Valérie Dubslaff: "Deutschland ist auch Frauensache". NPD-Frauen im Kampf für Volk und Familie 1964-2020 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte; Bd. 131), Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2022, IX + 395 S., ISBN 978-3-11-075666-1, EUR 59,95
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Frauen, die sich in nationalistischen Parteien engagieren, geben Rätsel auf. Schließlich steht ihr aktiver politischer Mitgestaltungswille in performativem Widerspruch zu den erklärten Zielen dieser Organisationen, die in der Regel eine Beschränkung des weiblichen Geschlechts auf die Sphäre des "Privaten" vorsehen. Anhand der Funktionärinnen der NPD widmet Valérie Dubslaff sich in ihrem aus einer Dissertationsschrift hervorgegangenen Buch der Frage, aus welchen Gründen Frauen sich dennoch dort engagierten, inwiefern sie sich innerparteilich Gehör verschaffen konnten, und welche Themen sie dabei setzten. Von ihr selbst aus dem Französischen übersetzt, erschien die 2018 mit dem Dissertationspreis des Deutsch-französischen Historikerkomitees prämierte Studie 2022 bei De Gruyter.
Die Autorin stößt mit ihrer Untersuchung in gleich zwei Forschungslücken vor. Der organisierte Nationalismus der Bundesrepublik ist von der Zeitgeschichte lange vernachlässigt worden. Nationalistischen Frauen nach 1945 kommt außerdem eine doppelt marginalisierte Rolle zu: Die Relevanz im politischen Feld wurde ihnen sowohl von ihren Parteikollegen als auch von der Forschung abgesprochen. So befassen sich zwar einzelne Soziologinnen und Politikwissenschaftlerinnen mit diesem Gegenstand; in die Überblickswerke zur extremen Rechten fließen ihre Ergebnisse allerdings kaum ein. Dubslaff setzt an dieser Schnittstelle an, indem sie anhand der Position der Frauen in der NPD deren ambivalentes Verhältnis zu den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Bundesrepublik auslotet. Der Autorin gelingt damit eine Historisierung der NPD, die sie aus der historiographischen Nischenforschung zur extremen Rechten herausholt und in Beziehung zu größeren gesellschaftlichen Wandlungsprozessen setzt.
Die Überlieferung zur "Nationalen Opposition" ist mangels (zugänglicher) Parteiarchive dispers. Da der Anteil an Frauen in der NPD konstant gering war und nur wenige von ihnen den Weg in hohe Parteiämter fanden, sind weibliche Spuren im Quellenmaterial dünn gesät. Trotz sichtlicher Bemühungen ist es am Ende nur eine Handvoll Akteurinnen, über die Dubslaff mehr als Namen und Wirkungsort erfahren kann. Ihre Untersuchung stützt sich zwangsläufig auf jene wenigen Frauen, die Artikel verfassten, Vorträge hielten, einen Sitz im Partei- oder Landesvorstand innehatten und/oder ein politisches Mandat errangen.
Die Studie umfasst den Zeitraum von der Gründung der NPD 1964 bis ins Jahr 2020. Die chronologische Gliederung zerfällt in drei Phasen, die sich an den Zäsuren der Parteigeschichte ausrichten: Auf die Blütezeit der Gründungsphase folgt die Isolation nach der Bundestagswahlniederlage 1969, die bis zur politischen Neuausrichtung im vereinten Deutschland andauert. Wohlgemerkt Zäsuren der Partei, nicht der Frauenarbeit: Für diese ließen sich keine Konjunkturen oder Phasen ausmachen, wie Dubslaff im Fazit einräumt (358).
Der eingangs erwähnte Widerspruch zieht sich durch die Kapitel des Buches. Die Autorin zeigt, dass Frauen sich seit der Gründung der NPD für die Stärkung ihrer Mitbestimmungsrechte innerhalb der Partei einsetzten, sich dabei auf das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes bezogen und die exkludierenden Praktiken ihrer Kollegen kritisierten. Durchschlagenden Erfolg hatten sie damit nicht: Frauen wurden auf vermeintlich geschlechtsspezifische Themen wie die Familienpolitik beschränkt und systematisch aus den entscheidenden Ämtern ferngehalten. Ihr Engagement galt allenfalls insofern erwünscht, als es die Reichweite der NPD durch Wählerinnen vergrößern sollte, da rechts der Union größtenteils Männer wählten.
