Rezension über:

Christopher Howgego / Volker Heuchert / Andrew Burnett (eds.): Coinage and Identity in the Roman Provinces, Oxford: Oxford University Press 2005, xv + 228 S., ISBN 978-0-19-926526-8, GBP 80,00
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Rezension von:
Reinhard Wolters
Numismatische Arbeitsstelle des Instituts für Klassische Archäologie, Eberhard Karls Universität, Tübingen
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Reinhard Wolters: Rezension von: Christopher Howgego / Volker Heuchert / Andrew Burnett (eds.): Coinage and Identity in the Roman Provinces, Oxford: Oxford University Press 2005, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 9 [15.09.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/09/6756.html


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Christopher Howgego / Volker Heuchert / Andrew Burnett (eds.): Coinage and Identity in the Roman Provinces

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Mit den Arbeiten an dem internationalen Gemeinschaftsprojekt "Roman Provincial Coinage (= RPC)", dem wohl letzten Elementarwerk der Antiken Numismatik, hat die Untersuchung der Provinzialmünzen in der römischen Kaiserzeit einen beachtlichen Aufschwung genommen: Erstmals wird hier ein äußerst heterogenes und weit gestreutes Quellenmaterial in einer auf Vollständigkeit zielenden Zusammenstellung dem Typ nach erfasst, regional zugewiesen, datiert und nicht zuletzt zitierfähig gemacht. Nur grobe Schätzungen erlauben derzeit eine Annäherung an das Material, doch sie geben einen Eindruck von der Größe der Aufgabe: Gut 100.000 verschiedene Münztypen dürften es sein, an deren Ausprägung ungefähr 500 Städte des Römischen Reiches in einem Zeitraum von rund dreieinhalb Jahrhunderten beteiligt waren. Das Erscheinen des ersten Bandes von "Roman Provincial Coinage" im Jahr 1992 glich einer Sensation: Hier schien Unmögliches vollbracht. Vier Teilbände und ein Supplement erschließen bereits die Münzen aus der Zeit von Caesars Tod bis zum Ende der flavischen Dynastie. Weitere Bände sind in Arbeit. Angesichts des intensiven Aufblühens der provinzialen Prägungen im 3. Jahrhundert n. Chr. werden bis zum Abschluss des Projekts vermutlich noch Jahrzehnte vergehen.

Unter den vielen Verdiensten von RPC sind nicht die unwesentlichsten, dass die provinzialrömischen Prägungen einerseits aus der einschränkenden Perspektive der "Greek Imperials", andererseits mit der Entscheidung für eine chronologische Anordnung aus jener der Städtecorpora gelöst wurden. Mit vertretbarem Aufwand wird jetzt erstmals ein umfassender Vergleich auf Reichsebene möglich, das synchrone Nachzeichnen des Dialogs der Städte untereinander bzw. die Kommunikation mit der Reichsprägung. Der Dialog zwischen Zentrum und Peripherie ist hier in einer massenhaft vorhandenen, originalen, in der Regel sehr genau datierbaren und zeitgenössischen Quellengruppe zu verfolgen. Es ist zu hoffen und zu erwarten, dass die vermeintlichen arcana zumal der "Provinzialnumismatischen Forschung" durch RPC gelüftet werden und sich auf dieser Grundlage mehr Historiker und Archäologen dieser so überaus reichen Quellengruppe zuwenden.

An allen großen Münzkabinetten und numismatischen Forschungsstellen sind derzeit Mitarbeiter mit der Zusammentragung des Materials für die noch ausstehenden RPC-Bände beschäftigt. In diesem Kontext fand in Oxford im Jahr 2002 ein Symposium statt, dessen Erträge der vorliegende Band veröffentlicht. Vorgegebenes Thema war die in den Münzbildern ausgedrückte lokale und regionale "Identität".

Der Band wird durch vier übergreifende Beiträge eröffnet, denen 11 regionale Fallstudien und ein zusammenziehender Vergleich folgen. Die Fallstudien reichen von Britannien bis Ägypten und lassen im Regelfall die für diese Gebiete bekannten Spezialisten zu Wort kommen: Jonathan Williams zu Britannien, Pere Pau Ripollès zu Spanien, Sophia Kremydi-Sicilianou zu Makedonien, Ulrike Peter zu Thrakien und Moesien, Bernhard Weisser zu Pergamon, Kevin Butcher zu Syrien, Alla Kushnir-Stein zu Palästina, Martin Goodmann zu Judäa und Angelo Geissen zu Ägypten. Simon Price liefert einen Beitrag zu den lokalen Mythen und Dietrich O.A. Klose zu Darstellungen von Festen und Spielen, jeweils im griechischsprachigen Raum. Die Regeln des Wissenschaftsbetriebs bringen es mit sich, dass nicht alle Autoren "ihrem" Thema aus Anlass dieses Symposiums wirklich neue Impulse abgewinnen konnten: Eine brauchbare Zusammenfassung ihrer Forschungen auf aktuellem Stand ist es aber allemal. Ein Beitrag zu Gallien fehlt.

