Iron Flame - Flammengeküsst (2)
- dtv
- Erschienen: Dezember 2023
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Violet und Xaden streiten das Buch zugrunde
Fourth Wing ist 2023 eingeschlagen wie eine Bombe und hat einen Großteil der Romantasy-Leserschaft mit Euphorie überschwemmt. Die Erwartungen sind also hoch und der zweite Band wurde sehnlichst erwartet. Nun gilt es zu urteilen, ob die Fortsetzung dem Ansturm an Erwartungen Stand halten kann oder unter dem Druck der Massen zusammenbricht.
Das Drillen geht weiter
Nach dem fulminanten Finale des ersten Bandes kehren Violet und Xaden zurück nach Basgiath. Violet will ihre Ausbildung zum Drachenreiter fortsetzen und Xaden wird als voll ausgebildeter Drachenreiter an die Grenze des Reiches versetzt. Im Gepäck haben sie nicht weniger als das Wissen, dass die Führungsriege Navarres seine Bevölkerung und große Teile des militärischen Apparates an der Nase herumführt. Verrat liegt in der Luft und für Violet und ihre Freunde wird das Motto „Gute Miene zu bösem Spiel“ zum Arbeitsalltag. So weit, so kompliziert. Erschwerend kommt hinzu, dass Teile des Führungskaders der Drachenreiter wissen, dass Violet und ihre Freunde das dunkle Geheimnis um Navarres Staatspolitik entlarvt haben. Die Ausbildung im Basgiath War College ist gelinde gesagt äußerst strapaziös. Wenn einem nun auch noch Intriganten nachstellen, sind die Tore zur Hölle ziemlich weit aufgerissen.
Trotz dieser widrigen Umstände versuchen Xaden und Violet alles, um die Verschwörung aufzudecken und möglichst alle Zivilisten des Kontinents vor der Bedrohung der dunklen Magier und ihrer Wyvern zu bewahren. Gleichzeitig gilt es, die Ausbildung zur Drachenreiterin erfolgreich abzuschließen. Ihr merkt, liebe Lesenden, unsere Helden haben alle Hände voll zu tun.
Angezogene Handbremse
Hat man Iron Flame erstmal zur Hand genommen, fällt sofort auf, das Buch ist verdammt dick. Nun ist die Freude groß, denn auf den knapp 1000 Seiten wird uns bestimmt einiges an Fantasy-Spektakel geliefert. Diesem Gefühl ist jedoch ein klares „Jein“ entgegenzusetzen. Rebecca Yarros gelingt es leider nicht, dauerhaft den Fuß von der Bremse zu nehmen, um kontinuierlich auf der linken Spur durchzustarten. Die Entwicklung der Geschichte stagniert größtenteils und als Leser fühlt man sich in einer Art Kreisverkehr gefangen. Violet versucht händeringend eine Möglichkeit zu finden, den Menschen außerhalb des Schutzschildes Navarres zu helfen, ohne dabei aber als Verräterin denunziert zu werden. Sie schmuggelt Waffen für die Rebellion oder wälzt sich durch Bücher, um mehr über den schützenden Schild zu erfahren, den Navarres Gründungsväter errichteten, um das Königreich vor den tödlichen Venini zu schützen. Hinzu kommt ein Muster sich immer wiederholender Abläufe zwischen Violet und Xaden. Hierzu aber später mehr.
Diese Handlungsstränge gliedern sich hintereinander und münden immer wieder darin, dass Violet und ihre Mitstreiter dem Auffliegen ihrer Machenschaften knapp entkommen können. Dieser Prozess aus Recherche, Entkommen und Xaden bringt die Geschichte oft nur millimeterweise vorwärts. Der Ablauf erscheint wie die Herzfrequenzkurve eines EKGs. Die Abschnitte schlagen zwar aus, jedoch in immer wiederkehrenden Kurven. Für den Patienten gut, für den Leser weniger. Solche ruhigeren Phasen, insbesondere in umfangreichen Büchern, sind mit Nichten per se zu kritisieren. Das Worldbuilding und seine Eigenschaften scheinen aber in Band 1 fast zur Gänze offengelegt worden zu sein, und es gibt für den Leser kaum etwas wirklich Neues zu entdecken. In den kleineren Höhepunkten versteckt sich zu wenig Dramatik, als dass man sich als Konsument gesättigt fühlt. Es hätte an der von mir erwähnten Spannung bedurft, um die Leserschaft wie auf Drachenflügeln durch die vielen Seiten gleiten zu lassen. Durch das Fehlen des Nervenkitzels wird es hingegen eher zu einem holprigen Lesevergnügen, da dem Leser auf lange Sicht der Sprit ausgeht.
