Rezension über:

G.G. Aperghis: The Seleukid Royal Economy. The Finances and Financial Administration of the Seleukid Empire, Cambridge: Cambridge University Press 2004, XV + 361 S., ISBN 978-0-521-83707-1, GBP 55,00
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Rezension von:
Peter Franz Mittag
Seminar für Alte Geschichte, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg/Brsg.
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Peter Franz Mittag: Rezension von: G.G. Aperghis: The Seleukid Royal Economy. The Finances and Financial Administration of the Seleukid Empire, Cambridge: Cambridge University Press 2004, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 7/8 [15.07.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
/2005/07/7266.html


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G.G. Aperghis: The Seleukid Royal Economy

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Aperghis nimmt die dringende Aufgabe in Angriff, das Wirtschafts- und Finanzgeschehen im seleukidischen Herrschaftsgebiet zu untersuchen. Denn anders als der Titel zunächst vermuten lässt, beschäftigt sich Aperghis nicht nur mit der königlichen Finanzadministration im engeren Sinn, sondern bettet seine Überlegungen in einen größeren Rahmen ein, indem nach einem knappen Überblick über die zentralen Quellen und einem historischen Abriss (Part I) zunächst die grundlegenden Daten (Geografie, Bevölkerungszahlen, Wirtschaftsbereiche, Landeigentum) zusammengetragen werden (Part II). Neben den einschlägigen hellenistischen Zeugnissen zieht Aperghis hierbei wie im Folgenden immer wieder achaimenidische Belege heran. Hierin kommt am deutlichsten zum Ausdruck, dass Aperghis' vorliegende Dissertation maßgeblich von Amélie Kuhrt betreut wurde, die immer wieder die achaimenidischen Traditionen der seleukidischen Verhältnisse betont.

Erst im anschließenden Hauptteil (Part III) wendet sich Aperghis der eigentlichen königlichen Finanzadministration zu. Dabei geht er von Buch 2 der pseudo-aristotelischen oikonomika aus, das er zunächst neu übersetzt und kommentiert (Kapitel 7), um anschließend die darin der "Satrapenwirtschaft" zugerechneten Einnahmen eingehend zu betrachten. Die Übertragungsmodalitäten der im Bereich der "Satrapenwirtschaft" erzielten Überschüsse in die "königliche Wirtschaft" werden danach vor dem Hintergrund der achaimenidischen Finanzverwaltung untersucht. In einem weiteren Schritt stellt Aperghis die Ausgaben zusammen und berechnet deren Höhe (Kapitel 10), bevor er sich - die grundsätzlichen Überlegungen zu den oikonomika abschließend - der Münzprägung zuwendet.

Aperghis kehrt im Folgenden nochmals zur seleukidischen Wirtschaft im weiteren Sinne zurück, um auf dieser Basis die Höhe der jährlichen Einnahmen zu rekonstruieren. Abschließend wendet er sich der Finanzadministration zu. In zwei Appendices sind darüber hinaus die seleukidischen Münzschätze (allerdings ohne Erklärung der Tabellen-Legenden) und die wichtigsten epigrafischen und literarischen Zeugnisse zusammengestellt.

Die oikonomika stehen als das maßgebliche literarische Zeugnis im Mittelpunkt der Untersuchung. In der Neu-Übersetzung und Kommentierung sowie bei den Überlegungen zur Finanzadministration liegen die großen Stärken der Arbeit. Sowohl bei der "königlichen Wirtschaft" als auch der "Satrapenwirtschaft" kann Aperghis bisher strittige Aspekte überzeugend lösen. So deutet er beispielsweise die beiden zentralen Begriffe aus dem Bereich der "Satrapenwirtschaft" eisagōgima und exagōgima als Waren, die in die königlichen Warenlager eingeliefert bzw. aus ihnen entnommen wurden. Damit setzt er sich überzeugend von der älteren Deutung als Importe bzw. Exporte ab. Auch bei der Frage, in welchem Verhältnis phoros (Tribut) und dekatē (Zehnter) zueinander standen, bezieht Aperghis eindeutig Stellung. Für ihn stellt der phoros einen festgelegten Betrag dar, der auf die Nutzung allen Bodens erhoben wurde. Daneben sei zusätzlich ein Ernteanteil in Form der dekatē eingezogen worden, der je nach Eigentumsverhältnissen unterschiedlich hoch sein konnte. Aus der Mnesimachos-Inschrift (W. H. Buckler und D. M. Robinson, Greek inscriptions from Sardes, AJA 16, 1912, 11-82 = document 5) schließt er, dass der phoros 1/12 des Grundstückwertes betragen habe. Die dekatē habe bei 50% des Bodenertrages im Fall königlichen Landes gelegen, im Fall von Land, das Städten oder Tempeln angeschlossen war, habe die dekatē zuweilen vielleicht nur 10% betragen (151f.). Insbesondere diese Berechnung bzw. Schätzung der dekatē überzeugt nicht völlig, weil die herangezogenen Zeugnisse mit einer Reihe nicht beweisbarer Prämissen gewürzt werden müssen.

