Rezension über:

Noel Lenski (ed.): The Cambridge Companion to the Age of Constantine, Cambridge: Cambridge University Press 2006, xviii + 469 S., ISBN 978-0-521-52157-4, GBP 17,99
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Rezension von:
Mischa Meier
Seminar für Alte Geschichte, Eberhard Karls Universität, Tübingen
Redaktionelle Betreuung:
Sabine Panzram
Empfohlene Zitierweise:
Mischa Meier: Rezension von: Noel Lenski (ed.): The Cambridge Companion to the Age of Constantine, Cambridge: Cambridge University Press 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 2 [15.02.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/02/10238.html


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Noel Lenski (ed.): The Cambridge Companion to the Age of Constantine

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Das Konstantin-Jahr 2006 hat auch in der Konstantin-Literatur unübersehbare Spuren hinterlassen: In den letzten Monaten hat eine ganze Reihe von Monographien daran erinnert, dass im Jahr 306 n. Chr. Konstantin I. nach dem Tod seines Vaters Constantius I. die Macht an sich gerissen und sich - seit 324 als Alleinherrscher - bis zu seinem Tod 337 behauptet hat. In diesem Jahr wird eine groß angelegte Konstantin-Ausstellung in Trier (Juni-November) noch einmal über den ersten christlichen Kaiser informieren. [1] Der hier anzuzeigende einführende Sammelband steht somit in einer dichten Konkurrenz - aber, dies sei schon vorweg bemerkt, er vermag darin durchaus ein Ausrufezeichen zu setzen.

In fünf Sektionen nähern sich die Beiträge der Titelgestalt und ihrem historischen Kontext: Die erste Sektion behandelt "Politics and Personalities"; es folgen "Religion and Spiritual Life", "Law and Society", "Art and Culture" sowie "Empire and beyond". Vorgeschaltet ist diesen Sektionen zum einen eine kurze Einleitung (1-13), in der der Herausgeber Konstantins Bedeutung als epochale, historische Zäsuren setzende Gestalt hervorhebt und die weiterhin zahlreichen offenen Forschungsfragen formuliert, zum anderen ein virtuoser Überblick über das Quellenmaterial zu Konstantin von Bruno Bleckmann (in der Liste der Beiträger [XIII] fälschlich an die Universität Münster versetzt), der sich nicht nur mit einer Auflistung des Materials begnügt, sondern auch dessen spezifische Probleme benennt und an einzelnen Beispielen vorführt (14-31). Bereits Bleckmanns Beitrag lässt einen großen Vorzug des Gesamtwerks erkennen: Die Autoren haben es nicht lediglich bei einführenden Überblicken und Aufzählungen belassen, sondern betrachten ihre Gegenstände stets unter spezifischen Fragestellungen und scheuen sich nicht davor, Probleme offen zu formulieren und zu diskutieren.

Die erste Sektion bietet im Wesentlichen Ereignis- und Politikgeschichte: S. Corcoran behandelt sachkundig die Phase "Before Constantine" (35-58), N. Lenski lässt in einer - mitunter allzu gerafften - Darstellung "The Reign of Constantine" revue passieren (59-90), R. M. Frakes verfolgt die konstantinische Dynastie weiter bis zum Tod Julians 363 ("The Dynasty of Constantine down to 363", 91-107). In den Einzelfragen weichen die Autoren klaren Positionierungen keinesfalls aus. So schließt sich Lenski in der Frage nach der 'Vision Konstantins' der These von Peter Weiß an, der ein Halophänomen als Ursache ausgemacht hat (67) [2], und folgt in der umstrittenen Datierung der Verweigerung des Opfers für Jupiter dem Vorschlag von Hans-Ulrich Wiemer, der für Konstantins dritten Rombesuch im Jahr 326 plädiert (79; A. D. Lee (171) lässt die Frage hingegen später offen). [3] Ein wenig irreführend ist hingegen Lenskis Diskussion des von Laktanz (MP 44,5-6) beschriebenen Zeichens, das Konstantin vor der Schlacht an der Milvischen Brücke auf den Schilden seiner Soldaten habe anbringen lassen (71); der Laktanz-Text verweist eher auf ein Staurogramm als auf das von Lenski im Folgenden behandelte Christogramm. Als schwieriges Forschungsproblem erweist sich weiterhin der Hintergrund der so genannten Familientragödie im Jahr 326: Lenski gesteht den Berichten über angebliche Annäherungsversuche der Fausta an Konstantins Sohn Crispus immerhin "a kernel of truth" zu (79), was Frakes wenig später allerdings zurückweist (94f.).

Im Zentrum der zweiten Sektion stehen Fragen nach Religion und Kult. Ob die damit vorgegebene Trennung von Politik- und Religionsgeschichte sonderlich glücklich gewesen ist, sei dahingestellt; zur Interpretation des Gesamtphänomens 'Konstantin' scheint sie mir jedenfalls nicht dienlich zu sein. H. A. Drake versucht in seiner Darstellung des "Impact of Constantine on Christianity" (111-136) herauszuarbeiten, dass der Kaiser das Christentum weniger im streng doktrinären Sinne zur Schaffung der inneren Reichseinheit einsetzen wollte als im Sinne einer "public religion that set a fairly low threshold for membership" (112). Vor diesem Hintergrund seien politische und religiöse Motive untrennbar verwoben und müsse die allmähliche Etablierung des Christentums im Kontext antiker Religiosität interpretiert werden. Auf dieser plausiblen These baut Drake im Folgenden seine Erörterung des so genannten Donatistenstreites, des 'Mailänder Ediktes' und der beginnenden Auseinandersetzungen um Arius und seine Thesen auf und zeigt, wie Konstantin im Gegensatz zur tetrarchischen Religionspolitik weniger auf Zwang als auf Großzügigkeit und bewusst offene Formulierungen und Repräsentationsformen setzte.

