sehepunkte - 8 (2008), Nr. 9

Gundula Lang: Bürgerliche Privatgärten in deutschen Landen um 1800. Fallstudien zu Gestalt, Nutzung und Bedeutung im Kontext des gesellschaftlichen Umbruchs (= Benrather Schriften. Bibliothek zur Schlossarchitektur des 18. Jahrhunderts und zur Europäischen Gartenkunst; Bd. 3), Worms: Wernersche Verlagsgesellschaft 2007, 223 S., ISBN 978-3-88462-253-7, EUR 39,00

Rezensiert von:
Thomas Wilke
Stuttgart

Bei dem ansprechend aufgemachten Buch von Gundula Lang handelt es sich um die Publikation der 2005 von der Autorin in K�ln vorgelegten Dissertation, die eine Erweiterung ihrer Magisterarbeit aus dem Jahr 2002 zur gleichen Thematik darstellt. [1]

Nach einer allgemein gehaltenen, sozial und (garten-)historischen Einf�hrung in die Zeit um 1800 geht Lang daran, anhand von sechs ausgew�hlten Fallbeispielen die G�rten mit Hilfe von Pl�nen und Abbildungen sowie schriftlichen Quellen wie Tageb�chern, Briefen, Lebensbeschreibungen und Reiseberichten zu analysieren. Entstehung, Form und Nutzung der Anlagen bilden dabei die wesentlichen Aspekte, denen auch die Hauptkapitel des Buches gewidmet sind. Dar�ber hinaus soll "die Bedeutung dieses Gartenschaffens im Kontext des gesellschaftlichen Umbruchs um 1800 untersucht und die Anlagen in die Geschichte der Gartenkultur eingeordnet werden". (12)

Das Thema Gartenkunst - zumal dieser �bergangszeit - wurde von der kunsthistorischen Forschung viele Jahre nicht ausreichend gew�rdigt, worauf Udo Mainzer, der Doktorvater der Autorin, in seinem Vorwort (7-8) hinweist. Besonders Privatg�rten spielen in gartengeschichtlichen Untersuchungen keine wesentliche Rolle, weil sie oft schlecht dokumentiert sind und sich vielfach unzug�nglich oder ver�ndert in Privatbesitz befinden.

F�r diesen Bereich sechs Einzelbeispiele zusammenzutragen ist daher schwierig und besonders verdienstvoll, auch wenn man hinter der nicht besonders gl�cklichen Formulierung in deutschen Landen mehr als nur �berwiegend norddeutsche Beispiele vermuten m�chte (Hamburg und Bremen sind je zweimal, Halle und D�sseldorf einmal vertreten). Die Autorin schlie�t den S�den Deutschlands von ihrer Untersuchung aus, weil er "im Wesentlichen bis zur S�kularisation 1803 unter starkem Einfluss der Kl�ster und ihrer Besitzt�mer war und sich b�rgerliches Gartenschaffen weitgehend erst sp�ter ausbildete" (14), womit die Tradition von Gartenanlagen des s�ddeutschen st�dtischen Patriziats beispielsweise von N�rnberg oder Augsburg [2] komplett von der Untersuchung ausgeschlossen wird.

Die sechs ausgew�hlten Exempla von verschiedenen Gartenanlagen und deren Gestalter decken trotzdem ein breites Spektrum des auch von Lang als heterogen verstandenen B�rgertums (204) ab: Mit den Hamburger Kaufleuten Caspar Voght und Georg Heinrich Sieveking, dem Musiker Johann Friedrich Reichardt, der sich in der N�he von Halle niederlie�, Friedrich Heinrich Jacobi, einem Intellektuellen und Freund Goethes in D�sseldorf, und den st�dtischen Bremer Beamten Christian Abraham Heineken und Johann Smidt untersucht Lang Pers�nlichkeiten mit unterschiedlichen sozialen, politischen und intellektuellen Voraussetzungen sowie gestalterischen Vorlieben. Warum die Autorin ihre Protagonisten mit Kurzbiografien (25-38) vorstellt, ohne die biografischen Daten mit deren Auswirkung auf die Gartenanlagen zu verkn�pfen, bleibt unverst�ndlich und f�hrt sp�ter zu Wiederholungen, beispielsweise in den gelungenen Abschnitten zur Entstehungsgeschichte der jeweiligen G�rten (47-70).

Im Kapitel Landschaftliche B�rgerg�rten? (71-143) werden die sechs Anlagen auf bestimmte typische Gestaltungsdetails mit dem Attribut landschaftlich hin untersucht. Anstatt am Anfang des Buches (18-19) einen stark verknappten �berblick der Entwicklung der Gartengestaltung seit dem Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert einschlie�lich des Landschaftsgartens zu bieten, h�tte man sich gew�nscht, im Zusammenhang mit der Bezeichnung landschaftlich und den damit verbundenen Einzelmotiven, mehr �ber die Entwicklungsgeschichte des Landschaftsgartens zu lesen. Gerade in England existierten zeitgleich die gegens�tzlichen Vorstellungen eines von Capability Brown fast ausschlie�lich mit Naturelementen gestalteten Gartens und eines - neudeutsch gesprochen - inszenierten Event-Parks von William Chambers, deren Positionen an Hand ihrer Theorieschriften [3] schnell nachgezeichnet gewesen w�ren. In der deutschen Rezeption m�ssen solche Divergenzen beim Einsatz von Gestaltungselementen in England fast zwangsl�ufig zu verschiedenartigen Vorstellungen von einem Landschaftsgarten f�hren.

