Quintus Septimius Tertullian: De Baptismo. De Oratione. Von der Taufe. Vom Gebet. Übersetzt und eingeleitet von Dietrich Schleyer (= Fontes Christiani; Bd. 76), Turnhout: Brepols 2006, 339 S., ISBN 978-2-503-52115-2, EUR 41,00
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Tertullians De baptismo ist die einzige erhaltene Schrift, die vor Nicaea einem Sakrament gewidmet ist. Desgleichen ist mit Tertullians Abhandlung De oratione die früheste Auslegung des Vaterunsers überliefert (26 f.). Daher ist es nicht nur für die Fachwelt ein Gewinn, dass diese beiden katechetischen Schriften des wortgewaltigen Kirchenvaters und ersten lateinischen Apologeten (ca. 160-220) nun in einer zweisprachigen Ausgabe der erfolgreichen Reihe Fontes Christiani vorliegen.
Schleyers Übersetzung der eigentümlichen Sprache Tertullians und seiner dichten, vielfach antithetischen Argumentationsstruktur ist stets textnah und liest sich flüssig. Sie basiert auf den Editionen von Borleffs (De baptismo) und Diercks (De oratione). Überzeugend ist Schleyers Übersetzungsvorschlag der viel diskutierten Textstelle De baptismo 17,4 f. (204 ff.; 280 ff.) über die von Tertullian vehement zurückgewiesene weibliche Lehrvollmacht und Taufbefugnis. Eine andere Übersetzungsentscheidung ist wenngleich akzeptabel etwas problematisch. Schleyer gibt Diem baptismo sollemniorem pascha praestat (210 f.) so wieder: "einen recht festlichen Tag für die Taufe bietet Ostern". Immerhin ist es die Überlegung wert, ob Tertullian mit seiner begründeten Präferenz für das Osterfest als Tauftermin vielleicht sogar einen Paradigmenwechsel hin zum Ideal der post-nizänischen Ostertaufe angestoßen hat. [1]
Die textkritischen Erläuterungen sind verständlich und wohltuend knapp. Das schafft Raum für viele sachliche und sprachliche Hinweise im Anmerkungsapparat. Unverzichtbar ist die rund 150 Seiten starke instruktive Einleitung. Sie vermittelt eingängig die tertullianische Taufliturgie und -theologie sowie die Charakteristik seiner Vaterunser-Auslegung. Darüber hinaus macht sie den theologischen Bezugspunkt der beiden Schriften klar: Die Taufschrift verweist auf die Kontinuität im Heilsplan Gottes; die Schrift vom Gebet stellt das Vaterunser als wesentliche christliche Neuerung dar. Tertullians theologischer Absolutheitsanspruch und seine moralische Rigorosität werden durch Schleyers prägnante Überlegungen zur Bluttaufe gleichsam zusammengefasst: "In De baptismo kennt Tertullian nur eine Möglichkeit, unter Beachtung des Prinzips der Einmaligkeit der Taufe die durch schwere Schuld verlorene Taufgnade wiederzuerlangen: die Bluttaufe des Märtyrers. [...] Wie es aber nur eine Taufe als Wassertaufe gibt, wie nur einen Gott und eine Kirche, so nur eine Bluttaufe." Außerhalb der einen Kirche, also bei Häretikern und Heiden, könne es weder Taufe noch Martyrium geben (97 f.; 103 ff.).
Bisweilen zu kursorisch wirken die Überlegungen zum "Sitz im Leben" der beiden Abhandlungen. Denn Schleyer berücksichtigt nicht ausreichend, aus welchem Erfahrungsbereich Tertullian schreibt. Hier fehlt ein kurzes Kapitel zur Gesamtsituation der christlichen Gemeinde von Karthago. Gleichwohl erwähnt Schleyer, dass es in Tertullians Intention gelegen habe, die für Getaufte wie Taufbewerber bestehende Gefahr zu identifizieren, die in der sehr verführerischen Lehre einer gnostischen Sekte, der Kainiten, bestanden habe. Denn diese und andere gnostische Gruppierungen, die mit dem Christentum um das wirksamste Heilsversprechen konkurrierten, setzten am neuralgischen Punkt des christlichen Glaubens an, da sie den Sinn der Taufe radikal infrage stellten. Ihre Kritik verunsicherte Taufbewerber und Getaufte und fand erkennbar Anklang bei den Christen Karthagos (14 f.; 160 f.). In der dualistischen-gnostischen Auffassung bestand ein unaufhebbarer Widerspruch zwischen der materiellen Ursache (Wasser) und der spirituellen Wirkung der Taufe. Schleyer konturiert klar die rhetorisch und theologisch charakteristische Widerlegung Tertullians ganz im Sinne des ihm zugeschriebenen Diktums credo quia absurdum est: Glaubhaft sei die Heilswirkung des einfachen Taufsakramentes, eben weil es über den menschlichen Verstand hinausginge (51 ff.).
