Geschrieben am 15. März 2016 von für Bücher, Crimemag, News

Tatsachenroman: Chloe Hooper: Der große Mann

hooper_der_grosse_mannReise in das finstere Herz eines Landes

– In seiner Reihe über „crime fiction from down under“ beschäftigt Alf Mayer sich nach einem Besuch bei Garry Disher (CM-Text hier) dieses Mal mit einem Buch von Chloe Hooper, das einen Tod in Polizeigewahrsam zum Anlass nimmt, sich mit noch größeren Verbrechen auseinanderzusetzen – nämlich der schuldbeladenen Geschichte der weißen Besiedelung Australiens und dem Verhältnis der Weißen zu den Ureinwohnern des Kontinents. Ein wichtiges Buch, auch  für Deutschland im Frühjahr 2016, findet AM.

Eine junge Schriftstellerin, die länger im Ausland gelebt hat, kehrt in ihr Land zurück. Um es näher kennenzulernen, reist sie in dessen schwarzes Herz, begleitet sie einen Straf- und Ermittlungsprozess, wie es in Australien noch keinen gegeben hat – den ersten Prozess, bei dem ein weißer Polizist wegen des Todes eines Ureinwohners in Polizeigewahrsam vor Gericht gestellt wird. Am Ende dieses Verfahrens, so schreibt sie, hat sie weit mehr über ihr Land erfahren, als ihr lieb gewesen wäre.

Chloe Hooper lässt uns in „Der große Mann“ (The Tall Man) daran teilhaben. Ihre große literarische Expedition von 2008 gilt in Australien bereits heute als Klassiker, wurde letzten Jahres hervorragend ausgestattet und mit 19,95 AUD formidabel günstig als Hardcover in der Reihe „Penguin Australian Classics“ wieder aufgelegt. In Deutschland, so finde ich, könnte diese kühle und zugleich poetische, skrupulöse Studie des alltäglichen Rassismus zu keinem geeigneteren Zeitpunkt erscheinen als in diesen Wochen. Es ist ein Ausnahmebuch, politisch, klug und schön dazu. Kein Wunder, dass ein Schriftsteller, nämlich Michael Kleeberg, die Übersetzung besorgt hat.

hooper_In_the_Spirit_of_Crazy_Horse_book_coverEher müßig scheint es mir, über die Klassifizierung als „Tatsachenroman“ zu diskutieren. „Der große Mann“ spürt tatsächlichen Ereignissen und Gesellschaftsverhältnissen nach, hat reale Personen und einen realen Fall zur Grundlage. Upton Sinclair hat sich so der Wirklichkeit angenähert, Norman Mailer (etwa in „Armeen der Nacht“ oder „Auf dem Mond ein Feuer“), Hunter S. Thompson, Tom Wolfe, Vassilis Vassilikos („Z“) oder Truman Capote („Kaltblütig“, 1965). Das Etikett „True Crime“ greift hier gewiss zu kurz, auch „ethnografische Studie“ träfe es nicht. Hier wird nicht nur beobachtet, hinterfragt und erzählt, hier macht Literatur im besten Sinne die Verhältnisse sichtbar. Hier schreibt jemand auf dem Niveau von Francisco Goldmans „Die Kunst des politischen Mordes“ (Rowohlt, 2011) oder Peter Matthiessens „In the Spirit of Crazy Horse“ über den Fall Leonard Peltier (1983).

Verletzungen wie bei einem Flugzeugabsturz

Der Hintergrund: Am 19. November 2004 wird auf Palm Island der 34 Jahre alte Aborigine Cameron Doomadgee festgenommen, weil er angeblich einen Polizisten beleidigt hat. Vierzig Minuten später liegt er tot in seiner Zelle, mit Verletzungen wie jemand, der in einen Autounfall oder einen Flugzeugabsturz verwickelt war. Laut Polizeiangaben ist er auf einer Stufe ausgeglitten, der amtlich bestellte Pathologe kann kein Zeichen von Gewalteinwirkung feststellen – doch Camerons Leichnam weist schwere innere und äußere Verletzungen auf, einen Leberriss, vier gebrochene Rippen, ein angeknackstes Rückgrat, Kopfverletzungen. Hauptverdächtiger: der charismatische Polizeibeamte Christopher Hurley, vor Kraft nur so strotzend, groß gewachsen, so groß, dass man zu ihm aufschauen muss wie zu jemand, der auf einem Pferderücken sitzt. Seine ganze Karriere über arbeitet er schon mit Aborigines, nun scheint ihm eine Sicherung durchgebrannt zu sein. Wie ist es, mit der dünnen Schale der Zivilisation? Mit dem Rassismus der vorgeblichen oder tatsächlichen Helfer?

