Koch, Christian Friedrich

Lebensdaten
1798 – 1872
Geburtsort
Mohrin bei Königsberg (Neumark)
Sterbeort
Neiße (Oberschlesien)
Beruf/Funktion
Jurist ; Politiker
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 100583326 | OGND | VIAF: 7734896
Namensvarianten

  • Koch, Christian Friedrich
  • Koch, C. F.
  • Koch, Friedrich Christian
  • Coch, Christian Friedrich
  • Coch, C. F.
  • Coch, Friedrich Christian

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Zitierweise

Koch, Christian Friedrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd100583326.html [12.12.2024].

CC0

  • Koch, Christian Friedrich

    Jurist, * 9.2.1798 Mohrin bei Königsberg (Neumark), 21.1.1872 Neiße (Oberschlesien).

  • Genealogie

    V Christian Friedrich, Taglöhner u. Topfstricker;
    M Marie Elisabeth verw. Zerbst geb. Manteuffel;
    Berlin 1821 Auguste ( 1885), T d. Rud. David Jonas Hollatz ( 1808), Arzt an d. Charité in Berlin (Nachkomme v. David Hollaz, 1713, luth. Dogmatiker, s. NDB IX); kinderlos.

  • Biographie

    K.s Karriere gilt als Musterbeispiel für den sozialen Aufstieg eines Juristen. Eine Schneiderlehre, gleichzeitige Abschreibertätigkeit bei Gericht und Justizaktuariusjahre hatten ihn nicht befriedigt. Obwohl verheiratet, gab er die sichere Stelle auf und holte 1823 das Abitur nach. Bis 1825 studierte er Jura unter Savigny in Berlin, wo auch Biener, Schmalz, Lancizolle, Hollweg und Klenze lehrten, nicht schon Gans. Er begann als Referendar die höhere Laufbahn, wurde 1827 Assessor am Kammergericht, 1828 in Köln, 1829 in Marienwerder, 1832 nach erst 6 Dienstjahren Direktor in Culm, 1834 in Glogau, 1835 Rat am Oberlandesgericht (OLG) Breslau, 1840 Direktor in Halle und 1841 in Neiße, da es ihn wieder nach Schlesien zog. Dieses katholische Landstädtchen von gut 10 000 Einwohnern mit seinem recht großen erstinstanzlichen Gericht wurde seine eigentliche Bleibe. Aus den hektischen Berliner Reformaktivitäten, zu denen ihn im Mai 1848 der neue liberale Justizminister Bornemann mitherangezogen hatte, kehrte er im Mai 1849 „mißmutig“ zurück, da seine Prozeß- und Justizreformvorschläge bei den immer konservativeren, schnell wechselnden Ministern (Bornemann, Märker, Kisker, Rintelen) kein Gehör mehr fanden und man eine Zusage für das Obertribunal nicht einhielt. 1852 erlebte er noch ein obskures Disziplinarverfahren. Mit erst 56 Jahren trat er 1854 in den Ruhestand und widmete sich, inzwischen recht vermögend, auf seinem Gut Blumenthal bei Neiße literarischer Arbeit. Eine Mitgliedschaft als Fortschritts-|Abgeordneter auf der Linken der preußischen Konfliktszeit 1861-66 blieb Episode.

