Nachtengel (1) - Nemesis

  • Blanvalet
  • Erschienen: Mai 2024
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Nachtengel (1) - Nemesis
Nachtengel (1) - Nemesis
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Sebastian Fischer
72°1001

Phantastik-Couch Rezension vonAug 2024

Meuchelmörder stolpert durchs Leben

Knapp 14 Jahre nach dem Erscheinen von „Jenseits der Schatten“ des vermeintlichen Abschlusses von Brent Weeks „Schattentrilogie“ erblickt eine Fortsetzung das Licht der Welt. Nach so langer Zeit ein gewagter Schritt, denn das Fundament der Vorgeschichte ist bei der Leserschaft entweder gar nicht vorhanden oder mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nur noch äußerst lückenhaft. Keine guten Voraussetzungen, um ein Buch an den Leser zu bringen. Dieser Umstand korrespondiert mit der Feststellung, dass sich seitens Verlages kaum Anhaltspunkte finden lassen, ob dieses Buch das umfangreiche Vorwissen der Trilogie benötigt, um den Lesespaß zu maximieren. Wie schön, liebe Leserschaft, dass die Phantastik-Couch mich beauftragt hat, die Schatten, die diesen Roman umschwirren, zu vertreiben und Licht ins Dunkle zu bringen. (Das macht mich de facto zu einem Lichtbringer. Ihr Versteht? Wegen Brent Weeks anderem großen Epos. Egal!)

Holpriger Start

Um alle auf den gleichen Stand zu bringen: Ja, ich habe die Schattentrilogie gelesen und ja, mein Lesedurchlauf liegt annähernd ein Jahrzehnt zurück. Mit Folgendem schließe ich von mir auf einen Großteil der Leserschaft und lehne mich nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass die Erinnerungen an die Details aus der Ursprungstrilogie aus unseren Gedächtnissen entschwunden sind.

Es gilt jedoch: Besser ein paar wenige Informationen als gar keine. Wer die Ursprungsbände gar nicht gelesen hat, dem rate ich dringend, vor dem Kauf von „Nemesis“ die Schattentrilogie zu lesen. Andernfalls gebe ich euch Brief und Siegel, dass euer Lesedurchlauf eine ziemlich verwirrende und enttäuschende Erfahrung wird. Für alle anderen empfehle ich vor oder zumindest während des Lesens, immer mal wieder einen Blick auf sogenannte »Fan-Wikis« zu werfen. Hier werden eure Erinnerungen mit einigen Bausteinen gefüttert, die den Einstieg in die Nachtengel-Saga wahrlich erleichtern. Denn gerade zu Anfang der Geschichte wird mit Personen und Begriffen nur so um sich geworfen, die den unbescholtenen Leser mit einigen Fragezeichen zurücklassen.

Ein Glossar mit Personen- bzw. Ortsbeschreibungen sucht man übrigens vergebens.

Im Gegensatz zu den Vorgängern wird die Geschichte in „Nemesis“ fast ausschließlich aus Sicht Kylar Sterns, dem Nachtengel, berichtet. Er ist der Träger des schwarzen Ka'Karis, der ihm zusätzlich zu Kylars sonstigen magischen Fähigkeiten einige außergewöhnliche Kniffe verleiht. So kann ihm diese magische Wesenheit Unsichtbarkeit bescheren oder sich zu den unterschiedlichsten Waffen bzw. Werkzeugen formen lassen. Die vielfältigen Fähigkeiten des Ka'Karis und die harte Ausbildung bei Durzo Blint, Kylars ehemaligem Meister, machen aus ihm einen der tödlichsten Attentäter von ganz Midcyru.