Die „Royal Commission into Aboriginal Deaths in Custody“ – die höchste, von lokalen Gegebenheiten weitgehend unbeeinflußte Untersuchungsinstitution Australiens – hatte 1991 für einen Zeitraum von zehn Jahren neunundneunzig Todesfälle untersucht und kam zu dem Schluss: „Wenn Weiße in Polizeigewahrsam im selben Verhältnis gestorben wären … hätten wir es mit fast 9.000 Toten zu tun.“ Aber die Kommission fand keinen Beweis, dass einer der Todesfälle das Ergebnis krimineller Machenschaften war. Es war eher so, dass Aborigines in den Gefängnissen chronisch überrepräsentiert waren (sie stellen 2,4% der Bevölkerung, aber 22% der Gefängnisinsassen; während in Deutschland 79 Gefangene auf 100.000 Einwohner kommen und im weißen Australien 130, so sind es im Aborigine-Australien 1.914, das 24-fache hiesiger Werte ), sich häufig in einem denkbar schlechten Gesundheitszustand befanden und ihnen während der Inhaftierung keine angemessene Behandlung zuteil wurde. Im Allgemeinen war die Untersuchung dieser Todesfälle sehr oberflächlich gewesen, aber jetzt, dreizehn Jahre, 2004, später gibt es strikte Regeln, die der Polizei genau vorschreiben, was sie wann zu tun hat, wenn jemand wie Cameron Doomadgee in Polizeigewahrsam stirbt. Der blinde Fleck freilich ist immer noch groß genug. Zu groß. Zu dunkel. Christopher Hurley wird nach langem Verfahren freigesprochen, wird von seinen Cop-Kollegen und von unverhohlen rassistischen Unterstützern wie ein Held gefeiert, wird an die Goldküste versetzt, was man wie eine Belohnung verstehen kann. Zur Zeit sei er wohl, sagte mir Chloe Hooper Ende Januar, wegen verschiedener Vorkommnisse vom Dienst suspendiert, so habe er aus einem fahrenden Auto auf Verdächtige geschossen.

„Findest du Australien farbig?“

Chloe Hooper sieht sich das Verfahren auf Palm Island und dann in Townsville an. Recherchiert, hört und sieht sich um. Sie ist eine sehr genaue Beobachterin, unaufgeregt, offen für Ambivalenzen und Grautöne. Einfache Antworten findet und gibt sie nicht. Sie ist vor Ort. Beim Prozess. Bei der Wiederaufnahme. Beim Freispruch. Bei der Demonstration mit 2.000 Polizisten. Sie unternimmt Reisen in die Grenzorte des australischen Nordostens, reist an den Golf von Carpentaria, in die früheren Dienstorte Hurleys, in die Aborigines-Slums. Wohnt bei den Familien. Sie begibt sich in eine Welt, die viele weiße Australier nachhaltig ausgeblendet haben. Die allermeisten Touristen erst Recht. „Findest du Australien farbig?“, fragt sie mich, als wir uns in Melbourne treffen. Als ich etwas von den vielen Asiaten sage, lächelt sie. Das meine sie nicht. „Wie viele Aborigines siehst du? Und wenn, in welchen Zusammenhängen? Dieses Land ist gesäubert. Da ist etwas weithin ausgelöscht.“

