Was ist Reverse Mentoring? Einfach erklärt
Beim Reverse Mentoring werden die Rollen des klassischen Mentoring getauscht: Jetzt lernen ältere, teils hierarchisch höher gestellte Kollegen von jüngeren, der Junior coacht den Senior. Auch beim Reverse Mentoring geht es in erster Linie um Personalentwicklung. Gleichzeitig steigt durch den Rollentausch und Perspektivwechsel der Wissenstransfer und Vorurteile zwischen den Generationen werden abgebaut.
Die Themen des Reverse Mentorings behandeln in der Regel Gebiete bei denen die junge Generation Z mehr weiß als die älteren Mitarbeiter. Zum Beispiel: Online-Marketing oder -Vertrieb, Social Media, Medienkompetenz, Software oder Apps. Ziel ist, die Arbeitsorganisation sowie Prozesse neu zu strukturieren oder zu verjüngen und an die Zukunft anzupassen.
Reverse Mentoring Beispiele
Das Reverse Mentoring kommt bereits in zahlreichen Unternehmen zum Einsatz: Allianz, Bosch, Continental und die Deutsche Telekom setzen ebenso darauf, wie Henkel, IBM, die Lufthansa oder Merck. In den USA gibt es Reverse-Mentoring-Programme unter anderem bei Cisco, Deloitte, Procter & Gamble, PwC oder Target. Das Kozept eignet sich aber natürlich ebenso für kleine und mittelständische Unternehmen.
Bei der österreichischen Bank Austria startete das Reverse Mentoring beispielsweise mit acht Bank-Vorständen, denen jeweils acht Millennials zugeordnet wurden. Effekt: Im zweiten Durchgang trafen schon 30 Manager der zweiten und dritten Führungsebene auf Mitarbeiter unter 35 Jahren.
Reverse Mentoring: Hintergrund und Historie
Als geistiger Vater des Reverse Mentorings gilt der Konzern General Electric. Der damalige Unternehmenschef Jack Welch erkannte, dass seine Führungskräfte zu wenig über das Internet wussten. Er forderte daher 600 Top-Manager dazu auf, sich jüngere Mentoren im Konzern zu suchen. Welch selbst ging mit gutem Beispiel voran.
Reverse Mentoring Vorteile
Wird Reverse Mentoring ernsthaft gemacht, können beide Seiten – Mentor und Mentee – enorm davon profitieren. Auch für das Unternehmen hat das zahlreiche Vorteile:
- Förderung des Dialogs zwischen den Generationen.
- Mehr Verständnis füreinander und für unterschiedliche Perspektiven.
- Abläufe und Prozesse werden modernisiert – über Hierarchien hinweg.
- Neue Herausforderungen oder Geschäftsmodelle werden frühzeitig erkannt.
- Das Unternehmen wird langfristig fit für die Zukunft.
- Die Unternehmenskultur verbessert sich.
- Der Arbeitgeber wird für Nachwuchstalente attraktiver.
Nicht zuletzt profitieren auch die (jungen) Mentoren von solchen Programmen: Als Azubis oder Berufseinsteiger erfahren sie enorme Wertschätzung und verbessern zugleich ihre fachlichen wie sozialen Kompetenzen. Gleichzeitig erweitern ihr internes Netzwerk und bekommen Zugang zur Unternehmensspitze. Das erhöht ihre Sichtbarkeit im Unternehmen – eine wichtige Voraussetzung für die weitere Karriere.
Reverse Mentoring Voraussetzungen
Natürlich hat eine solch ungewohnte Konstellation durchaus Sprengstoff und Konfliktpotenzial. Nicht alle „alten Hasen“ lassen sich vom Jungspund und Nachwuchstalent belehren. Wer so denkt, ist für das Reverse Mentoring natürlich ungeeignet. Eine der wichtigsten Voraussetzungen ist daher die grundsätzliche Bereitschaft auf beiden Seiten (!) von einander zu lernen.
Darüber hinaus sollten Mentor und Mentee unternehmensintern nicht miteinander konkurrieren oder in einem hierarchischen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Der eigene junge Mitarbeiter aus der eigenen Abteilung scheidet damit aus. Ansonsten gelten auch beim Reverse Mentoring dieselben Voraussetzungen wie beim klassischen Mentoring:
- Mentor und Mentee sollten sich sympathisch sein und gegenseitig vertrauen.
- Reverse Mentoring lebt zudem von Ehrlichkeit und gegenseitiger Wertschätzung. Das schließt Kritik nicht aus. Für den Mentee heißt das: Fragen Sie nach Rat, seien Sie aber ebenso offen für ehrliche Manöverkritik. Je mehr Sie versuchen, sich zu schonen, desto weniger lernen Sie.
- Überdies sollten sich beide immer wieder ihrer gegenseitigen Dankbarkeit versichern. Das ist keine weichgespülte Psychomasche, sondern Balsam für jede Beziehung.
- Auch die Frequenz der Mentoring-Treffen sollte vorab geklärt werden. Also wann, wie oft und unter welchen Bedingungen sich beide treffen. Je regelmäßiger der Austausch, desto fruchtbarer und vertrauensvoller wird das Verhältnis.
TIPP: Starten Sie an der Spitze!
Damit Ihr Reverse-Mentoring-Programm ein Erfolg wird, hängen Sie es möglichst hoch auf. Gleich zu Beginn sollte mindestens ein Vorstand oder Mitglied der Geschäftsleitung als Mentee agieren. Die damit verbundene Popularität erhöht nicht nur Aufmerksamkeit und Akzeptanz des Programms – sie dient ebenso als Vorbild, Motto: „Wenn der sich schon von einem Jungen coachen lässt…“
Reverse Mentoring Ablauf: Dialog auf Augenhöhe
Mentoren-Programme – ob klassisch oder mit vertauschten Rollen – haben kein Verfallsdatum. Sie lassen sich ebenso unbegrenzt wie für ein zeitlich befristetes Projekt einsetzen. Bewährt hat sich allerdings ein Tandem-Zeitraum von mindestens 4-6 Monaten. Zum besseren Gelingen empfehlen Experten die Flankierung durch folgende Ablauf-Stufen:
- Erstellen eines Mentoring-Leitfadens
- Benennen eines festen Ansprechpartners für alle Programme
- Akquise und Anleitung der Mentees (alt)
- Identifizieren und Qualifizieren der Mentoren (jung)
- Durchführen einer Einführungsveranstaltung (Kick-off-Meeting)
- Matching der neuen Kollegen-Tandems (Kenntnisse, Erwartungen, Ziele)
- Messen und die Dokumentieren der jeweiligen Erfolge (Closing)
- Verbreiten der Erfolgsgeschichten zur Erhöhung der Akzeptanz und Motivation
- Eventuell gründen einer Mentoren-Community
Grundsätzlich gilt: Das (Reverse) Mentoring-Programm sollte für alle Teilnehmer freiwillig bleiben. Eine Verpflichtung ist allenfalls auf Seiten der älteren Führungskräfte sinnvoll, falls diese sich verweigern. Allerdings muss der Prozess auch dann noch durch einen Dritten begleitet werden, um eine heimliche Sabotage aus Unlust zu verhindern.
Richtig implementiert und umgesetzt aber kann das Reverse Mentoring ein hervorragendes Instrument zur Personalentwicklung und Verbesserung der Unternehmenskultur sein, das zugleich den Wissensaustausch fördert und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sichert.
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