Dass die beiden Werke nach Anlage, Stil und Adressatenkreis eng zusammenhängen wird besonders deutlich, wenn Tertullian seine Katechumenen am Ende von De baptismo darauf vorbereitet, dass sie als Neugetaufte vor der Mutter-Kirche mit den Brüdern erstmals das Gebet des Herrn sprechen werden (214 ff.). Schleyer vermutet daher, dass Tertullian sich in beiden Schriften als autorisierter Priester und Lehrer an Taufbewerber und Gemeindechristen gewendet habe. 200 n.Chr. oder kurz danach sei Tertullian ordiniert worden und habe dann als Presbyter beide Schriften zwischen 200 und 206 verfasst (9 f., 21 ff.). Hier folgt Schleyer einer älteren Forschungsmeinung, die sich in ihrer Einschätzung auf eine fragliche Stelle bei Hieronymus stützt, der vom Tertullianus presbyter spricht (vir.ill.53). Dahinter steht die Annahme, dass Tertullian in der karthagischen Gemeinde nur als Presbyter über dogmatische Fragen dozieren und die Feder führen konnte. [2]
Entsprechende Selbstzeugnisse finden sich bei Tertullian indes nirgends. Im Gegenteil: Er gibt in De oratione an, ohne besondere Stellung und Berechtigung zu sprechen. Schleyer übersetzt die entscheidende Formulierung nullius loci in seiner Argumentation mit "ohne jegliches Ansehen" und wertet diesen Ausdruck als Bescheidenheitsformel (252 f.). Selbst wenn Tertullian hier wie auch im Schlusssatz von De baptismo Bescheidenheit zeigt ("Nur darum bitte ich, dass, wenn ihr bittet, ihr auch Tertullians, eines Sünders, gedenket."), dann scheint die Position eines Laien erst recht plausibel zu sein. Denkbar wäre, dass Tertullian seine fehlende priesterliche Weisungsbefugnis kompensierte, indem er sich wie in De oratione 20,1 f. auf die Autorität des Apostels Paulus berief. Leider lässt in dieser wichtigen Frage die vorliegende Fontes Edition die Berücksichtigung einiger aktueller Publikationen vermissen. [3]
Schließlich sollte erwogen werden, ob vielleicht bei Tertullian der seltene Fall vorliegt, dass eine einflussreiche aber umstrittene Persönlichkeit in Karthago belehrend das Wort ergriffen und diesen Umstand damit zu begründen versucht hat, dass "wir Laien auch Priester seien", so sein Ausruf in der Schrift De exhortatione castitatis. Der von Tertullian gewählte Plural erscheint keinesfalls mehrdeutig, sondern sollte so gelesen werden, wie es dasteht (10; [4]). Trotz der eigenen prekären innergemeindlichen Stellung war Tertullian jedenfalls weit davon entfernt, ein allgemeines Laienpriestertum zu proklamieren, wenn er eindeutig feststellt, dass kraft seines Amtes nur der Bischof das ius dandi baptismi habe. Presbyter und Diakone tauften entsprechend mit bischöflicher Vollmacht. Zwar hätten auch Laien die Berechtigung, ihre Taufespende sei aber ausschließlich in Notsituationen zu akzeptieren und verlange besonders respektvolle Zurückhaltung und Unterordnung (204 f.).
Die hier geäußerte Kritik ändert fraglos nichts daran, dass auch mit diesem ansprechenden Band die Fontes Christiani nicht nur durch eine überzeugende moderne Übersetzung zweier Schriften des einflussreichen Theologen Tertullian, sondern zugleich in thematischer Hinsicht beachtlich erweitert worden sind.
Anmerkungen:
[1] Evans übersetzt: "The Passover provides the day of most solemnity for baptism"; ders.: De baptismo liber, London 1964, 40 f.; entsprechend H. Kellner: BKV 7, 1912, 297; siehe auch M.E. Johnson: Tertullian's "Diem Baptismo sollemniorem" Revisited, in: ders.: Studia liturgica diversa, Portlans 2004, 31-44.
[2] P. Monceaux: Histoire littéraire de l'Afrique chrétienne depuis les origines jusqu'à l'invasion arabe, Bd. I, Paris 1901,182.
[3] Siehe D. Rankin: Tertullian and the Church, Cambridge 1995, 38-40; E. Osborn: Tertullian, First Theologian of the West, Cambridge 1997 und G.D. Dunn: Tertullian. The Early Church Fathers, London 2004, 3-56.
[4] T.D. Barnes: Tertullian, Oxford 1985, 11, Anm. 4.
Henrike Maria Zilling