hoopder_abor1Sie sagt: „Als ich in den Achtzigerjahren zur Schule gegangen bin, lernten wir nichts über die Geschichte der Aborigines. Und man wurde wirklich darin unterstützt, keine Schuld zu empfinden. All die Gewaltzusammenhänge der Besiedlung Australiens durch die Weißen waren niemals Thema.“ Irgendwie, erzählte Chloe Hooper, habe man in der Schulzeit aber doch einige grundlegenden Tatsachen mitbekommen. „Wir wussten, dass das Land von zentraler Bedeutung für die Identität der Aborigines ist, dass sie sich selbst als untrennbar von ihm verstehen. Kein Land, das heißt so viel wie keine Traumzeit, keine Verbindung mit der Milchstraße und dem Universum, mit der Natur. Keine Traumzeit, das heißt keine Identität. Ein Leben ohne Sinn. In der sogenannten ‚Wilden Zeit‘ wurde den Aborigines ihr Glauben und ihre Religion genommen, wurde ihnen unsere Kultur aufgezwungen – oft ganz brutal. Das ist unsere Erbsünde als Australier.“

Den Mund mit Seife ausgewaschen

Für den Ort, von dem „The Tall Man“ handelt, gilt das ganz besonders – Palm Island, genauer: Great Palm Island. 55 Kilometer nordöstlich von Townsville am Barrier Reef gelegen, eigentlich ein Tropenparadies. Bis in die frühen 1970er war die Insel ein Straflager für Tausende von Aborigines, ein Ort der Verbannung. Ein Tropen-Gulag. Hierher abgeschoben wurde, wer nicht in die weiße australische Gesellschaft passte, auffällig oder renitent war, krank oder kriminell oder ein Mischling, ein „Achtelneger“, „Mulatte“, wie immer die Bezeichnungen dafür lauteten. Aborigines aus mehr als 50 verschiedenen Stämmen – und damit auch Kulturen – mussten und müssen hier miteinander klar kommen. Ihre Sprachen durften sie nicht mehr sprechen, ihre Bräuche nicht mehr ausüben. Essen gab es militärisch streng zum Signal eines Glockenturms, wer zu spät kam, blieb hungrig. Kinder, die man dabei erwischte, wie sie in Stammessprache redeten, bekamen den Mund mit Seife ausgewaschen. Prügel gehörten zum Alltag.

1999 erklärte das „Guiness Buch der Rekorde“ die Insel zum „gewalttätigsten Ort der Welt außerhalb einer Kriegszone“. Ende der 1990er Jahre lag die Mordrate dort 15 Mal höher als ansonsten im Bundesstaat Queensland. Die Lebenserwartung betrug 40 Jahre, die Selbstmordrate bei Jugendlichen war die höchste der Welt. Die Arbeitslosigkeit lag bei 92 Prozent. Mit etwas über 3000 Einwohnern ist Palm Island eine der größten Aborigines-Gemeinschaften Australiens und „der wildeste Ort, an dem ich je gearbeitet habe“, sagte mir eine altgediente Krankenschwester. Chloe Hooper hört in beiläufigem Ton vorgetragene Horrorgeschichten von der Insel. Im Streit um ein Glas Bier hat ein Mann seinen Bruder beinahe umgebracht, eine Frau hat einer anderen eine Lippe abgebissen, ein Mann hat seine Freundin mit Benzin übergossen und angezündet. Junge Männer begehen hier drei Mal öfter Selbstmord als auf dem Festland. Die Hälfte der Männer stirbt vor dem 50. Lebensjahr. „Die Insel“, schreibt Chloe Hooper, „war ein schwarzes Loch, in das Menschen hineingefallen waren.“

