Lordes drittes Album „Solar Power“ wurde aus einer Erleuchtung heraus geboren. „Ich bin draussen am Strand, im Meer und im Freien aufgewachsen“, sagt die neuseeländische Pop-Titanin gegenüber Apple Music. „Aber erst, als ich meinen Hund bekam, habe ich verstanden, wie wertvoll die Natur ist und wie viele Geschenke sie für jemanden wie mich bereithält. Ich hatte das Gefühl, dass alles, was ich tat, darin bestand, mich auf die Natur einzulassen, und zehnfach mit Dingen belohnt zu werden, die nicht nur meine Stimmung heben, sondern mich wirklich inspirieren.“ Es war der Tod des Hundes Pearl im Jahr 2019, der die Produktion des Albums verlangsamte – aber seine Lektionen (Pearl war ein Er) über eine bessere Verbindung zur Aussenwelt fliessen in das Album ein.All das in dem abgedrehten, federleichten Pop von ihrem 2013er-Debüt „Pure Heroine“ und dem schwindelerregenden Nachfolger „Melodrama“ von 2017 auszudrücken, hätte nie funktioniert. Also wandte sie sich stattdessen einer etwas unerwarteten Soundpalette zu, die sie zusammen mit dem langjährigen Produzenten Jack Antonoff basierend auf den Klängen des Laurel Canyon der 70er und dem Pop der frühen 2000er-Jahre à la All Saints und Natalie Imbruglia zusammenstellte. „Ich glaube, auf dem Papier ergibt das alles keinen Sinn“, sagt sie. „Aber ich dachte mir: ‚Was kann das Erlebnis, draussen zu sein oder die Sonne und eine bestimmte Art von Freude zu spüren, einfangen?‘“„Solar Power“ könnte man durchaus als genau das sehen: ein Album, mit dem man sich an einem Sommertag zurücklehnen kann. Es gibt, „Tiefes und Seichtes“ auf dieser Platte, wie Lorde es ausdrückt – von Reflexionen mit Bezug auf die Promi-Kultur („California“) und die Wellness-Industrie („Mood Ring“) bis hin zur Trauer über die Zerstörung der Natur. Es handelt sich jedoch nicht um ein Album über den Klimawandel („Es war definitiv nicht mein Ziel, die Leute dazu zu bringen, sich Gedanken zu machen; den Job kann ich euch nicht abnehmen“). Vielmehr geht es um „Vergänglichkeit und darum, mit ihr klarzukommen. Darum geht es in meiner ganzen Arbeit“, sagt sie. „In all diesen Werken versuche ich einfach, eine Reihe von Fragen zu stellen. Und wenn das die Leute dazu bringt, ihre eigenen Fragen an ihre Welt zu stellen, dann habe ich meine Arbeit gut gemacht.“ Hier führt uns Lorde alias Ella Yelich-O‘Connor durch „Solar Power – Track für Track.„The Path“Das war das erste Stück, das ich für das Album geschrieben habe, und ich wusste von Anfang an, es würde der Opener sein. Ich wollte die Leute direkt auf den neuesten Stand bringen: Das ist es, wo ich jetzt stehe – das ist die Phase. Je älter ich werde, desto mehr spüre ich die Absurdität unseres modernen Lebens, und einige der Bilder in diesem Song spielen genau darauf an. Ich habe auch mehr über Menschen in meiner Position nachgedacht und über die Verehrung, die jemandem wie mir entgegengebracht wird. Ich habe darüber nachgedacht, das zu demontieren und zu sagen: „Lassen wir das für diesen Song beiseite und machen wir etwas komplett anderes.“ Es hat echt Spass gemacht, so goldig und frech zu sein und zu sagen: „Sorry, es wird nicht um mich gehen. Lasst uns umdenken.“„Solar Power“Dieser Song war federleicht. Es ist ganz einfach ein Lied darüber, im Sonnenschein glücklich zu sein, was für mich ein ziemlich verrückter Ansatz ist. Tatsächlich ist es aber ein bisschen dunkel und unheimlich, mit vielen Sekten- und Kommunenbildern. Ich wusste, dass die Leute sich fragen würden: „Wovon zum Teufel spricht sie da?“ Oberflächlich betrachtet ist es leicht, aber es steckt eine Menge dahinter.