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RE:Befestigung

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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[bei den Griechen röm.: s. castra]
Band III,1 (1897) S. 185 (IA)–193 (IA)
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Befestigung.

I. Griechen. Unsere Kenntnis der B.-Kunst bei den Griechen beruht auf zweierlei Quellen: den Resten von Stadtbefestigungen und den Auseinandersetzungen des Philon aus der zweiten Hälfte des 3. Jhdts. v. Chr. Den Wert des sehr reichhaltigen Materiales der ersten Art beeinträchtigt der Umstand, dass über die Frage der Entstehungszeit [186] der ganzen Anlage oder der einzelnen Teile derselben ein sicheres Urteil nicht immer ausgesprochen werden kann; bei den Angaben des Philon lässt sich nicht immer feststellen, wie weit sie rein theoretischer Art sind.

Die ältesten Befestigungen in Griechenland stammen aus vorhomerischer Zeit; es sind die befestigten Königsburgen von Tiryns, Mykenai, Athen, die im wesentlichen nach denselben Grundsätzen angelegt sind: auf den Rändern einer Felskuppe, die an allen oder mehreren Seiten steil abfallen oder die künstlich abgeschrofft sind, sitzen gewaltige Mauern auf entweder massiv aus grossen Blöcken zusammengefügt, oder von kasemattenartigen Aufbewahrungsräumen durchbrochen, an manchen Stellen zu gewaltigen Bastionen verstärkt; sie umschliessen den auf dem höheren Teile des Plateaus gelegenen königlichen Palast und durch eine Mauer abgetrennt die niedriger gelegenen Wohnungen für das Gesinde, die Stallungen, Bergungsräume u. s. w. Der Mauerzug wird ausser von ein oder zwei kleinen, versteckt angebrachten Pförtchen, nur von einem grossen Thoreingang unterbrochen; der Zugang zu diesem führt, langsam aufsteigend, ein möglichst langes Stück unmittelbar unter der Burgmauer entlang, so dass die unbeschildete Seite des Angreifers flankiert wurde, und endet in einem langen Gange, der von der Burgmauer auf der einen, einer langen auf der Aussenseite des Weges vorgeschobenen Bastion auf der andern Seite gebildet wird (für alle Einzelnheiten vgl. Schliemann Mykenai. Steffen Karten von Mykenai. Adler bei Schliemann Tiryns IXff.). Zwei Grundsätze, die auch die spätere griechische B.-Kunst beherrschen, finden sich schon hier deutlich ausgesprochen: möglichster Anschluss der Mauerlinie an die gegebenen örtlichen Verhältnisse und künstliche Verstärkung der Zugänge, der schwächsten Punkte der Verteidigung, durch Herstellung von flankierenden Bauten.

Es lässt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen, wann und wo zuerst eine städtische Niederlassung mit einem schützenden Mauerringe von welchem Material auch immer umgeben worden ist; es scheint fast, als ob in der älteren Zeit weniger Nachdruck auf eine verteidigungsfähige B. der Unterstadt als auf den Besitz einer vor allen Dingen durch natürliche Festigkeit gesicherten Akropolis gelegt worden sei; erst in der Persergefahr um 560, so wird berichtet (Herod. I 141), hatten sich die kleinasiatischen Griechenstädte mit einer ‚Mauer‘ umgeben, und dass die Phokaeer in dieser Zeit durch die Munificenz eines Barbarenfürsten in den Stand gesetzt worden sind; eine Steinmauer um ihre Stadt aufzuführen, gilt als besonderer Erwähnung wert (Herod. I 163). Nach der Mitte des 5. Jhdts. wird es in Griechenland ausser Sparta wenige unbefestigte Städte gegeben haben, keine freilich, deren B. sich mit der Athens hätte messen können. Schon am Ende des 6. Jhdts. hatte die Stadt Athen ausser der befestigten Burg, deren Aufgang im Westen durch die ‚neun Thore‘ auf dem Pelargikon verteidigt wurde, eine Ummauerung gehabt, allein zur Zeit des Perserangriffes war dieselbe verfallen (damals scheint in Mittelgriechenland allein Theben eine leistungsfähige Stadt-B. gehabt zu haben, Herod. [187] IX 86). Die schon vor 490 begonnene B. der Hafenstadt wurde nach dem Kriege wieder aufgenommen und in massivem Mauerwerk zu Ende geführt, gleichzeitig eine neue, weiter herausgeschobene Mauer um die