Wo der Asphalt sich aufrollt

Für Senior Sergeant Hurley, den Polizeichef von Palm Island, ist all dies ein natürliches Umfeld. Unter seinem Befehl stehen sechs weiße Polizisten und ein schwarzer Kontaktbeamter. Er ist „der Boss“, hat in wenigen Jahren eine rasante Karriere hingelegt. Er ist ein Grenz-Mann (wie es sie auch im Wilden Westen Amerikas gab). Er ist einer von denen, die – das britische Imperium lässt grüßen – in die Wildnis gehen, um später zuhause einen besseren Job zu bekommen, um aufzusteigen. Hurley hatte sich, so beschreibt es Chloe Hooper, „zu einer Kreatur des tiefen Nordens gewandelt, zu einem Spezialisten für die Ränder der sogenannten Zivilisation, Aborigine-Siedlungen und Grenzstädte auf Kap York oder am Golf von Carpentaria. Orte, wo die Straßen und Tage schimmerten, als lebe man in einem permanenten Fiebertraum – allumfassend, mit einer latenten Bedrohung. Es war wie eine perfekt inszenierte Halluzination … Das waren die tiefen Tropen, wo der Asphalt sich in der Hitze aufrollte und die Häuser schon beim Richtfest baufällig aussahen. Erst wenige Jahre zuvor hatte man dort die Porträts der Queen und die Karten, die das Empire zeigten, von den Wänden der Klassenzimmer genommen. Englische Missionare waren 1871 nach Thursday Island gekommen, um die Eingeborenen zu lehren, was ‚Scham‘ ist, ihnen beizubringen, Kleider zu tragen und – mehr oder weniger – mit allen Bräuchen der dunklen Zeit aufzuhören, als da wären: Kopfjägerei, Götzenanbetung und Hexerei. Die Ankunft der Missionare wurde noch immer jedes Jahr von den Bewohnern und christlichen Besuchern mit der Zeremonie ‚Die Ankunft des Lichts‘ gefeiert. Ein Boot ruderte durch die Korallenriffe und Mangrovensümpfe und brachte die Frohe Botschaft an Land, danach gab es einen Gottesdienst, Getrommel und ein Festessen mit anschließendem Tanz.“

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Die Ortschaften dieses Nordens, beobachtet Chloe Hooper, haben sich in Armengettos verwandelt, mit Alkoholismus, Benzinschnüffeln, Brutalität, Verhaftungen und frühem Tod. In diesen Gemeinden und in den umliegenden Städten, Cooktown, Laura, Burketown, hatte Hurley eine Nische für sich gefunden. „Dort gab es die letzten Rückzugsgebiete für Rassisten, Krokodiljäger, Kriegsveteranen, Eremiten und alle Arten von Esoterikern, außerdem lebten dort junge Lehrerinnen und Krankenschwestern und Polizisten, die feiern wollten“ Hurley hatte sich freiwillig für diese Gegend gemeldet, die Ortsansässigen scheinen ihn zu mögen. Er ist freundlich und kann gut mit Kindern, mit denen er herumalbert oder Sport treibt. Auch die Alten mögen ihn, denn er schützt die Großmütter vor jungen Männern, die sie bedrohen, um an ihre Kreditkarten zu kommen.

watson_the-bushWenn man selbst verwildert

Das Buch fragt: „Wird ein Polizist aus den gleichen Gründen von der Wildnis angezogen wie ein Missionar? Erliegt der Polizist dem Reiz der Gesetzlosigkeit wie der Missionar dem der Gottlosigkeit?“ (Im Original: Does a cop get the same rush from lawlessness than missionaries get from godlessness?) Die Wildnis zeigt einem – Joseph Conrad postulierte das auch für die See -, wer man ist. Sie befreit von allem Komfort eines hübschen Hauses in einer hübschen Straße mit einer hübschen gottesfürchtigen Familie. Chloe Hooper: „Vielleicht verwendet mancher Polizist seine blaue Uniform genauso wie ein Missionar sein Kruzifix.“ Sie fragt weiter: „Steht der Polizist dann vor demselben Dilemma wie der Missionar? Was tun, wenn die Sünde ansteckend ist? Was geschieht, wenn man im Kampf gegen die Wilden selbst verwildert?“

hooper Palmisland 1930 5Sie zitiert Norman Mailer (aus „Heere aus der Nacht“): „Cops sind voller explosiver Widersprüche. Eigentlich sollten sie das Gesetz hüten, aber manche glauben, sie wären selber das Gesetz.“ Sie muss an George Orwell denken und seinen Essay „Shooting an Elephant“ über seine Zeit als britischer Polizist in Burma: „Ich verstand in jenem Augenblick, dass der weiße Mann, wenn er zum Tyrannen wird, seine eigene Freiheit zerstört. Er wird zu einer Art hohlem, posierenden Strohmann … Denn ist die Bedingung seiner Herrschaft, dass er sein Leben damit verbringen wird, zu versuchen, die ‚Eingeborenen‘ zu beeindrucken … er trägt eine Maske, und sein Gesicht verändert sich, bis es zu ihr passt.“

