Die Neue Heimat war ein außergewöhnliches Unternehmen. Auf dem bundesdeutschen Wohnungsmarkt stach sie als größter Bauherr und Vermieter hervor und stand im Zentrum des öffentlichen Interesses. Dazu trugen nicht zuletzt ihre Geschäftsfelder bei, denn anders als bei der Volksfürsorge oder der Bank für Gemeinwirtschaft betätigten sich die Gewerkschaften hier in einem ganz alltäglich erfahrbaren Metier. Als Baukonzern errichtete die Neue Heimat nicht nur Wohnungen und Eigenheime in Serie, sondern auch Schulen und Universitäten, Krankenhäuser und Einkaufszentren. Und kaum ein Unternehmen scheiterte derart spektakulär. Schon während der 1970er-Jahre tief in der Verlustzone, stand die Neue Heimat 1982 vor dem endgültigen Aus. Der SPIEGEL enthüllte, wie selbstherrlich das Management jahrelang agiert und dabei in die eigene Tasche gewirtschaftet hatte. Für das Konzept der Gemeinwirtschaft und die Reputation der Gewerkschaften war das ein schwerer Schlag, der maßgeblich zum Untergang eines ganzen Wirtschaftszweiges beitrug.
Das Scheitern von Unternehmen thematisiert die Geschichtswissenschaft generell nur in Ausnahmefällen, und vor diesem Hintergrund ist Peter Krampers Freiburger Dissertation ebenso exzeptionell wie ihr Gegenstand. Ihr Ziel ist zum einen, die Unternehmensgeschichte "vor dem Skandal" nüchtern zu analysieren und dabei nach dem Zusammenhang zwischen Unternehmenspolitik und gesellschaftlichem Wandel zu fragen. Zum anderen geht sie nicht über das Faktum der Gemeinwirtschaft hinweg, sondern richtet besonderes Augenmerk auf die Konflikte zwischen Eigentümern und Unternehmensleitung, auf das Verhältnis von Marktentwicklung, politischer Öffentlichkeit und Kundschaft eines Unternehmens, das sich seit je nicht allein über seinen Markterfolg definieren konnte.
Von Hamburg ausgehend, entwickelte sich die Neue Heimat in den vom Wiederaufbau geprägten Jahren 1950 bis 1958 zum erfolgreichsten westdeutschen Wohnungsunternehmen. Unter der Führung Heinrich Pletts fand man dort bereits Anfang der 1950er-Jahre einen Weg, um den notorischen Kapitalmangel der gewerkschaftlichen Wohnungsunternehmen zu überwinden, und legte so den Grundstein für eine beispiellose Expansion. Die Neue Heimat finanzierte sich über den Kapitalmarkt, was kompliziert, rechtlich "nicht ganz astrein" (S. 118) und überdies politisch anrüchig war, weil gerade die prominentesten Gegenspieler der Gewerkschaften im Rahmen eines Steuersparmodells in das gewerkschaftseigene Unternehmen investierten. Diese Einnahmen versetzten die Neue Heimat Hamburg in die Lage, bald überregional tätig und schließlich zur Spitzenholding des gewerkschaftlichen Wohnungswesens zu werden.
Obwohl die Expansion auch zwischen 1958 und 1966 anhielt, lag in dieser Phase ein entscheidender Wendepunkt für den Baukonzern. Der Abbau der Wohnungszwangswirtschaft schuf ein Klima der Angst, in dem mit einem baldigen Ende des Wachstums gerechnet wurde. Dahinter stand ein strukturelles Problem: Die Existenz der Neuen Heimat hing von ihrer gewaltigen Bautätigkeit ab – die Erträge des Vermietungsgeschäfts hingegen waren zu gering, um die Existenz des Unternehmens auf Dauer zu sichern. Deshalb begann nun eine Flucht nach vorn, in der sich der Apparat auf die Suche nach neuen Aufgaben machte. Diese fand er im Kommunal- und Städtebau, und so wuchs ein Bauträgerkonzern heran, dessen Tätigkeit sich weder mit dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz vertrug noch mit dem von den Gewerkschaften propagierten Konzept der "Bedarfsdeckung" in Einklang zu bringen war.
Zwischen 1966 und 1973 erreichte die Neue Heimat schließlich den Höhepunkt ihres Erfolges. War der Konzern auf kommunaler Ebene schon immer bestens vernetzt gewesen, stieg mit der Regierungsbeteiligung der SPD nun auch sein Einfluss in Bonn. Mit der GEWOS betrieb er einen Think Tank, der sich in einer wissenschaftsgläubigen Zeit als Wettbewerbsvorteil erwies. Unter der griffigen Formel von der Gemeinwirtschaft diente die Neue Heimat nun als Instrument der gewerkschaftlichen Strukturpolitik, betrieb neben dem Großsiedlungs- und Kommunalbau auch das freie Bauträgergeschäft, expandierte voller Optimismus ins Ausland und trug maßgeblich dazu bei, die finanzielle Förderung der Altstadtsanierung auf die politische Tagesordnung zu bringen. In einer Zeit explodierender Baukosten, sinkender öffentlicher Wohnungsbauförderung und des nahen Endes der Wohnungsnot war aber bereits absehbar, dass Wachstum künftig immer schwieriger werden würde.
