Rezension über:

Monika Böning: Die mittelalterlichen Glasmalereien in Salzwedel. Pfarrkirche St.Marien, Pfarrkirche St. Katharinen, Johann-Friedrich-Danneil-Museum (= Corpus Vitrearum Medii Aevi, Deutschland; Bd. XIX,3), Berlin: Akademie Verlag 2013, 354 S., 187 Abb., ISBN 978-3-05-005077-5, EUR 148,00
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Rezension von:
Peter Knüvener
Niedersächsisches Landesmuseum, Hannover
Redaktionelle Betreuung:
Tobias Kunz
Empfohlene Zitierweise:
Peter Knüvener: Rezension von: Monika Böning: Die mittelalterlichen Glasmalereien in Salzwedel. Pfarrkirche St.Marien, Pfarrkirche St. Katharinen, Johann-Friedrich-Danneil-Museum, Berlin: Akademie Verlag 2013, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 10 [15.10.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/10/26590.html


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Monika Böning: Die mittelalterlichen Glasmalereien in Salzwedel

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Mit dem zu besprechenden Band der Reihe des Corpus Vitrearum Medii Aevi (CVMA) liegt nun eine Bearbeitung der reichen Glasmalereibestände der Stadt Salzwedel in der Altmark vor. Hauptsächlich handelt es sich um die Glasmalereien aus den Stadtpfarrkirchen St. Marien und St. Katharinen, daneben um einige Scheiben im Johann-Friedrich-Danneil-Museum. Von besonderer Bedeutung sind hierbei ein umfangreicher, um 1360 entstandener Zyklus in St. Marien sowie einer des frühen 15. Jahrhunderts aus St. Katharinen. Der Band wartet mit einer herausragenden Fotodokumentation - Gesamt- und Detailaufnahmen - auf (Fotografen: Holger Kupfer und Renate Roloff). Es gibt einen Tafelteil mit vollständiger Dokumentation der Bestände mit Schwarzweißaufnahmen, wie beim CVMA nach wie vor üblich. Nur im Textteil finden sich Farbabbildungen einiger ausgewählter Scheiben. Das ist bedauerlich, ist die Farbkomposition doch ein wichtiges künstlerisches Kriterium. Für die weitere Forschung ist die Bestandserfassung mit den exakten Kartierungen von Originalbestand und Ergänzungen ebenso von Interesse wie der von Ulrich Hinz verfasste Regestenteil, der Kirchenbauten und Glasmalereien betreffende Einträge aus dem Zeitraum 1353-1921 umfasst. Hervorzuheben ist die gute Erschließung des umfassenden Materials durch sehr ausführliche Register (Ikonografisches, Sach-, Personen- und Ortsverzeichnis). Wie bei den CVMA-Bänden üblich, ist dem Textteil eine Aufstellung der abgekürzt zitierten Literatur vorgeschaltet.

Die Salzwedeler Glasmalereien sind, den Bestandskartierungen zu Folge, in einem relativ guten Zustand, auch wenn hier natürlich Restaurierungen und Zusammenführungen des über die Jahrhunderte fragmentarisch gewordenen Bestandes im 19. Jahrhundert zu Überarbeitungen geführt haben. Wie so oft bei Glasmalereien, fanden auch die Salzwedeler Werke aufgrund der schlechten Zugänglichkeit und nicht zuletzt wegen der oft schwer erkennbaren Ergänzungen des 19. Jahrhunderts nur wenig Berücksichtigung in der Forschung zur norddeutschen Kunst. Insbesondere in der lebhaften Diskussion der Jahre um den Ersten Weltkrieg zur Kunst um 1400 sucht man die Glasgemälde aus St. Katharinen meist vergeblich. Somit ist die jetzige Publikation als Meilenstein zu betrachten, der Forschung sind zahlreiche "neue" Werke an die Hand gegeben.

In der Marienkirche sind heute in zwei Chorfenstern Glasmalereien des 14. und 15. Jahrhunderts zusammengefasst. Während sich im Fenster nord II Fragmente qualitativ geringerer Malereien des ausgehenden Mittelalters befinden, nimmt das Scheitelfenster in den drei Lanzetten nebeneinander einen in seiner Art und Ausführlichkeit ungewöhnlichen Zyklus der Heiligen Drei Könige, eine Reihe alttestamentarischer Könige, Propheten und Patriarchen sowie einen christologischen Zyklus auf. Böning widmet diesem Fenster eine sehr eingehende ikonografische Analyse. Angesichts der insgesamt sehr selten erhaltenen Malerei um 1360/70 in Nord- und Mitteldeutschland erweist sich die künstlerische Einordnung der Malereien schwierig, auch die Datierung - Böning setzt die Malereien um 1360 an - ist nicht eindeutig. Es sind besonders die formelhaft gegebenen Gesichter mit den mandelförmigen Augen und der ornamental aufgefassten Haartracht, die an die erste Jahrhunderthälfte denken lassen. So ist es auch berechtigt, als Vergleichsobjekte auf die etwas älteren Glasmalereien im nahen Kloster Wienhausen (Kreuzigung durch die Tugenden, Auferstehung, um 1340/50) zu verweisen (104). Allerdings gibt es Indizien, die gegen eine allzu frühe Datierung sprechen, etwa die umfangreich zu beobachtenden Kreuzschraffuren, die, wie Böning selbst einräumt, in der Zeit um 1360 "höchst selten anzutreffen" sind (100). Festzuhalten ist, dass die Qualität der Malereien im Vergleich zu zeitgenössischen Zyklen der weiteren Umgebung (zum Beispiel Halberstadt) beachtlich ist.