    Für eine gültige Charakteristik K.s fehlen zwei Voraussetzungen: Sein Kontext müßte modern erforscht sein; die Quellen müßten unabhängig von den Momentbildern der Nachrufe umfassend gesammelt, gesichtet und geprüft werden. Daher läßt sich nur sagen: Die Zeitgenossen rühmen K. schon 1844 als „berühmten Verfasser“ für preußisches Recht zwischen 1830 und 1870. K. näherte sich einem Ideal der Zeit: dem in Savignys Sinn „wissenschaftlichen“ Praktiker, also eines an „principieller Auffassung“ der Quellen und „System“ orientierten „habilitationsfähigen OLG-Rates“ (Kroeschell). Zum „tüchtigen“ Gerichtsdirigenten machten K. breite Kenntnisse, eigene Subalternerfahrungen, Arbeitskraft, Ordnungssinn und Pünktlichkeit. Wie eine Bestandsaufnahme von Rezensionen ergab, brachten ihm seine circa 30 selbständigen Schriften vor allem seit 1836 („Recht der Forderungen“) Respekt in Preußen. Das gesamtdeutsche Echo blieb gering, da trotz reicher gemeinrechtlicher, legislativer und historischer Schätze darin stets das Partikularrechtliche überwog, außer bei den Reformschriften von 1843 und 1848/49 mit ihren weitsichtigen Vorschlägen zur Justizpflege, die sich 1877 in vielem durchsetzten. K.s erste Arbeiten wenden sich als Teil und Träger einer Entwicklung um die 30er Jahre (Bornemann, Gans, Materialienedition zum ALR) mit den Mitteln der blühenden historischen und neuromanistisch-systematischen Methode intensiver dem Allgemeinen Landrecht (ALR) zu. Er debütiert 1825 mit einer Monographie zum Besitzrecht, einem Schaustück damaliger Zivilrechtstheorie. „Theorie“ ohne Heranziehung von Entscheidungen oder auch nur Konzentration auf im Ergebnis Relevantes liefert auch K. Positiv daran war, daß er den ALR-Text näher untersuchte, eine Verbindung zum Römischen Recht herstellte und eine Erläuterung aus Motiven und Literatur der ALR-Zeit begann. K. folgt damit einem bewußten, im Vorwort umschriebenen Programm. Er hält es stets fest und erfüllt es im letzten Punkt mehr und mehr. Privatrecht einschließlich Prozeß bleibt sein Hauptarbeitsgebiet. Hier schuf er mit seinen Lehrbüchern, der „Anleitung“ und dem „Formularbuch“ bewußt ein „theoretisch-praktisches Ganzes“. Im weiten Rahmen des ALR kommentierte K. aber auch das Strafrecht fast lehrbuchartig; Staatsrecht fehlt weitgehend, ebenso bloß historische Studien. In den 40er Jahren reizen auch ihn legislativ-politische Themen, in denen er klares und mutiges kritisches Talent beweist. Ungewöhnlich intensiv pflegt er schließlich die praktische Seite seines Fachs mit Anleitung, Archiv, Formularbuch und Kommentaren. Als Meister der „rein wissenschaftlichen“ monographischen Methode im preußischen Recht bringt er seit 1852 mit seinem berühmten und sehr verbreiteten ALR-Kommentar eine alte, sehr „praktische“ Literaturform wieder in Mode, gewiß ohne dabei „herabzusinken“ (Landsberg). In konzentrierten Fußnotenglossen, fast ohne „Konstruktion“ und Literatur, aber mit zuverlässigen Hinweisen auf wichtige Rechtssprechung unter reicher Einschaltung amtlicher Äußerungen zum ALR prägte er einen modern wirkenden Kurzkommentarstil. Sein juristisches Talent besticht noch heute. Vor seiner unwahrscheinlich präsenten Dogmatik erscheint die Zersplitterung, Schwerfälligkeit und Vielfalt des damaligen preußischen Rechts geglättet. Sein Erfolg beruht auf sorgfältiger Textanalyse, großer praktischer Vorstellungskraft, weit überdurchschnittlichen Kenntnissen nicht nur des ALR und straffem, begründetem Urteilen.

