Im Gefolge der Proteste von „1968“ entstanden sowohl eine Vielzahl linker Organisationen und Strömungen, als auch ein breites Spektrum „neuer sozialer Bewegungen“, die staatliche Entscheidungen und staatliches Handeln – mitunter auch die staatliche Ordnung an sich – in Frage stellten. In der zeithistorischen Forschung sind die sozialen Bewegungen der 1970er Jahre vielfach eingeordnet worden in tiefergehende, bereits seit den späten 1950er Jahren einsetzende Prozesse der gesellschaftlichen Liberalisierung und des Wandels der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland.
Auf der Tagung soll der Blick auf die staatliche und institutionelle Seite der mit dem Protest verbundenen Konflikte und Aushandlungsprozesse gerichtet und danach gefragt werden, wie sich die Formen staatlichen Umgangs mit linkem Protest und „neuen sozialen Bewegungen“ erklären und inwieweit sich hier Wandlungsprozesse erkennen lassen. Während staatliche Reaktionen auf die „Entmischungsprodukte“ von APO und Studentenbewegung bislang vor allem am Beispiel staatlicher Terrorismus-Bekämpfung und mit Blick auf sicherheitspolitische Aspekte intensiver untersucht worden sind, zielt die Tagung darauf, sowohl den Protest in seiner Breite und seinen unterschiedlichen Schattierungen, als auch die „Technologien des Regierens“ in ihrer Komplexität in den Blick zu nehmen. Gefragt werden soll nicht nur nach Umgangsweisen zwischen Formen der „Integration“ (wie finanzieller Förderung, Reformen und Partizipationsmodellen) einerseits und „Repression“ (wie polizeilichen Maßnahmen und juristischer Verfolgung) andererseits, sondern auch nach den Diskursen und Dispositiven – beispielsweise von „Modellprojekten“ oder der „inneren Sicherheit“ –, mit denen staatliche Institutionen auf die Infragestellung ihrer Legitimität reagierten.
Vor allem drei Bereiche sollen auf der Tagung in den Fokus gerückt werden:
1. Welche staatlichen Institutionen wurden herausgefordert bzw. traten als Handelnde in Erscheinung? Wie lassen sich Positionierungen und das Verhalten von Akteurinnen und Akteuren auf staatlicher Seite erklären? Sind diese primär als interessengeleitet, taktisch oder parteipolitisch motiviert zu kategorisieren, oder inwieweit spielten habituelle und generationelle Aspekte eine Rolle?
2. Welche Formen nahm alltägliches Regierungshandeln – in der Reaktion auf, aber auch in der Interaktion mit den Trägerinnen und Trägern des Protests – an? Wie nahmen staatliche Institutionen dabei Protest und Protestakteure wahr und mit welchen Kategorien erfassten sie diese? Welche Beschlüsse wurden gefällt, welche Maßnahmen kamen zum Einsatz und wie wurde diese Praxis öffentlich legitimiert? Welche Rolle spielte die Bezugnahme auf andere Akteure, wie Medien, Parteien oder Verbände, in den Konflikten?
3. Welche Effekte und Ergebnisse der Auseinandersetzungen und Aushandlungsprozesse zwischen Staat und Bewegungen können beschrieben und welche Wandlungen auf institutioneller Ebene im Umgang mit Protest beobachtet werden?
Die Tagung wird von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH) ausgerichtet und von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert. Sie richtet sich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihr aktuelles Forschungsvorhaben präsentieren und ihre fachliche und methodische Expertise in der Diskussion mit den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern vertiefen wollen. Erwünscht sind Beiträge zu Dimensionen des Komplexes „bundesdeutscher Staat und Protest“ in den 1970er und 1980er Jahren, die sich an den oben angeführten Fragestellungen orientieren. Eine Bezugnahme auf theoretische Konzeptionen von Staatlichkeit und Regieren wird ebenso begrüßt wie Beiträge, die das Thema mit einem transnationalen oder international vergleichenden Ansatz untersuchen.
Vorschläge für 20-minütige Vorträge in Form eines Abstracts sollten 500 Wörter nicht überschreiten und Informationen zum Stand des Projekts enthalten. Diese werden zusammen mit einem kurzen Lebenslauf bis zum 15. Juni 2014 via Email an [email protected], [email protected] oder [email protected] erbeten.