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Seite:Idealisten 33 03.jpg

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begehen also ein Majestätsverbrechen. Sie sollten den Humor, der in der Situation liegt, begreifen, Sie sollten in souveräner Ironie über den Menschen und Dingen stehen und sie nehmen, wie sie sind, um sich dann heimlich oder in unserm Kreise über den ‚Zauber‘ zu mokiren, – aber das können Sie nicht und das – ist schade.“

„Ein schönes Kompliment,“ murrte Born, der ziemlich nachdenklich zugehört hatte, nun aber in Eifer gerathen zu wollen schien. Da wurde er durch das Erscheinen zweier neuen Ankömmlinge unterbrochen, denen das Dienstmädchen mit gefüllten Biergläsern auf dem Fuße folgte.

„Ich habe Reinisch auf der Treppe eingeholt, – ihr hättet ihn nur fluchen hören sollen, im reinsten heimatlichen Allemannisch! Uebrigens bin ich entschuldigt, – da!“ sagte der Jüngere von beiden, indem er einen in eine Nummer der „Kölnischen Zeitung“ gepackten Gegenstand auf den Tisch legte. „Ich schlage vor, wir dediziren diese meine kostbare Jagdbeute von heute Abend unserm braven Wendt, in Anerkennung der gastlichen Bewirthung, die er uns bereitet.“

„Ach was, Wendt verdient eher eine Strafe, als eine Belohnung,“ warf der andere dazwischen, ein kleiner, schmächtiger, beweglicher Mann mit forschenden Augen und schon merklich ergrauendem Kopf und Barthaar. „Wie kann denn ein vernünftiger Mensch in einen solchen Photografirsalon ziehen, in einen solchen verwünschten Glaskasten, wie dieses Zimmer, das mit zwei Fenstern nach der Promenade und mit zwei weiteren nach der Gasse sieht, auf der dritten Seite die Tür nach der Treppe hat und nur auf der vierten eine ordentliche Wand?“

Arvenberg schien nur auf diese Anregung gewartet zu haben, denn er bemerkte sofort bedenklich:

„Ich fürchte allerdings, daß es in kurzer Zeit höllisch kalt in diesem Gewächshause sein wird, – wollen Sie nicht einmal nach dem Feuer sehen, Wendt?“

Dieser erwiderte lachend:

„Da hat Sie also Reinisch, der ewige Krittler, glücklich in Alarm gesetzt! Sie werden aber nicht frieren, dafür verbürge ich mich, denn ich habe ein ganzes Kohlenbergwerk zu versenden. Ueberdies habe ich alles mögliche gethan, Ihnen den Aufenthalt angenehm zu machen. Da Sie kein Biertrinker sind, habe ich eine Flasche Weißwein für Sie besorgt – und zwar keine naumburger Schattenseite – Sie bekommen zum Thee englische Cakes und wenn Sie zum Wein etwas haben wollen, so stehen Ihnen Knackmandeln und Traubenrosinen zur Verfügung, – Sie lieben ja dergleichen, das ist so ziemlich stadtkundig.“

„Ich mißgönne Arvenberg seine süßen Genüsse keinen Moment,“ warf Reinisch dazwischen, „aber wie in aller Welt kommen Sie auf den Einfall, solche kostspielige und gewohnheitswidrige Veranstaltungen zu treffen?“

„Ueber die Kostspieligkeit können Sie sich beruhigen. Sie wissen doch, es ist meine Force, mich zu Diners und Soupers einladen zu lassen und bei einem hochfeinen Diner – das Wenn steht Ihnen zu Diensten – äußerte ich kürzlich scherzend gegen die Frau vom Hause, indem ich für Südfrüchte verbindlich dankte, daß ich bedauerte, einen meiner liebsten Freunde nicht zur Stelle zu haben, da er all diesen Herrlichkeiten volle Gerechtigkeit widerfahren lassen würde. Eine Viertelstunde später flüsterte sie mir zu, daß sie einen großen Papiersack voll der süßen Waare in meinem Paletot habe stecken lassen – für meinen Freund, fügte sie hinzu, indem sie drohend den Finger hob und andeuten zu wollen schien, daß sie zarteren Besuch argwöhnte.“

„Geschieht Ihnen schon recht, Wendt!“ viel Born ein. „Mich solls gar nicht wundern, wenn man auch in diesen Kreisen, in denen Sie bisher nur als handfester Poulardenvertilger bekannt waren, Wind davon bekommt, wie vielen jungen Mädchen Sie schon die Ansichten Goethes über die Sittlichkeit der Sinnlichkeit erläutert haben.“

„Aha, vendetta per Mentana!“ lachte der Angegriffene, aber er mußte sich sofort gegen einen neuen Angreifer wenden, denn der jüngere von den letzten Ankömmlingen sagte:

„Wendts Schwäche für das schöne Geschlecht ist mindestens ebenso stadtbekannt, als Arvenbergs Kuchen- und Konfektpassion; eben deshalb wollte ich mir erlauben, ihm den Iltis zu überreichen, den ich vor einer Stunde im Garten meiner Wirthsleute in einer Fuchsfalle gefangen und durch einen Schuß in den Kopf kunstgerecht vom Leben zum Tode gebracht habe. Das Fell gibt einen reizenden kleinen Muff; Wendt kann denselben der jetzigen Inhaberin seines Herzens verehren und kommt somit auf billigem Wege zu einem ganz respektabeln Weihnachtsgeschenk für seine Donna.“

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Idealisten. In: Die Neue Welt, Leipzig 1880, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Idealisten_33_03.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)