In der Katharinenkirche befinden sich die Glasmalereien - ein Genesiszyklus und Teile eines typologischen Zyklus - in drei Chorfenstern. Gemäß der späteren Entstehung im frühen 15. Jahrhundert - Böning datiert um 1420 - handelt es sich jeweils um Kompositionen, die mehrere Felder (sechs bzw. neun) umfassen, also um monumentale Gemälde. Sie sind in kunstvoll verschlungene Rahmungen eingebettet, in deren Zwickeln sich weitere Bilder - Engelsfiguren oder der Heilsgeschichte zugeordnete typologische Szenen - befinden. Diese Rahmungen erinnern an den im Zweiten Weltkrieg großenteils untergegangenen Glasmalereizyklus der Lübecker Burgkirche (191). Insgesamt sind diese Malereien für das Salzwedeler Atelier von Bedeutung gewesen. Bei der Suche nach Voraussetzungen der Fenster wird ein umfangreiches Panorama der Malerei des norddeutschen Raums zwischen Halberstadt (Dom), Hildesheim (Lambertiretabel), Lüneburg (Glasmalereien in Ebstorf) und Lübeck (Burgkirchenfenster) um 1400 ausgebreitet. Die Bedeutung des Conrad von Soest für die Entwicklung des charakteristischen, in weiten Teilen Norddeutschlands zu beobachtenden Stils wird betont. Das Stilbild der Malereien "weist auf die Kunst des Conrad von Soest, insbesondere auf den 1403 entstandenen Wildunger Altar zurück" (47). So finden sich bisweilen ähnliche Gesichtstypen, doch heben sich die Katharinenfenster insgesamt nicht unbeträchtlich davon ab. Die Handschrift des Glasmalers ist - wie Böning durchaus darstellt - äußerst prägnant. Es wird deutlich, dass es zahlreiche mehr oder weniger vernetzte Künstler gegeben haben muss, die zeitgleich in verschiedenen Zentren arbeiteten und deren Stil sehr ähnlich war. Gleichwohl ist es selten möglich, direkte Verbindungen herzustellen, weil die Verluste - sämtlicher Kunstgattungen - trotz der reichen Überlieferung einfach zu groß sind. Böning hält sich mit einem Urteil bezüglich des Herkunftsortes der Werkstatt konsequenterweise zurück. Es ist auch grundsätzlich zu fragen, inwiefern dieser Stil einseitig auf Conrad zurückzuführen ist. Im Halberstädter CVMA-Band wurde diese Conrad-Fixierung der Forschung zu Recht hinterfragt. [1]

Die vier fragmentarischen Glasgemälde im Johann-Friedrich-Danneil-Museum aus dem frühen 15. Jahrhundert weisen in dieselbe Richtung und werden zu Recht unter anderem mit Glasmalereien im Kloster Ebstorf - sicherlich Lüneburger Erzeugnisse - in Verbindung gebracht. Vergleichbar sind sie auch mit Grabungsfunden in Lüneburg, die jedoch im Band nicht berücksichtigt worden sind. So wurden 1994 auf dem Grundstück Am Sande 11/12 unweit der Johanniskirche zahlreiche Glasmalereifragmente geborgen, unter denen sich nah verwandte Gläser befinden. [2] Da der Fund als Abfall einer Glasmalereiwerkstatt interpretiert wird, liegen damit Indizien dafür vor, dass die Werkstatt tatsächlich in der Salzstadt ansässig war.

Der Band ist für die Forschung der Kunst in Norddeutschland um 1360-1430 von großer Bedeutung. Eine weite Verbreitung und eine Rezeption der Ergebnisse wäre sehr zu wünschen und wird hoffentlich nicht am hohen Preis des Buches (148 Euro) scheitern.


Anmerkungen:

[1] Eva Fitz: Die mittelalterlichen Glasmalereien im Halberstädter Dom (= Corpus Vitrearum Medii Aevi, Deutschland; Bd. XVII), Berlin 2003, 47.

[2] Annika Martens: Ein spätmittelalterlich-frühneuzeitlicher Glasfensterkomplex aus Lüneburg (= Archäologie und Bauforschung in Lüneburg; Bd. 7), Lüneburg 2011. Einige der Fragmente - Tierdarstellungen - weisen auch bemerkenswerte Ähnlichkeiten zu den Glasmalereien der Katharinenkirche auf.

Peter Knüvener