Hamburg. Nach über einem Jahrzehnt werden festverzinsliche Wertpapiere für manche Anleger wieder interessant. Was Käufer wissen sollten.
Noch im Dezember 2021 waren deutsche Staatsanleihen für Anleger ein Verlustgeschäft. Wer sie erwarb, machte wegen der negativen Rendite ein Minus und bekam am Ende der Laufzeit weniger Geld zurück, als er investiert hatte. Derzeit erreichen deutsche Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren wieder eine Rendite von rund 2,33 Prozent.
Es ist der höchste Wert seit 2011. Mit Anleihen anderer europäischer Länder sowie der USA können Anleger sogar noch höhere Renditen erzielen. Wie funktionieren Anleihen? Welche Renditen lassen sich mit ausländischen Staatsanleihen erzielen? Lohnt jetzt der Einstieg? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen zu Staatsanleihen.
Finanzen: Warum sind Staatsanleihen jetzt wieder attraktiver?
Angesichts der hohen Inflation hat die Europäische Zentralbank (EZB) einen Paradigmenwechsel vollzogen, ein Anleihekaufprogramm auslaufen lassen und die Leitzinsen erhöht. Das hat die Nachfrage nach Staatsanleihen sinken lassen. Bei Anleihen, die bereits am Markt im Umlauf sind, sinken daher die Kurse, und damit steigen die Renditen. Zudem werden große Notenbanken ihre Leitzinsen voraussichtlich weiter erhöhen, was Staatsanleihen als Anlageform ebenfalls Auftrieb gibt.
Und schließlich werden die EU und einzelne Staaten zur Bewältigung der Energiekrise weitere Schulden machen müssen. Das Geld besorgen sie sich durch neu ausgegebene Anleihen. Ein höherer Kapitalbedarf der Staaten führt zu höheren Zinsen auf neue Anleihen.
Welche Renditen lassen sich mit Staatsanleihen erzielen?
Bundesanleihen bringen je nach Laufzeit eine Rendite zwischen 1,86 Prozent (zwei Jahre Restlaufzeit) und 2,33 Prozent für zehn Jahre Restlaufzeit. Das Risiko ist gering, die führenden Ratingagenturen geben Deutschland das Spitzenrating AAA. Das bedeutet: Der deutsche Staat wird den Kredit, den ihm ein Anleihekäufer gibt, auch zurückzahlen. Deutlich höhere Zinsen gibt es auf italienische Staatsanleihen. Die Bandbreite reicht von 2,90 Prozent (zwei Jahre) bis 4,70 Prozent (zehn Jahre).
„Doch höhere Zinsen gehen immer mit einem größeren Risiko einher“, sagt Bernd Schimmer, Wertpapierstratege der Hamburger Sparkasse. Italien hat mit BBB ein deutlich schlechteres Rating. Höhere Zinsen als in Deutschland bei einem sehr guten Rating gibt es auch für US-amerikanische Staatsanleihen. Die Renditen reichen von 4,3 Prozent (zwei Jahre) bis zu 3,92 Prozent (zehn Jahre). Aber der Anleger geht ein Währungsrisiko ein.
Was genau sind Staatsanleihen?
Ohne neue Schulden kommen die Staaten meist nicht aus, um ihre Politik umzusetzen. „Staatsanleihen sind Wertpapiere, mit denen die Staaten ihre Staatsschuld finanzieren“, sagt der Börsenexperte Timo Halbe vom Verbraucherportal „Finanztip“. „Legt ein Staat eine neue Anleihe auf, so sammelt er von den Anlegern Geld ein und verspricht ihnen, dieses nach einem festgelegten Zeitraum, der sogenannten Laufzeit der Anleihe, wieder zurückzuzahlen.“
Wie läuft der Handel mit Anleihen an der Börse?
Anleihen werden wie Aktien an der Börse gehandelt. Sie haben einen Nennwert. Das ist der Geldbetrag, den der Emittent – bei der Bundesanleihe also der deutsche Staat – dem Käufer der Anleihe schuldet. Anleihen, die auch an private Anleger verkauft werden, haben häufig einen Nennwert von 1000 Euro. Bei ihrer Ausgabe werden sie mit einem festen Zins versehen, der jährlich ausgezahlt wird. Experten sprechen vom Kupon. Da in der Vergangenheit das Zinsniveau sehr niedrig war, haben die schon im Markt befindlichen Bundesanleihen einen sehr niedrigen Kupon, der auch bei null liegen kann. Gleichwohl verspricht der Kauf einen Gewinn.
