschland und darüber hinaus." (Wikipedia, Bad Reichenhall, abgerufen am 28.9.2014).
Der Besuch des Salzmuseums in der „alten Saline", wie sie oft genannt wird, bringt mir einige Überraschungen. Durch ein Fenster sehe ich große Räder, die sich kontinuierlich bewegen. Mehr ist nicht sichtbar, aber das Rätsel wird sich gleich klären. Bei einer Führung von etwa 45 Minuten wird uns alles über diese Anlage erzählt. Diese Führung kann ich jedem sehr empfehlen.
Die Bauwerke sind etwa 180 Jahre alt. Der Hauptraum (im Hauptbrunnhaus) mit seinen zwei riesigen Wasserrädern ist seit 180 Jahren Tag und Nacht in Betrieb - nur durch Wartungsarbeiten unterbrochen. Jedes Rad hat einen Durchmesser von 13 Metern und wiegt etwa 15 Tonnen! Aus 14 Metern Tiefe pumpen die Wasserräder die Sole, also salzhaltiges Wasser, nach oben. Diese Sole wird seit 1926 nicht mehr zur Salzgewinnung eingesetzt; damals wurde die „Neue Saline" gebaut, die bis heute erfolgreich arbeitet. Aber die Thermen und Kurbetriebe der Stadt werden mit diesem Salzwasser versorgt.
Bei der Führung geht dann weiter in den Untergrund. Tief unter dem Erdboden befinden sich zahlreiche Stollen und Gänge. Die Besucher müssen sich an hohe Luftfeuchtigkeit und an eine Temperatur von 12 Grad gewöhnen. Dafür erhalten sie einen unvergesslichen Einblick in die Geschichte und Wirkungsweise einer Saline. Mein Respekt für die Ingenieure und die „Salzarbeiter" ist stark gestiegen.
Am Ende kann jeder in einem Museumsladen das gewünschte Produkt, etwa Bad Reichenhaller Salz, mit oder ohne Jod, kaufen. Es gibt auch Pastillen für den Hals.
Der nächste Spaziergang führt mich nun in den ältesten Teil der Stadt. Hier hat sich auf wenigen Hektar Fläche ein dörfliches Idyll erhalten. Kleine Schaufenster erinnern an untergegangene Läden, Efeubewachsene Fassaden, Malerei oder Terrakotta-Schmuck an den Häusern erfreuen das Auge. Am besten kann man das vom Florianiplatz aus betrachten. Kaum ein Auto stört den ruhig schauenden Fußgänger. „Der Florianiplatz ist ein typisch alpenländischer Platz mit großteils giebelständigen Häusern … Der Peter- und Paulturm ist einer der ehemals 14 Wehrtürme. So schreibt die Kur-GmbH in einem gut gemachten Flyer „Rundgang durch die Stadt Bad Reichenhall
. Wer will, steigt weiter hoch und kann dann von der mittelalterlichen Burg Gruttenstein einen Rundblick über den ganzen Ort genießen. Der Weg ist gar nicht so weit.
Auf dem Rückweg schaue ich mir die wichtigsten Kirchen der Stadt an. St. Nikolaus ist ein großer, etwas dunkel wirkender romanischer Bau. Berühmt ist er für seine Moritz-von-Schwind-Gemälde. Lange bleibe ich vor diesen eindrucksvollen Fresken und Tafeln stehen. St. Ägidi von 1159 war früher eine Karmeliterkirche und steht an der ruhigen Poststraße. Ihr Innenraum ist weiß und hell. Im Altarraum fallen drei kunstvolle Glasfenster auf. Sie zeigen Szenen aus der Stadtgeschichte. Kanzel und Hochaltar sind sehr verziert.
Etwas außerhalb der Innenstadt, aber noch gut zu Fuß erreichbar, finde ich St. Zeno im gleichnamigen Stadtteil. Das ehemalige Klostergebäude mit einer langen Geschichte wird heute u. a. als Schule genutzt. Die Kirche ist offen, und ich erlebe einen beeindruckenden großen Raum, dreischiffig, mit vielen Kunstwerken und uralten Grabmälern. Mit ihren 90 m Länge handelt es sich um die größte romanische Basilika Altbayerns. Zwei schöne Orgeln warten auf einen kundigen Spieler; leider kommt zurzeit keiner.
Noch erwähnen möchte ich das großartige Portal, fast so aufwendig gestaltet, wie ich es in französischen Kathedralen gesehen habe. Direkt an der Kirche duckt sich ein uralter Friedhof. Den berühmten Kreuzgang kann ich heute leider nicht sehen; er ist nur an wenigen Tagen geöffnet.
Einen sehr kleinen Innenraum hat die ehemalige Spitalkirche St. Johannes, mitten im Zentrum. Von außen unscheinbar, ist sie doch die älteste Kirche der Stadt. Kurz vor 17 Uhr warten hier zwei Dutzend Gläubige auf eine Messfeier. Andacht und Stille tun mir gut.
Auf dem Rückweg zum Hotel fällt mir der Bezug Bad Reichenhalls zum Wasser auf. Die Stadt hat etwa 70 Brunnen, von denen einige sehr originell gestaltet sind. Zudem laufen in den Fußgängerzonen kleine, erfrischende Bachläufe. Letztlich ist da noch der Fluss. Die Saalach führt viel klares Wasser; sie mündet später in die von Salzburg kommende Salzach.
Sicher auch noch sehenswert:
Das „Alte Rathaus".
Die Luitpoldbrücke.
Das Historische Saalachkraftwerk.
Das Kirchberger Schlössl.
Die Predigtstuhlbahn.
Die alte Stadtmauer.
Das Königliche Kurhaus.
Das Heimatmuseum.
Insgesamt: Ein beschauliches Städtchen mit ausgezeichneten Wander- und Ausflugsmöglichkeiten.
Nachschrift: Wenige Monate nach dieser Reise entdeckte ich das Buch „Der Ernstfall" von Dieter Wellershoff. Auf eindringliche Weise beschreibt der Autor seinen Kuraufenthalt von 1994 in Bad Reichenhall. Ich war verblüfft, wie sehr meine Eindrücke mit denen von Wellershoff übereinstimmten. Das Buch geht aber noch 50 Jahre weiter zurück, als der Autor dort im Krieg als junger Soldat eine Verletzung auskuriert, bevor er wieder an die Ostfront geschickt wird. Sehr lesenswert!