Rezension über:

Landesdenkmalamt Berlin (Hg.): Kirchenruine des Grauen Klosters in Berlin. Geschichte, Forschung, Restaurierung (= Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin; Bd. 23), Petersberg: Michael Imhof Verlag 2007, 230 S., ISBN 978-3-86568-200-0, EUR 29,95
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Rezension von:
Peter Knüvener
Stiftung Stadtmuseum, Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Ulrich Fürst
Empfohlene Zitierweise:
Peter Knüvener: Rezension von: Landesdenkmalamt Berlin (Hg.): Kirchenruine des Grauen Klosters in Berlin. Geschichte, Forschung, Restaurierung, Petersberg: Michael Imhof Verlag 2007, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 7/8 [15.07.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/07/13626.html


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Landesdenkmalamt Berlin (Hg.): Kirchenruine des Grauen Klosters in Berlin

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Von den mittelalterlichen Bauten Berlins - es stehen immerhin noch zwei der ehemals drei Pfarrkirchen, eine Klosterkirche, eine Hospitalkapelle und ein Stück Stadtmauer - ist die Franziskanerklosterkirche heute wohl mit am wenigsten im Bewusstsein verankert. Nicht weit vom belebten Alexanderplatz gelegen, und doch äußerst abseits jenseits einer achtspurigen Schnellstraße, fristet die Kirchenruine in einer Grünanlage ein Dornröschendasein. Dabei handelt es sich hier möglicherweise um das bedeutendste Zeugnis mittelalterlicher Architektur in der Stadt. Auf jeden Fall ist sie einer der ganz frühen Bauten der Kathedralgotik östlich der Elbe und ein konzeptionell besonders ungewöhnlicher dazu. Das basilikale Langhaus folgt mit seinen monumentalen, körperhaften Formen dem frühgotischen System des Magdeburger Domlanghauses, während die reich durchfensterte Chorlaterne in dramatischem Kontrast dazu steht. Das Polygon im 7/10-Schluss ist einem Zentralbau angenähert und nimmt Lösungen, wie sie aus dem 14. Jahrhundert (Aachener Münster, Ludgerikirche Münster) bekannt sind, vorweg. Der heutige Bau wurde im späten 13. Jahrhundert unter landesherrlicher Förderung begonnen - also etwa gleichzeitig mit dem berühmten Chorin und mit diesem auch in Zusammenhang stehend. Das Franziskanerkloster hatte neben der Blütezeit im 13. Jahrhundert einen zweiten Höhepunkt im mittleren 15. Jahrhundert, in dem es sich der Observanz anschloss und zu einem intellektuellen Zentrum avancierte. Aus dieser Zeit stammten umfangreiche Klausurneubauten, die leider in der Nachkriegszeit abgebrochen wurden. Sie gruppierten sich um einen zweiten Kreuzgang, sodass eine ungewöhnliche, an italienische Klosterbauten erinnernde Anlage entstand. Höhepunkt war ein großer Saalbau - das sogenannte Kapitelhaus - dessen Funktion bisher noch nicht vollends geklärt ist. Die Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und ist heute als Ruine zugänglich.

Ausgangspunkt für den vom Landesdenkmalamt Berlin herausgegebenen Sammelband sind die in der Zeit von 2002 bis 2005 durchgeführten Instandsetzungs- und Restaurierungsarbeiten, im Zuge derer eine bauarchäologische Untersuchung möglich war. Ferner gab es eine Reihe von begleitenden Recherchen zur Geschichte von Bau und Ausstattung, sodass nun erstmals ein Überblickswerk zu dieser für die norddeutsche Backsteinarchitektur so wichtigen Kirche vorliegt.

Den Auftakt der Beiträge bilden die Aufsätze von Winfried Schich und Ernst Badstübner, die gewissermaßen eine vertiefte Einleitung zum Betrachtungsgegenstand bilden und das Franziskanerkloster in einen größeren Rahmen stellen. Der Historiker Winfried Schich befasst sich mit der Rolle, die die brandenburgischen Markgrafen bei der Ansiedlung der Franziskanerkonvente im 13. Jahrhundert östlich der Elbe spielten.

Ernst Badstübner gibt eine Einführung zur Ordensarchitektur der Bettelorden und bietet einen Überblick zu den frühen Kirchen in Italien, legt die Tendenzen der Ordensarchitektur im 13. Jahrhundert in Deutschland offen und ordnet vor diesem anschaulich beschriebenen Hintergrund die märkischen Ordensbauten - es sind zahlreiche bedeutende Ensembles in Neuruppin, Angermünde, Prenzlau und andernorts erhalten - ein. Am Beginn stehen Bauten aus Granitmauerwerk (Prenzlau, Franziskanerkirche). Eine wichtige Entwicklung ist die kurz nach der Mitte des 13. Jahrhunderts einsetzende und durch landesherrliche Förderung beginnende Verwendung von Backstein, die es möglich macht, kathedralgotische Motive zu rezipieren.