„California“Kalifornien und L.A. sind Orte, für die ich eine grosse Zuneigung habe. Ich finde sie wirklich verlockend und mystisch und irgendwie verträumt, sie machen mich aber auch irgendwie krank. Im Moment ist es nicht der Ort, an dem ich sein sollte, also habe ich mich zurückgezogen. Ich habe viel The Mamas & The Papas gehört, das war also eine Art melodische Referenz. Der Song hat etwas Unheimliches an sich und viele Leute haben versucht, das in Filmen und in der Musik über L.A. einzufangen. Ich liebe die Zeile, in der es um die Kinder in der Schlange für „den neuen Herrscher“ („the new Supreme“) geht. Es ist ein klassisches „Me-Thing“, etwas zu sagen, das modern ist, aber klassisch klingen könnte.„Stoned at the Nail Salon“Das war einer der ersten Songs, die wir geschrieben haben. Ich glaube, dass es direkt im Anschluss an „Melodrama“ entstanden ist. Ich lebe sehr zurückhaltend und sehr häuslich. Es ist wie das Leben einer Hippie-Hausfrau. Das fiel mir auf, als die GRAMMYs oder die VMAs liefen und ich versuchte, einen Stream auf meinem Computer laufen zu lassen, aber es funktionierte nicht. Es fühlte sich so ausserhalb meines Lebens an. Ich fing an, darüber nachzudenken, ob ich den richtigen Weg wähle, wenn ich sozusagen das Telefon auflege. Also nur noch mit meinem Hund rumhänge und jeden Tag Mittagessen mache? Die Vocals, die auf dem Song zu hören sind, haben wir an dem Tag aufgenommen, als wir ihn geschrieben haben. Er hat also diese lockere, organische Qualität, die einen grossen Teil von „Solar Power“ ausmacht.„Fallen Fruit“Ich war auf dem Weg nach L.A., um mit Jack zu schreiben, und habe im Flugzeug damit angefangen. Die Songs, die ich im Flugzeug schreibe, haben immer eine leicht verstörte oder ungefilterte Qualität, weil ich mich in der Höhe befinde oder so. Ich hatte vorher sehr darauf geachtet, nicht zu predigen oder zu sagen: „Hallo, ich bin ein Popstar und das ist mein Klimawandel-Album!“ Doch ich hatte einfach diesen Moment, in dem ich dachte: „Wir reden über den grossen Verlust unseres Lebens, es wird unser aller Leben bestimmen, und unsere Welt wird für meine Kinder nicht mehr wiederzuerkennen sein.“ Es klingt wie das Klagelied eines Blumenkindes – und ich habe es geliebt. Im Grunde habe ich es sehr nach Laurel Canyon klingen lassen. Gleichzeitig gibt es auf dieser Platte nur eine 808 – und die ist im Breakdown des Songs. Ich beschreibe darin eine Flucht an einen sicheren Ort, die in der Zukunft stattfindet, wenn unsere Welt unbewohnbar geworden ist. Ich mochte es, dafür in etwas Neuzeitliches zu schlüpfen.„Secrets from a Girl (Who’s Seen it All)“Hier spreche ich mit meinem jüngeren Ich und versuche, einige der Dinge, die ich gelernt habe, weiterzugeben. Es hat Spass gemacht, aus dieser Perspektive zu schreiben. Für mich ist es eine Mischung aus Eurythmics und Robyn. Und dann haben wir Robyn tatsächlich dazu gebracht, den wunderbar gesprochenen Part zu übernehmen. Sie ist jemand, von dem ich sehr viel gelernt habe, durch den Song. Sie hat die Arbeit wirklich komplett gemacht.„The Man with the Axe“Ich habe dieses Stück fast wie ein Gedicht geschrieben. Ich war sehr verkatert und denke, diese zerbrechliche, verletzliche Eigenschaft hat es hierhergeschafft. Es ist etwas merkwürdig, weil es irgendwie melancholisch ist, aber auf der anderen Seite auch sehr behaglich, wie ich finde. Ich drücke eine grosse Menge an Liebe und Zuneigung für jemanden aus. Für mich klingt es sehr privat – ich mag nicht einmal daran denken, dass andere es hören –, weil es nur für mich ist. Der [US-Produzent] Malay hat die coolsten Akkorde gemacht. Ich habe den Text nicht wirklich verändert, abgesehen davon, dass ich vielleicht eine Zeile herausgenommen habe. Das war eine der grössten Errungenschaften des Albums.