Im letzten Drittel des Buches nimmt die Handlung dann endlich an Fahrt auf und die Autorin scheint den Weg auf die Überholspur gefunden zu haben. Die Storyline kommt entscheidend voran und man bekommt das Gefühl, durch das Lesen auf etwas hinzufiebern. Wer jetzt aber auf ein Spektakelfeuerwerk hofft, muss sich seinen Euphoriezug auch an dieser Stelle wieder etwas ausbremsen lassen. Denn auch in diesem Teil des Buches scheint die Handbremse nicht vollends gelöst zu sein und die Spannung will einfach nicht in Gänze auf die Leserschaft überspringen. Ein Grund hierfür ist der von mir bereits erwähnte Konflikt zwischen Violet und Xaden, auf den ich im Folgenden etwas näher eingehen möchte. Lediglich das eigentliche Finale kann wieder mit einem spannungsgeladenen Actionfeuerwerk auftrumpfen.
Oh Xaden?!
Bei Xaden Riorson scheiden sich die Geister. Während die einen Xaden, wie Groupies einer Boyband, hinterherschmachten, können andere nur angewidert den Kopf schütteln. Meine Schlussfolgerungen hierzu ziehe ich aus diversen Büchercommunitys, in denen Rebecca Yarros Bücher für Schlagzeilen sorgen. Ich persönlich stoße bei Xaden wirklich an meine Grenzen. Eine Rezension lebt von seiner möglichst objektiven Einschätzung, die natürlich durch eine gewisse Portion Subjektivität durchzogen wird. Dieses Vorhaben ist in Bezug auf den männlichen Hauptcharakter dieses Buches wahrlich eine Herkulesaufgabe. Ich gebe mein Bestes, um diesen Aspekt des Romans so sachlich wie möglich zu betrachten.
Xaden ist wie ein wahrgewordenes Klischee eines „Bad Guys“ mit genau der richtigen Menge an Gefühlen, wenn es darauf ankommt. Er ist unglaublich gutaussehend, besitzergreifend, skrupellos, rechthaberisch, ein talentierter Liebhaber, unfreundlich und außerordentlich mächtig. Aus diesen Attributen ergibt sich leider unter dem Strich ein ziemlich langweiliges Konstrukt. Xaden wirkt wie ein wahr gewordener Stereotyp. Es mangelt ihm schlichtweg an Ambivalenz.
Das Miteinander zwischen Violet, die, wie ich bereits in der Rezension zu Teil 1 geschildert habe, eine starke weibliche Protagonistin ist, und Xaden, wirkt in weiten Teilen ziemlich vorhersehbar. Erschwerend kommt hinzu, dass sich aus den Eigenschaften, die Xaden ausmachen, immer wieder der gleiche Konflikt entwickelt, den die beiden ständig aufs Neue durchkauen. Das zerstört bisweilen alle Impulse an aufkommender Spannung und Dramatik der restlichen Handlung. Das Potential der Geschichte aus Drachenreitern, die sich gegen dunkle Magier und sich gleichzeitig gegen Feinde aus den eigenen Reihen behaupten müssen, wird immer wieder durch das lästige Drama gestört, wie man sich in einer gesunden Liebesbeziehung zu verhalten hat. Haben sich die beiden in ihren Streitereien erstmal festgefahren, tritt Xadens Attraktivität auf den Plan und der Konflikt wird vorerst unter der Bettdecke ausgetragen. Keine Frage, das Buch lebt natürlich von diesen genretypischen Elementen. Xaden ist in dem, was er verkörpert, einfach verdammt gut, womit er viele Leser auf seine Seite zieht. Der Beziehung der beiden hätten aber weniger Klischees und mehr Abwechslung wirklich gutgetan.