    Die früh – zum Beispiel in der „Anleitung“ – bewiesene praktische Seite K.s enthüllt mit zunehmender Konzentration auf das positive preußische Recht und wirklicher Einbeziehung des an den historischen Fakultäten ungeliebten späten usus modernus (Recht der Forderungen, Lehrbuch) Spannungen in K.s Methodenverständnis, die seinen spezifischen Platz unter den Zeitgenossen näher erschließen. Vollstes Lob findet ein treffender „juristischer“ Grund, schärfste Kritik alles Unjuristische in Rechtsproblemen. Dieser lapidare Maßstab K.s setzt voraus, daß man sich klarer Grenzen zu Historie, Wirtschaft und Politik sicher glaubt. In der Tat neigt K. zu starr legalistischen Argumenten, auch und gerade wenn er sich an eine bestimmte „Natur des Instituts“ gebunden fühlt. Zwar ist er viel mehr Historiker und Politiker als heutige Juristen, doch trennt er um so schärfer. Diese Trennung war eine Existenzbedingung der vielen zugleich außerjuristisch tief engagierten Juristen im monarchischen Staat. Auch K. erlangte und erhielt sich seinen Beruf nicht zuletzt dank dieser Rückzugslinie von loyaler Rechtlichkeit. „Juristisch“ bedeutet weiter „wissenschaftlich“, also etwa: aus durchdachten, nicht beliebigen und bloß kasuistischen Prinzipien begründet. In diesem genauen Sinn läßt sich von Savignys „bestimmendem Einfluß auf K.s wissenschaftliche Richtung“ (Behrend) sprechen. Irreführend pauschal beschwört man meist eine allgemeine Harmonie zwischen Lehrer und|Schüler. Schon wegen seiner sehr praktischen Note, mehr noch aber wegen seiner politisch progressiven und religiös indifferenten Haltung fehlen bei allem Respekt weitergehende Parallelen. Soweit ihn Savignysche Methodensätze wissenschaftlich bestimmten, leistete K. eine energische und teilweise selbständige Anwendung auf ein umfassend kodifiziertes Recht wie das ALR – energischer als Savigny selbst, dessen politische und neuhumanistisch gelehrte Abneigung gegen das preußische Aufklärungsgesetzbuch er zumeist nicht teilte. K. erlebte 1824 die dritte der fünf Landrechtsvorlesungen Savignys, übertraf aber den Meister wohl in der Intensität der ALR-Analyse. Dadurch wurde K. dem Gesetzbuch gerechter als viele. Das oft wiederholte Programm „vollständiger quellenmäßiger Bearbeitung“ des ALR realisierte auch K. nicht. Grundsätzlich hinderlich wirkte seine Neigung, die „Natur des Instituts“ aus klassisch romanistischen Sätzen festzulegen und erst sekundär vor dieser Folie das ALR zu betrachten. So sehr sich letzteres verselbständigte, besonders in den Kommentaren, so blieb doch der Schatten des römischen Rechts als des „reinen“ Rechts und lenkte von der klaren Erkenntnis und Durchführung der andererseits schon gestellten Aufgabe ab, bloß das „Gegebene zu begreifen und zu verarbeiten“. Das ALR verliert an Eigenwert als bloßer Anwendungsfall „des“ Rechts überhaupt, das man im klassischen römischen Recht verkörpert sah. Die frühen Monographien K.s zeigen daher eine heute nicht so leicht einleuchtende dualistische Anlage Römisches Recht – ALR. Noch im großen systematischen Lehrbuch von 1845/46 kämpft K. mit der romanistischen Folie. In dieser Grundhaltung erweist sich K. mehr als andere Partikularrechtler (Reyscher) als Erbe des Naturrechts wie sein Lehrer. Doch scheint K. immerhin die Voraussetzung der eigenartigen entwicklungsgeschichtlichen Methode Savignys, den Glauben an „das“ Recht im römischen Recht (Wilhelm), nicht voll zu teilen. Mit der Zeit zeigen seine Schriften eine Ablösung vom römischen Recht in diesem Sinne; die oft beschworene „Wissenschaftlichkeit“ wird genutzt für die nüchterneren und praktischeren Aktivitäten nach 1850, mit denen sich K. in Richtung eines wissenschaftlichen Positivismus (Wieacker) zu bewegen beginnt, der eben „das Gegebene zu begreifen und zu verarbeiten“ sucht, ohne es als Anwendungsfall von etwas Höherem zu relativieren.

    Bei allem verstand sich K. wie viele frühe „Positivisten“ keineswegs als unpolitisch. Man trennte nur. Behrend spricht von „demokratischen Reden“ 1848, die jedoch im Druck nicht auffindbar waren. K.s Reformschriften vor 1848 vertreten linksliberale Forderungen. Die Kritik am Obertribunal seit 1839 ist sehr offen und dezidiert, positiv wie negativ. Seine sachliche Strenge wurde vielfach als zu freimütig empfunden. Die stets gewahrte Loyalität als Jurist und Bürger führt ihn 1861 in die Fortschrittspartei, die bei aller Opposition der Revolution abschwor. K. folgt entschieden elitären Maßstäben, die ihn im Namen der bürgerlichen Freiheit und Vernunft empfindlich machen gegen jede Bevormundung von oben, aber auch von unten durch wirkliche Volksmehrheiten. Seine Leitgröße ist Leistung, sie soll sozialen Aufstieg ermöglichen und steuernd begrenzen. Hier liegt auch eine Wurzel seines Glaubens an den „Richterstuhl der Rechtswissenschaft“ (Lehrbuch). So konnte K., der sich zum Rittergutsbesitzer „hochgeschrieben“ hatte, diese Rolle ohne Konflikte wahrnehmen und etwa zum Gesinde- und Widerstandsrecht Positionen der Ordnung vertreten, andererseits rein ständische Privilegien wie Fideikommisse, exemten Gerichtsstand und „hohen Stand“ als mildernden Umstand bekämpfen. – Eine Spitzenposition, etwa am Obertribunal, verlegte sich K. 1848/49 durch fortschrittliches Politisieren. Obwohl neben Bornemann führender Kenner des ALR, war seiner auch 1845 für die Berliner Landrechtsprofessur nicht gedacht worden. Stieß er damit an bezeichnende Grenzen, so suchte und fand er nach 1852 bleibenden Erfolg als Kommentator fast des gesamten preußischen Rechts.