Petra Marx beschäftigt sich mit dem denkmalpflegerischen Umgang mit dem Bauwerk durch die Jahrhunderte. Wichtige Stationen sind die um die Mitte des 19. Jahrhunderts vorgenommene durchgreifende Restaurierung des bis dahin kaum veränderten Klosters, der verschiedene Planungsstadien vorausgingen. Mit dem Bau befassten sich verschiedene bedeutende preußische Architekten wie Karl Friedrich Schinkel, Ferdinand von Quast oder Friedrich Adler. Die Schicksalsstunde für die Kirche kam im Zweiten Weltkrieg, in der Bomben Kirchenbau und Klausur schwer beschädigten. War danach zunächst der Wiederaufbau geplant, für den Marx aufschlussreiche Entwürfe präsentiert, wurden die Klausurgebäude im Zuge der Verbreiterung einer Hauptverkehrsstraße abgetragen.

Zwei Beiträge widmen sich der Ausstattung der Klosterkirche. Andreas Cante beschreibt die Rolle der Kirche als Begräbnisort. Die enge Verbindung zum Landesherrn drückte sich darin aus, dass hier besonders in der Frühzeit Mitglieder der markgräflichen Familie und dem Hof nahestehende Personen begraben wurden. Schon bald wurden auch Mitglieder der städtischen Oberschicht beigesetzt, so stammt die älteste erhaltene Grabplatte Berlins aus der Klosterkirche; sie wurde für den Kaufmann Conrad von Beelitz (gest. 1308) geschaffen und befindet sich heute im Märkischen Museum der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Zahlreiche mittelalterliche Epitaphien befinden sich heute in der Berliner Marienkirche. Damit ist ein Punkt angesprochen, der in dieser Publikation leider etwas zu kurz kommt: Die äußerst reiche bewegliche Ausstattung der Kirche wurde kaum berücksichtigt. Es handelt sich zweifellos um eines der bedeutendsten Ensembles aus einem Bettelordenskloster in Norddeutschland. Neben zahlreichen Altarfragmenten, Kruzifixen und Einzelfiguren sind vor allem die dezidiert auf die franziskanischen Bedürfnisse hin angefertigten Tafeln, so ein Ordensstammbaum oder die Madonna im Kreis von Franziskanerheiligen, zu nennen. Nach den Kriegswirren wurde dieser Fundus verstreut und befindet sich heute in der Berliner Marienkirche, bei der Stiftung Stadtmuseum (besonders im Märkischen Museum) sowie in anderen Berliner Kirchen. In diesem Zusammenhang sei auf in der Zwischenzeit erschienene Publikationen hingewiesen, in denen die Ausstattung gewürdigt wird. [1]

Birgit Neumann-Dietzsch befasst sich nachfolgend mit der Ausmalung der Klosterkirche. Diese ist verloren, doch kann die Autorin aufschlussreiche Aquarelle und Fotografien präsentieren, die ein bemerkenswertes Programm, wohl aus der Zeit um 1400, das sich in der Sockelzone des Chores befand, zeigen.

Im Folgenden stellt Uwe Michas die archäologischen Untersuchungen der Kirche vor, die die Instandsetzungsarbeiten begleitet haben. Sie ermöglichen Präzisierungen bei der Beurteilung des Bauablaufs und konnten das zeitliche Verhältnis zur unmittelbar angrenzenden Stadtbefestigung klären.

Stephan Breitling geht in seinem Aufsatz auf die bauarchäologischen Untersuchungen ein, die ebenfalls für die Kenntnis des Bauablaufs wichtige neue Ergebnisse brachten. So wurde klar, dass die Kirche trotz der signifikanten Unterschiede von Langhaus und Chor in einem Zuge errichtet wurde, was bedeutet, dass man sich im Falle des Langhauses bewusst für eine altertümliche Form entschieden hat, der das hochmoderne Chorpolygon entgegengesetzt wurde.

