Kann es nach Auschwitz ein glaubhaftes Denkmal geben?
Öffentliches Erinnern und kollektives Vergessen angesichts der Shoa
Von Rolf Löchel
Besprochene Bücher / Literaturhinweise"Wo liegt Hitler?" lautet der Titel eines schmalen, von Michael S. Cullen verfassten Buches. Die Antwort auf diese Frage interessiert den Verfasser, wie er gleich eingangs bekundet, allerdings gar nicht. Zu Recht natürlich. Der LeserIn drängt sich dann allerdings der unangenehme Verdacht auf, es handele sich bei dem Titel lediglich um einen eye catcher, nur gedacht, höhere Verkaufszahlen zu erzielen. Angesichts der Cullen wirklich interessierenden Frage eine Geschmacklosigkeit.
Dieser Frage nähert sich der Autor über den Umweg einer weiteren: "Brauchen wir - Deutsche, Amerikaner, Israelis und Polen, Individuen wie Völker -, brauchen wir Denkmale, um uns an unsere Taten und Untaten zu erinnern?" Zunächst ist diese Frage Ausgangspunkt für einige kleinere Abstecher in die Kulturgeschichte des Denkmals, wobei Cullen diesen Begriff weit fasst. Denn er meint damit nicht nur steinerne Monumente, sondern jegliches "Zeichen der Erinnerung".
Sein Rundkurs führt ihn von zustande gekommenen und nicht zustande gekommen Denkmalen für Bismarck, Heine, Washington und Jefferson, über stets problematische Kriegs- und Kriegerdenkmale schließlich zu seinem eigentlichen Thema: Der Möglichkeit des angemessenen Gedenkens der Shoa. "Kann es nach Auschwitz ein glaubhaftes Denkmal geben?" Das nun ist die Frage, um die es dem Autor zu tun ist. Cullen beantwortet sie fürs erste mit einer ausführlichen Beschreibung Yad Vashems, der zentralen Gedenkstätte Israels. Seine Antwort fällt implizit positiv aus. Aber es besteht, wie auch der Autor erkennt, ein fundamentaler Unterschied zwischen einem Denkmal der Opfer und einem der Täter, zwischen einem der Angehörigen und Nachkommen der Opfer und einem der Angehörigen und Nachkommen der Täter, zwischen einem des Volkes der Opfer und einem des Volkes der Täter. Dass es den Juden und Israel gelungen ist, eine angemessene Gedenkstätte für das unermessliche Grauen zu schaffen, besagt noch lange nicht, dass es den Deutschen und dem Nachfolgestaat des NS-Regimes ebenfalls gelingen wird. Die Auseinandersetzungen um das "Holocaust-Denkmal" in Berlin stimmen nicht gerade optimistisch. Cullen mahnt an, die Kontroverse mit "größerer Gelassenheit" zu führen. Habe sein Buch diese Wirkung, so habe es "seinen Sinn erfüllt". Ob denn aber wirklich Gelassenheit angebracht ist, scheint zweifelhaft. Angesichts der Shoa ganz sicher nicht! Sollte und kann sie dann aber angestrebt werden in der Auseinandersetzung um ein Denkmal, das ihr gilt?
Zudem ist es eine offene Frage und zweifelhaft, ob es überhaupt ein glaubwürdiges und angemessenes Denkmal der Täter geben kann. Dass es eines geben muss, aber ist unzweifelhaft.