In diesem Roman, der kurz nach den finalen Ereignissen von „Jenseits der Schatten“ ansetzt, erzählt uns Kylar seine Geschichte in Form eines Tagebuches. Er lebt zurückgezogen und allein. Die Erinnerungen an seine verstorbene Liebe sind gegenwärtig und quälend. Als sein Freund Logan, Hochkönig von Cenaria, Kylar bittet, auf seine Söhne aufzupassen, während er und seine Frau auf diplomatischer Auslandsreise sind, nimmt das Schlammassel seinen Lauf.

Die Kinder werden entführt und Kylar begibt sich auf eine Reise quer über den Kontinent, um die Zwillinge seines besten Freundes wohlbehalten nach Hause zu bringen. Dafür muss er sich mit der hübschen und geheimnisvollen Phaena zusammentun, die ihn bei der Suche tatkräftig unterstützen soll. Ihre Odyssey bringt sie dabei gefährlich nahe an Institutionen von männlichen und weiblichen Magiern heran, die dafür bekannt sind, im großen politischen Spiel der Könige ihr eigenes Süppchen zu kochen.

Tod und Brüste

Die Grundzüge der Geschichte sind solides Fantasyfutter. Je weiter die Erzählung voranschreitet, desto verstrickter gestaltet sich Kylars Reise. Brent Weeks regt seine Leserschaft an, stets einen mitdenkenden Part in der Handlung zu übernehmen. Zusammen mit Kylar rätselt man über Intrigen und Dialoge. Insoweit entfaltet dieser Roman ein spannendes Anspruchslevel, das in einer angenehmen Sogwirkung mündet.

Neben der eigentlichen Handlung überzeugt dieses Werk durch seinen Hauptcharakter Kylar Stern. Ist er auf der einen Seite ein Virtuose seines Metiers, eingebettet in einen strengen Kodex aus Schuld und Unschuld, so ist er auf der anderen Seite völlig überfordert in zwischenmenschlichen Bereichen. Das liegt unter anderem daran, dass seine vorwitzige Zunge oft schneller ist als seine Denkzentrale, und er sich hier und da äußerst unbeholfen gegenüber Frauen zeigt, die deutlich ihr Interesse an ihm bekunden. Kylar ist das sehr wohl bewusst. In seiner Darlegung der Ereignisse geht er deswegen das ein oder andere Mal hart mit sich ins Gericht und schiebt die Schuld seiner Idiotie der Großartigkeit weiblicher Brüste zu. Ihr merkt, liebe Leser, klischeebeladener Humor kommt in diesem Roman nicht zu kurz. Grundsätzlich gilt, dass unser Nachtengel seine Geschichte in einem sehr sarkastisch geschnürten Paket überliefert. Das Ganze ist gerade dann besonders gelungen, wenn sich Kylar mit alten Freunden unterhält, sich selbst aufs Korn nimmt oder der Versuchung unterliegt, mit seiner Kumpanin zu flirten.

Eine fehlende Ernsthaftigkeit ist es, die hier und da das Grundgerüst der Meuchelmördergeschichte in Gefilde verschifft, deren Seichtigkeit dazu führt, dass die Lesenden nicht tief genug in die gebotene Spannung eintauchen können.

Insgesamt jedoch hält sich die Ambivalenz der gebotenen Unterhaltung in der Waage. Dem Autor ist es sehr wohl gelungen, seine Rückkehr zur alten Wirkungsstätte mit neuen Stilmitteln und Ideen hervorzuheben.

Fazit:

Sind die Vorkenntnisse aus der „Schatten-Trilogie“ einigermaßen präsent, bietet uns Brent Weeks ein unterhaltsames, wenn auch nicht spektakuläres Wiedersehen mit alten Bekannten. Allemal Grund genug, nochmal in die Welt von Kylar Stern einzutauchen.

Wer in dieser Welt völlig neu ist, dem empfehle ich, erst die grandiose Vorgängertrilogie zu lesen, um seinen Lesespaß zu maximieren.

Nachtengel (1) - Nemesis

Brent Weeks, Blanvalet

Nachtengel (1) - Nemesis

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