Parteiintern ging der Kampf um Beteiligung von Beginn an mit politischen Forderungen für die gesellschaftliche Teilhabe von Frauen einher. Am weitesten ging die Gründerinnenfigur Gertraude Winkelvoß mit ihrer Kritik an der Doppelbelastung berufstätiger Frauen und ihrem Einsatz für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der Bezug auf die demokratisch verankerte Gleichheit der Geschlechter sei allerdings in Reaktion auf die Frauenbewegung der 1970er Jahre dem Prinzip einer essenzialistischen Geschlechterdifferenz gewichen, die mit maternalistischer Frauenpolitik einherging. Ob die 2006 gegründete separate Frauenorganisation 'Ring Nationaler Frauen' ein langfristiger Effekt dieser Verschiebung war, wäre interessant gewesen zu erfahren; in den 1960er Jahren hatten die Frauen sich jedenfalls noch bewusst gegen diese Organisationsform entschieden, um ihre "integrierte Separierung" (Siglinde Rosenberger, zitiert nach 64) in der Partei nicht zu verstärken.
Dubslaff bettet diese Entwicklungen jeweils historisch ein: Die Kapitel beginnen dazu häufig mit einem gesellschaftsgeschichtlichen Überblick, gefolgt von den Aktivitäten der NPD im betreffenden Zeitraum. Erst zuletzt wird die Rolle der NPD-Frauen betrachtet. Bisweilen verschenkt die Autorin mit diesem Aufbau die Möglichkeit, historiographische Narrative durch die Empirie herauszufordern; der gesellschaftliche Kontext verkommt zur Kulisse. Stattdessen verweist sie vorschnell auf vermeintliche Paradoxien, die sich bei genauerer Betrachtung bisweilen durchaus hätten aufdröseln lassen. So ist es etwa keineswegs paradox, dass die Nationaldemokratinnen beim Versuch, sich innerhalb der NPD zu behaupten, die Organisations- und Mobilisierungsformen der autonomen Frauenbewegung nachahmten, obgleich sie deren Positionen ablehnten (186; weitere "Paradoxien" etwa 101, 225f., 310). Hier wäre eine Vertiefung mit Blick auf die Forschung zu den 'Anderen '68ern' sowie zu den Aneignungspraktiken organisierter Nationalist*innen bei ihren linken Gegner*innen aufschlussreich gewesen. [1]
Dubslaff schreibt den Frauen einen "entscheidenden Beitrag zur Ausarbeitung der Parteiideologie" (147) zu und resümiert, die NPD sei "auch schon immer 'Frauensache'" gewesen (349). Für derart klare Befunde hätte der Einfluss der Funktionärinnen stärker betont werden müssen. Die Übereinstimmung zwischen den Positionen der Funktionärinnen und der Partei wird zwar diskursanalytisch klar aufgezeigt, nicht aber ein Ideentransfer ausgehend von den NPD-Frauen. Das widerspräche schließlich auch dem überzeugend herausgearbeiteten Befund, diese seien in der NPD systematisch von einflussreichen Positionen ferngehalten worden, wobei sie sich auch untereinander unsolidarisch behindert hätten (312f.). Interessant ist vielmehr, dass die Frauen sich gar nicht so sehr von ihren 'Parteikameraden' unterschieden, so dass die Studie die Spezifik ihres Zugangs sogar teils aus den Augen verliert und Frauen- statt Gendergeschichte schreibt: Die Funktionärinnen vertraten dieselben rassistischen, antisemitischen und revisionistischen Positionen wie der Rest der Partei (siehe etwa 139f., 217f., 305). Eine systematische Untersuchung der als Alleinstellungsmerkmale nur kurz angeschnittenen kulturpolitischen Aktivitäten in weiteren Organisationen (305) oder gegenderter Praktiken der Öffentlichkeitsarbeit (155, 245) hätte diesen Eindruck ausgleichen können. Eine thematische Gliederung oder zumindest häufigere Rückbezüge hätten der Leserin außerdem geholfen, die langfristigen organisationellen und inhaltlichen Veränderungen in der Frauenarbeit besser zu erfassen.
Trotz dieser Einwände ist Dubslaffs Studie eine durchaus lesenswerte Parteigeschichte der NPD, die in ihren stärksten Passagen die Aktivitäten der Frauen in den Kontext des Parteizustands einordnet - von deren Finanzstärke und Mitgliederreichweite schließlich auch der Erfolg der Frauenarbeit abhing. Und nicht zuletzt leistet sie einen Beitrag zur Geschichte der politischen Partizipation von Frauen in der Bundesrepublik.
Anmerkung:
[1] Anna von der Goltz: The other '68ers. Student Protest and Christian Democracy in West Germany, Oxford 2021; Christoph Schulze: Etikettenschwindel: Die Autonomen Nationalisten zwischen Pop und Antimoderne (= Kommunikation & Kultur; Bd. 11.), Baden-Baden 2017.
Laura Haßler