Bei der Rekonstruktion der Einnahmenhöhe konzentriert sich Aperghis auf die vom Verfasser der oikonomika an erster Stelle genannten Einnahmenarten phoros und dekatē. Die übrigen Einnahmen des Königs werden daher von Aperghis zum Teil stiefmütterlich behandelt. So trägt er beispielsweise im Rahmen seiner Ausführungen zu den Zöllen nicht alle verfügbaren Informationen zusammen, obwohl für deren Sätze aus einigen Regionen - wenn auch teilweise aus anderen Zeiten - verhältnismäßig viele Daten vorliegen. [1] Diese Zurückhaltung dürfte darauf zurückzuführen sein, dass Aperghis die Höhe der königlichen Finanzströme rekonstruieren möchte. Da keinerlei Angaben über die umgeschlagenen Warenmengen vorliegen, ist auch der über die Zölle eingenommene Betrag nicht zu ermitteln.

Aufbauend auf seinen Überlegungen zur Einwohnerzahl der verschiedenen seleukidischen Regionen in Kapitel 4 berechnet Aperghis die Höhe der in den einzelnen Satrapien eingezogenen Abgaben, wobei sich Aperghis der Probleme sowohl der Berechnung der Einwohnerzahlen als auch der Abgaben bewusst ist. Einerseits ist es begrüßenswert, dass Aperghis dieses Wagnis unternimmt, andererseits zeigen seine Überlegungen aber auch, weshalb vorangegangene Forschergenerationen davon Abstand genommen haben. [2] Aperghis ist nämlich gezwungen, eine Reihe von Prämissen zu setzen, bei denen man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass manche zugrunde liegende Annahme erst gesetzt wurde, nachdem eine erste Berechnung nicht zu dem gewünschten Ziel geführt hatte. Darüber hinaus fallen problematische Schlussfolgerungen auf. So geht Aperghis beispielsweise bei der Berechnung der Bevölkerungszahlen unter anderem von den achaimenidischen Tributlisten aus (51), um gegen Ende seiner Untersuchung mithilfe der Bevölkerungszahlen auf die Abgabenhöhe zur Zeit der Seleukiden zu schließen (251), also von der literarisch belegten Höhe der achaimenidischen Tribute mit dem Zwischenschritt über die Bevölkerungszahl zu den seleukidischen Einnahmen. Dass die Grafen der Gesamtbevölkerungszahl auf Seite 57 und diejenige der Gesamteinnahmen auf Seite 252 sehr ähnlich aussehen, ist kein Zufall. Etwas anderes wäre aber im Übrigen auch kaum zu erwarten, wollte man nicht annehmen, dass die Relationen zwischen den einzelnen Abgabenarten sich im Lauf der seleukidischen Herrschaft signifikant veränderten. Die mühsamen und zum Teil ermüdenden Berechnungen, die schließlich zur Höhe der Gesamteinnahmen des Königs führen, leisten letztlich aber eines: Sie bestätigen die wenigen literarisch belegten Angaben zu den Einnahmen hellenistischer Könige (248-251).

Die Berechnungen der Einnahmen werden ergänzt durch entsprechende Überlegungen zu den Ausgabenposten. Auch hier ist Aperghis gezwungen, eine Reihe von Annahmen zu setzen. Den wichtigsten Ausgabeposten bildete das Militär. Lassen sich die in Kriegszeiten zusammengestellten Heeresgrößen anhand der literarischen Überlieferung noch einigermaßen gut ermitteln, ist Aperghis für die Friedenzeiten auf äußerst vage Vermutungen angewiesen. Angesichts der Tatsache, dass über die Flotte keine statistisch relevanten Zahlen vorliegen, sind die für die Flotte geschätzten Kosten noch hypothetischer. Die von Aperghis errechneten 7000-8000 Talente, die das Militär in Friedenszeiten jährlich kostete erscheinen gegenüber den 9000-10000 Talenten, die im Kriegsfall angefallen seien, sehr hoch zu sein. Es ist daher zu überlegen, ob das stehende Heer nicht doch geringer war, als Aperghis annimmt. Zudem lässt Aperghis die Kosten für Kriegsgerät außer Acht. Stehen die Zahlen für das Militär somit auf einer recht wackeligen Basis, so sind die Überlegungen zu den Kosten der Hofhaltung und Administration des Herrschaftsgebietes reine Schätzungen (205-207).