Stadt Athen in Angriff genommen, schliesslich die erweiterte Akropolis mit neuen Umfassungsmauern und einer vorgeschobenen Bastion an dem neu angelegten Aufgang verteidigungsfähig gemacht. Es waren somit auf eine Entfernung von rund einer Meile zwei befestigte Städte entstanden; allein mochte auch jede einzelne von ihnen durch Ausdehnung und Anlage so gut wie uneinnehmbar sein, es war doch zu befürchten, dass sich ein feindliches Heer zwischen beide legte, die Verbindung zwischen Stadt und Hafen dauernd oder auf längere Zeit unterbrach; daher wurden, vielleicht nach dem Muster von Megara der Peiraieus und die Stadt Athen durch zwei ‚lange Mauern‘ verbunden, und so eine dauernde Verbindung zwischen beiden hergestellt; die Burg konnte ihres Charakters als Citadelle entkleidet werden, an die Stelle des Festungsthores traten die Propylaeen. Mit diesen Anlagen war ein befestigter Platz geschaffen, gross genug, um der Bevölkerung Attikas in Zeiten der Not wohl oder übel Unterkunft zu gewähren, zu gross, um bei dem damaligen Stande der Belagerungskunst von irgend einem griechischen Heere dauernd und vollständig eingeschlossen zu werden. Der Katastrophe von 404 fielen die langen Mauern und die Hafen-B. zum Opfer, aber schon 395 war man wieder dabei, auf der Eetioneia auf den stehengebliebenen Fundamenten neue Mauern aufzuführen, 394 begann die Neu-B. des Peiraieus durch Konon. Was von Befestigungen der Hafenstadt erhalten ist, stammt im wesentlichen von diesem kononischen Neubau, der möglicherweise im wesentlichen die Richtung der Themistokleischen B. beibehielt: auf der Peiraieushalbinsel zieht sich an der Seeseite 20–40 m. vom Meere eine Füllmauer von 3–3,60 m. Stärke, auf je 70 m. von viereckigen, 4–6 m. vorspringenden Türmen unterbrochen, hin, der Zwischenraum zwischen Meer und Mauer ist für den Feind ungangbar gemacht; auf der ausgesetzteren Landseite ist eine massive Mauer aufgeführt, die an den gefährdetsten Stellen im Norden bis zu 8 m. stark ist; die Hafeneingänge waren durch gewaltige Molen, die auf ihren Spitzen Türme trugen, bis auf schmale Einfahrten gesperrt, den breiten Canal, der nach dem Zeahafen hereinführt, begleiteten die Mauern auf beiden Seiten und endeten in zwei vorspringenden Türmen. Den Abschluss der Hafen-B. bildet die durch mancherlei spätere Zubauten verstärkte Anlage auf der Eetioneia, die noch dadurch merkwürdig ist, dass die auf der Westseite fehlende Sturmfreiheit durch einen in den Fels gehauenen 10 m. breiten Graben geschaffen worden ist (wann das Castell auf der Höhe von Munychia angelegt ist, ist nicht auszumachen). Vgl. im einzelnen v. Alten Karten von Attika, Text Heft I 10ff. Bull. hell. XI 129ff. 202ff. XII 337ft. Wachsmuth Stadt Athen II 13ff. Die B. der Stadt Athen ist 404 unberührt geblieben, aber sie scheint im 4. Jhdt. allmählich verfallen zu sein, so dass erst mehrfache Ausbesserungen, schliesslich ein Neubau nötig wurde. Die wenigen noch [188] erhaltenen Reste lassen weder den Verlauf der Mauer im ganzen mit Sicherheit wiedererkennen noch genau feststellen, welcher Zeit die einzelnen Stücke angehören. Nach den deutlich erkennbaren Spuren auf dem Hügel im Westen war hier die Mauer 2–3 m. stark, mit viereckigen ausspringenden Türmen von 8 m. Tiefe und 13 m. Breite in Abständen von etwa 80 m.; die Anlagen in der Ebene am Dipylon, deren ursprünglicher Plan besonders stark durch spätere Ein- und Neubauten verändert ist, lassen das System der Thoranlagen deutlich erkennen, das sich an den beiden auf der Landseite der Peiraieus-B. befindlichen Thore wiederfindet: der äussere Thoreingang liegt in der Mauerlinie oder wird hinter dieselbe zurückgenommen und durch vorspringende Türme oder links durch die Mauer flankiert, er führt in einen viereckigen Thorhof von beträchtlicher Ausdehnung, welcher rings von Mauern umgeben ist und auf dessen Rückseite in der Achse des vorderen Einganges ein Ausgang nach innen führt (vgl. Kaupert M.-Ber. Akad. Berl. 1879, 608ff. v. Alten Athen. Mitt. III 28ff. Wachsmuth Stadt Athen II 197).

