Laurence Cavalier / Raymond Descat / Jacques des Courtils: Basiliques et agoras de Grèce et d'Asie mineure (= Ausonius Éditions; Mémoires 27), Pessac: Ausonius Editions 2012, 307 S., ISBN 978-2-35613-064-8, EUR 50,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Der in diesem Jahr erschienene Band zu Basiliken und Agorai in Griechenland und Kleinasien enthält eine Synthese zweier Kolloquien, die 2007 in Bordeaux und 2010 in Istanbul stattgefunden haben. Die Publikation entstand im Rahmen des französischen Foschungsprogramms "Xanthiaca", welches von der "Agence Nationale de la Recherche" (ANR) finanziert wird und sich schwerpunktmäßig mit den Regionen Karien und Lykien auseinandersetzt. [1] Ziel der Kolloquien war es, die im Rahmen dieses Projektes gewonnenen Erkenntnisse mit aktuellen Forschungen zu Basiliken und Agorai in der restlichen ägäischen Welt zu vergleichen.
Das erste Treffen fand auf Initiative von Laurent Cavalier statt und befasste sich mit der architektonischen, urbanistischen und historischen Einordnung römischer Basiliken in Kleinasien. Die zweite Veranstaltung wurde von Roland Descat und der "Groupements de recherche internationaux" (GDRI) namens "Marchés antiques" des französischen Centre national de la recherche scientifique (CNRS) organisiert und ging der Frage des architektonischen und funktionalen Wandels von Agorai in der Ägäis nach. Die Beiträge der beiden Kolloquien wurden hintereinander abgedruckt und jeweils mit einem Resumée des Veranstalters versehen. Ebenfalls erst nach den Veranstaltungen hinzugekommen sind die Beiträge von Laurent Cavalier zu den Kapitellen der Basilika von Smyrna sowie die vollständig überarbeitete Fassung des Beitrages von Patrick Marchetti zur Entwicklung der Agora von Athen.
Der erste Teil des Bandes widmet sich in ingesamt acht Beiträgen den kleinasiatischen Basiliken.
Zu Beginn liefert Pierre Gros einen Überblick zur Entstehungsgeschichte der Basiliken in Kleinasien und weist nachdrücklich auf den Einfluss griechischer Architektur, ihre Formenvielfalt und ihre Mulitfunktionalität hin (13-23). Die vielfältige Nutzung von Basiliken wird durch den Hinweis ergänzt, dass die Befunde in Kyrene, Ephesos, Aphrodisias und Hierapolis auch die Nutzung innerhalb eines gymnasialen Kontextes wahrscheinlich machen.
Im Anschluss daran folgt ein Beitrag von Paul D. Scotten, der sich im Zuge der Erforschung der Basilika Julia in Korinth intensiv mit der 'Normalbasilika' und der Basilika in Fano von Vitruv auseinandergesetzt hat (25-90). Seine tabellarische Auflistung von 154 Basiliken und ihren Maßen gibt einen ersten Überblick zur Verbreitung dieses Bautypus. Außerdem lässt sie erkennen, dass sich bei den Gebäudeproportionen bestimmte Trends ausbildeten und es sich bei der von Vitruv errichteten Basilika um einen italischen Typus der augusteischen Zeit und des 1. Jahrhunderts n.Chr. handelt.
Es folgen detaillierte Einzelstudien der Basiliken von Philippi, Aphrodisias, Hierapolis in Phrygien, Smyrna, Magnesia am Mäander und Xanthos, die sich mal auf den urbanistischen Kontext und die Baugeschichte (Hierapolis, Magnesia a. M., Xanthos), mal auf die Funktion (Philippi), mal auf handwerkliche Aspekte (Smyrna) und mal auf das Zusammenspiel von Architektur, Bildschmuck und Inschriften (Aphrodisias) konzentrieren. An Hand der Beispiele wird schnell klar, was bereits in der Einleitung anklang: Die Definition einer Basilika ist im Befund sehr heterogen und konnte im Aufbau unterschiedlichste Formen annehmen. Je nach Anbindung an die Agora bzw. das Forum war die Basilika als dreischiffige Halle mit schmalen Eingängen an den Langseiten (Magnesia a. M.) oder als mehrstöckiger Bau mit zum Platz und zur Straßen offenen Säulenstellungen (Xanthos) konzipiert.
In Philippi ist die Identifikation des Gebäudes besonders unklar, handelt es sich doch um den Flügel eines U-förmigen Portikus, an den unterschiedlich genutzte Räume anschließen. Der Grundriss und Details in der Aussstattung deuten frühestens ab dem 2. Jahrhundert n.Chr. auf die Existenz einer Basilika an der Nordwestseite des Forums hin. Die außerordentlich gute Überlieferung der Basilika von Aphrodisias erlaubt dagegen einen detaillierten Einblick in ihre ästhetisch-repräsentative Nutzung. Mit den Medien Bild und Schrift wurde ein vielschichtiges 'Programm' entworfen, welches sowohl narrative Aspekte zur Geschichte der Stadt, als auch Aussagen über die Selbst- und Fremdwahrnehmung der dort aktiven und z. T. in statuarischer Form geehrten städtischen Elite enthält. Hinzu kommt, dass der außergewöhnlich reich ausgestattete und hohe Innenraum der Basilika mittels eines im Inneren angebrachten Maskengirlandenfrieses mit den umgebenden Bauten gestalterisch verbunden wurde, wo sich derselbe Fries an den Außenseiten zahlreicher Gebäude wiederfindet.
