Der bei einem historischen Gefangenenaustausch nach Russland abgeschobene „Tiergartenmörder“ Vadim Krassikow war zuletzt in Baden-Württemberg inhaftiert. Wie ein Sprecher von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) auf Anfrage unserer Redaktion bestätigte, saß Krassikov in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Offenburg.
Krassikow war 2021 in Berlin wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Laut Urteil hatte der Russe am 23. August 2019 im Kleinen Tiergarten in Berlin im Auftrag staatlicher russischer Stellen einen Georgier tschetschenischer Abstammung heimtückisch erschossen, der in Deutschland Schutz gesucht hatte.
Tiergartenmörder saß zunächst in Tegel, dann in Straubing
Nach seiner Verurteilung trat Krassikow seine Strafe zunächst in der Berliner Haftanstalt Tegel an. Später soll er nach Angaben der Berliner Justiz in „ein anderes Bundesland“ verlegt worden sein. Berichten zufolge soll in Akten die „Sonderanstalt Abschiebehafteinrichtung“ im brandenburgischen Eisenhüttenstadt vermerkt worden sein.
Im Zuge der Vorbereitungen des großangelegten Gefangenenaustauschs des Westens mit Russland wurde offenbar, dass er längere Zeit in der JVA Straubing in Niederbayern einsaß.
Ich verantworte ein bitteres ZugeständnisMarco Buschmann
Bundesjustizminister
Da der Auftragskiller nach dem Willen der Bundesregierung offiziell nach Paragraf 456a der Strafprozessordnung im Rahmen einer ausländerrechtlichen Maßnahme abgeschoben wurde, war deshalb einerseits die Ausländerbehörde der Stadt Straubing einbezogen. Als zuständige Vollstreckungsbehörde musste andererseits die Karlsruher Bundesanwaltschaft den rechtlichen Weg für die politische Entscheidung frei machen.
Bundesanwaltschaft äußert sich nicht zu Meinungsverschiedenheiten
Eine Sprecherin von Generalbundesanwalt Jens Rommel sagte dieser Redaktion auf Anfrage, man habe gemäß Paragraf 456a „von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe abgesehen“. Zu möglichen Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Freilassung des Mörders wollte sich die Karlsruher Behörde nicht äußern.
Zuvor hatte Bundesminister Buschmann erklärt: „Ein besonders bitteres Zugeständnis verantworte ich als Justizminister. Um 16 Menschen ein neues Leben in Freiheit zu ermöglichen, haben wir einen verurteilten Mörder nach Russland ausgewiesen. Das deutsche Recht eröffnet diese Möglichkeit. Davon haben wir Gebrauch gemacht.“
Die Überführung des sogenannten Tiergartenmörders von Offenburg nach Moskau dürfte derweil jedem Agententhriller zur Ehre gereichen.
Von Offenburg über Söllingen nach Ankara und Moskau
Wie der „Spiegel“ zuerst berichtete, wurde Krassikow zunächst von Beamten der Polizei-Spezialeinheit GSG 9 zum Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden nach Rheinmüster-Söllingen gebracht – 50 Kilometer von der JVA entfernt. Vom Baden Airpark hoben demnach am Donnerstag gegen 13 Uhr zwei von der Bundesregierung gecharterte Gulfstream-Privatjets mit dem Ziel Ankara ab.
Eric Blechschmidt, Leiter des Bereichs Aviation beim Baden Airpark, konnte auf Anfrage die Flüge nicht bestätigen. „Solche Flüge werden über die Eigentümer der Jets abgewickelt. In der Regel erfahren wir nichts über die Auftraggeber“, so Blechschmidt.
Im Übrigen seien Flüge mit Maschinen des Herstellers Gulfstream keine Seltenheit auf dem Regionalflughafen im Landkreis Rastatt. Nach Angaben des Betreibers entfällt lediglich ein Drittel der Flugbewegungen am Baden-Airpark auf klassische Linienflüge.
Tiergartenmörder von Putin warmherzig empfangen
Nach der Gefangenenübergabe in der türkischen Hauptstadt ging es für die Gulfstreams aus Baden-Baden wieder zurück nach Deutschland. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßte 13 der von Russland übergebenen Personen auf dem militärischen Teil des Flughafens Köln-Bonn.
Der Offenburger Ex-Häftling Krassikow wurde unterdessen von Russlands Präsident Wladimir Putin auf dem Rollfeld in Moskau mit Rotem Teppich und Präsidentengarde empfangen.
Der Kreml bestätigte unmittelbar darauf erstmals direkt, dass der „Tiergartenmörder“ ein Agent des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB ist. Wadim Krassikow habe in der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten „Alpha“-Einheit des FSB gearbeitet, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge.
Zuvor hatte Russland offiziell bestritten, etwas mit dem Mann zu tun zu haben.