In das Thema "Identität" führen Christopher Howgego und George Williamson auf unterschiedliche Weise ein. Auf die Provinzprägung bezogen macht Howgego mit dem numismatischen Material bekannt, wobei er sich weitgehend auf eine nach Themen geordnete Vorstellung der in den Münzmotiven ausgedrückten Bereiche und Formen angenommener, ausgedrückter oder konstruierter Identität beschränkt. Die Ambivalenz des Identitätsbegriffs, die mögliche Vielfalt von Identitäten zumal im Römischen Reich, erörtert Williamson, jedoch ohne dazu auf das Zeugnis der Münzen einzugehen. Diese Form der Buchbindersynthese festigt leider auch ein Stück Sprachlosigkeit, wo Interdisziplinarität zu erwarten wäre. Was bleibt, ist auf der Ebene der Zeitgenossen die Feststellung, dass Münzen als gezielt reflektierte Symbole städtischer Identität benutzt wurden: Identität durch Religion, Mythen und Geschichte, oder auch Identität durch Architektur. Eher die Perspektive der heutigen Historiker ist die Feststellung von Identität durch Kulturmerkmale wie Zeitrechnung und Sprache oder allgemein durch "Romaness", die Art der Integration durch Selbstromanisierung. Dass die auf den Münzen ausgedrückte Identität eine Identität der Eliten ist, daran erinnert Howgego zu Recht.

Den von diesem Aspekt nicht zu lösenden Fragen nach den organisatorischen Strukturen, einschließlich des Vorgangs der Bildauswahl, trägt der Beitrag von Peter Weiss Rechnung, der zugleich für eine Perspektive wirbt, die nicht an eine Quellengruppe gebunden bleibt. Konrad Krafts Feststellung gemeinsamer Werkstätten und auch gemeinsam genutzter Prägestempel hat laut Weiss keine Konsequenzen für die Auswahl der Bilder und Legenden: Für die einzelnen Städte bzw. deren sich hier äußern könnenden Repräsentanten behalten sie jeweils ihre je spezifische Bedeutung.

Gerahmt wird der Band durch Volker Heucherts "The Chronological Development of Roman Provincial Coin Iconography" und Andrew Burnetts "The Roman West and the Roman East". Heuchert fasst noch einmal wesentliche Charakteristika der Provinzialprägungen zusammen, wobei er über die ersten beiden RPC-Bände und vieles dort in den Einleitungen geäußerte hinaus insbesondere seine detaillierten Kenntnisse zum Zeitraum für den von ihm bearbeiteten RPC IV (138-193 n. Chr.) einbringen kann. Sehr übersichtlich sind seine Kartierungen zur Zunahme der städtischen Prägeaktivität (34-39); seine an rechtlichen Gegebenheiten angelehnte Differenzierung der Provinzialprägungen in 4 Typen (Klientelkönige, Provinzialprägungen, Koinon-Prägungen, Städtische Prägungen; 30 f.) ist hingegen nicht nur in den zugrunde gelegten Kategorien problematisch, sondern auch in der Praxis kaum trennscharf zu handhaben (vgl. im vorliegenden Band auch Burnett, 172 ff.). Die großzügige und gelungene Bildauswahl auf 5 Tafeln gibt - vor allem gemeinsam mit den von Howgego gewählten Illustrationen - einen repräsentativen Einblick in die Themen und Darstellungsweisen der Provinzialrömischen Prägungen.

Burnetts geografische Gegenüberstellung, als Abschluss des Bandes, kontrastiert Heucherts chronologische Perspektive. Beide greifen in ihren Analysen auf die anderen Beiträge des Sammelbandes zurück und geben so durchaus ein Resümee der Tagung. In der Aufgabe einer eigenen Münzprägung der westlichen Reichsteile noch vor der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. erkennt Burnett eine als "kleiner Schritt" qualifizierte Bereitschaft zum Aufgehen in der Reichsidentität, während die östlichen Städte miteinander konkurrierten und so eine eigene Identität - auch dem Reich gegenüber - bewahrten. Burnetts Überlegungen zur nur eingeschränkten Umlauffähigkeit der Provinzialrömischen Münzen aufgrund gesetzlicher Regelungen, unter ausdrücklichem Ausschluss metrologischer Steuerungen, verweist bereits auf ein weiteres großes Thema in der Erforschung der Roman Provincials, nämlich die Bestimmung ihrer Rolle für die Wirtschaft. Seine Deutung, wonach auch die Münzen verzollt werden mussten, legt den diesbezüglichen Abschnitt im Zollgesetz der Provinz Asia jedoch etwas zu pointiert aus (175 f.).

Eine Einschränkung erfährt der sommerliche Lesegenuss dadurch, dass die dünnen Seiten des Bandes beim Lesen stets an den Händen kleben bleiben und zum Ausbeulen neigen. Doch gerade in einer Internet-Publikation seien derartige Lebens- und Altersspuren als spezifische sinnliche Qualität der Publikationsform Buch verteidigt. Davon abgesehen ist der Band in der bewährten Oxford-Qualität hergestellt, es ist bestens redigiert und ausgestattet. Das sinnvoller Weise für alle Beiträge gemeinsam erstellte Literaturverzeichnis ergibt eine hervorragende Bibliografie zur römischen Provinzialprägung auf neuestem Stand (181-201). Ein Geografischer Index und ein Gesamtregister ergänzen den Service. Die 32 Tafeln am Ende geben die Münzen nebst einigen anderen Abbildungen in überwiegend guter Qualität wieder: Für jede Beschäftigung mit den Roman Provincials darf der Band als derzeit bester Einstieg empfohlen werden.

Reinhard Wolters