Ulrich Boner

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Cpg400 Blatt 2r

Ulrich Boner war ein Dominikaner in Bern und Autor der Fabelsammlung Der Edelstein. Boners Lebensdaten sind nicht feststellbar, urkundlich nachgewiesen ist er zwischen 1324 und 1349; als Geburtsjahr wird oft 1280 angegeben.

Boners Fabelsammlung gehört zur frühen weltlichen, lehrhaften Literatur deutscher Sprache.[1] Unter dem Titel Edelstein dichtete er in Mittelhochdeutsch hundert Fabeln. Titelgebend ist die Fabel vom hungrigen Hahn, der einen Edelstein findet, aber damit nichts anfangen kann. Die Lehre daraus lautet: Wer sich nicht um Erkenntnis bemühe, sondern im Unverstand verbleibe (wie das Wort «Unherkentnisse» übersetzt werden kann), habe keinen Nutzen vom Lesen, wie es am Schluss der Einleitung und dem Beginn der ersten Fabel heisst, so im Exemplar der Universitätsbibliothek Heidelberg, cpg 400, Blatt 2r:

Vil cleinen nutz er davon hat
als wol hienach geschriben stat
das merkent frauwen und mann
alsus vahet dis buechelin an:
Von einem hanen und eim edelnstein
und von unherkentnisse ...

Blatt aus „Der Edelstein“ (1461). Faksimile 1840

Analog geht es dem Affen in der ersten Fabel des Inkunabeldrucks: er möchte die gerühmte Nuss geniessen, kann aber die Schale nicht öffnen und wirft die Nuss weg, mit der Lehre:

Dem selben affen sein gleich
Beide jung, arm unde reich
Die durch kurze Pitterkeit
Verschmehen lange Susikeit …

Die Lehre nannte Boner «bîschaft» und «bispel» (Beispiel). Seine Stoffe entnahm er lateinischen Fabeln (Avianus, Phaedrus und Anonymus Neveleti) und einigen Nebenquellen und setzte sie in deutschsprachige Verse (jambische Vierheber in Paarreim).

In der gereimten Schlussschrift des Werks nannte er auch den Widmungsempfänger, den Berner Patrizier Johann von Ringgenberg, Nachfahr des gleichnamigen Minnesängers, sowie seinen Namen Bonerius. Das Widmungsexemplar, das verloren ist, muss illustriert gewesen sein, und von den heute noch bekannten 34 Exemplaren sind deren 24 ebenfalls illustriert. Als Erstbesitzer konnten überwiegend Privatbibliotheken des Adels und des Patriziats festgestellt werden. Von Mitte des 15. Jahrhunderts an war der Edelstein beliebt als Volkslektüre und Vorlesestoff. Durch Abschriften in gewerbsmässigen Werkstätten wie jener des Diebold Lauber in Hagenau, aber auch von schreibkundigen Laien, verbreiteten sich Boners Fabeln, oft in Auswahl und in verschiedener Anordnung, auch im oberrheinischen Raum bis nach Bayern und Ostfranken. Sogar in jiddischer Literatur in Oberitalien wurden Boners Fabeln bekannt[2]. Schon kurz nach Gutenberg, um 1461 und nochmals um 1463/64, druckte Albrecht Pfister in Bamberg zwei Ausgaben des Edelsteins, die er mit Holzschnitten versah, die ersten illustrierten Inkunabeln.

  • George Friedrich Benecke: Der Edel Stein getichtet von Bonerius. Aus Handschriften berichtiget und mit einem Wörterbuche versehen. Berlin 1816 (Digitalisat)
  • Ulrich Boner: Der Edelstein. hrsg. von Franz Pfeiffer, Leipzig 1844 (Digitalisat)
  • Ulrich Boner: Der Edelstein, eine mittelalterliche Fabelsammlung; zweisprachige Ausgabe mittelhochdeutsch-neuhochdeutsch; hrsg., übersetzt, mit Anmerkungen, farbigen Abbildungen, einem Nachwort, Literaturverzeichnis, Register und Fabelverzeichnis versehen von Manfred Stange. Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2016, ISBN 978-3-89735-897-3.

Digitalisierte Handschriften (Faksimiles)

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Digitalisierte Inkunabeldrucke

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  • Felix Balsiger: Boners Sprache und die bernische Mundart. Diss. Univ. Bern 1904. In: Zeitschrift für hochdeutsche Mundarten. 5, 1904, S. 37–99. Archive
  • Karl BartschBoner, Ulrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 3, Duncker & Humblot, Leipzig 1876, S. 121 f.
  • Kristina Domanski, Charlotte Gutscher-Schmid, Cordula Kropik (Hrsg.): Der Basler Edelstein, Ulrich Boners Fabelsammlung in der Handschrift der Universitätsbibliothek Basel AN III 17. (= Publikationen der Universitätsbibliothek Basel. Band 48). Schwabe Verlag, Basel 2021, ISBN 978-3-7965-4358-6. (mit Bestandskatalog: Quelle und mittelalterliche Überlieferung, Illustrationen und Buchschmuck, Text, Inhalt und moralische Lehre S. 102–141; kommentierte Auswahl von 9 Fabeln, mittelhochdeutscher Text und neuhochdeutsche Übersetzung mit Kommentar S. 144–200).
  • Ulrike Bodemann, Gerd Dicke: Grundzüge einer Überlieferungs- und Textgeschichte von Boners «Edelstein». In: Volker Honemann, Nigel F. Palmer (Hrsg.): Deutsche Handschriften 1100-1400. Oxforder Kolloquium 1985. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1988, ISBN 3-484-10578-X, S. 424–468, mit Stemma S. 463.
  • Walther MitzkaBoner, Ulrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 443 (Digitalisat).
  • André Schnyder: Boner, Ulrich. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
Wikisource: Ulrich Boner – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

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  1. Das folgende nach: Ulrike Bodemann und Gerd Dicke: Grundzüge einer Überlieferungs- und Textgeschichte von Boners «Edelstein», in: Deutsche Handschriften 1100-1400, Oxforder Kolloquium 1985, hrsg. von Volker Honemann und Nigel F. Palmer; Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1988, 622 S., ill.; ISBN 3-484-10578-X, S. 424–468, mit Liste der Textzeugen S. 429–437 und 457.
  2. Ulrike Bodemann und Gerd Dicke: Grundzüge einer Überlieferungs- und Textgeschichte von Boners «Edelstein», in: Deutsche Handschriften 1100-1400, Oxforder Kolloquium 1985, hrsg. von Volker Honemann und Nigel F. Palmer; Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1988, 622 S., ill.; ISBN 3-484-10578-X, S. 424–468, besonders S. 437 Anm. 37.