Marinestation der Nordsee
Die Marinestation der Nordsee war eine Dienststelle der Kaiserlichen Marine, der Reichsmarine und der Kriegsmarine in Wilhelmshaven. Sie war neben der Marinestation der Ostsee eine von zwei dauerhaft bestehenden Marinestationen. Daneben gab es in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zeitweilig mehrere Auslandsstationen. Die Marinestation der Nordsee wurde am 19. Mai 1870 aufgestellt und 1943 in das Marineoberkommando Nordsee (auch Marineoberkommando Nord) umgewandelt, das mit Ende des Zweiten Weltkriegs aufgelöst wurde.[1]
Organisation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Marine des Norddeutschen Bundes und Kaiserliche Marine
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nachdem Preußen im Jahr 1854 mit dem Jade-Vertrag vom Großherzogtum Oldenburg das Jadegebiet erworben hatte, begann es mit dem Aufbau des Hafens für die preußische Marine. Das erforderte umfangreiche Arbeiten, sodass der Hafen erst ab 1870 nutzbar wurde. Die preußische Marine wurde nach dem Deutschen Krieg 1867 in die Marine des Norddeutschen Bundes überführt.
Im Zuge der Inbetriebnahme des Marinestützpunkts, der 1871 zum Reichskriegshafen bestimmt wurde, wurde mit der Aufstellung des Kommandos der Marinestation der Nordsee eine Führungsorganisation geschaffen, wie sie an der Ostsee bereits seit 1865 in Kiel bestand. Aufgabe der Marinestationen war die Führung der im Kommandobereich liegenden Festungen und Ausbildungseinrichtungen.[2] Außerdem führten sie anfangs alle in ihrem Verantwortungsbereich befindlichen Seestreitkräfte, bis 1891 ein eigenes Kommando für die Führung der Flotte geschaffen wurde.[3]
Dem Stationskommando der Nordsee unterstanden 1914:[3]
- Im Heimathafen liegende Schiffe, die keinem aktiven Geschwader zugeteilt waren.
- eine Anzahl von Fahrzeugen auf Auslandsstationen
- Kommandanturen in Wilhelmshaven, Geestemünde, Cuxhaven und Helgoland
- Hafenkapitän und Lotsenkommando in Wilhelmshaven
- Abwicklungsbüro Nordsee
- II. Marineinspektion
- II. Matrosendivision
- II. Werftdivision
- II. Torpedodivision
- Inspektion der Küstenartillerie und des Minenwesens (Cuxhaven)
- Minenversuchskommission (Kiel)
- Minenabteilung mit I., II., III. Minensuchdivision und I., II., III. Minensuch-Reservedivision
- I.–V. Matrosenartillerieabteilung und Matrosenartillerieabteilung Kiautschou
- Marineluftschiff-Abteilung Fuhlsbüttel
- Marinefliegerabteilung Putzig
- Marinetelegraphenschule (Lehe)
- Minenversuchskommission (Kiel)
- Marinedepot-Inspektion Wilhelmshaven
- Artilleriedepots Cuxhaven, Friedrichsort, Geestemünde, Wilhelmshaven, Helgoland
- Munitionsdepot Dietrichsdorf
- Minendepots Cuxhaven, Friedrichsort, Geestemünde, Wilhelmshaven
- II. und II. Seebataillon
Die Inspektionen entsprachen der Brigadeebene des Heeres und wurden von einem Konteradmiral geführt.[4] Ihre fachliche Zuständigkeit war nicht auf den regionalen Bereich der Marinestation beschränkt.[3]
Reichsmarine
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Reichswehrministerium in Berlin als oberste Reichsbehörde für die Reichswehr geschaffen. Im Ministerium bestand neben der Heeresleitung die Marineleitung als oberste Kommandostelle der Reichsmarine. An ihrer Spitze stand der Chef der Marineleitung. Ihm war die Marinestation der Nordsee unterstellt, der wiederum folgende Dienststellen unterstanden (Stand 1930/31[5]):
- Kommando der Marinestation der Nordsee (Wilhelmshaven)
- Küstenverteidigung der Nordsee
- Marineartillerieabteilungen
- II. Marine-Artillerie-Abteilung (Wilhelmshaven)
- IV. Marine-Artillerie-Abteilung (Cuxhaven)
- VI. Marine-Artillerie-Abteilung (Emden)
- Marineartillerieabteilungen
- Schiffsstammdivision der Nordsee (S.D.N.) in Wilhelmshaven
- Küstennachrichtenwesen der Nordsee
- Inspektion der Marineartillerie (A.I.)