Besser als diese Trümmer veranschaulicht den Stand der älteren griechischen B.-Kunst infolge ihrer sehr guten Erhaltung die im J. 369 neuangelegte B. der Stadt Messene, welche sich an den Berg Ithome, die natürliche Akropolis der Stadt, anlehnt: eine meist massive Mauer von 2,50 m. Stärke, 4,50 m. Höhe trägt einen Wallgang von 2 m. Breite, zu dem auf der Innenseite der Mauer 1,25 m. breite Steintreppen hinaufführen; viereckige Türme von 6 m. Breite (nur in den vorspringenden Ecken sind sie rund) treten in Abständen von rund 100 m. 6–7 m. aus der Mauer heraus; sie sind bis zur Höhe des Wallganges massiv und enthalten ein oder zwei Stockwerke; das untere (oder einzige), aus welchem rechts und links eine Thür auf den Wallgang führt, hat vorne und an den Seiten Schiessscharten, in dem oberen statt deren mit Läden verschliessbare Fenster; ein Giebeldach bildete den Abschluss; einige einstöckige Türme sind noch in einer Höhe von 10½ m. erhalten. Das grosse auf der Nordseite gelegene Thor zeigt dieselbe Anordnung wie die Thore in Athen, nur dass der von 7 m. hohen Mauern eingeschlossene Hof einen Kreis von 19,7 m. Durchmesser bildet (Expédition scientif. de la Morée I Taf. 32. 37ff.). Fast gleichzeitig (vom J. 371) sind die noch erhaltenen Fundamente der B. von Mantinea, deswegen lehrreich, weil sie erkennen lassen, wie man sich behalf, wenn sich gar keine natürliche Unterstützung weder durch einen einzelnen, beherrschenden Hügel zur Akropolis, noch durch bewegtes Gelände für die Führung der Stadtmauer vorfand; da die Stadt mitten in der Ebene und völlig flach lag, erhielt die B. einen fast kreisrunden Grundriss und wurde nicht massiv aufgeführt, sondern so, dass auf einem rund 4 m. breiten Steinsockel eine Mauer von Lehmziegeln aufgeführt wurde. Sehr zahlreiche viereckige Türme von durchschnittlich 6,75 m. Breite springen im Abstände rund 26 m. ca. 4,50–5 m. vor die Mauer vor; ihre Rückseite liegt nicht, wie es sonst meist der Fall ist, in der Mauerlinie, sondern sie ragen stadtwärts gegen die Mauer vor. Auffallend ist [189] die grosse Zahl der Stadtthore (10), auf ihre Anlage ist ganz besondere Sorgfalt verwandt: entsprechend der Anordnung des alten tirynthischen Thores liegt die Thorgasse in der Richtung der Stadtmauer zwischen dieser und einer weit vorgeschobenen Bastion, die aber nicht äusserlich an die Stadtmauer angesetzt ist, sondern von der Stadtmauer selbst gebildet wird (Gell Proben antiker Städtemauern Taf. 35. Bull. hell. XIV 65ff. Taf. I).

Diese drei Beispiele reichen völlig aus, die Forderungen der älteren griechischen B.-Weise erkennen zu lassen: Mauern von hinreichender Stärke und Höhe, deren Sturmfreiheit durch Anschmiegen an die im Gelande vorgezeichneten Linien erhöht wird, Verstärkung schwacher Punkte, vor allem der Thore, durch besondere Werke, vorspringende Türme zur Flankierung der Mauer und Beherrschung des Vorterrains; alles dies genügte vollkommen, wenigstens was die äusserlichen Mittel anbetrifft, dem Feinde eine Blokade entweder zu verleiden oder doch sehr zu erschweren.