Zwischen 1973 und 1982 zeigte sich dann, wie sehr der Erfolg zu Selbstherrlichkeit und Ignoranz verführt hatte. Politisch geriet der Konzern nun immer stärker in die Kritik. Großsiedlungen galten plötzlich als unwirtliche Trabantenstädte, und die rücksichtslosen Stadtsanierungen machten das Unternehmen ebenso angreifbar wie seine politische Verfilzung. Am schwersten aber wog, dass die Neue Heimat finanziell auf weitere Bautätigkeit im gewohnten Umfang angewiesen blieb – nun aber auf einem weithin gesättigten Markt. Für kleinere Wachstumsmärkte wie den Eigenheimbau war der Großkonzern nicht flexibel genug. Auch die eigene Kundschaft sah den schwerfälligen Apparat immer kritischer. Eine extrem arbeitsteilige Bestandsverwaltung stellte dem Mieter eine undurchschaubare Vielzahl von spezialisierten Firmen und Abteilungen gegenüber. Die funktional differenzierte Struktur sparte zwar Kosten, dies jedoch um den Preis einer Anonymität, die nur zu oft in Verantwortungslosigkeit mündete. Hinzu kamen Fehler der Vergangenheit wie die Expansion ins Ausland; in einem unfreundlichen wirtschaftlichen Umfeld erwiesen sie sich als zusätzliche finanzielle Bürde.
Am Ende des Jahrzehnts stand das Unternehmen vor einem Scherbenhaufen. Sein Ansehen war ruiniert, während die finanzielle Lage immer bedrohlicher wurde. Kramper führt eindrücklich vor, wie sehr die Erfahrungen der Erfolgsjahre Pfadabhängigkeiten schufen. Die Führung der Neuen Heimat war es gewohnt, auf einem seit Jahrzehnten von Subventionen und politischer Regulierung geprägten Markt zu agieren. Ihre Reaktion auf die Krise war von bezeichnender Selbstherrlichkeit: Statt ihre Strategie auf die neuen Verhältnisse einzustellen, vertraute sie darauf, mit politischem Lobbyismus jene Nachfrage herstellen zu können, die ihr das Festhalten an der gewohnten Arbeitsweise ermöglichen sollte – eine fatale Fehleinschätzung, die nicht nur am Markt vorbeiging, sondern auch die verengten finanzpolitischen Spielräume und die Risiken des eigenen Ansehensverlustes dramatisch unterschätzte.
Überdies hatte es das Unternehmen versäumt, seinen Eigentümern ein nachhaltiges Legitimationsangebot zu machen. Zwar ließen sich die Gewerkschaftsleitungen bereitwillig auf das Konzept der Gemeinwirtschaft ein, doch an der Basis verstand schon längst niemand mehr, worin sich die Neue Heimat von anderen Vermietern unterschied. Auf dieses Legitimationsproblem richtet Kramper durchweg große Aufmerksamkeit, denn es war schon seit den 1960er-Jahren virulent und blieb bis zum Untergang des Konzerns ungelöst. Er arbeitet heraus, dass die Gewerkschaften bei Mitbestimmung und betrieblicher Sozialpolitik hohe Ansprüche an das Unternehmen stellten, zugleich jedoch darauf bestanden, dass es sich selbst finanzierte. Letzteres trug wesentlich zu jener autokratischen Führungskultur bei, die am Ende in den Untergang führte – mit der Finanzautonomie erhöhte sich die Unabhängigkeit eines Managements, das keiner wirksamen Kontrolle durch die Eigentümer unterlag.
Trotz dieses beeindruckenden Panoramas hat die Arbeit allerdings auch zwei Schwachstellen. Die erste dürfte auf die schwierige Quellenlage zurückgehen, da die Neue Heimat keinen geschlossenen Archivbestand hinterlassen hat. Kramper wertet das von mehreren Untersuchungsausschüssen gesammelte Material aus, vor allem aber die Überlieferung der Gewerkschaften und den Nachlass des langjährigen Konzernbetriebsratsvorsitzenden. Dieses Quellenfundament genügt, um eine umfassende Geschichte des Wohnungsbaukonzerns schreiben zu können – freilich vorwiegend aus der Perspektive des Aufsichtsrats, die interne Entscheidungsprozesse nur punktuell deutlich werden lässt. Zweitens blickt Krampers Studie betont nüchtern auf die Neue Heimat, war bisher doch an zugespitzter Kritik wahrlich kein Mangel. Deshalb wird wohl die Geschichte des Skandals von 1982 nur noch in einem Ausblick thematisiert. Fraglos wären die Mechanismen der Skandalisierung ein Thema für sich. Aber gegenüber den 90 Seiten von Einleitung, Vorgeschichte und Rahmenbedingungen wirkt es doch etwas ungünstig balanciert, wenn am Ende nur noch zwölf Seiten für den Neue-Heimat-Skandal und die Delegitimierung der Gemeinwirtschaft zur Verfügung stehen.
Diese Beobachtungen können den überaus positiven Gesamteindruck allerdings nicht schmälern: Peter Krampers Geschichte der Neuen Heimat liefert eine beeindruckende Fülle von Beobachtungen, die weit über das engere Feld von Unternehmensgeschichte, Wohnungswirtschaft, Architektur und Städtebau hinausweisen. Das Beispiel des gescheiterten Gewerkschaftsunternehmens zeigt auf frappierende Weise, wie grundlegend sich das wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Klima während der 1970er-Jahre veränderte und vor welche Herausforderungen dieser Wandel die vom Erfolg der Boomjahre verwöhnten Unternehmen stellte.