Der geflügelte Tod: Horrorgeschichten 1933-1936
- Festa
- Erschienen: November 2017
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Vergangenheit als Wiege modernen Schreckens
- H. P. Lovecraft u. Hazel Heald: Flügel des Todes (Winged Death; 1934), S. 9-53: Die schwarzmagische Rache am verhassten Konkurrenten gelingt, doch dessen Tod beendet keineswegs diese Auseinandersetzung.
- H. P. Lovecraft u. Robert H. Barlow: Tötet das Ungeheuer! (The Slaying of the Monster; 1933/1994), S. 54/55
- H. P. Lovecraft u. Robert H. Barlow: Der Schatz der Zauber-Bestie (The Hoard of the Wizard Beast; 1933/1994), S. 56-65: Die Gier ist größer als die Angst, was dem grausigen Hüter dieses Schatzes stets nahrhaften Nachschub sichert.
- H. P. Lovecraft u. Hazel Heald: Aus Äonen (Out of the Eons; 1935), S. 66-111: Vor Jahrhunderttausenden tötete ihn das nackte Grauen, und was ihn traf, kehrt in der modernen Gegenwart zurück.
- H. P. Lovecraft u. Duane W. Rimel: Der Zauber des Aphlar (The Sorcery of Aphlar, 1934), S. 112-115: Aphlars kühner Streich hätte glücken können, wären nicht die neidischen Konkurrenten gewesen.
- H. P. Lovecraft u. Robert H. Barlow: Der Faustkampf am Ende des Jahrhunderts (The Battle That Ended the Century; 1934), S. 116-121
- H. P. Lovecraft u. Duane W. Rimel: Der Baum auf dem Hügel (The Tree on the Hill; 1940), S. 122-138: Der Zufall führt (oder lockt?) ihn dorthin, wo ein Riss zwischen den Dimensionen klafft, hinter dem das Böse gierig lauert.
- H. P. Lovecraft: Das Buch (The Book; 1933/1938), S. 139-144: In den Seiten des uralten Buches haust ein Grauen, das durch Lektüre geweckt wird.
- H. P. Lovecraft u. Richard F. Searight: Die versiegelte Urne (The Sealed Casket; 1935), S. 145-155: Er hat seinen Mentor betrogen und erbt dessen Schätze, aber der Verstorbene war schlauer bzw. hinterlistiger als gedacht.
- H. P. Lovecraft u. Hazel Heald: Das Grauen auf dem Friedhof (The Horror in the Burying-Ground; 1933-35/1937), S. 156-179: Waren die beiden Männer wirklich tot, als man sie begrub? Wieso sonst sind sie so wütend?
- H. P. Lovecraft u. Duane W. Rimel: Die Exhumierung (The Disinterment; 1935/1937), S. 180-198: Er schlägt dem Tod ein Schnippchen, was er bald zurecht bereut.
- H. P. Lovecraft u. Robert Bloch: Die Diener Satans (Satan's Servants; 1949), S. 199-235: Er wagt sich in die Wildnis, um sich den Schergen des Teufels zu stellen.
- H. P. Lovecraft u. Robert H. Barlow: Bis zur Neige ('Till All the Seas; 1935), S. 236-251: In ferner Zukunft streift der letzte Mensch über die sterbende Erde.
- H. P. Lovecraft u. Robert H. Barlow: Sterbende Universen (Collapsing Cosmoses; 1935/1938), S. 252-254
- C. L. Moore, Abraham Merritt, H. P. Lovecraft, Robert E. Howard u. Frank Belknap Long: Die Bedrohung aus dem Weltraum (The Challenge of Beyond; 1935), S. 255-280: Nach der Aktivierung eines außerirdischen Artefakts findet der Erdmann sich in einem Alien wieder, während dieses in den Menschenkörper schlüpft.
- H. P. Lovecraft u. William Lumley: Das Tagebuch des Alonzo Typer (The Diary of Alonzo Typer; 1938), S. 281-316: Im uralten Haus nahe der berüchtigten Kultstätte kann er das Rätsel einer verfluchten Familie lüften - und tappt damit in einer Falle, der er nicht mehr entkommen wird.
