Scherenschnitt

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Bernhard Albrecht Moll: Porträt der Mutter, Wien 1783 (Royal Ontario Museum, Toronto)

Der Scherenschnitt, auch Schattenriss oder Schwarzbild genannt (vergl. Schattenriss), ist ein kunsthandwerkliches Verfahren (Psaligraphie[1]), das aus China und Persien kommend, im 17. Jahrhundert auch in Europa Einzug hielt. Zugleich steht der Begriff auch für das künstlerische Ergebnis der Technik.

2009 wurde der Chinesische Scherenschnitt von der UNESCO in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.[2]

Kolorierter Scherenschnitt in Mischtechnik mit jüdischen Symbolen, 19. Jahrhundert (Sammlung des Jüdischen Museums der Schweiz)
Stand des Düsseldorfer Weltmeisters im Scherenschnitt Jacques Maté, 2010

Der Scherenschnitt, ursprünglich in Nordchina beheimatet, ist eine der ältesten Volkskünste Chinas und seit der Zeit der Nördlichen Dynastie (4. bis 6. Jahrhundert) belegt. Scherenschnitte wurden zwischen Papier- oder Textillagen am Fenster oder vor Lichtquellen postiert. Stil und Farbgebung hatten je nach Provinz und Zeit eine eigene Spezifik.[3]

In Deutschland war der 1677 in Regensburg verstorbene österreichische Emigrant Rudolf Wilhelm von Stubenberg ein früher Künstler des Scherenschnitts, von dessen Werken noch einige im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg erhalten sind. Während der Goethezeit und im 19. Jahrhundert war der Scherenschnitt sehr beliebt. Im norddeutschen Raum hat der Silhuetteur Johann Caspar Dilly mit einer einzigartigen Mischtechnik aus Scherenschnitt und Malerei besondere Bedeutung erlangt. Dillys Werke zeigen Familientafeln, Verlobungs- und Hochzeitspaare, Kinderporträts sowie Stuben- und Gartenszenen und seine Scherenschnitte bilden „detailgetreu und profilscharf“ die Wohn- und Kleidungskultur der Bauernfamilien und ländlichen Oberschichten Nordwestdeutschlands zwischen 1800 und 1840 ab.

Beim Scherenschnitt wird Papier oder ein anderes flaches Material mittels einer Schere oder anderer spezieller Schnittinstrumente (z. B. für Ausschnitte) so bearbeitet, dass entweder der verbleibende Umriss oder die Ausschnitte oder beides ein anschauliches Bild ergeben, das realistisch oder schematisch (Ornamente) sein kann. Dabei gibt es

  • die klassische Silhouette, bei der ein ungefaltetes Blatt (oder mehrere übereinanderliegende) zerschnitten wird. Diese Scherenschnitte sind meist schwarz und werden vor einem kontrastierenden hellen Untergrund gezeigt. Sind sie hell, werden sie vor einem kontrastierenden dunklen Grund gezeigt. Benannt ist sie nach dem französischen Finanzminister Étienne de Silhouette (1709–1767), einem Liebhaber von Scherenschnitten.
  • die Faltschnitttechnik, bei der ein zu Hälften, Vierteln oder noch kleineren Teilen zusammengefaltetes Blatt beschnitten wird. Nach dem Auseinanderfalten der bearbeiteten Papiervorlage ergibt sich ein ein- oder mehrfach axialsymmetrisches Bild.

Auf den künstlerischen Scherenschnitt hat sich Paul Konewka spezialisiert. Ein bedeutender Vertreter des Scherenschnitts im Jugendstil ist der Illustrator Marcus Behmer, der seine Scherenschnitte teils auch als Vorlage für ornamentale Gestaltungen herangezogen hat. Der Deutsche Scherenschnittverein e. V. widmete sich bis zu seiner Auflösung 2020 der Pflege dieser Kunst und der Archivierung von Künstlerbiographien und Werkbeispielen.

Auch heutzutage haben klassische und moderne Scherenschnitte ihren Liebhaberkreis in der Kunstszene. Bekannte Vertreter der Moderne sind die Scherenschnitt- und Papier-Künstlerin Brigitte Prommegger-Weilguni, der Schweizer Papierschneider Adam Dario Keel und der Schweizer Ernst Oppliger, der sich seit Jahrzehnten dem Papierschnitt widmet.[4] Die Schweizerische Post hat im Herbst 2007 vier Briefmarken mit Motiven von Schweizer Scherenschnitt-Künstlern herausgegeben.