In völlig andere Anschauungen von den Aufgaben der Stadt-B. führen die Überreste der unter Dionysios 402–385 begonnenen und vollendeten B. von Syrakus. Schon der Umfang derselben, auf der Land- und Seeseite fast 27½ Km., ist ein so grosser, damals nach dem Falle Athens der grösste in ganz Griechenland, dass zur wirksamen Einschliessung das Zusammenwirken eines geradezu ungeheuren Landheeres mit einer beträchtlichen Flotte erforderlich gewesen wäre. Die Anlage der Werke selbst ergiebt ohne weiteres, dass es hier nicht mehr die Abwehr einer ‚gemütlichen‘ Blokade, sondern die Verteidung gegen einen förmlichen Angriff galt, der mit allen Hülfsmitteln des ‚modernen‘ Belagerungkrieges: Türmen, Sturmböcken, Unterminieren der Mauern, schwerem Geschütz operierte und von einem Gegner ausgeführt wurde, der, wie die Belagerungen der westsicilischen Griechenstädte am Ende des 5. Jhdts. gezeigt hatte, sich dieser Hülfsmittel mit ebenso grosser Meisterschaft wie zäher Energie bediente. Um die Stadt von der Seeseite gegen den Angriff der Karthager zu sichern, wurde die Insel Ortygia, die Akropolis der Stadt, mit einer doppelten Mauer umgeben; um ein Festsetzen und Vorgehen der Feinde auf dem Plateau von Epipolai (wie es seinerzeit die Athener gethan hatten) unmöglich zu machen, wurde dieses in seiner ganzen Ausdehnung in die neue B. hineingezogen und rings von Mauern umgeben, welche auf dem 15 m. und mehr steil nach der Ebene und dem Meere abfallenden Plateaurändern unmittelbar aufsassen. Aber einen schwachen Punkt hatte dies sonst unangreifbare Plateau: im Westen vereng es sich zu einem schmalen Sattel, auf dessen Südseite ein alles Umliegende überhöhendes Plateau liegt, und zieht sich nach den landeinwärts gelegenen Höhen hin, hier führte nördlich von der Erhebung des Euryalos die einzige Strasse von Westen in die Stadt: dies war der gegebene Punkt, wo der Angreifer einsetzen konnte und musste, hier hatten die Athener ihren letzten beinahe entscheidenden Sturm versucht. Diese Lücke zu sperren wurde das Fort auf dem Euryalos wenn auch nicht erst angelegt, so doch erweitert, es wurde der Schlussstein der ganzen Stadt-B. [190] Diese Anlage beherrscht nicht nur das ganze Epipolai, sondern auch die weiten Ebenen nördlich und südlich, den einzigen Verkehrsweg, der zu Land zwischen beiden vorhanden war, im Westen. Die Annäherung des Feindes mit seinen Türmen und Sturmböcken an die Mauer unmöglich, die Wirkung seiner weittragenden Geschütze unwirksam zu machen, sind drei breite, bis zu 9 m. tiefe Gräben in den Fels geschnitten, ganz oder fast ganz von Band zu Rand reichend, der äusserste liegt 170 m. weit vorgeschoben; erst hinter dem innersten dieser Gräben erhebt sich die gewaltige 6 m. starke Mauer, jetzt noch fast 10 m. hoch, an welche sich zwei grosse von Mauern eingefasste, im Süden durch einen tief eingeschnittenen Graben, dann durch den natürlichen Abhang geschützte Höfe anschliessen. Zu diesen Anlagen über der Erde kommt ein Netz von unterirdischen Gängen, welche von dem innersten Graben nach vorwärts und rückwärts, zum Teil auch nach oben führen; durch sie sammeln sich, unbemerkt vom Feinde, in dem innersten Graben Truppenmassen, um bei einem Angriff auf das nördlich unterhalb des Castells gelegene Thor dem Feinde in den Rücken und in die unbeschildete Flanke zu fallen (Diod. XIV 7. 10. Cavallari-Holm Topografia archeologica di Siracusa, deutsch von Lupus Die Stadt Syrakus im Altertum 46ff. 275ff.). Es ist gewiss nicht zufällig, dass das zweite Beispiel einer derartigen Anlage gleichfalls auf Sicilien liegt; es waren eben dieselben Feinde, deren es sich zu erwehren galt: die B. der 409 von den Karthagern eroberten Stadt Selinunt ist, wie neuerdings die Ausgrabungen gezeigt haben, durch Verstärkungen und Neuanlagen so hergerichtet, dass die Ähnlichkeit mit dem Euryaloscastell eine schlagende ist (vgl. den bis jetzt nur vorläufigen Bericht von Petersen Röm. Mitt. 1892, 186ff.).