- H. P. Lovecraft u. Robert H. Barlow: Das Nachtmeer (The Night Ocean; 1936), S. 317-353: In den Tiefen des Meeres rührt sich uralter Schrecken, doch dem erschreckt-faszinierten Beobachter gelingt es nie, das Geheimnis zu lüften.
- H. P. Lovecraft: Eine Reminiszenz an Dr. Samuel Johnson (Reminiscence of Dr. Samuel Johnson; 1917), S. 354-362
- H. P. Lovecraft: Die holde Ermengarde (Sweet Ermengarde; 1943), S. 363-374
- H. P. Lovecraft, E. E. Smith, David H. Keller, Ralph Milne Farley, Otis Adelbert Kline, Clark Ashton Smith, Stanton A. Coblentz u. Harl Vincent: Zigaretten-Charakterisierungen (Cigarette Characterization; 1934), S. 375-379
- Originaltitel und Copyrightangaben, S. 380-383
Blut aus taubem Gestein pressen
H. P. Lovecraft (1890-1937) feiert man als Meister eines modernen Horrors, der auch die Berührung mit der Science Fiction nicht scheute. Der von Lovecraft entwickelte Cthulhu-Mythos, der die alternative Version einer buchstäblich kosmischen (Natur-) Geschichte präsentiert, inspiriert bis auf den heutigen Tag eine kopfstarke Schar von Epigonen, die Ideen ihres Vorbilds aufgreifen, um sie entweder wiederzukäuen oder weiterzuentwickeln. Lange nach seinem Tod ist Lovecraft eine feste Größe in Film und Fernsehen, aber vor allem auf dem Gaming-Sektor geworden, wo ‚sein‘ Horror Verkaufserfolge garantiert.
„Lovecraft“ ist also ein Gütesiegel geworden, weshalb der Markt die Überschaubarkeit des Werks beklagt. Was seinen Namen trägt, kann in klingende Münze verwandelt werden. Dies führte zur Suche nach zu Lebzeiten unveröffentlichten „Schubladen“-Schätzen oder Text-Rumpffassungen, die andere Autoren ‚vollenden‘ können. In dieser Sammlung hat Robert Bloch (1917-1994), selbst ein berühmter Schriftsteller („Psycho“, verfilmt von Alfred Hitchcock, ist von ihm), sich eine solche ‚Vorlage‘ vorgenommen, die faktisch jedoch sein eigenes Werk ist und mit den typischen Lovecraft-Elemente höchstens spielt, wobei der Trash-Faktor die Oberhand gewinnt.
Freilich hinterließ Lovecraft ein ‚Schattenwerk‘, das sich im Sog der Original-Storys erstaunlich gut behauptet - erstaunlich deshalb, weil die Entstehungsgeschichte krude ist. Der Autor lebte zwar wie ein Einsiedler, unterhielt jedoch eine umfangreiche Korrespondenz. Es entstand ein „Lovecraft“-Zirkel: Während das Gros der ‚normalen‘ Horror-Leser den Autor ignorierte, genoss er in dieser Runde Anerkennung.
Der Meister im Hintergrund
Der freundliche Lovecraft ermunterte zu eigenen Werken. Viele fühlten sich berufen, wenige waren auserwählt, aber manche ehrgeizig. Weil ihnen das Talent fehlte, heuerten sie den finanziell stets klammen Lovecraft als Ghostwriter an. Für kargen Lohn (oder sogar unentgeltlich) ‚überarbeitete‘ er die Elaboraten von ‚Autoren‘, an die sich heute niemand erinnern würde, weil der auf Qualität bedachte Lovecraft nicht selten die ihm vorgelegten Texte quasi neu schrieb und ihnen dabei seinen eigenen Stempel aufdrückte. Zudem nutzte er die Gelegenheit, brachte eigene Ideen ein und ließ in diesen Lohn-und-Brot-Geschichten immer wieder den Cthulhu-Mythos aufleben.
Auf diese Weise brachte er Grusel-Schwung in Erzählungen, die zwar nicht mit seinem originären Horror mithalten, aber angenehm altmodisch unterhalten können. Für Zealia Bishop (1897-1968) und Hazel Heald (1896-1961) wurde Lovecraft mehrfach tätig. Die in diesem Band gesammten Geschichten stammen aus seinen letzten Lebens- und Schaffensjahren. Lovecraft mag die abgedroschenen Plots, mit denen er konfrontiert wurde, nicht geschätzt haben, doch unter seiner Feder entstand triviales Lektüre-Gold.
