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Der Nonnensee

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Textdaten
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Autor: Alois Wilhelm Schreiber
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Titel: Der Nonnensee
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aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 126–128
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
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[126]
Der Nonnensee.

Einige Stunden hinter der Herrenwiese befindet sich der Nonnensee, der auch manchmal mit dem Mummelsee verwechselt wird. Zu beiden Seiten erheben sich der Schwarzkopf und der Seekopf, auf deren Kuppen einst die Schwarzburg und die Seeburg standen. Auf der Seeburg lebten zwölf Brüder, die sich vom Raube nährten, mit ihrer einzigen, aber wunderschönen Schwester; auf der Schwarzburg aber wohnten zwölf Schwestern, eine reizender als die andere, mit einem einzigen, aber heldenkühnen Bruder.

Die Seeburger Zwölfe brüteten schon längst über dem Plane, das Schwestern-Dutzend aus der Schwarzburg zu entführen; der Ritter von der Schwarzburg hingegen beredete die Seeburger Jungfrau, deren Brüder ihm sie nicht zur Gattin verwilligen wollten, zur Flucht, und die Stunde ward festgesetzt, wo er sie heimlich abholen sollte. Da beide Theile dieselbe Nacht zur Ausführung ihrer Anschläge gewählt hatten, stießen sie mitten auf dem Wege, der ins Murgthal führt, aufeinander. Verzweifelt war der Widerstand, welchen der Ritter von Schwarzburg leistete, aber er wurde von der Menge seiner Gegner überwältigt, gefesselt und nebst der Geliebten und seinen [127] Schwestern in das feindliche Raubnest geschleppt, in dessen Verließe, bei Fackelschein, jeder der zwölf Ritter ihm einen Dolch in die Brust stieß. Hierauf tödteten sie ebenso ihre einzige Schwester, nachdem sie den gräßlichen Tod ihres Buhlen hatte mit ansehen müßen. Die geraubten zwölf Jungfrauen mußten sich mit den zwölf Seeburger Brüder vermählen, erhoben sich aber in der Hochzeitnacht leise von ihrem Lager und durchbohrten die schändlichen Mörder ihres Bruders mit denselben Dolchen, die sein Blut vergossen hatten. Nach Befriedigung ihrer Rache wollten die zwölf Schwestern wieder auf die Schwarzburg zurückkehren, wurden aber von den Knechten der Seeburger überfallen und auf der Stelle getödtet. Bald darauf brach in der Seeburg eine Feuersbrunst aus; da sah man unter den stürzenden Balken und berstenden Mauern zwölf weibliche Gestalten in weißen Gewändern durch die Flammen schreiten, jegliche ein Kindlein im Arm, hinaus zu dem Nonnensee, und in dessen Tiefe sich stürzen. Dumpf braußten die Wasser auf und von der Zeit an nahmen sie eine Farbe schwarz wie Dinte an.

Jeden Tag nun, sobald die Dämmerung herabsinkt und das Abendglöcklein im nächsten Dorfe geläutet wird, kommen dreizehn Stücke Rothwild aus dem zerfallenen Thore der Seeburg hervor und nehmen den Weg nach der Ruine der Schwarzburg. Kecke Wildschützen haben es bisweilen gewagt, auf diese Thiere zu schießen; aber wenn auch eines oder das andere zusammenstürzte und der Jäger sich der Beute bemächtigen wollte, war sie plötzlich spurlos vor seinen Blicken verschwunden; ja, einmal soll die Kugel zurückgeprallt sein und den frechen Schützen selbst getödtet haben. Blos am Freitage, oder dem sogenannten Jägersabbath, läßt sich der Zug des Wildes nicht sehen; aber um Mitternacht wandeln dann zwölf weiße Nonnen aus einem Thurme der Seeburg und in ihrer Mitte wankt ein hoher bleicher Mann, in dessen Brust zwölf Dolche stecken. Während sie durch den Schloßhof dahinschreiten, kommt ihnen aus der Hauptpforte ein Zug von zwölf schwarzen Männern entgegen, ihre Gestalten mit brennenden Flecken übersäet. In ihrer Mitte geht ein weißverschleiertes Weib. In tiefer Stille schreiten sie an den Nonnen vorüber und verschwinden, zu gleicher Zeit wie jene, am Eingang in die alte Begräbnißkapelle.

[128] Ein alter Mann, der in der Nähe des Nonnensee’s lebte und Crucifixe aus Holz schnitzte, die er in der Umgegend verkaufte, hörte manchmal in der Nacht ein Gestöhne, wie von Sterbenden, das aus den Fluthen zu kommen schien. Dann warf er sich auf die Kniee und betete für die Ruhe der Abgeschiedenen, welche dort in der Tiefe ihr Grab gefunden. Als ihm seine Frau starb, vernahm er in der Kammer, worin sie auf Streu lag, eine sanfte Musik. Leis öffnet er die Thüre und erblickt dreizehn weiße Jungfrauen, mit Lichtlein in den Händen, um die Leiche stehen und sie bewachen.

(S. Al. Schreibers „Sagen aus den Rheingegenden etc. etc.“)