Dirk Schumann analysiert die Formsteinsysteme der Klosterkirche und stellt sie in einen größeren regionalen Zusammenhang. Als nahe verwandter Bau ist die Zisterzienserklosterkirche in Chorin - ebenfalls ein landesherrliches Bauprojekt - zu nennen, während mit der Stettiner Franziskanerkirche St. Johannis ein ausgesprochener Nachfolgebau vorgestellt wird. In der Berliner Klosterkirche kommen außergewöhnlich große Formsteinblöcke zum Einsatz, die eine besondere technische Fähigkeit der Ziegler voraussetzen. Ähnlich ist es auch in der Stettiner Kirche.

In einem weiteren Beitrag von Uwe Michas wird des Denkmalpflegers Wolfgang Gehrke gedacht, der als 20-Jähriger Fotografien und Beschreibungen der kriegszerstörten Klosteranlage angefertigt hatte - ein heute wertvolles Zeugnis aus einer Zeit, in der Veränderungen an Baudenkmälern oft genug undokumentiert blieben.

Sibylle Schulz vom Landesdenkmalamt erläutert im Folgenden die Bedeutung des Denkmals Klosterkirche für Berlin und geht auf das denkmalpflegerische Konzept ein. Hier wie auch im nachfolgenden Beitrag von Günther Stanzl erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem Thema Ruine als Baudenkmal. Stanzl liefert Fallbeispiele aus dem Bundesland Rheinland-Pfalz.

Die letzte inhaltliche "Sektion" des Bandes wird aus konkreten Beiträgen zur Restaurierung gebildet. Klaus Pöschk liefert eine Bestandserfassung und Schadenskartierung, Andreas Protz befasst sich mit der Entsalzung des Mauerwerks und Stefanie Winkler beschreibt die Sicherungs- und Konservierungsmaßnahmen.

Den Band rundet eine Schlussbetrachtung von Jörg Haspel und Sibylle Schultz ab, die sich nochmals kritisch mit dem denkmalpflegerischen Konzept auseinandersetzen und suggestiv fragen: "In welchem Stil sollen wir konservieren?"

Der Band ist reich - z.T. farbig - bebildert und verfügt über ein gemeinsames Literaturverzeichnis aller Beiträge. Optisch ansprechend gemacht und inhaltlich klar strukturiert ist er eine wichtige Publikation für die Erschließung des Denkmals Franziskanerklosterkirche Berlin. Allenfalls hätte man sich einen weiteren Beitrag zu den untergegangenen Klostergebäuden gewünscht, die kaum Berücksichtigung finden. [2] Nach einer ähnlich aufgebauten Publikation des Landesdenkmalamtes gemeinsam mit der Humboldt-Universität zur Heilig-Geist-Kapelle ist hier ein wichtiger Schritt zur Erschließung der mittelalterlichen Bauwerke Berlins geleistet worden. [3] Es ist ein positives Beispiel dafür, dass Restaurierungskampagnen fundamentale neue Ergebnisse erbringen können und wie diese der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden - nicht immer wird diese Chance leider genutzt. Für Berlin bleibt zu hoffen, dass auch die beiden noch erhaltenen Stadtkirchen - die Nikolaikirche (jetzt ein Haus des Berliner Stadtmuseums) und die Marienkirche - durch ähnliche Publikationen gewürdigt werden.


Anmerkungen:

[1] Maria Deiters: Die Ausstattung der Franziskanerklosterkirche in Berlin. Franziskanische Bildthemen in der Ausstattung der Klosterkirche, in: Brandenburgische Franziskanerklöster und norddeutsche Ordensbauten. Architektur - Kunst - Denkmalpflege, hg. von Dirk Schumann, Berlin 2010, 142-165; siehe auch die Katalogeinträge derselben Autorin 258ff. in: Cranach und die Kunst der Renaissance unter den Hohenzollern. Kirche, Hof und Stadtkultur, Ausstellungskatalog Berlin 2009 sowie der Eintrag im Brandenburgischen Klosterbuch von Blandine Wittkopp, Uwe Michas, Dirk Schumann und Peter Knüvener (Heinz-Dieter Heimann / Klaus Neitmann / Winfried Schich / Martin Bauch / Ellen Franke / Christian Gahlbeck / Christian Popp / Peter Riedel (Hgg.): Brandenburgisches Klosterbuch, Berlin 2007, 146-159).

[2] Dazu der grundlegende Aufsatz von Marcus Cante: Bettelordensklöster in der Mark Brandenburg, in: Brandenburgische Denkmalpflege Heft 2 (2005), 4-60.

[3] Jörg Breitenfeldt / Norbert Heuler / Ursula Hüffer / Jenny Hüttenrauch (Bearb.): Die Heilig-Geist-Kapelle in Berlin. Geschichte, Forschung, Restaurierung, Petersberg 2005.

Peter Knüvener