„Dominoes“„Solar Power“ handelt von Utopien, und Wellness ist eine Utopie schlechthin. Das spielte auch eine grosse Rolle in den 60er- und 70er-Jahren, der New-Age-Aufklärung, im Zeitalter des Wassermanns – die Suche nach dem, was uns die Antworten gibt und ein Gefühl der Vollkommenheit. Ich habe das Gefühl, dass jeder jemanden kennt, der so ist. Ich musste beispielsweise sehr lachen, als ich mal folgenden Satz hörte: „Es ist echt schräg, dich Marihuana rauchen zu sehen, du hast von allen, die ich je getroffen habe, am meisten Kokain genommen.“ Wir alle kennen diesen Typen.„Big Star“Der Titel dieses Songs ist eine Anspielung auf Big Star, die Band, die ich absolut liebe. Wenn ich an einen Song wie „Thirteen“ von Big Star denke, dann hat er etwas sehr Kindliches an sich. Und dieser Song vermittelt etwas Ähnliches. Ich mochte auch die Vorstellung, dass die Menschen, die wir lieben, für uns wie Berühmtheiten sind. Wenn ich ein Bild von einem geliebten Menschen sehe, fühle ich dieselbe Chemie, als würde ich eine:n Prominente:n sehen. In meinem Herzen sind sie berühmt. Aber eigentlich ist das nur ein Song über meinen Hund. Ich habe es geschrieben, als er noch ein Welpe war. Ich dachte nur: „Heilige Scheisse, ich habe noch nie in meinem Leben etwas so sehr geliebt.“„Leader of a New Regime“Ich wollte eine kleine Atempause einlegen und ein bisschen in die Crosby, Stills & Nash-Richtung gehen und mich fragen: „Wie geht es weiter?“ Sei es kulturell, politisch, ökologisch, sozial oder spirituell. Ich spürte den Wunsch, etwas Neues zu machen.„Mood Ring“Dieser Song ist komplett satirisch, über eine Person, die sich in der modernen Welt wirklich verloren und abgekoppelt fühlt und versucht, sich wohlzufühlen, so gut sie kann. Ich hatte das Gefühl, dass sich so viele Leute damit identifizieren könnten. Dieses Lied zu schreiben, war witzig und spannend zugleich. Die Melodien und die Produktion waren eine grossartige Mischung aus dem Sound der frühen 2000er und der Energie des Zeitalters des Wassermanns. Beides musste bei diesem Song unbedingt vorkommen.„Oceanic Feeling“Ich wusste, dies würde der letzte Track sein. Ich wollte unbedingt, dass er so klingt, als würde ich morgens zu Hause aufstehen und nach draussen gehen und darüber nachdenken, was der Tag bringen wird. Werde ich an den Strand gehen? Werde ich angeln gehen? Was wird passieren? Ich wollte etwas machen, das die Leute aus Neuseeland hören und sich dabei fühlen würden: „Oh, da geht’s um mich. Da komme ich her.“ Aber ich habe auch über eine Menge nachgedacht. Mein kleiner Bruder hatte einen Autounfall und eine Gehirnerschütterung erlitten und er war echt verloren und verwirrt. Ich wollte ihm sagen, dass alles wieder gut wird. Dabei habe ich viel über meine Eltern nachgedacht und über diese tiefe Verbindung, die wir zu unserem Land haben. Ich habe auch über meine Kinder nachgedacht. Mir gefiel der Schluss: „I’ll know when it’s time to take off my robes and step into the choir.“ (Ich werde wissen, wann es an der Zeit ist, meine Roben auszuziehen und in den Chor einzutreten.“) Dieses Gefühl ist eine Mischung aus „Wenn du eine:n Retter:in suchst, bin ich es nicht“ und „Eines Tages werde ich dies vielleicht nicht mehr tun. Wer weiss?“ Meine Musik ist so einzigartig. Ich stehe ziemlich genau im Mittelpunkt, aber ich fand, dass es ein wirklich starkes Bild war, mit dem ich mich auf diesem Album verabschieden konnte, nach dem Motto: „Eines Tages werde auch ich abtreten.“
Andere Versionen
Video-Extras
- 2013
- Florence + the Machine