  • Werke

    u. a. Versuch e. systemat. Darst. d. Lehre v. Besitz n. preuß. Recht im Vergleich mit d. gemeinen Recht, 1826, ²1839;
    Anleitung z. Referiren u. Aufsetzen d. Erkenntnisse …, 1832, ²1836;
    Die Juden im preuß. Staate …, 1833;
    Das Recht d. Forderungen n. gemeinem u. n. preuß. Rechte …, 3 Bde., 1836/40/43, ²1858 f.;
    Einl. u. a. in: Ergg. u. Erll. z. d. preuß. Rechtsbüchern …, 1838;
    Schles. Archiv f. d. prakt. Rechtswiss., 6 Bde., 1837-48;
    Preußens Rechtsvfg. u. wie sie zu reformieren sei, 2 T., 1843 f.;
    Formularbuch f. instrumentierende Gerichtspersonen…, 1844, ⁸1871;
    Lehrb. d. preuß. gemeinen Privatrechts, 2 Bde., 1845 f., ³1857 f.;
    Beurtheilung d. ersten 10 Bde. d. Entscheidungen d. kgl. geh. Obertribunals, 1847 (als Zusammenfassung laufender Rezensionen seit 1839);
    Der preuß. Civil-Prozeß, 1847, ²1854;
    Entwurf e. Civilprozeßordnung, 1848;
    Die bevorstehende Gerichtsorganisierung …, 1849;
    Das Wechselrecht …, 1850;
    Prozeßordnung, 1851, ⁶1871;
    Allg. Landrecht … mit Kommentar in Anm., 4 Bde., 1852-56, 5/41870-72;
    Concursordnung, 1855, ²1867;
    Hypothekenordnung, 1856;
    Anleitung z. preuß. Prozeßpraxis, 2 Bde., 1860 f.;
    Allg. dt.|Handelsgesetzbuch, 1863, ²1868;
    Preuß. Erbrecht, 1866;
    Allg. Berggesetz, 1870.

  • Literatur

    ADB 16; Quelle aller anderen
    J. F. Behrend, Ch. F. K., 1872; Ergänzendes nur bei
    L. Goldschmidt, Rechtsstudium u. Prüfungsordnung, 1887, S. 41, 77, 83 ff.;
    A. Stölzel, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung u. Rechtsvfg. II, 1888;
    Stintzing-Landsberg III, 2, S. 610-12;
    A. Stoll, F. K. v. Savigny III, 1939, S. 29;
    D. Strauch, F. C. v. Savignys Landrechtsvorlesung vom Sommer 1824, in: Staat-Recht-Kultur, Festgabe f. E. v. Hippel, 1965, S. 245-64;
    R. Koselleck, Preußen zw. Reform u. Rev., 1967, S. 18, 112, 409;
    W. Wilhelm, Das Recht im Röm. Recht, in: F. Wieacker u. Ch. Wollschläger, Iherings Erbe, 1970, S. 228-39; Zu Neiße:
    W. Starke, Btrr. z. Kenntnis d. bestehenden Gerichtsvfg. …, Bd. 1 u. 2, 1839;
    Meyers Conversationslex. ²XI, 1865; Aus d. neueren Dogmengesch.:
    K. Luig, Zessionslehre, 1966, S. 64, 67 f., 70 ff.;
    H. Schmidt, Sittenwidrigkeit, 1973, S. 119 ff.;
    W. Wagner, Die Wiss. d. gemeinen röm. Rechts u. d. ALR, in: H. Coing u. W. Wilhelm, Wiss. u. Kodifikation d. Privatrechts im 19. Jh., I, 1974. S. 141 f. (zu stark in Landsbergs Bahnen; Zur Politik:
    H. A. Winkler, Preuß. Liberalismus, 1964;
    A. Heß, Parlament, 1964.