„Der geflügelte Tod“ gewinnt zusätzlich durch die mehrfache Zusammenarbeit mit Robert Hayword Barlow (1918-1951). Dieser starb jung, was doppelt tragisch ist: Barlow beging Selbstmord, als seine zeitgenössisch strafbare und verpönte Homosexualität publik zu werden drohte. Seine Plots künden von eigenen, interessanten, vielversprechenden Ideen, in denen der Horror auf Fantasy und Science Fiction trifft. Hervorgehoben sei die längere Erzählung „Das Nachtmeer“, in dem Handlung weitgehend von einer Stimmung ersetzt wird, die mit Wortgewalt geschürt, aber nicht wie bei Lovecraft üblich durch final deutlich auftretenden Horror aufgelöst wird. Dass Lovecraft Barlow im Angesicht seines Todes zum literarischen Nachlassverwalter ernannte, spricht für die Wertschätzung dieses jungen Schriftstellers.
Solide Scheite und Sägespäne
Auch Duane Weldon Rimel (1915-1996), Richard Franklyn Searight (1902-1975) und William Lumley (1880-1960) profitierten von der ‚Zusammenarbeit‘ mit Lovecraft. Es entstanden (im positiven Sinn) triviale Gruselgeschichten, die tauglich für die „Pulp“-Magazine der Zeit waren. Lovecraft gab den ursprünglich vermutlich dilettantischen Garnen Struktur und Tiefe, wobei er durchaus auf eigene Werke zurückgriff und Ideen recycelte. (So stützt sich „Das Tagebuch des Alonzo Typer“ stark auf „The Rats in the Wall“, dt. „Die Ratten im Gemäuer“ von 1924.) Diese nostalgisch angestaubten Storys lassen sich auch heute vergnüglich lesen.
Wohl der Vollständigkeit halber wurden einige Beiträge sowie Skizzen und Rudimente aufgenommen, an denen Lovecraft irgendwie beteiligt war („Tötet das Ungeheuer!“, „Sterbende Universen“). Zum Teil handelt sich um heute schwer oder gar nicht mehr verständliche, weil ‚interne‘ Witzeleien („Zigaretten-Charakterisierungen“), in denen sich die Mitglieder des „Zirkels“ manchmal auf die Schippe nahmen: In „Der Faustkampf am Ende des Jahrhunderts“ chiffrierten Lovecraft und Barlow deren Namen mehr oder weniger originell - „Two-Gun Bob“ ist „Conan“-Schöpfer Robert E. Howard, „Bill Lum Li“ William Lumley, „Klarkash-Ton“ Clark Ashton Smith, „Mr. De Merit“ Abraham Merritt, „Horse Power Hateart“ Lovecraft selbst. (Einige der so ‚Geehrten‘ waren übrigens gar nicht amüsiert.) „Die Bedrohung aus dem Weltraum“ ist eine Story, die fünf Autoren fortsetzten. Das Ergebnis ist bestenfalls interessant, aber formal wie inhaltlich ein disparates Durcheinander.
Dass der ernste und steife Lovecraft Humor besaß und sogar albern sein konnte, zeigt er in „Die holde Ermengarde“, eine (recht grobschlächtige, aber funktionierende) Parodie auf das Melodram um die klassische „verfolgte Unschuld“, die hier US-handfest ihre Interessen zu wahren weiß. „ Eine Reminiszenz an Dr. Samuel Johnson“ erinnert an den frühen Lovecraft, der sich gern als Gentleman der Vergangenheit ausgab und Schriftsteller oder Dichter von einst imitierte - ein Privatvergnügen, das auf ein (zahlenmäßig) beschränktes Publikum beschränkt blieb und heutige Leser erst recht nur bedingt in den Bann zu ziehen vermag.
Fazit:
Dritter und letzter Band, der zeitgenössische und postume ‚Zusammenarbeiten‘ meist obskuren Autoren mit einem Meister des modernen Horrors sammelt: trivialer, literarisch vermutlich ‚minderwertiger‘, aber mehrheitlich vergnüglicher Grusel, der durch sein Alter nostalgischen Glanz gewonnen hat.
H. P. Lovecraft, Festa
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