Der League of Shadows geht die Arbeit nicht aus. In Christopher Nolans Comic-Verfilmung Batman Begins hat sie es auf nichts weniger als die Zerstörung Gothams abgesehen und muss es deshalb mit Batman aufnehmen. Der Anführer der League, Ra's al Ghul alias Liam Neeson, hat sich nämlich den Kampf gegen die menschliche Dekadenz auf die Fahne geschrieben. Dabei kann die League auf eine lange Blutspur zurückblicken: Nicht nur der Brand von London 1666 und der Schwarze Tod des 14. Jahrhunderts tauchen in ihrer Leistungsbilanz auf. Auch den Untergang des Römischen Reiches dürfen sich die Schattenmänner an ihr Revers heften, was den Decline and Fall-Zweig der historischen Zunft eines begehrten Analyseobjekts berauben würde. Was hier ein opulentes Exponat amerikanischer Popularkultur mit geschichtlicher Patina überziehen soll, hat den Vereinigten Staaten seit ihrer Gründung aus dem Geist der Rebellion als eine Art Kontrastfolie zur historischen Selbstverortung gedient. Margaret Malamud zeichnet in ihrer aufschlussreichen Studie die Wandlungen nach, die das antike Rom als Referenzpunkt amerikanischer Identitätsfindung bis in die Gegenwart durchlaufen hat.
Nach dem Sieg über das britische Imperium mangelte es nicht an Warnungen vor einer Entwicklung, die die junge Nation der Gründerväter auf die abschüssige Bahn Caesars lenken würde. Bereits die Schulkinder lernten die republikanischen Tugenden Cincinnatus’ und Catos zu schätzen, und auch die bildende Kunst vereinnahmte jene Senatoren für sich, die die Ideale der Römischen Republik verkörperten. Nur die unverbrüchliche Treue gegenüber den Werten, welche 1776 die Trennung vom Mutterland forcierten, konnte – so eine weitverbreitete Lesart – die USA vor dem schleichenden Niedergang bewahren, den der moralische Ausverkauf des kaiserlichen Roms beschleunigt hatte.
Als homo novus in der Nachfolge des Marius gerierte sich dann Andrew Jackson, dessen Präsidentschaft (1829-1837) lange Zeit in der Historiographie als Durchbruch zur wahren Demokratie apostrophiert wurde. Allerdings gerieten die hehren Ideale Jeffersons und Jacksons von zwei Seiten her zusehends unter Druck. Zum einen geißelten Repräsentanten der Arbeiterschaft die sich im Zuge der ungebremsten Industrialisierung verschärfende wage slavery. Als Ausweg aus der Misere der Arbeiter forderten sie eine durchgreifende Landreform und erkoren daher – nicht zuletzt unter dem Einfluss von Barthold Georg Niebuhrs auch in den USA immens erfolgreicher „Römischer Geschichte“ – die Gracchen zu den Schutzheiligen ihrer Bewegung. Zum anderen beriefen sich die Plantagenbesitzer der Südstaaten ohne jeglichen Anflug von Ironie auf Spartakus, um den Abolitionisten des Nordens umgekehrt die Rolle des rachsüchtigen Imperiums zuzuweisen. Sie verteidigten die Sklaverei überdies mit deren weiten Verbreitung in der Antike und pochten darauf, dass erst die peculiar institution des Südens den Stützen der Republik jene Abkömmlichkeit ermögliche, ohne die Politik als Beruf nicht denkbar sei. Zudem, so etwa George Fitzhugh, genössen die Sklaven die Vorzüge eines paternalistischen Systems, in dem die Herren durchaus um ihre Verpflichtungen wussten – ganz anders als die Fabrikbesitzer des Nordens, die ihren Arbeitssklaven lediglich innerhalb einer abstrakten Austauschbeziehung gegenüberträten. Senator John C. Calhoun, wortmächtiges Sprachrohr der Sezessionisten, wurde entsprechend von seinen Anhängern als Scipio Africanus South Caroliniensis verehrt, der die überkommenen Werte der Republik gegen das Karthago des Nordens hochhielt.
In der Phase der Hochindustrialisierung diagnostiziert Malamud zunächst einen Rückfall in die klaren Dichotomien der Anfangszeit. Die robber barons schwelgten im Luxus, während die Arbeiter nur schwerlich über die Runden kamen. Die schreiende Ungerechtigkeit bei der Wohlstandsverteilung, die sich aufgrund der Banken- und Wirtschaftskrise der 1880er-Jahre dramatisch zuspitze, verschaffte der Populist Party eine kurze Karriere als Störenfried im amerikanischen Zwei-Parteien-System. Mit ihrer Forderung nach einer Wiederbelebung der Ideale Jeffersons und Jacksons traf sie den Nerv der Zeit, zumal sie die amerikanische Gesellschaft unablässig auf die Parallelen mit der Dekadenz Roms in der späten Kaiserzeit hinwies. Das philanthropische Engagement der Rockefellers und Carnegies wurde bestenfalls als Kompensationsgeschäft aus schlechtem Gewissen verstanden und mit dem entsprechenden Gebaren Cleanders im 2. Jahrhundert n.Chr. verglichen. Und Lew Wallaces „cross-over novel“ (S. 137) Ben Hur verschmolz das historische Epos mit den Erregungsstrukturen des Westerns zu einem antiken Frontier-Roman, in dem die moralische Aufrichtigkeit der Juden mit der Verkommenheit der römischen Besatzer kontrastierte.