Das religiöse Klima, in dem das Christentum sich ausbreitete und Konstantin anzusiedeln ist, erörtert im Folgenden M. Edwards ("The Beginnings of Christianization", 137-158) mit besonderem Blick auf die Rolle der Bischöfe, während A.D. Lee die "Traditional Religions" (159-179) behandelt. Dieser Beitrag bietet nicht nur einen konzisen Überblick über die religiöse Topographie Roms und einige grundsätzliche Anmerkungen zur Charakterisierung paganer Kulte, sondern arbeitet auch Konstantins zunehmende Reserviertheit diesen gegenüber heraus. Freilich hätte man sich eine Differenzierung zwischen henotheistischen und tatsächlich monotheistischen Haltungen erwünscht, die Lee sämtlich unter den Begriff des "pagan monotheism" klassifiziert (165). Merkwürdig mutet das Fehlen einer eingehenden Behandlung der religiösen Biographie Konstantins vor 312 an. Lediglich Lee konstatiert beiläufig, der Kaiser sei in den Jahren 306-312 "a tolerant pagan with monotheistic tendencies" gewesen (169).

In der dritten Sektion stellt Chr. Kelly seinen Überblick über "Bureaucracy and Government" (183-204) unter die Fragestellung, wie es Konstantin gelungen ist, gerade den Osten an sich zu binden und trotz der Einführung bzw. des Ausbaus einer stark zentralisierten Verwaltung sich die lokalen Eliten gewogen zu halten. Der Autor bindet dabei geschickt die Beschreibung der Reichs- und Palastverwaltung in eine Diskussion über den Umgang Konstantins mit den östlichen Eliten ein, wobei als verbindendes Moment der Ausbau Konstantinopels zur Kaiserresidenz erscheint. C. Humfress behandelt im folgenden "Civil Law and Social Life" (205-225) und zeigt dabei auf, wie "Constantine's [...] legislation developed a piece-by-piece mosaic of ordinary and extraordinary obligations and exemptions which covered all classes, from clarissimi down to coloni, via perfectissimi, palatine, professors, architects, military veterans, decurions, navicularii [...], plebeians, urban bakers, and even 'pigmen'" (209). Einen grundlegenden Überblick über "Economy and Society" (226-252) gibt - nicht nur für die Zeit Konstantins - G. Depeyrot, der vor allem die Einführung des solidus als epochale Leistung hervorhebt (237, 248f.).

In der vierten Sektion widmen sind die Beiträge von J. Elsner ("Perspectives in Art", 255-277) und M. J. Johnson ("Architecture of Empire", 278-297) kunst- und baugeschichtlichen Aspekten - man vermisst eine eigenständige Darstellung der Literatur der konstantinischen Zeit im Anschluss daran -, bevor S. N. C. Lieu ("Constantine in Legendary Literature", 298-321) instruktiv die Silvesterlegende, die Konstantinische Schenkung, die Helena-Legende und byzantinische Konstantin-Viten behandelt.

Die letzte Sektion beginnt mit einer umfassenden Darstellung von "Warfare and the Military" (325-346) durch H. Elton, der auch die Frage nach den Konsequenzen der zunehmenden Christianisierung des Heeres behandelt (335ff.). M. Kulikowski ("Constantine and the Northern Barbarians", 347-376) und E. Key Fowden ("Constantine and the Peoples of the Eastern Frontier", 377-398) erörtern außenpolitische Aspekte und gehen dabei auch auf politische Entwicklungen jenseits der Grenzen des Römischen Reiches ein.

Der Band ist hervorragend mit Abbildungen, Stemmata, Karten, einer Zeittafel und einem Register ausgestattet. Die Bibliographie ist erschöpfend und führt erfreulicherweise auch deutschsprachige Titel in größerer Anzahl auf. Alles in allem ist es ein sehr gelungenes Handbuch.


Anmerkungen:

[1] Vgl. etwa Ch. M. Odahl: Constantine and the Christian Empire, London/New York 2004; R. Ross Holloway: Constantine and Rome, New Heaven 2004; H. Brandt: Konstantin der Große. Der erste christliche Kaiser, München 2006; K. M. Girardet: Die Konstantinische Wende. Voraussetzungen und geistige Grundlagen der Religionspolitik Konstantins des Großen, Darmstadt 2006; E. Hartley/J. Hawkes/M. Henig (Hgg.): Constantine the Great. York's Roman Emperor, Aldershot 2006. Angekündigt sind für 2007: E. Herrmann-Otto: Konstantin der Große, Darmstadt 2007; O. Schmitt: Constantin der Große (275-337), Stuttgart 2007, sowie der Begleitband zur Konstantin-Ausstellung: A. Demandt/J. Engemann (Hgg.): Konstantin der Große, Mainz 2007.

[2] P. Weiß: Die Vision Constantins, in: Colloquium aus Anlaß des 80. Geburtstages von Alfred Heuß, hg. von J. Bleicken, Kallmünz 1993, 143-169.

[3] Vgl. H.-U. Wiemer: Libanios und Zosimos über den Rom-Besuch Kaiser Konstantins I. im Jahre 326, in: Historia 43 (1994), 469-494.

Mischa Meier