Mehr Sicherheit für Frauen in Braunau: Neuer Arbeitskreis engagiert sich
BEZIRK BRAUNAU. 27 Femizide und 41 Fälle von schwerer Gewalt gegen Frauen gab es heuer schon in Österreich (Stand: 2. Dezember). Auch im Bezirk Braunau sind zahlreiche Frauen von Gewalt betroffen. Ein neuer Arbeitskreis will dem entgegenwirken.
Frauen erleben täglich Gewalt in unterschiedlichsten Formen. Seit Beginn der Gewaltpräventions-Beratung von „Neustart“ im Jahr 2021 kam es im Bezirk schon zu 437 Zuweisungen, also Betreuungs- und Annäherungsverboten. In ganz Oberösterreich liegt die Zahl bei 6.408. Heuer waren es schon 1.742 Zuweisungen. Sowohl die Zimmer im Frauenhaus als auch der Frauenübergangswohnung von Frau für Frau in Braunau sind meist voll belegt.
Aus diesem Grund gründete Eva Frauenberger vom Treffpunkt mensch & arbeit Braunau den Arbeitskreis „Sicherheit für Frauen“. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss vielzähliger Sozialeinrichtungen aus dem Bezirk. Mit dabei sind neben mensch & arbeit auch Neustart, ÖGB-Frauen, das Frauenhaus Braunau, die Frauenberatungsstelle Frau für Frau, das Gewaltschutzzentrum, Wohnen im Dialog der Volkshilfe, Mobilis, Streetwork und die Soziale Initiative Braunau.
Wissen weitergeben
„Wir wollen die Synergien nutzen, die durch die Vernetzung entstehen und unser Know-how weitergeben, um gemeinsam die Sicherheit für Frauen im Bezirk zu verbessern“, erklärt Gabriela Haslböck, die Geschäftsführerin von Frau für Frau. „Ziel ist es, ein Bewusstsein für die Thematik zu schaffen. Sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Regionalpolitik.“
Die Information der Politiker war auch der erste Schritt beim Vorhaben des Arbeitskreises. So erläuterten die Mitglieder bei der Bürgermeisterkonferenz, warum das Thema im Bezirk so wichtig ist. Zudem wurden Infopakete für alle Gemeinden erstellt, damit Mitarbeiter in den Gemeindeämtern wissen, an wen sie sich wenden können, wenn sie mit Gewalt an Frauen konfrontiert werden.
Als Nächstes will die Arbeitsgruppe in der breiten Öffentlichkeit mehr Bewusstsein für die Thematik schaffen. So sollen die Infopakete auch an Kontakte in Betrieben weitergeleitet werden.
Existenzsicherung als Problem
Neben physischer, sexualisierter oder psychischer Gewalt sind Frauen auch von struktureller Gewalt betroffen, wie Haslböck betont. Diese bezieht sich auf systematische und institutionalisierte Ungleichheiten und Diskriminierungen. „Diese Form der Gewalt ist nicht immer offensichtlich, da sie meist in gesellschaftlichen Normen, Gesetzen und Strukturen verankert ist. Frauen wird der Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen, wie zum Beispiel gleichwertigen Löhnen, Arbeitsplätzen oder Eigentum, erschwert. Dies führt zu finanzieller Abhängigkeit.“
In den Beratungen sprechen Frauen aktuell neben Gewalt und Trennung häufig die Themen Existenzsicherung und Wohnen an. „Generell ist Wohnraumsicherung gerade ein sehr brisantes Thema im Bezirk. Es gibt immer mehr Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind“, berichtet Haslböck.
Teufelskreis
Frauen wissen ihr zufolge oft nicht, wie es finanziell weitergehen soll. „Die Mieten und Lebenshaltungskosten steigen, Kinderbetreuungsplätze sind schwer zur bekommen, weshalb eine Vollzeitanstellung für sie nicht möglich ist. Das ist ein Teufelskreis.“
Die ländliche Infrastruktur erschwere zusätzlich jenen, die kein Auto besitzen, zu arbeiten und Betreuungsplätze oder Beratungsangebote zu nutzen. All das führt dazu, dass Frauen oft länger in Beziehungen bleiben, obwohl sie von Gewalt betroffen sind. Dadurch spitzt sich die Situation zu Hause zu. Deswegen gibt es das Frauenhaus als Schutz vor akuter Gewalt. Zusätzlich dazu bietet die Frauenübergangswohnung Frauen in einer stark belastenden häuslichen Beziehungssituation Unterkunft.
Täterarbeit
Neustart wiederum leistet Täterarbeit. Die Bewährungshilfe führt die verpflichtende Beratung durch, nachdem ein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen wurde. Diese umfasst sechs Einheiten. Mehr Unterstützung wäre aber hilfreich: „Männer äußern oft den Wunsch, darüber hinaus weiter ein Gesprächsangebot zu erhalten.“ Aktuell gibt es dazu aber kein niederschwelliges Angebot in der Region.
Dabei sei die Burschen- und Männerarbeit sehr wichtig. „Sie bietet Raum, um über Themen wie Konsens, Respekt und die Verantwortung in Beziehungen zu sprechen. Zugleich können positive männliche Vorbilder erlebt werden, die alternative Modelle für den Umgang mit Emotionen oder Konflikten zeigen. Es ist wichtig, traditionelle Rollenbilder aufzubrechen und neu zu denken.“
Solidarisch zeigen
Männer können sich solidarisch zeigen, indem sie sich klar gegen Gewalt aussprechen. „Es reicht nicht, wenn sie sagen ‚Aber nicht alle Männer sind so‘. Das lenkt die Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse der Männer, die sich hier selbst als Opfer sehen.“ Vielmehr sollten auch Männer das Wort ergreifen, wenn bestimmte Verhaltensweisen gegenüber Frauen nicht in Ordnung sind. „Wir sitzen alle in einem Boot. Nur gemeinsam können wir Veränderung schaffen.“
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