Dieses Schwarz-Weiß-Gemälde stand freilich am Ende eines historischen Abschnitts. Denn bereits anlässlich der Columbian Exhibition in Chicago fand 1893 eine Umwertung der römischen Geschichte statt. Da die Vereinigten Staaten nun selbst als Weltmacht mit imperialem Anspruch in die Geschicke der westlichen Hemisphäre intervenierten, verlor das weit ausgreifende Römische Reich den Hautgout der oberflächlichen Arroganz und diente nunmehr als Vorbild für die Gestaltung des öffentlichen Raums. So wurde die Wartehalle der 1910 eröffneten Pennsylvania Station in New York dem Tepidarium der Caracalla-Thermen nachempfunden. Und der Architekt Stanford White ließ die Villen der römischen Oberschicht in den USA in neuem Glanz erstrahlen und trug so dem Abgrenzungsbedürfnis der amerikanischen Elite gegenüber der heraufziehenden Massenkultur Rechnung. Er transformierte Malamud zufolge „vulgar capital into cultural capital“ (S. 170f.).
Allerdings währte die Belle Epoque römischer Provenienz nicht lange. Die Weltwirtschaftskrise weckte ein neu-altes Bedürfnis nach moralischer Rückversicherung in Bewährtem. Der Produzent und Regisseur Cecil B. DeMille wusste dieses Verlangen cineastisch zu bedienen. Sein Film „The Sign of the Cross“ (1932), Abschluss einer überaus populären Trilogie, stellte die überkommene Rangordnung der toga plays wieder her: tugendhafte Juden und Christen im Konflikt mit der Verderbtheit der römischen Okkupanten. Dass DeMille in dieser prekären Phase der amerikanischen Geschichte dem „spiritual nationalism“ (S. 190) der Mayflower-Generation huldigte, schien sich ohne weiteres mit der bewährten Mixtur von Sex und Sadismus zu vertragen, der der Film auch seinen Status als Kassenschlager verdankte.
Die politische Dämonologie der McCarthy-Ära benutzte ebenfalls die Dichotomie von dunklem Imperium und tugendhafter Republik als Steinbruch für den Schlagabtausch zwischen den Systemen. Indes wollte Hollywood der Logik des Kalten Krieges nicht in jedem Detail folgen. Als Stanley Kubrick 1960 den Spartakus-Roman des Kapitalismuskritikers Howard Fast in Szene setzte, mussten jene Passagen aus dem Film geschnitten werden, die nach Meinung robuster Antikommunisten ein zu sympathisches Bild der aufständischen Sklaven zeichneten.
In den 1960er-Jahren gewann das spendable Rom dann wieder die Legitimation einer Nation im Kaufrausch zurück. Malamud sieht damals eine Phase heraufziehen, in der der American way of life in der Dimension des „shopping as expressive individualism (S. 246) aufging. Symptomatisch hierfür war die Errichtung des glamourösen Kasinos Caesars Palace in Las Vegas. Die unverblümte Anverwandlung römischer Dekadenz soll den genusssüchtigen Kurzurlauber in der Welt grenzenlosen Konsums schwelgen lassen und ihm das Gefühl vermitteln: Der Kunde ist Caesar. Malamud interpretiert die spätere Renaissance imperialer Erinnerungsorte nach den Irrungen der Dekolonisation als historisch angehauchte Begleitmusik zum Vormarsch neokonservativen Gedankenguts seit den 1970er- und 1980er-Jahren. Daher rettet in Ridley Scotts Blockbuster „Gladiator“ ein „all-American hero“ (S. 255) die überkommenen Werte der Republik und hört mithin dort auf, wo Batman beginnt.
Malamuds an Anschauungsmaterial reiche Studie leistet zweierlei. Sie nimmt die Leserinnen und Leser zum einen mit auf einen Streifzug durch die Geschichte der Vereinigten Staaten, die sich im Fremdbild der römischen Antike immer wieder von neuem ihr Selbstbild erschufen. Zum anderen lenkt Malamud den Blick auf die stets präsente konstruktivistische Verlockung, genau das als historische Wahrheit aus den Sedimenten der Vergangenheit herauszufiltern, was mit den Bedürfnissen der Gegenwart konform geht.