Kirche St. Mangen
Die Kirche St. Mangen ist eine evangelisch-reformierte Kirche in der Stadt St. Gallen.
Lage
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Kirche befindet sich an der Kirchgasse 17. Sie liegt auf einem Hügel innerhalb der alten Stadtmauer von St. Gallen, in der sogenannten Irer Vorstadt.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der erste Kirchenbau an dieser Stelle wurde durch Bischof Salomon von Konstanz errichtet. Kaiser Arnulf bestätigte am 13. Oktober 898 den Bau einer Kirche am Irabach. Sie wurde zu Ehren des heiligen Magnus errichtet. Sie nahm auch die Armreliquie auf, die Bischof Adalbero von Augsburg seinem Amtsbruder geschenkt hatte. Die kreuzförmige Kirche war nach Osten gerichtet. Ein Teil des Fundamentes unter der heutigen Kirche wurde anlässlich der Restaurierung 1946 ausgegraben und untersucht.
Bei dieser ursprünglichen Kirche liess sich 916 Wiborada in einer angebauten Klause einmauern. Sie starb 926 den Märtyrertod, weil sie sich weigerte, mit ihren Glaubensschwestern und der restlichen Bevölkerung vor den herannahenden Ungarn zu fliehen.
Die heutige Kirche geht auf einen Bau aus dem 11. Jahrhundert zurück. Das Baudatum ist nicht bekannt. Doch dürfte der Neubau eine Folge der Kanonisierung von Wiborada 1047 sein, mit dem entsprechenden Zuwachs an Gläubigen, denn der Neubau hat gut die doppelte Grösse der Ursprungskirche.
Der die Kirche umgebende Friedhof wurde 1388 erweitert.[1] Beim grossen Stadtbrand 1418 griff das Feuer auch auf die Kirche über, zerstörte aber – gemäss den Mauerbefunden – nur die Dächer. Die Frühmesse wurde am 13. Dezember 1420 gestiftet, die Mittelmesse am 13. Juni 1438. Beide Messen wurden von der Familie Abhusen gestiftet und zwar am Altar St. Sebastian und Fabian. Der Priester Jaohannes Rütili erklärte am 2. Januar 1456, dass er in der St. Wiboradakapelle eine ewige Messe dotiert habe. Am 11. August 1488 schlug ein Blitz in den Glockenturm, der damals noch ein Dachreiter war, der mittig auf dem Dach stand.[Anmerkung 1][2] Der Turm wurde dadurch so zerstört, dass nur ein Neubau in Frage kam. Anstelle des Dachreiters erbaute man dann den heutigen Kirchturm. Bis zur Vollendung des Turmes waren die Glocken in einem Gerüst auf dem Friedhof aufgehängt.[Anmerkung 2] Mit dem Turmbau wurde am 16. Juni 1505 begonnen, er wurde vom städtischen Baumeister Magnus Hetzer[3] geleitet. Der Turm war nach drei Jahren vollendet.
Infolge der Reformation wurden am 27. Februar die Kirchenzierden verkauft und die Bilder entfernt. Da Vadian der Stadt seine Bücherei vermacht hatte, wurde 1567 in der ehemaligen St. Wiborada-Kapelle eine Bücherei eingerichtet, die diese Werke aufnehmen sollte. Die gezimmerte Glockenstube des Turms wurde 1568 durch ein gemauertes Obergeschoss ersetzt, das ein Spitzhelm trug, der mit glasierten Ziegeln gedeckt war. Im Jahr 1657 wurde das Schiff gegen Westen verlängert.[Anmerkung 3] Um zwei Uhr mittags am 6. Juni 1731 schlug erneut ein Blitz in den Turm. Dabei verbrannte nicht nur das Dach, sondern es schmolzen auch die Glocken. Am 6. September 1731 war der Helm wiederhergestellt, aber nun mit Kupfer gedeckt. Die vier neuen Glocken wurden von den Glockengiessern Peter und Johannes Melchior Ernst von Lindau angefertigt. Beim Guss der im Oktober 1731 gelieferten Glocken wurde auch das Material der zerstörten Glocken verwendet. Die grösste Glocke bekam aber schon 1733 einen Riss, so dass die beiden grössten Glocken bei den gleichen Meistern umgegossen wurden. Im Jahr 1731 wurde auch ein Uhrwerk eingebaut, dieses stammte von H. Jakob Kessler.