Fast 50 Jahre später hat man in Griechenland die neuere Art der Belagerung praktisch kennen zu lernen die Gelegenheit gehabt, es erhob sich die unabweisliche Forderung, die für ganz andere Anforderungen gebauten Stadtbefestigungen durch Umbauten oder Neubauten diesen völlig veränderten Verhältnissen anzupassen. Ein lehrreiches Beispiel dafür, wie man sich den veränderten Umständen anpasste, bietet der Inhalt des Volksbeschlusses vom J. 307/6, der den Neubau der Mauern der Stadt Athen anordnet (CIA II 167, dazu Wachsmuth Stadt Athen II 203ff. Fabricius Berl. Philol. Wochenschr. 1884, 1118): auf einem Steinsockel von etwa 0,60 m, Höhe sitzt eine 3,27 m. starke Mauer aus Lehmziegeln auf, deren Höhe nicht angegeben ist; sie trägt einen etwas über 2 m. breiten, ebenso hohen Wallgang; derselbe ist vorne durch eine 0,60 m, starke Mauer geschlossen, in welcher etwa 0,90 m. über dem Fussboden je 0,60 m. aus einander Schiessscharten (0,45 m. hoch, 0,60 m. breit) gelassen sind. Auf dem inneren Rande des Wallganges sind Pfeiler aus Lehmziegeln aufgemauert, auf denen ein nach aussen geneigtes, mit einer Lehmschicht gegen Feuersgefahr geschütztes Dach ruht. Pallisaden und ein Graben befinden sich vor der Mauer. Der Wiederaufbau der langen Mauern ist bei derselben Gelegenheit angeordnet; danach waren es nur zwei Steindämme mit Füllung und daraufliegenden offenem Wallgang.

[191] Die Ergebnisse der für die Entwicklung des Festungskrieges und der Stadt-B. gleich Abschnitt bildenden makedonischen und hellenistischen Zeit hat Philon in seiner Schrift gezogen und zu einer förmlichen Fortificationslehre zusammengefasst. Danach hat die B. einer Stadt dreierlei Aufgaben: die Annäherung des Feindes mit schwerem Geschütz in die Nähe der Stadtmauer, dann mit Maschinen unmittelbar an die Stadtmauer möglichst zu verhindern, sodann die Mauer so anzulegen, dass die Curtinen und ihr Vorterrain von den sie einschliessenden Türmen möglichst bestrichen werden, schliesslich den Mauerkörper selbst gegen die Wirkung des groben Geschützes wie der Sturmböcke durch Anlage und Material möglichst widerstandsfähig zu machen. Der erste Zweck wird erreicht durch ein System von Gräben, das einen ebenso notwendigen Bestandteil jeder modernen B. bildet, wie in der älteren B.-Weise das Fehlen eines Grabens um die Stadt herum die Regel ist (die Anlage eines, noch dazu nassen Grabens um Mantinea ist eine ganz vereinzelte Erscheinung, veranlasst durch die traurigen Erfahrungen der Belagerung von 395, vgl. Xen. hell. V 2, 4): mindestens drei Gräben nicht unter 31 m. breit sind, der innerste fast 30 m. von der Stadtmauer, die beiden andern in einem Abstand von je 17½ m., auszuheben, die so gewonnene Erde zu Dämmen aufzuschütten, die mit Pallisaden besetzt werden; der noch übrig bleibende Raum zwischen den beiden äusseren Wällen sowie noch eine Strecke weit feindwärts vom äussersten Graben ist mit Pfählen, Dornsträuchen, eingegrabenen und leicht verdeckten Töpfen ungangbar zu machen. Der innerste Damm, das Proteichisina, aussen mit Steinen verkleidet, ist mit einer Mauer und schräg am Eskarpenfusse eingegrabenen Pallisaden noch besonders zu befestigen, hinter ihm sind Geschützbettungen anzubringen. Der Raum zwischen ihm und der Stadtmauer dient als gedeckter Gang zur Ansammlung von Truppen. Die aus den Stadtthoren führenden Strassen dürfen nicht in einer geraden, ununterbrochenen Linie diese Gräben durchschneiden, sondern werden hinter jedem Erddamm ein Stück seitlich geführt. Eine möglichst wirksame Flankierung