„Die Anleihen werden nicht zum Nennwert, sondern zu einem aktuellen Kurs gehandelt. Dieser wird meist in Prozent des Nennwertes angegeben. Bei einem Kurs von 98 Prozent zahlt man für eine Anleihe mit 1000 Euro Nennwert also 980 Euro“, sagt Halbe. Am Ende der Laufzeit bekommt der Anleger aber garantiert 1000 Euro zurück. „Wichtig ist, dass man beim Kauf an der Börse nicht nur auf den Zinssatz, sondern auf die Rendite achtet“, rät Halbe.
„Sie gibt an, wie hoch der jährliche Ertrag gemessen am aktuellen Kurs bis zum Ende der Laufzeit ist. Die Rendite von Staatsanleihen schwankt also täglich mit deren Kursen.“ Generell gilt: In Phasen steigender Renditen wie jetzt fallen die Kurse der Anleihen. „Der Anleger kann sie bis zur Fälligkeit halten und bekommt dann das investierte Kapital zurück. Bei dieser Strategie ist ihm die Rendite zum Kaufzeitpunkt sicher, und Kursschwankungen während der Laufzeit spielen für ihn keine Rolle“, sagt Daniel Lenz, Anleihen-Experte der DZ Bank.
Was sind Stückzinsen?
Beim Kauf einer Anleihe über die Börse müssen neben dem Kurs auch sogenannte Stückzinsen einkalkuliert werden, die den Kaufbetrag erhöhen. Der Käufer kassiert zum Termin der Zinszahlung die gesamten Zinsen für ein Jahr, auch wenn er die Anleihe erst wenige Wochen oder Monate besitzt.
Der Verkäufer der Anleihe müsste also auf seinen Zinsanspruch verzichten. Um dieses Ungleichgewicht aufzulösen, muss der Erwerber der Anleihe die angelaufenen Zinsen dem Verkäufer in Form von Stückzinsen beim Kauf bezahlen. Wird beispielsweise die Anleihe drei Monate vor dem Ablauf der zwölfmonatigen Kuponlaufzeit erworben, so müssen Stückzinsen für neun Monate entrichtet werden.
Welche Laufzeiten sind empfehlenswert?
Privatanleger halten Anleihen meist bis zur Fälligkeit und spekulieren weniger auf Kursgewinne. „Man kann nicht voraussehen, wann das Zinshoch erreicht ist“, sagt Schimmer. „Ich würde mir deshalb Anleihen mit unterschiedlichen Fälligkeiten in das Depot legen.“ Bei Fälligkeit kann dann neu angelegt werden. Wenn die Zinsen dann noch höher sind – umso besser. Sicher ist die Phase steigender Zinsen noch nicht beendet. Aber wer jetzt abwartet, dem entgehen auch Zinsgewinne.
Auf den Konten der Bundesbürger liegen mehr als drei Billionen Euro – vorwiegend unverzinst. In Anleihen sind sie bisher kaum investiert – weil die über viele Jahre hinweg völlig unattraktiv waren. „Während bei zehnjährigen Bundesanleihen nicht mehr viel Spielraum bei der Rendite nach oben ist, sieht das bei Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von zwei Jahren noch anders aus“, sagt Lenz. Mit Blick auf weitere Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank (EZB) könne die Rendite noch auf bis zu 2,80 Prozent steigen, so die Prognosen der DZ Bank.
Wie sicher sind Staatsanleihen aus Italien?
Die Experten sind sich einig: Die höheren Renditen von italienischen Staatsanleihen gehen mit einem höheren Risiko einher, dass sie nicht zurückgezahlt werden können. Beim ohnehin schon schlechten Rating BBB des Landes müsse man berücksichtigen, dass es ohne die Stützungsmaßnahmen der EZB voraussichtlich sogar noch schlechter ausfallen würde, sagt der Anleihen-Experte Daniel Lenz Die Agentur Moody’s gibt bereits einen negativen Ausblick für die Finanzlage des südeuropäischen Landes.
Wer das Risiko dennoch eingehen will, sollte nicht unbedingt zu einer zehnjährigen Staatsanleihe greifen. Ein solcher Zeitraum ist nur schwer zu überblicken.
Wie groß ist das Risiko bei US-Anleihen?
Die Rendite von etwa vier Prozent auf US-Anleihen ist auf den ersten Blick attraktiv, doch Währungskursschwankungen sind aber ein beträchtliches Risiko. Im Moment ist der Euro gegenüber dem Dollar schwach. Anleger müssen mehr als 1000 Euro bezahlen, um eine Anleihe im Nennwert von 1000 Dollar zu erwerben.
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Das ist ein ungünstiges Verhältnis, denn Währungsexperten erwarten, dass der Eurokurs wieder steigt. 1,30 Dollar für einen Euro gelten als realistische Größenordnung. Kommt es so, würde der Anleger bei Fälligkeit der US-Anleihe, die er für mehr als 1000 Euro gekauft hat, deutlich weniger Geld zurückerhalten.