Filmkanon

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Ein Filmkanon oder filmischer Kanon, abgeleitet von griech. kanon = Richtschnur, Maßstab, bezeichnet in der allgemeinen Bedeutung eine als allgemeingültig und dauerhaft verbindlich gedachte Auswahl von Werken des Films, die als mustergültig angesehen werden.[1][2][3]

Filmkanon der Bundeszentrale für politische Bildung (2003)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Filmkanon der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) wurde im Jahr 2003 von einer Expertenkommission (bestehend aus 13 Männern und 5 Frauen) mit dem Ziel einer verbesserten schulischen Vermittlung von Filmkompetenz erarbeitet. Dazu wurden von den Mitgliedern der Kommission[4] 33 Spielfilme und zwei Dokumentarfilme ausgewählt.

Vor dem Hintergrund der in Deutschland bisher – etwa im Vergleich zu Frankreich – eher nachrangigen Behandlung der Kunstform Film im Schulunterricht entschloss sich die bpb im Jahre 2003 zur Erarbeitung des Kanons.

„Obwohl das bewegte Bild das Leitmedium des 20. Jahrhunderts ist, findet es in den Schulen noch immer nicht die ihm angemessene Bedeutung im Gegensatz zur Literatur“

Thomas Krüger: Präsident der bpb [5]

Der Filmkanon soll als exemplarisches Angebot die Auseinandersetzung mit dem Thema Film in Schulen ermöglichen. Zu allen Filmen wurden und werden von der bpb begleitende Filmhefte erarbeitet. Die Auswahl der Filme im Filmkanon wird durch Filmhefte ergänzt, die zu aktuellen Filmen erschienen sind.

Die 35 Filme entstammen einem Zeitraum von rund achtzig Jahren: Aus jedem Jahrzehnt seit den 1920er Jahren wurden mindestens drei Filme ausgewählt. Mit 13 Titeln bilden US-amerikanische Filme mehr als ein Drittel des Kanons. Deutschland (7), Frankreich (5) und Italien (3) sind die Hauptvertreter Europas. Thematisch bewegt sich der Kanon von Kinderfilm über die Komödie bis hin zur Science Fiction, wenige Vertreter von Dokumentarfilm und Avantgardefilm, zwei Musicals, ein Western und ein Zeichentrickfilm ergänzen die überwiegend aus Spielfilmen bestehende Liste. Die Mehrzahl der Filme ist dem Autorenfilm zuzurechnen. Es handelt sich lediglich um eine streng begrenzte Auswahl, so ist eine Reihe namhafter Regisseure nicht vertreten (z. B. Ingmar Bergman, Jean Renoir und Yasujiro Ozu).

Die Kommission bestand aus Andreas Dresen, Dominik Graf, Erika Gregor, Alfred Holighaus, Thomas Koebner, Eva Matlok, Katja Nicodemus, Christian Petzold, Hans Helmut Prinzler, Uschi Reich, Rainer Rother, Volker Schlöndorff, Reinhold T. Schöffel, Ruth Toma, Tom Tykwer, Andres Veiel, Burkhard Voiges und Horst Walther.[6]

Zugang zu den Filmen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Grundgedanke des Auswahlgremiums war, dass die genannten Kinofilme auch in Kinos gezeigt werden sollten, beispielsweise im Rahmen von speziellen Schülervorstellungen. Noch sind allerdings nicht alle ausgewählten Werke als Kinokopie verfügbar.

Einige kommunale Kinos bieten die Filme in dieser Form an, einige ergänzen die Vorstellungen für Schüler durch spezielle Veranstaltungen zur Lehrerfortbildung (andere kommunale Kinos zeigen einen selbst ausgewählten Gegen-Kanon).

Kritik am Filmkanon der Bundeszentrale für politische Bildung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die deutsche Filmregisseurin Julia von Heinz kritisierte 2021 an dem Filmkanon, unter den 35 Werken der Liste fänden sich nur Werke von Männern und kein einziger Film von einer Frau: „Ich denke, dass sich die Diversität des weltweiten Filmschaffens in dieser Liste nicht mehr wiederfindet.“[7] Der Filmkanon der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) erhebe den Anspruch, die Filmkompetenz von Schülerinnen und Schülern zu stärken, daher forderte Julia von Heinz, die für Schulen gedachte Empfehlung aus dem Jahr 2003 unbedingt zu überarbeiten. Sie plädierte dafür, Filme wie „Das Piano“ von Jane Campion, „Die bleierne Zeit“ von Margarethe von Trotta oder die Werke von Maren Ade, die unter anderem für die Tragikomödie „Toni Erdmann“ gefeiert wurde, in den Kanon aufzunehmen. „Es fängt damit an, dass junge Frauen und Schülerinnen weibliche Vorbilder entdecken können nach dem Motto ‚Es gibt starke Regisseurinnen, hier sind ihre Filme‘“[8].

Liste der 35 Filme des Filmkanons (bpb, 2003)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kinderfilmkanon

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Bundesverband Jugend und Film und die Fachzeitschrift Kinder- und Jugendfilm-Korrespondenz haben auf Basis des Filmkanons der bpb unter Befragung von Experten einen Kinderfilmkanon speziell für Kinder zwischen 6 und 12 Jahren erstellt.[9] Er besteht aus 14 Filmen, von denen fünf auch im bpb-Filmkanon enthalten sind:

  1. Hans Jürgen Wulff: Kanon. In: Das Lexikon der Filmbegriffe. Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 23. März 2022, abgerufen am 8. März 2023.
  2. Heller, Heinz-B.: Kanonbildung und Filmgeschichtsschreibung. In: Knut Hickethier (Hrsg.): Filmgeschichte schreiben. Ansätze, Entwürfe und Methoden. Schriften der Gesellschaft für Film- und Fernsehwissenschaft. 2. Ed. Sigma, Berlin 1989, S. 125–133.
  3. Renate von Heydebrand (Hrsg.): Kanon – Macht – Kultur: theoretische, historische und soziale Aspekte ästhetischer Kanonbildungen. Germanistische Symposien. Berichtsbände. 19. Metzler, Stuttgart / Weimar 1998.
  4. Mitglieder der Kommission. In: bpb. 28. Juli 2003, abgerufen am 8. März 2023.
  5. Filmkanon, Bundeszentrale für politische Bildung, abgerufen am 19. Januar 2013.
  6. Mitglieder der Kommission, Bundeszentrale für politische Bildung, abgerufen am 19. Januar 2013.
  7. dpa: Kritik an Schul-Filmkanon: Nur Werke von Männern. In: Süddeutsche Zeitung. 20. April 2021, abgerufen am 8. März 2023.
  8. dpa: Kritik an Schul-Filmkanon: Nur Werke von Männern. In: Süddeutsche Zeitung. 20. April 2021, abgerufen am 8. März 2023.
  9. Den Schulfilm-Kanon um Filme für Kinder ergänzen!, Bundesverband Jugend und Film, abgerufen am 19. Januar 2013.