Das vom Schweizerischen Verein Freunde des Scherenschnitts dreimal im Jahr herausgegebene Bulletin „Schnittpunkt“[5] stellt regelmäßig Künstlerinnen und Künstler und ihre unterschiedlichen Techniken einem breiteren Publikum vor. Überdies organisiert der Verein regelmäßig Ausstellungen, die das Schaffen seiner Mitglieder dokumentieren.

Weltmeister als schnellster Scherenschnittkünstler (Guinness-Buch der Rekorde 1982) ist der gebürtige Franzose Jacques Maté (eigentlich Jacques Matéos; * 1937). In den 1980er Jahren nahm er an vielen Fernsehshows teil und hatte prominente Modelle, wie Brandt und Kohl, zuletzt porträtierte er noch mit Schere und Papier auf Jahrmärkten und Weihnachtsmärkten. Für 2010 hatte er angekündigt, zum Ende des Dortmunder Weihnachtsmarktes sein Geschäft zu verkaufen. Nach dem Verkauf zog er mit seiner Ehefrau von seinem bisherigen Wohnsitz in Düsseldorf in das mecklenburgische Warin.[6] Die dänische Künstlerin Karen Bit Vejle ist bekannt geworden durch ihre Scherenschnitte mit weißem Papier.

In Polen werden die farbenprächtigen Łowiczer Scherenschnitte geschnitten.

Scherenschnittkünstler

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Lemgo (Detmold). Silhouetteur Friedrich macht seinem hochzuverehrenden Publikum bekannt, daß er eines Jedes Silhouette, sowohl in Brustbild, in persönlicher Größe, als auch in anderer Positur, in Zeit von 3 bis 4 Minuten, auf das allergnaueste und in der größten Aehnlichkeit auszuschneiden verspricht. Er bittet um geneigten Zuspruch. Sein Logis ist bey den Herrn Wippermann (Brüggemeyer im Weißen Roß) hieselbst.“

Anzeigen in den Lippischen Intelligenzblättern Nr. 37[7] und 38[8] vom 10. bzw. 17. September 1808.
  • Ernst Biesalski: Scherenschnitt und Schattenrisse. Kleine Geschichte der Silhouettenkunst. Callwey, München 1964, OCLC 2475294.
  • Ursula Kirchner, Otto Kirchner (Hrsg.): Unterwegs Wie und Wohin? Das Motiv der Fortbewegung im Scherenschnitt. August Dreesbach, München 2010, ISBN 978-3-940061-40-9
  • Naomi Feuchtwanger, Wilfried Knauer: Jüdische Scherenschnitte von Archie Granot (= Veröffentlichungen des Braunschweigischen Landesmuseums, Band 51). Braunschweiger Landesmuseum, Braunschweig 1988 DNB 891275738.
  • Judith Steinheider: Schattenbild und Scherenschnitt als Gestaltungsmittel der Buchillustration: Geschichte und Bibliografie (= Kontext Kunst – Vermittlung – kulturelle Bildung, Band 11), Tectum, Marburg 2013, ISBN 978-3-8288-3251-0 (Dissertation Universität Paderborn 2012, 311 Seiten).
  • Julia Sedda: Antikenrezeption und christliche Tradition im Scherenschnittwerk der Luise Duttenhofer (1776-1829) [8]
  • Julia Sedda: Geschichte des Scherenschnitts. In: Schnittpunkt, Zeitschrift des Schweizerischen Scherenschnittvereins, Nr. 61, Nr. 62, Nr. 63, 2017
Commons: Scherenschnitt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. von griech. ψαλίδια (psalidia): Schere
  2. Chinese paper-cut. UNESCO Intangible Cultural Heritage, 2009, abgerufen am 9. Dezember 2023 (englisch).
  3. [1] Der Chinesische Scherenschnitt (auf chinarundreisen.com)
  4. Website des Künstlers Ernst Oppliger. Abgerufen am 29. Mai 2017.
  5. Bulletin "Schnittpunkt". Schweizerischer Verein Freunde des Scherenschnitts, abgerufen am 29. Mai 2017.
  6. www.svz.de Ines Engelbrecht: Scherenschnittkünstler Jacques Matéos – Genie mit Chirurgenschere ist jetzt Wariner. Schwerin 23. Dezember 2011. Abgerufen am 28. September 2017.
  7. Lippisches Intelligenzblatt Nr. 37/1808.
  8. Lippisches Intelligenzblatt Nr. 38/1808.