Der Tod als ständiger Begleiter
In Fantasybüchern gehören das Sterben und die damit verbundene Gefahr zu einem immerwährenden Konflikt. Daran ist nichts auszusetzen, denn was wären unsere Helden ohne die Furcht, dass ihre Kameraden oder der Held selbst das Zeitliche segnen. In Iron Flame wird das Wegsterben von Kadetten des War Colleges jedoch dermaßen überstrapaziert, dass man auf den Tod von Violets Mitstreitern nur noch mit einem müden Schulterzucken reagiert. Die Intention der Autorin ist klar. Sie möchte mit der allgegenwärtigen Gefahr eine düstere und tödliche Atmosphäre heraufbeschwören. Dadurch, dass die Figuren teilweise sterben wie die Fliegen (ich entschuldige mich für den Ausflug ins Polemische), entsteht jedoch vielmehr eine Atmosphäre der Gleichgültigkeit, da man es nicht vermag, das Gelesene in Gänze ernst zu nehmen. Dieser Umstand wirkt sich wenig förderlich auf den Lesespaß aus. Auch Violet und ihren engsten Freunden scheint der Tod der meisten ihrer Kameraden nicht wirklich nahezugehen. Die Emotionen werden einfach weggesperrt und es wird weitergemacht wie vorher. Dementsprechend gibt es kaum Fixpunkte, um mitfühlend auf die ganzen Toten zu reagieren. An dieser Stelle hätte eine angezogene Handbremse wirklich gut getan.
Iron Flames Stärken
Dieses Buch entfaltet seine Stärken insbesondere in zwischenmenschlichen Konflikten. Ausgenommen hiervon ist die Beziehung zwischen Violet und Xaden. Hinzuzählen ist die Verbindung zwischen Reitern und Drachen. In diesen Bereichen spielt Iron Flame konsequent seine Stärken aus. Das Miteinander ist geprägt durch Humor mit einer erfrischenden Prise Sarkasmus, Zusammenhalt und Vertrauen. Alles Elemente, die gute Freundschaften auszeichnen. Der entstandene Konflikt, dass Violet gezwungen ist, Teilen ihrer engsten Freunde nichts von der aufgedeckten Verschwörung zu erzählen, lässt die Lesenden mitfiebern und leiden. Violet ist eine Figur, in die man sich mit Leichtigkeit hineinversetzen kann, sofern ihr Urteilsvermögen nicht durch Xadens Anziehung getrübt wird und man nicht über das Massensterben in ihrem Umfeld nachdenkt. Ihre Willensstärke und der Drang, das Richtige zu tun, sorgen dafür, dass man sie ins Herz schließt.
Des Weiteren bereitet es Freude, Violet dabei zu verfolgen, wie sie ihre mächtige Siegelkraft, das Schleudern von Blitzen (was gibt es Cooleres?), verfeinert und ihren Gegnern das Fürchten lernt. Wenn sie dabei noch auf ihrem mächtigen schwarzen Drachen reitet, verkommt das Kopfkino zu einer wirklichen Attraktion.
Fazit:
Iron Flame bringt seine alten Stärken leider nicht oft genug auf die Strecke. Die Drachen spielen viel weniger eine Rolle als noch in Band 1. Das ist deswegen besonders schade, weil hierdurch die Schwächen, die bereits in Band 1 ihren Anfang nahmen, aus dem Windschatten der Drachenflügel hervortreten. Haben in Band 1 die Stärken noch überwogen und die Schwächen verblassen lassen, gestaltet es sich in Band 2 genau andersherum.
Dieser Roman ist gleichwohl lesenswert, aber es ist hilfreich, vor der ein oder anderen Schwäche die Augen zu verschließen, wie Violet vor dem Tod ihrer Mitmenschen.
Rebecca Yarros, dtv
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