der Curtinen, d. h. der zwischen den Türmen liegenden Mauerabschnitte, ist durch verschiedengestaltete Tracés zu erreichen, deren Wahl von der Beschaffenheit des Geländes abhängt. Die Curtine ist so anzulegen, dass sie stets von den beiden einschliessenden Türmen bestrichen werden kann, und es ergiebt das nicht nur eine verschiedene Richtung der Türme zur Curtine, sondern beeinflusst auch den Grundriss der Curtine; so erhält man eine ganze Reihe verschiedener Grundrisse: maeanderförmig, in Gestalt einer Säge, aus Halbkreisen mit nach innen zurückgezogenen Curtinen, doppelt, schräg u. s. w. Die Praxis der erhaltenen Stadtbefestigungen zeigt, dass es weitaus das gewöhnlichste war, die Curtinen in gerader Richtung von Turm zu Turm zu ziehen, die Türme in nicht zu grossen Abständen von einander an die von Natur vorgezeichneten Stellen zu setzen; die künstlichen Formen, die Philon nennt, finden sich sehr selten: ein sägeförmiges Tracé ist in der B. von Samothrake, einem Stück der Mauer von Kolophon, [192] stufenförmig zieht sich die Mauer von Thasos und Alt-Iasos hin, bei letzterem noch in eigentümlicher Weise durch vorspringende halbrande Türme verstärkt und durch zahlreiche Pforten durchbrochen (Athen. Mitt. XV 144ff.). Die Mauer selbst soll nach Philons Vorschrift mindestens 9 m. hoch sein (die höchsten erhaltenen Mauern, die von Assos, stehen noch fast 18½ m.), eine Stärke von 4½ m. haben; sie ist entweder massiv aufzuführen, oder es sind in ihr gewölbte, nach hinten offene Räume auszusparen zur Unterbringung von Mannschaft oder Geschützen. Der Wallgang, der offen oder gedeckt sein kann, braucht nicht die ganze Breite der Mauer zu betragen. Das beste Beispiel solcher mehrstöckigen Stadtmauern, für welche Philon die B. von Rhodos als Muster anführt, sind die Mauern von Side. Die Mauer 3,60 m. stark, innen durch Pfeiler von 5 m. Abstand verstärkt, trägt einen Wallgang von 1,70 m. Breite; auch die Aussenmauern dieses oberen Stockwerkes sind durch Pfeiler von 0,60 m. Breite verstärkt, die den halben Abstand der unteren Pfeiler haben; zwischen je zwei Pfeilern sind zwei Schiessscharten, eine (1,10 zu 0,10) in der Mitte, eine halb so hohe und breite in einer Ecke am Pfeiler. Ein offener Wallgang bildet das oberste mit Zinnen gekrönte Stockwerk. An manchen Stellen ist späterhin das Erdgeschoss noch dadurch verstärkt worden, dass Gewölbe von 7 m. Abstand innen angelegt sind, wodurch der Wallgang des mittleren Stockwerkes um 2 m. verbreitert ist. Eine ähnliche Disposition, abgesehen von dem nicht mehr erhaltenen obersten offenen Wallgang zeigt die B. von Perge: die Mauer unten 2 m. stark, ist verstärkt mit innen angelegten Verstärkungspfeilern, welche 4,15 m. auseinander stehen, oben 4 m. über dem Fussboden befindet sich ein Wallgang 1,50 m. breit, abgeschlossen vorne durch eine mit Schiessscharten versehene Mauer von 0,60 m. Zwischen je zwei Pfeilern ist ein Tonnengewölbe gespannt, in welchem auf dem Wallgange Thüren von 0,60 × 1,90 m. ausgespart sind, wodurch ein fortlaufender Gang auf der ganzen Mauer hergestellt wird (vgl. G. Lanckoronski Städte Pamphyliens und Pisidiens I 129, 63, dazu die Abbildung S. 39; die Mauern von Side ungenau abgebildet bei Beaufort Karamania 139). Die Türme, auf viereckiger Basis mit mehrwinkligem oder rundem Oberbau, von mindestens 4½ m. Mauerstärke, sollen nicht eine breite Seite wie die meisten erhaltenen Befestigungen, nach aussen haben, sondern zum Zwecke wirksamer Flankierung wie grösserer Sicherheit gegen die Stösse der