H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens: Volk der Finsternis (Horrorgeschichten 1)

  • Festa
  • Erschienen: Januar 2009
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H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens: Volk der Finsternis (Horrorgeschichten 1)
H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens: Volk der Finsternis (Horrorgeschichten 1)
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Jochen König
66°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJan 2009

Mit der rumpeligen Geisterbahn von Conan zu Cthulhu

"Die besten Cthulhu-Mythos Geschichten des Autors von "Conan, der Barbar" heißt es in der Kurzbeschreibung, mit der Robert E. Howards Volk der Finsternis beworben wird. Das ist nicht nur holpriges Deutsch, sondern auch ein Etikettenschwindel. Denn die "Großen Alten" aus dem literarischen Universum H.P. Lovecrafts kommen zwar in wenigen Geschichten am Rande vor, doch eine große Rolle spielen sie nicht. "Special Guest"-Status hat lediglich ein eng an Cthulhu angelegtes Wesen am Ende von "Das Feuer von Asshurbanipal". Eine der besten Geschichten des vorliegenden Bandes, die von einer Schatzsuche erzählt, welche tief in die Wüste führt und dort durch Gier ein Tor zur Hölle öffnet.

Natürlich findet Howards eigene Kreation, die "Unaussprechlichen Kulte" des fiktiven deutschen Autors Friedrich Wilhelm von Junzt Erwähnung. Der Lovecraft-Afficionado nimmt es freudig zur Kenntnis und bedauert, dass das Unaussprechliche kaum Einzug ins erzählerische Werk Howards hält. Vom kosmischen Schrecken, den Lovecraft in seinen besten Geschichten beschwor, ist Robert E. Howard meilenweit entfernt.

Aber das ist hier auch nicht Begehr. Die vorliegenden Erzählungen sind fast ausnahmslos schlichte, aber mit Wucht vorgetragene Mischungen aus Abenteuer- und Horrorszenarien; wobei der Horror seine Kraft meist aus physischen Abnormitäten schöpft. Da treibt ein bedauernswerter Werwolf sein Unwesen ("Wolfsgesicht"), ein Vampir legt sich mit einem Cowboy an ("Das Grauen aus dem Hügelgrab"), diverse Tier- und Mischwesen fletschen ihre Reißzähne. Doch immer gibt es einen (meist angelsächsichen) Recken, der den klauen- und mit Bosheit bewehrten Monstern Paroli bietet. Der Splatterfaktor ist teilweise erstaunlich hoch, wenn man die Entstehungszeit der Geschichten bedenkt.  Howard lässt dabei kein Klischee aus; seine Helden sind groß, stark, in Kampfkunst bewandert wie kaum ein anderer; manchmal ein wenig rücksichtslos, aber im Grunde edel, hilfreich und gut. Frauen müssen meist gerettet werden - wenn sie denn einmal vorkommen; Orientalen sind raffiniert und heimtückisch (wenn sie für die Gegenseite arbeiten) oder raffiniert und athletisch (wenn sie dem Helden zugetan sind). Howard Rassismus vorzuwerfen fällt leicht, vor allem "Das kleine Volk" in dem der Held gegen kleinwüchsige Kreaturen antritt und dank eines (weißen) Druiden die Oberhand behält, scheint in diese Richtung zu weisen.

Doch greift ein solcher Vorwurf bei Howard zu kurz; mag sein, dass er ein geistiges Kind seiner Zeit ist, das sich um latenten Rassismus nicht schert. Aber in erster Linie ist er ein Erzähler, der unterhalten will. Und so weiß er genau, dass das mythisch Exotische gleichermaßen reizvoll wie gefährlich erscheint (hier ist er Karl May ziemlich nah); ebenso ist er von einem naiven, jugendlichen Forscherdrang beseelt (wie die Briefe im Anhang belegen), der sich wild bewegte, kulturgeschichtliche Gedanken über  Europa zur Zeit der Kelten, Pikten und darüber hinaus macht. Das hält vermutlich keiner ernsthaften, wissenschaftlichen Betrachtung stand (genau wie die Behauptung, Arthur Machen sei ein bedeutenderer Autor von Horrorgeschichten als Edgar Allan Poe), ist in seinem unbedarften Enthusiasmus aber eher drollig als bedenklich.

Und so kämpfen sich seine Heroen vielmehr durch fantastische Parallelwelten, als durch die reale Geographie. Am plastischsten in der erzähltechnisch wagemutigsten Geschichte des Bandes, der Titelstory, in der der Erzähler aufgrund eines Sturzes einen Zeitsprung erlebt und sich als "Conan, der Plünderer" wiederfindet, der seinen archaischen Rache- und Eroberungsplänen nachgeht, um am Ende quer durch die Jahrhunderte als gnädiger und Verzicht übender Retter von Liebenden dazustehen. Was noch eine Eigenschaft ist, die Robert E. Howard von seinem verehrten H.P. Lovecraft unterscheidet: er ist ein  recht radikaler Verfechter des Happy Ends. Selbst der ignorante Steve Brill, der wider besseren Wissens, die Ruhe eines Monsters stört, darf am Ende triumphieren, während der ängstliche Warner in der Wüste niedergemeuchelt wird. War auch bloß ein alter Mexikaner; und schließlich ist er gerächt worden; wer wird darüber schon aus seiner Siesta erwachen?

Die Erzählungen aus dem Volk der Finsternis können und wollen ihren Groschenheft-Charakter gar nicht verleugnen. Hier geht es um große Gefühle und Abenteuer, das ist Angeberei vorm Lagerfeuer, bei der der greise Schimpanse aus dem Zoo zum "Gott von Zambebwi" gekrönt wird, ein Vorfahre von James Bond sich mit dunklen Mächten herumprügelt ("Der schwarze Bär schlägt zu") und Träume tödlich enden. Gleich zweimal auf fast identische Art und Weise, was die thematische Begrenztheit Howards aufzeigt und gleichzeitig das Konzept der vorliegenden Kompilation ein wenig in Frage stellt. Denn während sich die eineiigen Zwillinge "Die Kobra aus dem Traum" und "Die Traumschlange" gegenseitig im Weg stehen, fehlt u.a. mit "The Children of the Night" die Erzählung, in der von Junzts "Unbekannte Kulte" zum ersten Mal erwähnt werden.

So ist das Volk der Finsternis eine Fundgrube für groß gewordene Jungs und Mädchen, die sich im Herzen ein wenig kindliche Abenteuerlust und Sehnsucht nach der einen, echten Geisterbahn bewahrt haben. Dass weder Herzstillstand noch pulsbeschleunigende Angstzustände erzeugt werden, liegt begründet im Wesen eines gering budgetierten Rummelplatzes - und solcher Geschichten, wie  Robert Eiarbhin Howard sie erzählt.

H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens: Volk der Finsternis (Horrorgeschichten 1)

Robert E. Howard, Festa

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