- Marinedepotinspektion (D.I.) in Wilhelmshaven
- Marineartilleriedepots in Wilhelmshaven, Cuxhaven, Borkum, Pillau, Swinemünde und Kiel-Dietrichsdorf
- Marinesperrdepots in Wilhelmshaven, Grauerort, Kiel-Dietrichsdorf und weiteren Zweigstellen
- Marineschießplatz in Altenwalde
- Küstenverteidigung der Nordsee
Kriegsmarine
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Beginn der deutschen Aufrüstung in Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg wuchs die Marinestation der Nordsee in den 1930er Jahren auf. Im August 1940 wurde sie zusammen mit der Marinestation der Ostsee dem Marinegruppenkommando Nord unterstellt.[6]
Die Marinestation der Nordsee war im Juni 1939 wie folgt gegliedert:[7]
- Kommandierender Admiral der Marinestation der Nordsee
- Festungskommandant Ostfriesland, später Küstenbefehlshaber Nordfriesland, ab Februar Küstenbefehlshaber Deutsche Bucht
- Festungskommandant Nordfriesland, später Küstenbefehlshaber Nordfriesland, ab Februar Küstenbefehlshaber Deutsche Bucht
- Befehlshaber der Sicherung der Nordsee (ab 1940 einsatzmäßig direkt unter Marinegruppenkommando Nord)
- II. Admiral der Nordsee
- Schnellboot-Flottillen: die mit geraden Nummern versehenen Schnellboot-Flottillen der Kriegsmarine wurde der Marinestation der Nordsee zugeordnet.
Zum Stationsbereich gehörten außerdem folgende fachlich dem Oberkommando der Marine unterstellte Stellen:
- Schiffsmaschinen-Inspektion
- Inspektion der Marine-Artillerie-Zeugämter
- Kriegsmarinedienststelle Hamburg
- Kriegsmarinedienststelle Bremen
- Sanitätsamt Nordsee
- Psychologische Prüfstelle Wilhelmshaven
- Seezeichen- und Lotsenamt der Jade
Außerdem waren der Marinestation der Nordsee folgende technische und Verwaltungsbehörden zugeordnet:
- Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven
- Hafenneubaudirektion Helgoland in Hamburg
- Marineobservatorium Wilhelmshaven
- Deutsche Seewarte, Abteilung Nautik und Hydrographie
- Marine-Intendantur Wilhelmshaven
Bei dieser Neuorganisation des gesamten Küstenabschnitts im Juni 1940 von der deutsch-niederländischen bis zur französisch-spanischen Grenze wurde die Zuständigkeit für die Niederlande einschließlich der Scheldemündung und Antwerpen an Marinebefehlshaber Niederlande-Belgien übertragen, der wiederum der Marinestation der Nordsee unterstand. In Frankreich wurden zusätzlich zum Marinebefehlshaber Bretagne der Marinebefehlshaber Nordfrankreich und der Marinebefehlshaber Westfrankreich eingerichtet, die alle dem Kommandierender Admiral Frankreich unterstellt waren.[8]
Im November 1941 wurde das Deutsche Marinekommando Italien aufgestellt und der Marinestation der Nordsee truppendienstlich unterstellt. Einsatzmäßig unterstand es direkt der Seekriegsleitung.[9]
Am 1. Februar 1943 wurde die Marinestation der Nordsee in Marineoberkommando Nordsee umbenannt und der Stationschef zum Oberbefehlshaber.
Stationschefs
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die militärischen Führer der Marinestation der Nordsee trugen die Bezeichnung Chef der Marinestation der Nordsee, ab 1935 Kommandierender Admiral der Marinestation der Nordsee[2] und ab 1943 Oberbefehlshaber des Marineoberkommandos Nord.
- 1870–1871 Korvettenkapitän Hermann Robert Przewisinski
- 1871 Kapitän zur See Ludwig von Henk
- 1871–1878 Kapitän zur See/Konteradmiral Gustav Klatt
- 1879–1883 Konteradmiral Adolph Wilhelm Berger
- 1883–1888 Konteradmiral/Vizeadmiral Alexander von Monts
- 1888–1889 Vizeadmiral Max von der Goltz
- 1889–1891 Vizeadmiral Karl Paschen
- 1892 Vizeadmiral Karl August Deinhard
- 1892–1896 Konteradmiral/Vizeadmiral Victor Valois
- 1896–1899 Vizeadmiral Guido Karcher
- 1899–1903 Vizeadmiral August von Thomsen
- 1903–1907 Vizeadmiral/Admiral Felix von Bendemann
- 1907 Vizeadmiral Hunold von Ahlefeld
- 1908–1909 Admiral Max von Fischel
- 1909–1913 Admiral Friedrich von Baudissin
- 1913–1914 Admiral August von Heeringen