Auf sichererem Boden bewegt sich Aperghis erst wieder in seinen abschließenden Überlegungen zur Finanzadministration. John Ma [3] hatte jüngst die Doppelstruktur der seleukidischen Administration deutlich betont. Aperghis gelingen weitere Präzisierungen. Auf Satrapie-Ebene fungierten neben den militärisch / zivilen Befehlshabern dioikētai, auf Hyparchie-Ebene oikonomoi (bzw. in Syrien auf Meridarchie-Ebene dioikētai und auf Toparchie-Ebene oikonomoi). In welcher Beziehung die eklogistai zu den oikonomoi standen, ist nach Aperghis ungewiss; die eklogistai waren seiner Meinung nach wahrscheinlich für die Steuereintreibung zuständig, während die oikonomoi die Verantwortung für die Verwaltung des Landes und der laoi sowie der Einnahmen und Ausgaben trugen (281f.). Das Amt des epi tōn prosodōn habe es nicht gegeben, vielmehr handele es sich dabei um eine unpräzise Bezeichnung, die für verschiedene Finanzverwalter verwendet werden konnte. Sollten diese plausiblen Zuweisungen richtig sein, dann ergeben sich Parallelen mit den achaimenidischen Verhältnissen, mit der wesentlichen Ausnahme, dass der seleukidische Satrap keine Funktion mehr innerhalb der Finanzadministration besaß (289f.).

An verschiedenen Stellen - und zuspitzend nochmals in den "general conclusions" - wird den seleukidischen Königen eine wirtschaftlich orientierte Handlungsweise attestiert. Politische und soziale Erwägungen hätten dagegen einen geringeren Stellenwert, als gemeinhin angenommen werde. Dem ist entgegenzuhalten, dass insbesondere im Bereich der Euergesien die seleukidischen Könige bereit waren, hohe Summen für sehr politische Ziele einzusetzen. Auch der Liste der Städtegründungen, die Aperghis unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, lässt sich unter einem militärischen und strategischen Blickwinkel noch der eine oder andere, von Aperghis vernachlässigte Aspekt abgewinnen. Dennoch ist es für die weitere Diskussion äußerst förderlich, den bisher bei den Seleukiden eher vernachlässigten Wirtschafts- und Finanzsektor unter diesem Blickwinkel ausgewertet zu haben.

"The Seleukid Royal Economy" hat somit deutliche Stärken, aber auch einige Schwächen. Die Stärken offenbaren sich vor allem bei der Kommentierung der pseudo-aristotelischen oikonomika und der Rekonstruktion der Finanzadministration, die Schwächen bei den Berechnungen von Bevölkerungszahlen, Einnahmen und Ausgaben der Könige. Aperghis ist sich dieser Schwächen bewusst und weist an verschiedenen Stellen darauf hin, wie hypothetisch manche Berechnung ist. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er trotz der offensichtlichen Schwierigkeiten nicht davor zurückgeschreckt ist, die wenigen Bausteine zu einem mathematischen Gebäude zusammenzusetzen und damit letztlich die in der antiken Literatur genannten Zahlen zu den Einnahmen anderer hellenistischer Könige zu bestätigen.


Anmerkungen:

[1] S. etwa ps.-Arist. oik. 1352 b 26-33 (10%iger Einfuhrzoll im vorhellenistischen Babylon), Claire Préaux: Le monde hellénistique. La Grèce et l'Orient de la mort d'Alexandre à la conquête romaine de la Grèce (323-146 av. J.-C.), Paris 1978, Bd. 2, 504f. (25%er ptolemäischer Exportzoll auf Parfum) und George E. Bean: Notes and Inscriptions from Caunus, in: JHS 74 (1954), 85-110, Nr. 38 (5%er Hafenzoll von Kaunos).

[2] Vgl. etwa Michael Rostovtzeff: The Social and Economic History of the Hellenistic World, Oxford 1941, 422.

[3] John Ma: Antiochos III and the Cities of Western Asia Minor, Oxford 1999, 136ff.

Peter Franz Mittag