Belagerungsmaschinen und des Geschützes so an die Mauer anlehnen, dass eine oder mehrere Ecken feindwärts gekehrt sind; im Erdgeschosse der Türme sind für schwere Geschütze kasenmattenartige Räume, nach hinten geöffnet, anzulegen. Im ganzen Verlauf der Mauer sind dicht über den Mauerfuss wie auch in den oberen Stockwerken Schiessscharten, auch für grobes Geschütz geeignet, einzubrechen, deren Unterseite nach auswärts geneigt eine wirksame Beschiessung des ‚toten Winkels‘ am Mauerfuss ermöglicht. Kleine Ausfallpforten, wie sie die erhaltenen Befestigungen, z. B. Mantinea, Alt-Iasos, zeigen, sind wo möglich zwei neben jedem Turm anzulegen, so [193] dass die eine zum Ausrücken, die andere zum Wiedereinrücken der Mannschaften dient. Stadtwärts der B. soll eine Wallgasse von fast 40 m. freibleiben, in der Praxis begnügte man sich mit weniger, man kam mit 3 und 5 Fuss aus (Dittenberger Syll. 308. 309). Als Material für den Bau der Mauer empfiehlt Philon Bruchstein ebenso wie Lehmziegel; die Anwendung des einen oder des anderen Materiales wird vor allem von localen Bedingungen abgehangen haben; es ist gewiss nicht zufällig, dass in Boiotien die B. mit Lehmziegeln besonders haufig wiederkehrt, dass sie sich bei Mantinea wie Tegea, findet, dass der Stymphalier Aineias (um 360) sie als die gewöhnliche voraussetzt (vgl. im allgemeinen über Stadt-B. im gechischen Altertum Rüstow und Köchly Gesch. des gr. Kriegswesens 196ff. 405ff. Rochas d’Aiglun Principes de fortification antique 1881. Graux und Rochas d’Aiglun Rev. phil. N. S. III 108ff. Ausgabe der Abschnitte über B. aus Philons fünftem Buch mit Erläuterungen).

Zu diesen Anlagen, deren Aufgabe es ist, die Landeshauptstadt unmittelbar gegen einen Angriff zu sichern, treten noch häufig fortificatorische Anlagen zum Schutz der Landesgrenze; es lassen sich zwei verschiedene Arten erkennen: Warttürme und Castelle oder eine förmliche Grenzesperre. Das Ursprüngliche war wohl, auf hochgelegenen Stellen, die die im Thale vorbeiziehende Strasse beherrschen, an der Landesgrenze entlang Warttürme aufzuführen, vielleicht weniger zur dauernden Beherrschung der Strassen als zur Alarmierung beim Anmarsch des Feindes; um solche Türme wurden einfache Burghöfe mit Wohnräumen und Cisternen u. s. w. angelegt wie auf Amorgos (Ross Inselreisen II 43), oder an die Stelle eines Wartturmes oder eines Burghofes trat ein Castell, nach den Principien der Stadt-B. angelegt, wofür Oinoe (gewöhnlich Eleutheriae genannt) das beste Beispiel ist (Erbkam Ztschr. für Bauwesen XXIX 285 u. Taf. 44). Die ganze Grenze von Attika war mit einer Kette solcher Castelle besetzt: Sunion, Thorikos, Rhamnus auf der Seeseite, Dekeleia, Phyle, Panakton, Oinoe landeinwärts, als Abschluss die Burg von Eleusis und Budoron auf Salamis. Eine Grenzsperre, d. h. die Abschliessung der Grenze ganz oder teilweise durch Mauern und Türme mit Hineinziehung der natürlichen Hindernisse findet sich in Attika, wo gegen die thriasische Ebene von den Rheitoi erst auf dem Aigaleos eine Reihe von Türmen sich hinzieht, dann die Senkung zwischen Aigaleos und Parnes durch eine von Türmen unterbrochene Mauer gesperrt ist (Curtius und Kaupert Karten von Attika Heft II 44). Eine ähnliche Grenzmauer mit Türmen zieht sich von der in Stadt Pergamon nach Norden (vgl. auf dem Plan in Petermanns Mitteilungen Ergänzungsheft 94 Taf. I). Genaueres über die Anlagen zur Landesverteidigung in Droysen Heerwesen und Kriegführung der Griechen 257ff.

II. Über römische Befestigungskunst vgl. den Artikel Castra.