- 1914–1919 Vizeadmiral/Admiral Günther von Krosigk
- 1919–1920 Kapitän zur See/Konteradmiral/Vizeadmiral Andreas Michelsen[10][A 1]
- 1920–1923 Vizeadmiral Hans Zenker
- 1923–1925 Konteradmiral/Vizeadmiral Hermann Bauer
- 1925–1928 Vizeadmiral Erich Raeder
- 1928–1932 Konteradmiral/Vizeadmiral Werner Tillessen
- 1932–1933 Konteradmiral/Vizeadmiral Richard Foerster
- 1933–1935 Konteradmiral/Vizeadmiral Otto Schultze
Kommandierende Admirale
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1935–1937 Vizeadmiral/Admiral Otto Schultze
- 1937–1938 Vizeadmiral/Admiral Hermann Boehm
- 1938–1939 Admiral Alfred Saalwächter
- 1939–1943 Vizeadmiral/Admiral Hermann Densch
Chef des Stabes
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1888/89 August von Thomsen, später Stationschef
- 1889/90 Kapitän zur See Iwan Oldekop
- 1890–1892 Fregattenkapitän/Kapitän zur See Curt von Prittwitz und Gaffron
- 1892/93 Kapitän zur See Curt von Maltzahn
- 1894 Korvettenkapitän Hans Oelrichs (mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt)
- 1894/1895 Kapitän zur See Ernst von Frantzius
- 1895–1897: Kapitän zur See Oskar von Schuckmann
- 1900–1902 Kapitän zur See Georg Scheder
- 1902–1904 Kapitän zur See Adolf Paschen
- 1904–1905 Kapitän zur See Eugen Kalau vom Hofe
- 1906–1908 Kapitän zur See/Konteradmiral Erich Gühler
- 1908–1910 Konteradmiral Maximilian von Spee
- 1910–1912 Kapitän zur See/Konteradmiral Konrad Trummler
- 1912–1916 Kapitän zur See/Konteradmiral/Vizeadmiral Otto Wurmbach
- 1916–1918 Kapitän zur See/Konteradmiral Constanz Feldt
- 1918 Fregattenkapitän Waldemar Krah
- 1918 Kapitän zur See Friedrich von Kameke
- 1918/19 Kapitän zur See Andreas Michelsen
- 1919/20 Fregattenkapitän Hans Quaet-Faslem
- 1920/21 Kapitän zur See Wilhelm Prentzel
- unbekannt
- 1924–1926 Fregattenkapitän/Kapitän zur See Ernst Meusel
- unbekannt
- 1928–1930 Fregattenkapitän/Kapitän zur See Walther Koehler
- 1930–1932 Fregattenkapitän/Kapitän zur See Wilhelm Canaris
- 1932/33: Kapitän zur See Robert Witthoeft-Emden
- 1933–1935 Konteradmiral Hans-Herbert Stobwasser
- 1935/36 Kapitän zur See Günther Lütjens
- 1936 Fregattenkapitän Werner Löwisch
- 1936–1940 Kapitän zur See/Konteradmiral Johannes Bachmann
- 1940–1943 Kapitän zur See Friedrich Rieve
- 1943–1945 Konteradmiral Hans-Joachim Gadow
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Konrad Ehrensberger: 100 Jahre Organisation der deutschen Marine 1890–1990; Bonn 1993; ISBN 3-7637-5913-1
- Wilhelmshavener Heimatlexikon. Band 2, S. 231, Wilhelmshaven 1987
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Walter Lohmann, Hans H. Hildebrand: Die deutsche Kriegsmarine 1939–1945. Sammelwerk in drei Bänden. O.O. 1956. Band I, Hauptkapitel IX, Kapitel 1, S. 1 f.
- ↑ a b Wilhelmshavener Heimatlexikon. Band 2, S. 231, Wilhelmshaven 1987.
- ↑ a b c Konrad Ehrensberger; 100 Jahre Organisation der deutschen Marine 1890–1990; Bonn 1993; ISBN 3-7637-5913-1
- ↑ Marinestation der Nordsee bei deutsche-schutzgebiete.de, abgerufen am 17. Februar 2019
- ↑ Wilhelm Köhler, Mitarbeit von Max Plüddemann. Illustrierter Deutscher Flotten-Kalender für 1932 (Köhlers Flotten-Kalender), 30. Jahrgang, Minden
- ↑ Walter Lohmann, Hans H. Hildebrand: Die deutsche Kriegsmarine 1939–1945. Sammelwerk in drei Bänden, O.O. 1956, Band I, Kapitel 4, S. 3 f.
- ↑ Walter Lohmann, Hans H. Hildebrand: Die deutsche Kriegsmarine 1939–1945. Sammelwerk in drei Bänden, O.O. 1956, Band I, Kapitel 3, S. 13 f.
- ↑ Kriegstagebuch der Seekriegsleitung 1939–1945. Mittler, Teil A, Band 10, Juni 1940, 1989, S. 176+177.
- ↑ Walter Lohmann, Hans H. Hildebrand: Die deutsche Kriegsmarine 1939–1945. Sammelwerk in drei Bänden, O.O. 1956, Band II, Kapitel 17, S. 1 f.
- ↑ Wilhelmshavener Heimatlexikon. Band 2, S. 269, Wilhelmshaven 1987.
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Nach dem Kapp-Putsch im März 1920 abgelöst und kurzzeitig durch den Oberdeckoffizier Arthur Grunewald ersetzt.