Diese Maske, das ist der Große Mann aus der Mythologie der Aborigines – verdichtet dargestellt in einem Prolog, den man nicht so schnell vergessen wird -, ein Wesen, das viele Formen annimmt, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Der Große Mann kommt in vielerlei Gestalt, sagen die Leute. Er kann seine Form verändern, aber wenn er einen am Boden hat, dann ist, ob man schwarz oder weiß ist, das Grauen dasselbe.

ahooper_verlobungahooper maerchen_eine_wahren_mordes-9783833301292_xxlPS: Chloe Hooper, 1973 in Melbourne geboren, hat sich mit nur zwei Romanen Weltruf erschrieben, ist eine der großen Autorinnen Australiens, ihre Essays erscheinen zum Beispiel im Melbourner“ „The Monthly“, einer der letzten unabhängigen Zeitungen des Landes. Zusammen mit Don Watson, einem der bedeutendsten politischen Autoren des Landes, hat sie zwei Kinder. Dessen Kulturgeschichte „The Bush“, die Australiens Besiedlungsgeschichte und Gründungsmythen ähnlich scharf seziert wie Richard Slotkin das mit den Vereinigten Staaten getan hat, wird in noch in der Reihe über „crime fiction from down under“ vorgestellt werden.

PPS. Chloe Hoopers Romane heißen: „Märchen eines wahren Mordes“ (A Child’s Book of True Crime, 2002), Berlin Verlag 2003, und „Die Verlobung“ (The Engagement, 2012), Liebeskind 2013. Beide operieren sie jenseits aller Genreschablonen. „If someone says to me, your books are fucking with my brain, I take that as a compliment“, lachte sie beim Treffen.

PPPS. In ganz Australien, führt Chloe Hooper in „Der große Mann“ aus, hatte man die ersten Weißen für die Geister von Angehörigen gehalten, die von den Toten zurückkehrten. Im nördlichen Queensland, schrieb der Anthropologe W.E. Roth 1903, ließen sich viele Namen für „weißer Mensch“ in Worte wie „Zombie“, „Gespenst“, „Leiche“ oder sogar „Grab“ zurückübersetzen. Und natürlich bekamen diese Namen einen bitteren ironischen Beigeschmack. Die Aborigines zeigten den weißen Gespenstern, wo das Wasser war. Die kamen dann mit Schaf- und Viehherden und breiteten sich auf den angestammten Jagdgründen und heiligen Stätten aus. Sie nahmen sich schwarze Frauen. Und jeglicher Akt des Widerstands seitens der Aborigines wurde mit ungleich härterer Gewalt beantwortet. „Erschießt die, an die ihr nicht rankommt, und hängt diejenigen, die ihr gefangen nehmt, am nächsten Baum auf, als abschreckendes Beispiel für die anderen“, forderte die „Northern Territory Times“ im Jahre 1875. Die Bewohner der Golfregion, woher Cameron Doomadgees Familie stammte, nannte das die „Wilde Zeit“.

PPPPS. Immer wieder sinniert Chloe Hooper über das Verhältnis von Weißen und Schwarzen, erst auf Seite 154 im Original, in einem Billardsaloon in Burketown, nennt sie zum ersten Mal die Aborigines „blackfellas“ – in der Übersetzung bleiben es einfach „junge Schwarze“. In Australien ist blackfellas ein Wort wie Nigger, mit eben jenen Implikationen. Man kann es quer durch Australien an beinahe jedem Pub-Tresen in aller Abfälligkeit hören. Gleichzeitig ist es als Selbstbezeichnung ein Wort des Stolzes, das dem Rassismus die Stirn bietet.

Alf Mayer

Chloe Hooper: Der große Mann. Leben und Sterben auf Palm Island (The Tall Man,2008). Aus dem Englischen von Michael Kleeberg. Liebeskind, München 2016. 368 Seiten, 22,00 Euro. Verlagsinformationen zu Buch und Autorin. Chloe Hoopers Porträt einer australischen Flüchtlingsaktivistin für CrimeMag hier.

Ein Dokumentarfilm nach dem Buch von Chloe Hooper entstand im Jahr 2011, Regie: Tony Krawitz.

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