Nach dem Erdbeben von 1774 musste die Kirche noch im gleichen Jahr renoviert werden, dabei wurden bei der Fensterdisposition Veränderungen gemacht. Auch musste wegen der vorhandenen Schäden das Musikkollegium abgebrochen werden. 1837 kam Felix Wilhelm Kubly zur Begutachtung der Kirche, die noch immer unter den Erdbebenschäden litt. Er schlug den Abriss und einen Neubau vor. Dazu kam es jedoch nicht, sondern es wurde zwischen 1838 und 1839 eine Innenrenovation nach den Plänen von Kubly durchgeführt. Dabei wurde die Holzdecke durch einen Gipsplattenplafond ersetzt und auch die Männerempore im nördlichen Querschiff entfernt. Die Aussenrenovation wurde zwischen 1840 und 1842 unter der Leitung von Johann Christoph Klunkler durchgeführt. Zwischen 1876 und 1877 wurde eine erneute Gesamtrenovation unter der Leitung von Eduard Engler durchgeführt. Der Turm wurde 1898 von Salamon Schlatter renoviert. Diese Veränderungen wurden weitgehend wieder rückgängig gemacht, innen 1946 und zwischen 1979 und 1982 aussen. Ab Dezember 2011 war die Kirche aufgrund von starkem Schimmelbefall geschlossen und wurde nach erfolgter Sanierung von Innenraum und Orgel 2014 wieder eröffnet.
Bauwerk
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Architektur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die heutige Kirche wurde mit der gleichen Achse auf der Urkirche aufgebaut. Da ihr Grundriss noch keine quadratische Vierung aufweist, kann er der frühromanischen Epoche zugewiesen werden. Die Entstehung wird auf etwa 1100 geschätzt. Er ist in der Form eines lateinischen Kreuzes gehalten. Das Schiff wurde 1657 mit einem Westanbau verlängert. Ursprünglich überragte der zwischen 1505 und 1508 an der Südwestseite angebaute Turm die dem Chor gegenüber liegende Stirnwand um gut ein Drittel seines quadratischen Grundrisses.
Wiboradagrab und Wiboradazelle
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Außenansicht Wiboradazelle (2023)
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Innenansicht (2023)
Im Zuge des vom Stadtrat angeordneten St. Galler Bildersturms wurden das Wiborada-Grab sowie das ihrer Schülerin und Nachfolgerin Rachildis nebst Reliquien am 27. Februar 1528 zerstört. Die Gebeine Wiboradas gelten seitdem als verschollen. Die an St. Mangen gelegene Wiboradakapelle wurde zur Bibliothek umfunktioniert und im Jahr 1774 abgerissen.[4]
Im Jahr 2021 wurde im Rahmen des ökumenischen Wiborada-Projektes 2021–2026 an der Außenwand der Kirche, an der Stelle, an der sich die historische Wiboradazelle befunden haben soll, ein hölzerner Nachbau der Zelle errichtet.[5] Der Entwurf des Nachbaus stammt vom St. Galler Architekten Daniel Cavelti.[6] Im Gedenken an Wiborada wird die Zelle im Mai eines jeden Jahres als experimenteller Raum für moderne Inklusen genutzt. Die Zelle ist zwölf Quadratmeter groß und verfügt über elektrisches Licht sowie Bett, Tisch und Stühle sowie zwei Fenster: eines wurde eigens für das Projekt baulich in die Kirchenwand eingebracht und hat eine Verbindung in den Innenraum der Kirche. Besucherinnen und Besucher der Kirche haben die Möglichkeit, Fürbitten zu notieren, die die eingeschlossene Person gegen Ende des Tages in ihre Gebete einschließt. Ein zweites Fenster führt aus der Zelle in den Außenraum und ermöglicht Gespräche mit Passantinnen und Passanten.[7]
Orgel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Orgel auf der Westempore wurde im Jahre 1988 von Orgelbau Felsberg erbaut, nach Vorbildern von Schnitger-Orgeln des 17. Jahrhunderts. Das Schleifladen-Instrument hat 31 Register auf drei Manualen und Pedal. Die Temperierung ist ungleichstufig nach Thomas Young.[8][9]
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- Koppeln: Manualschiebekoppel I/II, Pedalkoppel II/P
- Sonstiges: Tremulant, auf das ganze Werk wirkend
- Zwei Einführungstritte für Posaune 16' und Trompete 8' im Pedal
Nutzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit der Reformation in St. Gallen gehört die Kirche der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde. Ab dem Jahr 1878 wurden in der Kirche die christ-katholischen Gottesdienste abgehalten, bis 1895 die Christuskirche bezogen werden konnte. Die Kirche wird heute oft für Konzerte genutzt, beispielsweise durch die J. S. Bach-Stiftung.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Erwin Poeschel: Die Stadt St. Gallen: erster Teil. Band 2 der Reihe Die Kunstdenkmäler des Kantons St. Gallen. Birkhäuser 1957, S. 123–133.