Man h�tte die Beurteilung der Einzelmotive sicherlich nicht nur anhand vom bedeutendsten deutschen Theoretiker Hirschfeld, sondern auch mit Zitaten und Empfehlungen aus der von Lang �fter angesprochenen Flut an Gartenliteratur (z.B. 68) auf eine breitere Basis stellen k�nnen, um diese mit den jeweiligen Fallbeispielen abzugleichen, wie es der Autorin auf �hnliche Weise in bestimmten Passagen, beispielsweise bei der Frage nach Motivation und Vorbildern f�r die Gartenanlage von Voght, �berzeugend gelingt (53-54).

Dar�ber hinaus w�re es auch wegen der mehrfachen Erw�hnung der Schriften von Albrecht von Haller im Bibliotheksbestand der Gartenbesitzer (60, 66) notwendig gewesen, zumindest kurz die wichtigsten �sthetischen Kategorien (des Erhabenen, des Sentimentalen und der neu entstehenden �sthetik des H�sslichen etc.) im Zusammenhang mit Garten und Natur zu skizzieren, weil sie grundlegend f�r das Verst�ndnis bestimmter Motive im Landschaftsgarten sind.

Im Kapitel Bestimmung und Nutzung (144-186) geht Lang an Hand von umsichtig ausgew�hlten Quellentexten daran zu rekonstruieren, welchem Zweck die G�rten dienten. Dabei setzt die Autorin so stark auf die Aussagekraft der seltenen Schriftquellen und aufgez�hlten Fakten, dass ihre eigene Einsch�tzung h�ufig nur aus dem Wortlaut der �berschrift abzulesen ist, ohne ihre wichtigen Textfunde weiter zu interpretieren (beispielsweise im Abschnitt Amicales Landleben (147-152)). Zus�tzlich werden im Kapitel verschiedene literarische Topoi im Zusammenhang mit dem Thema Garten (otium, negotium, Garten als Musenort etc.) beleuchtet. Lang betrachtet die Anlagen separat unter diesen Aspekten, obwohl sich in einem Garten meistens mehrere Topoi �berlagern.

Auch erweist sich die in allen Hauptkapiteln des Buches (26-186) beibehaltene Vorgehensweise, Einzelanalysen des behandelten Teilaspekts lediglich unter dem Namen des jeweiligen Gartengestalters ohne kurze verbindende Passagen aneinanderzureihen, in der Gesamtheit als etwas spr�de. Das ist umso verwunderlicher, weil die Autorin die beiden abschlie�enden Kapitel (187-206) in hervorragend lesbarer Form zu Papier bringt und die sechs analysierten Fallbeispiele �berzeugend in drei verschiedene Ausformungen des b�rgerlichen Gartens kategorisiert. In diesen sehr lesenswerten Abschnitten zeichnet Lang ein differenziertes Bild der Besitzer und des gesellschaftlichen Umfelds sowie ihrer Gartenanlagen als Ausdruck "des eigenen kulturellen Schaffens des B�rgertums". (204)

Das Buch in solider Hardcoverausf�hrung ist gut bebildert und mit einem Register versehen, was nicht mehr selbstverst�ndlich zum Standard bei Ver�ffentlichungen geh�rt, hat daf�r jedoch ein etwas knappes Literaturverzeichnis. Trotz aller Kritik vor allem am Aufbau schlie�t dieses Buch erfolgreich eine Forschungsl�cke und stellt damit einen wichtigen Beitrag zur Gartenliteratur dar, dessen Qualit�ten besonders in der differenzierten Pr�sentation der sechs ausgew�hlten Einzelbeispiele liegen.


Anmerkungen:

[1] Gundula Lang: Der Garten Friedrich Heinrich Jacobis in Pempelfort im sp�ten 18. Jahrhundert und seine Bedeutung f�r die Entwicklung des Landschaftsgartens, K�ln 2002. (Magisterarbeit: Universit�t K�ln).

[2] Mit anderer Fragestellung hat Trauchburg f�r Augsburg Material auch zu Gartenanlagen des sp�ten 18. Jahrhunderts zusammengetragen: Gabriele von Trauchburg: H�user und G�rten Augsburger Patrizier, M�nchen / Berlin 2001. F�r Z�rich erschien in der Wernerschen Verlagsanstalt mit vergleichbarer Fragestellung von Ruoff, Eeva: Vom Blumen- zum Landschaftsgarten: Gartengestaltungen des "Freigutes" bei Z�rich von 1777 bis 1878, Worms 1990.

[3] Die Positionen von William Kent und Lancelot Brown sind in der von Lang nur am Rande erw�hnten (176) Theorieschrift Observations on Modern Gardening Illustrated by Descriptions, London 1770, (in deutscher �bersetzung Leipzig 1771) von Thomas Whately zusammengefasst. William Chambers machte seine Vorstellungen wenig sp�ter in der Dissertation on Oriental Gardening, London 1772 deutlich.

Redaktionelle Betreuung: Julian Jachmann

Empfohlene Zitierweise:

Thomas Wilke: Rezension von: Gundula Lang: Bürgerliche Privatgärten in deutschen Landen um 1800. Fallstudien zu Gestalt, Nutzung und Bedeutung im Kontext des gesellschaftlichen Umbruchs, Worms: Wernersche Verlagsgesellschaft 2007, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 9 [15.09.2008], URL: <http://www.sehepunkte.de/2008/09/13757.html>