Der erste Teil des Bandes führt dem Leser auf Basis der neuesten Forschungsergebnisse die ganze Bandbreite möglicher Bauformen für den Gebäudetypus der Basilika vor Augen. Der Begriff des Typus in der Architektur erhält somit eine gewisse Dehnbarkeit, während Fragen nach der Rezeption römischen Kulturgutes in Kleinasien konkrete Formen annehmen. Weiterhin offen bleibt die Frage, warum es zur weiten Verbreitung dieser Gebäudeform kam. Mögliche Gründe hierfür waren sicherlich die Multifunktionalität und der flexible Umgang mit dem 'Typus' Basilika an jedem einzelnen Ort, die aus dem 'Bausatz' ein im jeweiligen urbanistischen Kontext funktionsfähiges und von der Bevölkerung akzeptiertes Gebäude schufen.
Der zweite Teil des Bandes befasst sich in insgesamt sechs Beiträgen mit Agorai in Kleinasien und der Ägäis, die mit einer Zusammenfassung von Raymond Descat schließen (305-307). Die Beiträge sind entweder detaillierte Studien einzelner Agorai (Athen, Thasos, Pergamon, Assos) oder zusammenfassende Untersuchungen, die sich auf ein Phänomen (Portiken am Rand von Agorai) oder eine Region (Lykien) konzentrieren.
Der erste Beitrag von Patrick Marchetti setzt sich mit der Umgestaltung der Agora Athens in agusteischer Zeit auseinander (207-223). Interessant sind sowohl seine Interpretation des South Square als das bei Pausanias erwähnte Ptolemeion als auch seine Überlegungen zu städtebaulichen Parallelen zwischen der Agora von Athen und dem Marsfeld in Rom. [2] Innovativ ist auch der Beitrag von Jean-Yves Marc zum Macellum der Agora von Thasos (225-239). Auf Grund der Datierung des Vorgängerbaus des römischen Macellums in die 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts v.Chr. postuliert er trotz der eingestandenen dünnen Befundlage eine kontinuierliche Nutzung des Gebäudes als Macellum vom Hellenismus bis in die Kaiserzeit. [3] Daraus entwickelt er weitere Thesen zum Ursprung dieses Bautypus' im griechischen Kulturraum und zur Lokalisierung eines innovativen Zentrums urbanistischer Entwicklungen in Makedonien. Wie er selbst einräumt, sind Tendenzen zu einer funktionalen Segmentierung des Stadtraumes jedoch seit dem späten 4. Jahrhundert v.Chr. auch an anderen Orten (Magna Grecia, Kleinasien) feststellbar.
Für die folgenden vier Beiträge bildet Pergamon in unterschiedlicher Art und Weise den Bezugspunkt. Im Beitrag von Marianne Mathys stehen zunächst die Agorai von Pergamon im Zentrum der Analyse und werden als Bühne für die visuelle Repräsentation der Bürger interpretiert (257-271). Mittels archäologischer und epigraphischer Quellen gewinnt die Autorin neue Erkenntnisse über die Zusammensetzung der Benutzergruppen beider Agorai, die gegen die bisher üblicherweise angenommene strikte funktionale Trennung beider Platzanlagen sprechen. In Bezug auf die Entstehung der Agora von Assos halten Nurettin Arslan und Kenan Eren die Existenz eines umfassenden architektonischen Programms unter pergamenischem Einfluss für fragwürdig (273-286). Neue Ausgrabungen (seit 2005) ermöglichen erstmals eine Phaseneinteilung, die eine sukzessive Entwicklung der Agora seit der 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts v.Chr. wahrscheinlich machen. Wie schwierig die Lokalisierung eines Ursprungs für einen Bautypus ist, zeigt der Beitrag von Laurence Cavalier an Hand kleinasiatsicher Marktbauten (241-256). Einer nicht minder schweren Aufgabe widmet sich dagegen Jaques des Courtils in seiner Untersuchung lykischer Agorai (287-304). Er versucht eine Einordnung dieser 'Sonderfälle' von Agorai in eine übergreifende Entwicklung von öffentlichen Platzanlagen zu leisten.
Bei der großen Bandbreite der besprochenen Plätze bleibt Raymond Descart am Ende des zweiten Teils nur die Feststellung der großen Heterogenität in der Gestaltung und Nutzung von Agorai.
Die gemeinsame Publikation von zwei thematisch sich ergänzenden Kolloquien bietet die Möglichkeit, sich kompakt über aktuelle Forschungen auf beiden Gebieten zu informieren. Die Zusammenschau der verschiedenen Teilaspekte ergibt ein größeres Bild zur Gestalt und Entwicklung öffentlicher Platzanlagen in Kleinasien und der Ägäis. Um den Band abzurunden, hätte man sich eine kurze Synthese beider Kolloquien durch die Veranstalter gewünscht, die die gewonnenen Erkenntnisse zusammenführt und noch vorhandene Desiderate formuliert.
Anmerkungen:
[1] Zum Forschungsprojekt "Xanthiaca" unter der Leitung von Jacques des Courtils s. http://www.agence-nationale-recherche.fr/en/anr-funded-project/?tx_lwmsuivibilan_pi2[CODE]=ANR-10-FRAL-0019.
[2] Zum Ptolemeion s. Paus. 1, 17, 2; H. A. Thompson: Activity in the Athenian Agora 1960-1965, in: Hesperia 35 (1966), 40-49 Fig. 2.
[3] Zu den relativ geringen hellenistischen Strukturen im Bereich des kaiserzeitlichen Macellums s. J.-Y. Marc: Abords sud de l'agora de Thasos, in: BCH 132 (2011), 737-765.
Barbara Sielhorst