- Peter Röllin, Daniel Studer: St. Gallen. In: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hrsg.): INSA Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850–1920. Band 8. Orell Füssli, Zürich 1996, ISBN 3-280-02410-2, Kirchgasse 17, S. 131, doi:10.5169/seals-9217 (e-periodica.ch).
- Die Kirche St. Mangen in St. Gallen. Zum Abschluss der Aussenrestaurierung 1979–1982 herausgegeben von der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde C. St. Gallen, 1983.
- Ann-Katrin Gässlein, Gregor Emmenegger (Hrsg.): Wiborada von St. Gallen. Neuentdeckung einer Heiligen. Reihe: Theologisch bedeutsame Orte der Schweiz. Band 2. Schwabe, Basel 2022, ISBN 978-3-7965-4500-9.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Liste der Sakralbauten in der Stadt St. Gallen
- Liste der Kulturgüter in St. Gallen
- Wiboradabrunnen (St. Gallen)
- Wiborada
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Gemas Vadian (II, S. 306 ) „in das Gloggenhus zu s. Mangen, das dozenmal mitten uf dem kilchendach stund und zerschitet es so gar, dass man es anders machen und zmmern musst“
- ↑ Darauf wird im Bettelbrief von 26. Oktober 1507 hingewiesen
- ↑ Wahrscheinlich durch Hansjörg Stehelin oder dessen Sohn Hans. Die Inschrift des Meister ist nur abgekürzt „H. St.“ erhalten.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Ablassbrief vom 16. November 1388. Kopie im Staatsarchiv Tr. XVII, 23a
- ↑ Joachim Watt (Vadian) Deutsche, historische Schriften, herausgegeben von E.Goetzinger, 3 Bände (St. Gallen 1875–1879)
- ↑ Magnus Hetzer genannt Ratz, Ratsherr
- ↑ Ann-Katrin Gässlein und Gregor Emmenegger: Die erste Schweizer Heilige – eine Neuentdeckung. In: Ann-Katrin Gässlein und Gregor Emmenegger (Hrsg.): Wiborada von St. Gallen. Schwabe Verlag, Basel 2022, ISBN 978-3-7965-4500-9, S. 9–26.
- ↑ Julia Nehmiz: St.Galler Wiborada-Projekt: Zu Besuch bei den Eingeschlossenen. In: tagblatt.ch. 27. Mai 2021, abgerufen am 19. Mai 2023.
- ↑ Diana Hagmann-Bula: St. Galler Heilige – Das Fenster zum heiligen Fenster: Hier lassen sich bald zehn Frauen und Männer wie Wiborada einschliessen. In: tagblatt.ch. 19. März 2021, abgerufen am 19. Mai 2023.
- ↑ Julia Nehmiz: St. Galler Wiborada-Projekt wird bis 2026 weitergeführt. In: tagblatt.ch. 21. April 2022, abgerufen am 19. Mai 2023.
- ↑ Ref. Kirche St. Mangen St. Gallen SG. In: Orgelverzeichnis Schweiz-Liechtenstein. Abgerufen am 25. August 2019.
- ↑ St. Gallen, St. Mangen. In: Organ Index. Abgerufen am 19. Januar 2024.
Koordinaten: 47° 25′ 39,7″ N, 9° 22′ 34,1″ O; CH1903: 746171 / 254792