  • Autor/in

    Joachim Rückert
  • Zitierweise

    Rückert, Joachim, "Koch, Christian Friedrich" in: Neue Deutsche Biographie 12 (1980), S. 257-260 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100583326.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Koch, Christian Friedrich

  • Biographie

    Koch: Christian Friedrich K., mit Recht als „einer der drei Männer des preußischen Rechts“ bezeichnet, wurde als Sohn des Taglöhners Christian Friedrich K. am 9. Februar 1798 zu Mohrin, einem Städtchen bei Königsberg in der Neumark, geboren, starb am 21. Januar 1872 zu Neiße in Schlesien. Ihm und F. W. L. Bornemann (vgl. Bd. III S. 173 ff.) verdankt das preußische Recht seine systematisch-kritische Behandlung fast in seinem ganzen Umfange. K. mußte sich aus den ärmlichsten Verhältnissen mit eiserner Energie emporarbeiten, während Bornemann völlig geebnete Wege fand. Die ersten Studien machte der geistig trefflich veranlagte Knabe beim Hüten der Ziegen und Gänse der Eltern auf der Weide, stets mit Schiefertafel und Stift oder später mit Papier, Bleistift und Büchern versehen. Der Vater, auf die nächsten Dörfer wandernd, um Töpfe zu binden und andere armselige Arbeit zu suchen, betrachtete diese Beschäftigungsweise als nutzlos, in der Meinung, „daß der Junge doch nie Präsident werden würde“ — worin er irrte! In den Schulen war er stets der Erste, übertraf alle Mitschüler an Fleiß und Geist, auch an Witz und Grobheit, wie Vernachlässigung des Aeußeren — völlig so, wie er später in seinen Werken und im Umgange mit Anderen auftrat. Zum Schneiderhandwerk bestimmt, war K. nebenbei bei dem Stadtrichter Scheibler in seiner Vaterstadt als Abschreiber thätig, was ihn schon früh mit dem Gange des Processes, überhaupt den Rechtsangelegenheiten bekannt machte. Eine Tischlermeisterfrau Rosenthal nahm ihn auf zwei Jahre in ihr Haus und sorgte für ihn in mütterlichster Weise, erfreut|durch den rastlosen Eifer des Knaben, welcher Thüren, Fenster, Stühle mit Notizen versah, um ja nichts zu vergessen. Sie verschaffte ihrem Lieblinge bei dem Bruder ihres Mannes, einem am Oberlandesgerichte Soldin angestellten Kanzlisten, eine Stelle. K. erlernte die Geschäfte des Subalterndienstes, ging dann als Amtsactuar nach Pyrehne bei Landsberg a. W., bald danach als Justizactuar an das Patrimonialgericht Reppen. Trotz sehr beschränkter Mittel beschloß er, seit 1821 verheirathet, die ihm nicht zusagende Stelle niederzulegen und sich die nöthigen Kenntnisse anzueignen, um höhere Aemter ins Auge zu fassen. Er legte sehr bald die Maturitätsprüfung ab, studirte, aufs Höchste angeregt, unter Savigny bis 1825, wurde Auscultator, sechs Monate später Referendar und veröffentlichte 1826 die ihm sofort einen Namen verschaffende, streng die Ansichten der historischen Schule vertretende Schrift „Versuch einer systematischen Darstellung der Lehre vom Besitze nach preußischem Recht in Vergleich mit dem gemeinem Recht“, ein Werk, das Savigny's Anerkennung fand und neben dem Bornemann’schen Werke über Rechtsgeschäfte den Beginn einer preußischen Rechtswissenschaft bezeichnete. Es wurde 1889 bei Aderholz in Breslau von Neuem aufgelegt. Die in der Materie selbst liegenden Schwierigkeiten waren hier insofern noch größere, als für das Werk Savigny's reiches Quellenmaterial und umfangreiche Litteratur vorlag, hier dagegen die Ansichten und Absichten der Verfasser des Landrechts, zumal zu deren Zeit große Unklarheit geherrscht hatte, bei ungenügender Bekanntmachung der Gesetzgebungsmaterialien schwer festzustellen waren. Uebrigens zeigt diese Schrift — wie dies bei der ersten Jugendarbeit auch nicht auffallen kann — eine starke Anlehnung an Savrgny's Werk (7. Ausgabe von Rudorff, Wien 1865 S. 549). Nach Zurücklegung der großen Staatsprüfung lernte K. in Köln und Aachen das französische Recht kennen, wurde 1829 an das Oberlandesgericht in Marienwerder, 1832 als Director des Stadt- und Landgerichts nach Culm, auf kurze Zeit 1834 nach Glogau versetzt und endlich 1835 zum Rath am Oberlandesgericht in Breslau befördert. Hier trat er in Beziehungen zu Männern, wie Simon, Wentzel, Rönne, Baumeister und Anderen und betheiligte sich seit 1838 an den von den sog. fünf Männern herausgegebenen „Ergänzungen und Erläuterungen zu den preußischen Rechtsbüchern", welche Mitwirkung er jedoch bei den ferneren Ausgaben zufolge Mißhelligkeiten ausgab. Für junge Praktiker hatte er 1832 eine, großen Anklang findende „Anleitung zum Referiren und zum Aufsetzen der Erkenntnisse bei preußischen Gerichtshöfen" (2. Aufl. 1836) geschrieben, auch mit der Judenfrage sich beschäftigt in der Schrift „Die Juden im preußischen Staate", Marienwerder 1833, endlich besondere Aufmerksamkeit der schwierigen Lehre von den Forderungen gewidmet. Die drei Bände seines „Recht der Forderungen nach gemeinem und preußischem Recht mit Rücksicht auf neuere Gesetzgebungen historisch und dogmatisch dargestellt", 1836, 1840, 1843 (2. Aufl. 1859), sowie das sich anschließende Werk „Lehre von dem Uebergang der Forderungsrechte durch Universal- und Singularsuccession", 1837, zeigen ihn als selbständigeren Forscher, der sich als Ziel setzt, die Schätze der gemeinrechtlichen Litteratur auch für das auf diesem Gebiete wenig glückliche Landrecht zu verwerthen. Eine bis dahin sehr wenig bearbeitete Materie behandelte er in „Recht und Hypothekenwesen der preußischen Domänen, mit Berücksichtigung der Doganen- und Domänenverwaltungsgeschichte“, 1838, einer Schrift, deren Grundanschauung übrigens sehr bald widerlegt wurde. Verdienstvoll war die Begründung einer Zeitschrift „für die Rechtsbestimmungen und Rechtsmeinungen der drei schlesischen Landesjustizcollegien in zweifelhaften zur richterlichen Entscheidung oder zur obrigkeitlichen Zurechtweisung (!) vor dieselbe gekommenen Rechtsfragen": das „schlesische Archiv für die praktische Rechtswissenschaft“, 1837—1846 in sechs Bänden erschienen|und zahlreiche kritische, werthvolle Abhandlungen Koch's enthaltend. Im Herbst 1840 ging K. als Director des Land- und Stadtgerichts nach Halle a. S., wo er die Freude und Genugthuung hatte, unter seiner bewahrten Leitung den Sohn Savigny's, den jungen Niebuhr, den späteren Staatsminister Delbrück u. A. den Justizdienst erlernen zu sehen. Er verstand es aber nicht, sich in die geselligen Umgangsformen zu schicken: schroff und eigensinnig stieß er seine Umgebung von sich ab und ergriff sehr gern die sich bietende Gelegenheit, mit dem späteren Präsidenten Wentzel, dem Förderer der preußischen Gesetzgebung, zu tauschen und 1841 als Director an das Fürstenthumsgericht nach Neiße zu gehen, wo er sein arbeitsames Leben beschließen sollte. Mit neuem Muthe widmete er seine Kräfte der Ausarbeitung eines sehnlichst erwünschten systematischen Lehrbuchs des preußischen Privatrechts, das er 1845 veröffentlichte. Es war dies die erste wahrhaft dogmatische Bearbeitung, wie Behrend bemerkt, und wurde die Grundlage, auf welcher in neuerer Zeit die vortrefflichen Arbeiten von Förster und Dernburg weiter geführt worden sind. Sehr scharf spricht er sich schon in diesem Werke gegen die damals um sich greifende rechtsbelehrende Function des Justizministers aus, indem er bestrebt ist dahin zu wirken, „daß der Glaube an die Berechtigung irgend einer Amtsautorität in Sachen der Wissenschaft wankend werde“. Mehr noch geschah dies in „Beurtheilung der ersten zehn Bände der Entscheidungen des königl. Geh. Obertribunals“ 1847, und zwar in einer Form, die trotz des anerkennenwerthen Zweckes der Arbeit wol nicht gebilligt werden kann. Uebrigens mangelte es ihm nicht an Anerkennung seiner emsigen Wirksamkeit. Die Universität Halle ernannte ihn wegen seiner Verdienste um das vaterländische Recht zum Doctor der Rechte honoris causa, der Minister anerkannte in einem Rescript, daß K. durch die Schrift „Preußens Rechtsverfassung und wie sie zu reformiren sein möchte", 1843 (Fortsetzung 1844) vielfach Mißstände aufgedeckt habe und sein edler Gegner, Bornemann, berief kurz nach Uebernahme des Justizministeriums zur Mitwirkung an gesetzgeberischen Arbeiten den Mann, der sich von Neuem durch ein „Lehrbuch des preußischen Civilprocesses“, 1847 (2. Aufl. 1854), auch ein nach und nach in 8 Auflagen verbreitetes „Formularbuch für instrumentirende Gerichtspersonen und Notarien“ (zuerst 1844 erschienen) als gründlichsten Kenner des heimischen Rechts gezeigt hatte Doch erwies sich K. der ehrenvollen Aufgabe, einen Civilproceßentwurf auszuarbeiten, nicht völlig gewachsen. Diese im J. 1848 erschienene Arbeit ist kein Werk ans einem Guß, in der Form schwerfällig, inhaltlich ohne Harmonie. Völlig ungerecht sind die Angriffe auf den Justizminister Kisker in der Schrift: „Die bevorstehende Gerichtsorganisirung und die Patrimonialrichter in Preußen“, 1849. Politische, damals schwer in die Wagschale fallende Rücksichten waren es, welche K., der eine kurze Zeit Hülfsarbeiter am Obertribunale gewesen war, von der Mitgliedschaft ausschließen ließen, sodaß er als Kreisgerichtsdirector in seine alte Stellung zurückkehrte, bis er endlich 1854 in den Ruhestand trat, vielleicht aus Anlaß einer Disciplinaruntersuchung, deren Veranlassung er selbst erzählt (Preuß. Civilproceß 2. Aufl. 1854 S. 330 Note: „tumultuarisches Verfahren"). Die schriftstellerischen Arbeiten hatten ihm ermöglicht, ein in der Nähe von Neiße gelegenes Rittergut Blumenthal zu erwerben, wo er sich nun in voller Muße — abgesehen von vorübergehender Thätigkeit als Abgeordneter eines schlesischen Wahlkreises während der Conflictszeit — lediglich wissenschaftlichen Arbeiten widmete. In diese Periode fallen die Ausgaben der „Proceßordnung" (1. Aufl. 1851, 6. Aufl. 1871); „Das Wechselrecht", 1850; „Allg. Hypothekenordnung", 1856; die zum Theil sehr sarkastische „Anleitung zur preußischen Proceßpraxis mit Beispielen“, 1860, 1861; „Allg. Deutsches Handelsgesetzbuch“, 2. Aufl. 1869, 1872; „Preußische|Konkursordnung", 2. Aufl. 1867; „Preußisches Erbrecht", 1866; „Allgemeines Berggesetz für den preußischen Staat“, 1871, 1872, vor Allem aber der allen Praktikern unentbehrlich gewordene „Commentar zum Allgemeinen Landrecht“, 1852—1856, 7. (6.) Aufl. 1878—1880 in 4 Bänden. Mehr als irgend ein Anderer hat K. mit diesen Schriften die Erkenntniß des preußischen Rechts gefördert. Den größten Theil seines Vermögens, welches mehr als 300 000 Mark betragen haben soll, hat er testamentarisch seiner Vaterstadt Mohrin zur Errichtung einer Armenkinder-Erziehungsanstalt vermacht.

  • Literatur

    Christian Friedrich Koch. Eine Skizze seines Lebens von Prof. Dr. J. F. Behrend, Berl. 1872. — Suarez, Bornemann und Koch, die drei Männer des preußischen Rechtes, Berl. 1875.

  • Autor/in

    Teichmann.
  • Zitierweise

    Teichmann, "Koch, Christian Friedrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 16 (1882), S. 368-371 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100583326.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA